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Der Beruf und nicht das Alter ist entscheidend

Krankheitsbedingte Fehlzeiten hängen stark vom Beruf ab

Berlin. Wie lange Beschäftigte krankheitsbedingt fehlen, ist eng verknüpft mit der beruflichen Tätigkeit. Das zeigt eine aktuelle Analyse des Wissenschaftlichen Insti-tuts der AOK (WIdO) mit den AOK-Arbeitsunfähigkeitsdaten. So fehlten Arbeitneh-mer in den Berufen mit den höchsten Krankenständen im Jahr 2018 durchschnittlich 26,3 Tage. In den Berufen mit den niedrigsten Krankenständen waren es nur halb so viele, im Schnitt 12,8 Tage. Die geringsten Ausfallzeiten hatten mit 4,6 Tagen Beschäf-tigte in den Berufen der Hochschullehre und -forschung, die höchsten Werte hatten Beschäftigte in der Ver- und Entsorgung mit 32,5 Tagen. „Jeder Beruf beinhaltet ein spezifisches gesundheitliches Risikoprofil. Präventionsangebote im Betrieb müssen daher immer auf die jeweilige Berufsgruppe angepasst werden“, so Helmut Schröder, stellvertretender Geschäftsführer des WIdO.

Die Analyse des WIdO zeigt, wie stark der ausgeübte Beruf sowohl den Umfang krankheitsbedingter Fehlzeiten als auch die Art der Erkrankung beeinflusst. Den Spitzenplatz bei den Krankheitstagen nahmen 2018 Berufsgrup-pen aus den Bereichen Ver- und Entsorgung mit 32,5 Fehltagen pro Jahr ein, gefolgt von den Straßen- und Tun-nelwärtern mit 31,4 Fehltagen und den Berufen in der industriellen Gießerei mit 30 Fehltagen. Diese Berufsgrup-pen haben hohe körperliche Arbeitsbelastungen (Abbildung 1). Die niedrigsten Fehlzeiten hingegen hatten im gleichen Jahr Berufe in der Hochschullehre und -forschung mit lediglich 4,6 Fehltagen, gefolgt von den Berufen in der Softwareentwicklung mit 7,7 Fehltagen.
Vergleicht man alle erwerbstätigen AOK-Mitglieder miteinander, so zeigt sich, dass die 20 Prozent der AOK-ver-sicherten Beschäftigten in den Berufen mit den höchsten Fehlzeiten an durchschnittlich 26,3 Tagen krankheits-bedingt nicht arbeiten konnten, bei den 20 Prozent mit den geringsten Fehlzeiten waren es weniger als die Hälfte – und zwar nur 12,8 Tage (Abbildung 2). Ein deutlicher Unterschied zwischen diesen extremen Quintilen, die jeweils 2,5 Millionen AOK-Mitglieder in den betroffenen Berufen umfassen, bleibt auch erhalten, wenn die Al-tersunterschiede bei den beiden extremen Quintilen statistisch ausgeglichen werden. Bei den Berufsgruppen mit den meisten krankheitsbedingten Fehlzeiten bleiben es dann immer noch 25,5 Fehltage, bei den mit den wenigs-ten sind es nur 13,6 Fehltage. Dies macht deutlich, dass die Art der beruflichen Tätigkeit die Fehlzeiten stärker als das Alter beeinflusst. „In Zeiten des Fachkräftemangels unterstützen bereits heute viele Unternehmen ihre Beschäftigten dabei, möglichst lange gesund im Betrieb zu bleiben. Hierzu sind auch altersgerechte Arbeitsbe-dingungen notwendig, die insbesondere den spezifischen Bedürfnissen älterer Beschäftigter Rechnung tragen“, so Schröder.
Wie sehr die berufsspezifischen Anforderungen die Art der Erkrankung beeinflussen, zeigt sich unter anderem beim Vergleich der Muskel-Skelett-Erkrankungen. Diese treten bei Berufen mit körperlich belastenden Tätigkei-ten besonders häufig auf. So wiesen Beschäftigte in den Berufen der Ver- und Entsorgung im Jahr 2018 durch-schnittlich 11,6 Fehltage und Straßen- und Tunnelwärter durchschnittlich 11,4 Fehltage aufgrund von Muskel-Skelett-Erkrankungen auf. Über alle Berufe hinweg sind es bei den AOK-Mitgliedern hingegen nur 5,8 Fehltage (Abbildung 3).
Überdurchschnittlich viele Fehltage aufgrund von psychischen Erkrankungen finden sich dagegen eher in den dienstleistungsorientierten Berufen: Auffällig sind hier insbesondere die Berufe im Dialogmarketing, zu denen Beschäftigte im Callcenter gehören. Jeder Beschäftigte in diesem Beruf fehlt durchschnittlich 7,1 Tage aufgrund einer psychischen Erkrankung. Auch Berufe in der Haus- und Familienpflege und in der Altenpflege sind hohen psychischen Belastungen ausgesetzt. Hier fehlte jeder Beschäftigte im Schnitt 6,3 bzw. 6,0 Tage aufgrund einer psychischen Erkrankung. Der Durchschnitt über alle Berufe lag bei 3,0 Fehltagen.

Berufsgruppen mit hohen und niedrigen Fehlzeiten

Abbildung 1: Zehn Berufsgruppen mit den höchsten und niedrigsten Fehlzeiten je AOK-Mitglied im Jahr 2018; berücksichtigt wurden alle Berufe, deren Anzahl mindestens 0,1 % der AOK-Mitglieder aufweisen

Erkältungswelle lässt Krankenstand steigen

Insgesamt ist der Krankenstand im Jahr 2018 um 0,2 Prozentpunkte auf 5,5 Prozent angestiegen. Damit hat jeder AOK-versicherte Beschäftigte im Durchschnitt 19,9 Tage aufgrund einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbeschei-nigung im Betrieb gefehlt (2017: 19,4 Tage). Nachdem bereits 2017 eine Erkältungswelle zu beobachten war, hat die erneute Erkältungswelle Anfang des Jahres 2018 zu weiter steigenden Fehlzeiten geführt (Abbildung 5). Die Anzahl der Arbeitsunfähigkeitstage aufgrund von akuten Infektionen der oberen Atemwege – hierunter fallen die Erkältungskrankheiten – stieg dabei um 10,5 Prozent (0,2 Tage) im Vergleich zum Vorjahr an Arbeitnehmer, die viel Kontakt mit anderen Menschen haben, beispielsweise in einem Großraumbüro oder in sozialen Berufen, sind besonders gefährdet. Sie waren 2018 auffallend oft von akuten Erkältungskrankheiten betroffen (Abbildung 7). Callcenter-Mitarbeiter im Dialogmarketing belegen mit 4,8 erkältungsbedingten Fehlta-gen den Spitzenplatz, gefolgt von den Beschäftigten in der Kinderbetreuung und -erziehung (3,6 Fehltage).
Auch psychische Erkrankungen haben die Fehltage 2018 weiter ansteigen lassen. Gegenüber dem Vorjahr stieg die Zahl der Fehltage um 2,7 Prozent (0,1 Tage) (Abbildung 6). Mit 26,3 Tagen je Fall dauerten psychische Er-krankungen außerdem mehr als doppelt so lange wie der Durchschnitt mit 11,8 Tagen je Fall.
Der Analyse des WIdO liegen die Daten von knapp 14 Millionen AOK-versicherten Arbeitnehmern zugrunde, die 2018 in mehr als 1,6 Millionen Betrieben tätig waren.

Durchschnittlich mehr als doppelt so hohe Fehlzeiten bei Beschäftigten in Berufs-gruppen mit den meisten krankheitsbedingten Fehltagen

Durchschnittliche Arbeitsunfähigkeitstage je AOK-Mitglied nach Quintilen: Darstellung der je-weils 20 Prozent der Beschäftigten in Berufen mit den höchsten und niedrigsten Krankenständen 2018; be-rücksichtigt wurden alle Berufe, deren Anzahl mindestens 0,1 % der AOK-Mitglieder aufweisen

Dienstleistungsorientierte Berufe führen vermehrt zu psychischen Erkrankungen

Psychische Erkrankungen nach Berufen 2018; berücksichtigt wurden alle Berufe, deren Anzahl mindestens 0,1 % der AOK-Mitglieder aufweisen

Krankenstand gestiegen

Entwicklung des Krankenstandes und der Arbeitsunfähigkeitstage pro Mitglied, AOK-Mitglieder 2008 bis 2018

Ernährung und Lebensstil signifikante Risikofaktoren

Das erste Kochbuch, das zur Brustkrebsvorsorge und Therapiebegleitung dienen soll

Brustkrebs ist eine der häufigsten Krebserkrankungen und betrifft 1 von 10 Frauen in Deutschland. Es ist bekannt, dass Ernährung und Lebensstil signifikante Risikofaktoren bei der Entwicklung der Krankheit darstellen. Eine spezielle Ernährung kann das Risiko von Brustkrebs daher reduzieren sowie die Heilungschancen für Frauen während der Therapie und der Nachsorge erhöhen. Der renommierte Brustkrebs-Spezialist aus England, Professor Mohammed Keshtgar, zeigt in diesem fundierten Kochbuch, welche Lebensmittel Betroffene ausreichend zu sich nehmen, vermeiden oder nur in Maßen essen sollten. Basierend auf seiner langen wissenschaftlichen Expertise sowie klinischen Erfahrung stellt der Onkologe über 100 heilsame Rezepte vor, die zur Stärkung des Immunsystems, zur Entzündungshemmung oder Proteinversorgung beitragen. Sie werden ergänzt um Hintergrundinformationen über die neuesten Forschungsergebnisse zur Wirkung von Lebensmitteln speziell bei Krebs.

(c) Kokos-Fisch-Curry mit Blumenkohlreis

(c) Kokos-Fisch-Curry mit Blumenkohlreis

 

Griechischer Salat mit Wassermelone (c) Jan Baldwin

Griechischer Salat mit Wassermelone
(c) Jan Baldwin

Brustkrebs-Spezialist Professor Mohammed Keshtgar erklärt in seinem neuen Buch leicht verständlich und wissenschaftlich fundiert, welche Faktoren unseres Lebensstils und welche Ernährung einen positiven Einfluss auf Prävention, Therapie und Nachsorge von Brustkrebs haben können. Dazu gehört etwa der Konsum von Phytoöstrogenen, die auf natürliche Weise den Hormonhaushalt regulieren. Im Mittelpunkt des Kochbuchs stehen 100 schmackhafte, leicht zuzubereitende und gesunde Rezepte, von Frühstück, Suppen und Salaten, über Fisch, Meeresfrüchte, Geflügel und Fleisch bis zu vegetarischen Gerichten, Süßem und Getränken. Außerdem präsentiert Professor Kesthgar zusätzliche Ernährungstipps zu einzelnen Lebensmitteln wie zum Beispiel Tomaten, die als Entzündungshemmer eingesetzt werden, oder Lachs, der als natürlicher Helfer bei der Chemotherapie gereicht wird. Ein rundum kompetentes Kochbuch und ein wertvoller Begleiter mit praktischen Hilfestellungen.

Prof. Mohammed Keshtgar

Prof. Mohammed Keshtgar

Prof. Mohammed Keshtgar war chirurgischer Onkologe, spezialisiert auf die Behandlung von Brustkrebs am Royal Free und Whittington Hospitals in London. Er war ein führender Forscher in diesem Bereich und leistete Pionierarbeit in der Durchführung von Studien über die Ursachen der Krebserkrankung sowie in der Behandlung mit neuen Methoden. Er hat dieses Buch mit seinem Team von Expertinnen, der Ernährungswissenschaftlerin Dr. Claire Robertson, der Biochemikerin Dr. Miriam Dwek und der Hauswirtschaftsökonomin Emily Jonzen, geschrieben. Prof. Mohammed Keshtgar ist Ende 2017 verstorben

„Return to play“

„Return to play“ – Wann ist der richtige Zeitpunkt?
Sportlicher Wiedereinstieg nach Verletzung häufig zu früh

Berlin – Nach dem Kreuzbandriss sechs bis neun Monate pausieren – das ist die allgemein gültige Regel. Die meisten Hobby- aber auch Spitzensportler halten sich nicht an diese Empfehlung und steigen zu früh wieder ins Training ein. Oder ihre Verletzung ist in der vorgegebenen Spanne noch nicht ausgeheilt. Aussagekräftiger als die zeitliche Faustregel sind Muskelfunktionstests. Denn sie ermitteln auch das Risiko einer neuerlichen Knieverletzung. Wie ein solcher „Return to play“-Test funktioniert und warum er auch als Präventionsmaßnahme sinnvoll ist, diskutieren Experten am 20. Oktober 2015 im Rahmen des Deutschen Kongresses für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU) in Berlin.

Nach einer Kreuzband-OP zeigen sich Defizite bei Muskelaktivitäten in Knie, Hüfte und Knöchel – teilweise sogar noch bis zu fünf Jahre nach der Operation. „Viel zu häufig kehren verletzte Sportler zu früh ins Training oder den Wettkampf zurück“, erklärt Privatdozent Dr. med. Thore Zantop, Unfallchirurg und ehemaliger Leistungssportler der Handballbundesliga. Das kann weitere Verletzungen etwa am Meniskus ebenso wie eine neuerliche Kreuzbandruptur zur Folge haben. Die Rückfallrate beim Riss des vorderen Kreuzbandes liegt für das operierte sowie das andere Knie zwischen 3 und 49 Prozent. „Für Leistungssportler bedeutet ein zu früher Trainings-Einsatz nach einer Verletzung nicht selten das Ende der Wettkampfkarriere“, mahnt Professor Dr. med. Michael Nerlich, Direktor der Klinik für Unfallchirurgie am Universitätsklinikum Regensburg und Kongresspräsident des DKOU 2015, „denn nach erneuter langer Verletzung ist irgendwann der Zug abgefahren.“

Bewegungsanalyse,

a) Einbeinige Kniebeuge als Provokationstest einer funktionellen X-Beinstellung
b) 3D Bewegungsanalyse mit Hilfe des Avatar zeigt sich bei schneller Richtungsänderung eine verletzungsanfällige Beinachse mit Fußaußenrotration, funktionellen Valgus und geringer Flexion
c) Auswertungsbildschirm in Echtzeit bei einer Speedcourt-Analyse 6 Monate nach
VKB Rekonstruktion: Winkelstellung der Gelenke, Visuelle Bewegungsanalyse, Avatar und plantare Druckmessverteilung

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Fast immer entscheide allein der Zeitfaktor über die Rückkehr auf den Sportplatz, kritisiert Zantop, „meist in Zusammenhang mit einer Beweglichkeitsprüfung oder dem Lachman-Test.“ Nur zwei von fünf der in einer Studie berücksichtigten Operateure (insgesamt: 260) führten einen Muskelfunktionstest durch. „Eine Überprüfung der passiven Stabilisatoren, bei der der Arzt das Knie bewegt und nicht der Patient selbst, reicht aber nicht aus“, betont Zantop im Vorfeld des DKOU. Zudem seien die Anforderungen an die Kniemuskulatur und die Bewegungsmuster je nach Sportart unterschiedlich. Daher überprüft der von Zantop mitentwickelte „Return to play“-Test nicht nur die Muskelstärke, sondern erstellt auch eine Art Bewegungsanalyse. Dabei geht es unter anderem darum, Schwachstellen wie eine falsche Sprung- oder Lauftechnik zu ermitteln.

Der Knieexperte empfiehlt den Test, der etwa anderthalb Stunden dauert, auch zur Prävention. „Studien haben gezeigt, dass Stabilisations- und Kräftigungsübungen oder angepasste Bewegungsabläufe wie das Landen mit dem gebeugten statt dem gestreckten Knie das Verletzungsrisiko deutlich senken können“, betont er. Als Beispiel hebt er die häufige X-Bein-Stellung bei Sportlerinnen hervor, die die Bandstrukturen des Kniegelenkes unnötig belastet. „Der Test ermöglicht es, verletzungsanfällige Sportler, gerade auch bei Jugendlichen, zu identifizieren.“

Eine Ruptur des Kreuzbandes, vor allem des vorderen, gehört zu den häufigsten Sportverletzungen. Der Anteil von Kniegelenksschäden insgesamt liegt bei etwa 18 Prozent; ein großer Teil davon geht auf das Konto von Kreuzbandrissen. Hochrisikosportarten sind Fuß-, Hand- und Basketball sowie alpiner Skilauf. Und nicht zu vergessen die vielen Fahrrad- und Motorradunfälle.

Ich empfehle nach der Genesung „Feldenkrais“. Hier lernt man die gesunden Bewegungsabläufe auf schonende Weise. Feldenkraiskurse gibt es in fast jeder Stadt. Und meist sind sie sehr preisgünstig. Leider übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen die Kursgebühren bislang nicht.

Ich hätte heute ohne das jahrzehntelange Feldenkraistraining ein steifes Kniegelenk, da die Ärzte damals das Bein nach der Kreuzband-OP zu lange eingegipst hatten. Anstatt auf langsamen Bewegungsaufbau zu setzen, wurde das Bein in örtlicher Betäubung durchgebeugt. Dabei ist das vordere Kreuzband erneut gerissen. Daraufhin habe ich die Sache selbst in die Hand genommen. Einem speziellen Schmerztraining, Akupunktur und Feldenkrais verdanke ich, dass mein Knie – wenn auch mit Einschränkungen – beweglich ist. Obwohl die gesetzliche Unfallversicherung dadurch einen finanziellen Vorteil hat, durfte und darf ich die Kosten selbst tragen. 

R.H.

 

Übergewicht und Bewegungsmangel

Den Tsunami der chronischen Krankheiten stoppen
Vier Maßnahmen für eine wirkungsvolle und bevölkerungsweite Prävention

Berlin, 12. November 2014 – Übergewicht und Bewegungsmangel gehören zu den Hauptursachen für nicht übertragbare Krankheiten. Ob Bluthochdruck, Schlaganfall, Typ-2-Diabetes, Krebs, Herz-Kreislauf- oder Atemwegserkrankungen, sie stehen in direktem Zusammenhang mit diesen Risikofaktoren. Um die Zunahme dieser Leiden zu stoppen, fordert die Deutsche Allianz gegen Nichtübertragbare Krankheiten (NCD Allianz) die politisch Verantwortlichen in Deutschland auf, wirksame Maßnahmen zu ergreifen. Dazu gehören täglich mindestens eine Stunde Sport in Kita und Schule, eine Zucker-/Fettsteuer auf ungesunde Lebensmittel und die steuerliche Entlastung gesunder Lebensmittel, verbindliche Qualitätsstandards für die Schulverpflegung und ein Verbot von Lebensmittelwerbung, die sich an Kinder richtet. Prominente wie Eckart von Hirschhausen und Matthias Steiner stellen dieses Vier-Punkte-Programm zusammen mit Experten am 12.  November in Berlin vor.

Über die Hälfte der Erwachsenen und fünfzehn Prozent der Drei- bis Siebzehnjährigen in Deutschland sind übergewichtig, ein knappes Viertel der Erwachsenen und sechs Prozent der Kinder und Jugendlichen sogar adipös – Tendenz steigend. Sie haben ein hohes Risiko, in der Folge ihres Übergewichts auch an Diabetes, Krebs, Herzinfarkt, Schlaganfall, Bluthochdruck oder Atemwegsleiden zu erkranken. In Europa verursachen diese chronischen Krankheiten bereits 86 Prozent der vorzeitigen Todesfälle und 77 Prozent der Krankheitslast. Dies führt nicht nur zu großem Leid, sondern auch zu Kosten in mehrstelliger Milliardenhöhe.

Um die Zunahme dieser Erkrankungen zu stoppen, fordert die NCD Allianz daher Bund und Länder auf, endlich wirkungsvolle Maßnahmen einzuleiten. „Es gibt hunderte von Präventionsangeboten in Deutschland. Sie haben den Tsunami der chronischen Krankheiten nicht aufhalten können. Appelle an die Vernunft des Einzelnen sind gescheitert“, erklärt Dr. Dietrich Garlichs, Sprecher der Allianz. „Wir müssen wegkommen von der bisherigen ‚Projektitis‘ hin zu Strukturlösungen, die einen gesunden Lebensstil fördern“, so Garlichs. Zu diesem Zweck hat die Allianz ein Vier-Punkte-Programm formuliert, das auch bildungsferne Schichten erreicht, die besonders von den chronischen Krankheiten betroffen sind und die von den bisherigen Angeboten nicht
erreicht werden.

(1)  Täglich mindestens eine Stunde Bewegung (Sport) in Kita und Schule
Der Lebensstil wird in jungen Jahren geprägt. Kinder bewegen sich heute viel zu wenig. Dabei ist Bewegung für ein ausgewogenes Verhältnis von Energieaufnahme und Energieverbrauch sehr wichtig: Täglich 60 bis 90 Minuten moderate Aktivität steigern den Energieverbrauch um rund zehn Prozent und verhindern dadurch eine Gewichtszunahme – dies wird schon durch strammes Spazierengehen oder Fahrrad fahren erreicht. Deshalb gehört eine Stunde Sport täglich auf den Stundenplan für Schulen und Kitas, da nur dort alle Kinder und Jugendlichen erreicht werden.

(2)  Adipogene Lebensmittel besteuern und gesunde Lebensmittel entlasten (Zucker-/Fettsteuer)
Der Lebensmittelpreis kann das Verbraucherverhalten stark beeinflussen.  Wir essen heute doppelt so viel Zucker, Fett und Salz, als uns gut täte. Wenn in Lebensmitteln ein bestimmter Anteil an Fett, Zucker oder Salz überschritten wird, sollten sie durch eine Steuer verteuert werden. Entsprechend sollten gesunde Lebensmittel verbilligt werden. Länder wie Dänemark, Ungarn, Finnland und Frankreich haben bereits differenzierte Lebensmittelsteuern eingeführt. Selbst die nach kurzer Zeit in Dänemark aus koalitionspolitischen Gründen wieder abgeschaffte Fettsteuer senkte den Konsum stark fetthaltiger Produkte um 10 bis 20 Prozent.

Wie erfolgreich Preissignale sein können, haben auch die Erfahrungen mit den Tabaksteuererhöhungen in Deutschland gezeigt. Erst durch sie konnte der Anteil der rauchenden Jugendlichen in den letzten zehn Jahren halbiert werden. Dagegen haben die Informations- und Aufklärungsprogramme an Schulen kaum einen Effekt gehabt.

(3)  Verbindliche Qualitätsstandards für Kita- und Schulverpflegung
Kita und Schule können beim gesunden Aufwachsen von Kindern eine wichtige Rolle übernehmen, da sie sich mit zunehmendem Nachmittagsunterricht und dem steigenden Anteil an Ganztagesschulen immer mehr zum zentralen Lebensraum von Kindern und Jugendlichen entwickeln. Infolgedessen essen Kinder auch immer häufiger in der Schule. Die Zusammensetzung und Qualität des täglichen Essens beeinflusst nicht nur die körperliche und geistige Entwicklung der Kinder und Jugendlichen, sondern bestimmt auch maßgeblich, wie sich ihr Ernährungsverhalten bis ins Erwachsenenalter ausbildet und verfestigt. Die Schulverpflegung spielt daher nicht nur eine zentrale Rolle in der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen, sondern kann auch einen nachhaltigen Beitrag zum Gesundheitsverhalten in der Bevölkerung insgesamt leisten.

(4)  Verbot von an Kinder gerichtete Lebensmittelwerbung
Die Lebensmittelindustrie bewirbt fast ausschließlich ungesunde Nahrungsmittel, die viel Zucker, Fett oder Salz enthalten und welche die Entstehung von Übergewicht fördern; dazu gehören Süßwaren, stark zuckerhaltige Frühstückscerealien, Milchprodukte und Softdrinks sowie fett- und salzreiche Knabberwaren.  Da die Ernährungsgewohnheiten in Kindheit und Jugend geprägt und dann zu einem hohen Grad im Erwachsenenalter beibehalten werden, versucht die Lebensmittelindustrie, Kinder als Kunden von morgen mit Hilfe spezieller Kinderprodukte und entsprechender Werbung frühzeitig an Marken und Produkte zu binden.
Kinder können häufig Werbebotschaften als solche nicht erkennen. Daten belegen, dass Kindermarketing das Risiko erhöht, überschüssiges Gewicht zuzulegen. Freiwillige Selbstverpflichtungen der Industrie haben sich als wirkungslos erwiesen.

Dr. med. Eckart von Hirschhausen, ehemaliger Arzt an der Kinderklinik der Freien Universität Berlin, unterstützt das Anliegen der Allianz. „In Kindergärten und Schulen entscheidet sich für das Leben, ob man seinen Körper verstehen und lieben lernt. Und weil ein gesundes Selbstvertrauen, Neugier und Freude die besten Garanten für ein glückliches und gesundes Leben sind, ist es höchste Zeit, dass die Mediziner, Pädagogen und Erzieher moderne und praxiserprobte Konzepte an die Hand bekommen“, meint der Komiker und Moderator. Auch Matthias Steiner, Olympiasieger im Gewichtheben und Buchautor, findet den Ansatz richtig: „Sport oder – für weniger Ambitionierte: tägliche Bewegung – ist der richtige Hebel, um das Verhältnis von Energiezufuhr und –verbrauch in eine stabile Balance zu bringen.“

Die vier Maßnahmen werden auch von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Globalen Aktionsplan gegen nichtübertragbare Krankheiten 2013-2020 empfohlen. Mit der politischen Deklaration des ersten UN-Gipfels zur Prävention und Kontrolle nichtübertragbarer Krankheiten 2011 und der Annahme des Globalen NCD-Aktionsplans bei der Weltgesundheitsversammlung 2013 ist Deutschland die Selbstverpflichtung eingegangen, die empfohlenen Politikstrategien umzusetzen. „Nun müssen die Verantwortlichen endlich handeln!“, fordert Garlichs.

Quelle:
Strategiepapier der Arbeitsgruppe Adipositasprävention in der Deutschen Allianz gegen Nichtübertragbare Krankheiten (NCD Allianz). Berlin. November 2014.

Welt-Aids-Konferenz in Melbourne

Deutsche AIDS-Hilfe zur Welt-Aids-Konferenz: Diskriminierungsfreie Prävention und Versorgung jetzt!

Die am stärksten von HIV bedrohten Gruppen erhalten in den meisten Ländern keine angemessene Prävention und Gesundheitsversorgung.

Die Deutsche AIDS-Hilfe (DAH) teilt die Einschätzung der WHO, dass hier dringender Handlungsbedarf besteht, und stellt dieses Thema bei der Welt-Aids-Konferenz in Melbourne ins Zentrum ihrer Aktivitäten. Auch in Deutschland gibt es in diesem Bereich noch Defizite.

Ausgrenzung macht Prävention unmöglich

Zu den genannten Gruppen mit besonders hohem HIV-Risiko zählen vor allem Schwule und andere Männer, die Sex mit Männern haben, Drogenkonsumenten, Menschen in Haft, Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter sowie Menschen mit Trans*-Identität, die in vielen Ländern schwerer Diskriminierung ausgesetzt sind. Das gilt zum Beispiel in Osteuropa und Zentralasien, wo die Infektionszahlen zurzeit steigen.

Dazu sagt DAH-Vorstandsmitglied Carsten Schatz:

„Eine wirksame Prävention und Gesundheitsversorgung wird durch Ausgrenzung und Strafverfolgung unmöglich gemacht. Diskriminierung ist ein Motor der Epidemie und kostet viele Menschen Leben oder Gesundheit. Das Erfolgsrezept ist einfach: Wer die Menschenrechte achtet, hat auch Erfolg in der Prävention. Aus unserer 30-jährigen Arbeit wissen wir, welche Maßnahmen wirken. In Melbourne möchten wir anderen Ländern ein Beispiel geben und sie motivieren neue Wege zu beschreiten. Nur so lassen sich die Erfolge in den internationalen Bestrebungen gegen HIV und Aids fortsetzen. Dringend notwendig ist außerdem eine noch bessere Versorgung mit HIV-Medikamenten.“

Weltweit brauchen mehr als sechs Millionen Menschen dringend eine HIV-Therapie, haben aber keinen Zugang zu den lebensrettenden Medikamenten. Zu einer so genannten Postexpositionsprophylaxe, die eine Infektion nach einem Risiko noch verhindern kann, haben weltweit nur relativ wenige Menschen Zugang.

Maßnahmen für die am stärksten Bedrohten

Wie die am stärksten betroffenen Gruppen versorgt werden können, verdeutlicht die Deutsche AIDS-Hilfe in Melbourne anhand ihrer „Wussten Sie eigentlich?“-Kampagne mit Lebensgeschichten von Menschen aus allen genannten Zielgruppen. Die Kampagnenwebsite ist anlässlich der Welt-Aids-Konferenz jetzt auch auf Englisch verfügbar.

Zueiner angemessenen Versorgung gehören neben Informationen in der Sprache der Zielgruppe und Material (wie zum Beispiel Spritzen für den Drogenkonsum) zum Beispiel diskriminierungsfreie Beratungs- und Testangebote.

Verwurzelung der Prävention in der Selbsthilfe

Schatz weiter: „Das Erfolgsgeheimnis der deutschen HIV-Prävention für die am stärksten betroffenen Gruppen ist die Verwurzelung in der Selbsthilfe und das klare Bekenntnis gegen Diskriminierung. HIV-Prävention muss die Lebensweisen ihrer Zielgruppen respektieren und ihnen anbieten, was sie brauchen, um sich zu schützen. Dieses Vorgehen hat ermöglicht, dass die Zahl der Neuinfektionen in Deutschland im internationalen Vergleich niedrig ist.“

Die Deutsche AIDS-Hilfe wird für diese Prävention vom Bundesgesundheitsministerium gefördert. Mit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, die diese Förderung umsetzt, besteht eine erfolgreiche Arbeitsteilung.

Missstände auch in Deutschland

Doch auch in Deutschland gibt es noch erhebliche Defizite: Drogenkonsumräume, die nachweislich Leben retten, gibt es nur in sechs Bundesländern. Spritzenvergabe für Drogenkonsumenten in Haftanstalten wird – mit Ausnahme einer einzigen Haftanstalt – überhaupt nicht angeboten. Zugleich beobachten wir mit großer Sorge einen Trend zu stärkerer Repression gegen Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter in Europa.

Die DAH in Melbourne

Die Deutsche AIDS-Hilfe ist in Melbourne mit einer neunköpfigen Delegation vertreten, zu der auch Menschen mit HIV beziehungsweise aus den oben genannten Gruppen zählen.

Kampagne „Wussten Sie eigentlich?“

Englische Version „Did you know?“

Pressemitteilung der WHO

www.aidshilfe.de

Immer mehr Menschen erkranken bereits im Kindes- und Jugendalter an Diabetes.

Immer mehr Kinder in den USA erkranken an Diabetes
Deutsche Diabetes Gesellschaft fordert frühe Prävention in Schule und Kindergarten

Berlin – Immer mehr Menschen erkranken bereits im Kindes- und Jugendalter an Diabetes. Dies sind hauptsächlich Kinder mit Typ-1-Diabetes infolge einer Autoimmunerkrankung. Jedoch dürfte auch die Zahl der Kinder steigen, die aufgrund von Fettleibigkeit und Bewegungsmangel einen Typ-2-Diabetes entwickeln, warnt die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG). Die Befürchtung der Fachgesellschaft gründet sich auf aktuelle Trends in den USA. Dort ist die Zahl der Erkrankungen an Typ-2-Diabetes bei Kindern und Jugendlichen einer neuen Studie zufolge innerhalb von nur acht Jahren um 31 Prozent gestiegen. „Um eine solche Entwicklung in Deutschland zu verhindern, brauchen wir mehr frühe Prävention schon in Kindergarten und Schule“, erklärt Privatdozent Dr. med. Erhard Siegel, Präsident der DDG.

Diese alarmierenden Zahlen berichtete die Studiengruppe SEARCH for Diabetes in Youth jüngst im Journal of the American Medical Association (JAMA). Die Wissenschaftler hatten die Häufigkeit für den Typ-2-Diabetes in den USA bei Kindern und Jugendlichen im Alter von zehn bis 19 Jahren für die Jahre 2001 bis 2009 untersucht. „Bewegungsmangel und Fehlernährung führen dazu, dass immer mehr Kinder fettleibig sind – und damit Gefahr laufen, an einem Typ-2-Diabetes zu erkranken“, erläutert Professor Dr. med. Thomas Danne, Kinderdiabetologe und Vorstandsvorsitzender von diabetesDE – Deutsche Diabetes Hilfe. Zwar ist dies in Deutschland derzeit nur selten der Fall, die Zahl der kindlichen Neuerkrankungen liegt bei etwa 200 pro Jahr. „Die Zahl könnte jedoch drastisch steigen, wenn sich die Trends in Deutschland in die gleiche Richtung entwickeln wie in den USA“, betont Danne. Hinweise darauf gibt es bereits – der Anteil der fettleibigen Kinder hat sich hierzulande von 1985 bis 2009 verdoppelt.

„Alle Kinder, die sich zu wenig bewegen und stark übergewichtig sind, laufen Gefahr, an Diabetes Typ 2 zu erkranken“, so Siegel. Eine detaillierte Auswertung der JAMA-Autoren zeigt, dass sich der größte Anstieg in den USA bei benachteiligten Minoritäten (Indianer, Schwarze) und Migranten (Hispanics) ereignete, während die Amerikaner europäischer Herkunft seltener erkranken. „Dies könnte unter Umständen damit zusammenhängen, dass in diesen Gruppen das Problembewusstsein für die Risikofaktoren geringer ausgeprägt ist“, so Danne. „Die Eltern sind stolz, ihren Kindern genügend Nahrung bieten zu können und freuen sich, wenn sie ‚wohlgenährt‘ sind.“

Um einer solchen Entwicklung wie in den USA vorzubeugen, ist nach Ansicht der DDG-Experten frühe Prävention schon in Kindergarten und Schule notwendig. „Wichtig wären jeden Tag eine Stunde Sport und kostenlose Wasserspender, um den Konsum zuckerhaltiger Softdrinks zu verringern“, erklärt DDG-Geschäftsführer Dr. Dietrich Garlichs. „Zugleich sollten wir – wie andere Länder auch – eine Zucker-Fett-Steuer auf ungesunde Lebensmittel einführen und andere Nahrungsmittel steuerlich entlasten, um eine gesunde Ernährung für die gesamte Bevölkerung zu erleichtern.“

Auch beim Typ-1-Diabetes verzeichnet die aktuelle US-Studie bei Kindern im Alter von 0 bis 19 Jahren für den untersuchten Zeitraum eine deutliche Zunahme um 21 Prozent. „Einen Anstieg beim kindlichen Typ-1-Diabetes bemerken wir seit längerem auch in Deutschland“, erläutert Professor Dr. med. Andreas Fritsche, Diabetologe an der Universität Tübingen. „Es wird erwartet, dass die Krankheitshäufigkeit von Typ-1-Diabetes bei Kindern unter fünfzehn Jahren bis zum Jahr 2020 um 70 Prozent steigen wird.“

Damit erkrankt in Deutschland mittlerweile eines von 800 Kindern am Typ-1-Diabetes. Derzeit gibt es etwa 30 500 Typ-1-Diabetespatienten im Alter von unter zwanzig Jahren. Neuere Forschungsergebnisse zeigen, dass die Erkrankung meistens in den ersten beiden Lebensjahren mit der Bildung von Antikörpern gegen jene Zellen beginnt, die das Hormon Insulin in der Bauchspeicheldrüse bilden. „Die genauen Gründe für die Attacke des Immunsystems gegen den eigenen Körper sind trotz intensiver Forschung weiterhin unklar“, so Fritsche.

Quellen:
JAMA 2014;311:1778-1786
http://jama.jamanetwork.com/article.aspx?articleid=1866098
Diabetes Gesundheitsbericht 2014
Diabetes bei Kindern und Jugendlichen
http://www.diabetesde.org/fileadmin/users/Patientenseite/PDFs_und_TEXTE/Infomaterial/Gesundheitsbericht_2014_kl.pdf