Wie bilden sich automatische Verhaltensweisen?

Elektrische Schwingungen in tiefer gelegenen Hirnstrukturen regeln Handlungsabläufe

Berlin, 25.08.2014 Wissenschaftler der Charité – Universitätsmedizin Berlin haben jetzt herausgefunden, welche Hirnstrukturen wiederkehrende Handlungsabläufe, wie Klavierspielen oder Fahrradfahren, steuern. Zudem konnten sie die zugrundeliegenden neuronalen Prozesse entschlüsseln. Die Ergebnisse der Studie sind in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Brain* veröffentlicht.

Ganz automatisch kann einmal gelerntes Verhalten wie Fahrradfahren oder Klavierspielen wiederholt werden. Die Fähigkeit des Menschen, eine Regelmäßigkeit in der Abfolge von Ereignissen erkennen, speichern und abrufen zu können, wird als sequentielles Verhalten bezeichnet. Dieses Verhalten besteht aus mehreren Einzelbewegungen, die in einer bestimmten zeitlichen Reihenfolge angeordnet sind und einen Anfangs- und einen Endpunkt haben.

Die Arbeitsgruppe Bewegungsstörungen von der Klinik für Neurologie am Campus Virchow-Klinikum der Charité hat am Beispiel von Parkinson-Patienten untersucht, welche neuronalen Aktivitätsmuster im Gehirn diese wiederkehrenden Handlungsabläufe bestimmen. Nach bisherigen Forschungserkenntnissen sind Parkinson-Patienten in ihrem sequentiellen Verhalten beeinträchtigt, was sich zum Beispiel in Starthemmungen beim Laufen äußert. Verantwortlich dafür sind tiefer gelegene Kerngebiete im Gehirn, die sogenannten Basalganglien, denn sie steuern die Bewegungsabläufe.

»In unserer Studie haben wir nun erstmals untersucht, welche neuronalen Prozesse der Basalganglien beim Menschen Einfluss auf das sequentielle Verhalten ausüben«, sagt die Erstautorin Dr. Maria Herrojo Ruiz. Dazu wurde die neuronale Aktivität bei Parkinson-Patienten gemessen, die mit einer tiefen Hirnstimulation (THS) in einem Teilbereich der Basalganglien, dem Nucleus subthalamicus, therapiert werden. Bei dieser Therapie werden Elektroden im Gehirn implantiert und über einen Stimulator elektrische Impulse in die Zielregion geleitet, womit die Parkinson-Symptome erfolgreich gelindert werden. Für die Studie sollten die Probanden kurze Musiksequenzen an einem Klavier einüben, während die elektrischen Signale aus dem Nucleus subthalamicus aufgezeichnet wurden.

So konnten die Wissenschaftler nachweisen, dass die Basalganglien eine entscheidende Funktion bei der Kodierung der Anfangs- und Endpunkte von Handlungsabfolgen einnehmen. Zudem zeigten sie, welche Modulation von elektrischen Schwingungen, die als Oszillationen bezeichnet werden, dafür verantwortlich ist. Bei Patienten, die die Musiksequenzen besser spielen konnten, haben vor dem ersten und letzten Element der Sequenz, die sogenannten Beta- Oszillationen, im Frequenzbereich 13-30 Hz abgenommen. Bei Patienten, die Schwierigkeiten hatten, die Übung auszuführen, haben die Oszillationen hingegen innerhalb der Sequenz nachgelassen. Die Leiterin der Arbeitsgruppe Prof. Dr. Andrea Kühn betont: »Die Basalganglien bestimmen mit der Kodierung von Anfangs- und Endpunkten die innere Beschaffenheit der gelernten Sequenz und sind somit maßgeblich dafür verantwortlich, ob automatische Verhaltensweisen sich im Gehirn festigen. Unsere Befunde bekräftigen zudem, dass Parkinson-Patienten in ihren Bewegungsabläufen aufgrund der verstärkt auftretenden Beta-Oszillationen beeinträchtigt sind.«

* Herrojo Ruiz M, Rusconi M, Brücke C, Haynes J.-D, Schönecker T, Kühn A. A. Encoding of sequence boundaries in the subthalamic nucleus of patients with Parkinson’s disease. Brain 2014 July 16. Doi: 10.1093/brain/awu191

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