Archiv der Kategorie: Psychologie

Im Grenzland zwischen Gesundheit und Krankheit

Beim Tanz-Theaterprojekt „Grenzland“ setzen sich Männer unterschiedlichen Alters tänzerisch mit dem Thema Krebs auseinander

Die Fördergesellschaft Forschung Tumorbiologie am Universitätsklinikum Freiburg finanziert die Produktion

Bei dem Tanztheaterprojekt „Grenzland“ erforscht eine Gruppe Männer unterschiedlichen Alters das Grenzland zwischen Gesundheit und Krankheit, zwischen Bangen und Hoffen, zwischen Alltag und Ausnahmesituation. 
Bildrechte: Theater Freiburg / Britt Schilling

Zwischen Gesundheit und Krankheit, Bangen und Hoffen, Alltag und Ausnahmesituation: Die Diagnose Krebs bringt für viele Betroffene und deren Angehörige scheinbar widersprüchliche Gefühle mit sich. Diese Grenzerfahrungen zwischen Gesundheit und Krankheit erforschen Männer unterschiedlichen Alters in der neuen Tanz- und Theaterproduktion „Grenzland“ des Theaters Freiburg.

Premiere feiert das Stück 
am Samstag, 1. Juni 2019 um 19 Uhr 
im Werkraum des Theaters Freiburg. 

Informationen zu weiteren Aufführungsterminen am 2., 22. und 23. Juni sowie am 13. und 14. Juli finden Sie hier

„Grenzland“ ist die Fortführung der beliebten Vorgängerproduktion „Die Krone an meiner Wand“, bei der sich Frauen verschiedenen Alters mit und ohne Krebs tänzerisch mit der Erkrankung auseinandersetzten. Künstlerisch geleitet wird das Projekt von Gary Joplin und Monica Gillette. „Die Krone an meiner Wand“ wird ab Samstag, 5. Oktober 2019 wieder aufgenommen und im Wechsel mit „Grenzland“ gezeigt. Weitere Informationen gibt es unter: www.theater.freiburg.de 

Sowohl „Grenzland“ als auch die „Krone an meiner Wand“ werden von der Fördergesellschaft Forschung Tumorbiologie mit 200.000 Euro finanziert. „Die kreative Auseinandersetzung mit den eigenen Gefühlen hilft nicht nur den Tanzenden bei der Krankheitsbewältigung, sondern sensibilisiert auch das Publikum für die Sorgen und Ängste von Krebserkrankten. Wir freuen uns, auch in dieser Spielzeit wieder ein so wichtiges Projekt fördern zu können, und hoffen, dass ‚Grenzland‘ an den Erfolg der Vorgängerproduktion anknüpfen kann“, sagt Prof. Dr. Dieter Marmé, Vorstand der Fördergesellschaft Forschung Tumorbiologie am Universitätsklinikum Freiburg.

Das Projekt wurde in Kooperation mit dem Tumorzentrum des Universitätsklinikums Freiburg, dem Freiburger Theater, der Fördergesellschaft Forschung Tumorbiologie sowie dem Verein Jung und Krebs umgesetzt. 

Die Fördergesellschaft Forschung Tumorbiologie am Universitätsklinikum Freiburg hat sich dem Kampf gegen Krebs verschrieben, indem sie patientenzentrierte Krebsforschung unterstützt und innovative Forschungsprojekte fördert. Ihr erklärtes Ziel ist es, mit Hilfe von Spenden einen Beitrag zur Entwicklung neuer Verfahren in der Krebstherapie zu leisten, damit möglichst viele Patienten in ihrer Lebensqualität von den Ergebnissen profitieren. Dieses und weitere Projekte der Fördergesellschaft Forschung Tumorbiologie können durch Spenden oder eine Rebpatenschaft unterstützt werden.

Spendenkonto: 
Fördergesellschaft Forschung Tumorbiologie 
Konto 1 555 200, Commerzbank Freiburg, BLZ 680 400 07 
IBAN DE 19 6804 0007 0155 5200 00 
SWIFT/BIC COBADEFFXXX

Teilnehmer gesucht zu Schlafstörungen und Umgang mit Gefühlen

Studie zu Schlafstörungen und Umgang mit Gefühlen

Schlafende PersonOb Menschen mit Schlafstörungen ihre Gefühle schlechter regulieren können als Normalschläfer, untersuchen Forscher des Universitätsklinikums Freiburg in einer Studie / Teilnehmer gesucht

Verarbeiten Menschen mit chronischen Schlafstörungen Emotionen anders als Gesunde? Da Menschen mit Schlafproblemen öfter an Depressionen erkranken, ist diese Frage besonders relevant. Nun wird sie erstmals im Rahmen einer Studie an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Freiburg erforscht. Dafür werden jetzt Probanden mit und ohne Schlafstörungen gesucht. Bei den Teilnehmern wird fünf Tage lang die körperliche Aktivität gemessen und der Gemütszustand erfragt. Am Ende der Woche wird die Gefühlsregulation der Probanden noch einmal im Labor untersucht. Dafür müssen sie kurze Filmsequenzen ansehen und bewerten. Eine Übernachtung im Schlaflabor ist nicht nötig. Die Teilnehmer erhalten eine Aufwandsentschädigung. Die Studie wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziert.

„Sollte sich bestätigen, dass Menschen mit Schlafstörungen ihre Gefühle schlechter regulieren können, könnte man den Betroffenen mit einer passenden Therapie gezielt helfen“, sagt Prof. Dr. Dieter Riemann, Leiter der Abteilung für Klinische Psychologie und Psychophysiologie an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Freiburg. Bislang gibt es keine Studien zur Frage, ob Betroffene mit Schlaflosigkeit andere Strategien der Gefühlsregulation als gesunde Schläfer nutzen. Die Arbeitsgruppe von Prof. Riemann, in der die Studie durchgeführt wird, erforscht seit mehr als 20 Jahren Diagnostik, Verbreitung, Ursachen und therapeutische Möglichkeiten bei Schlaflosigkeit.

Teilnehmen können Männer und Frauen ab 18 Jahren, die gute oder schlechte Schläfer sind. Die Teilnehmer dürfen keine sonstigen körperlichen oder psychischen Erkrankungen haben, die den Schlaf beeinträchtigen. Nach einer Voruntersuchung zur Überprüfung des Gesundheitszustands erhalten die Probanden einen Brustgurt, der die Bewegungsaktivität, den Schlaf-Wach-Rhythmus sowie die Herzfrequenz registriert. „Mit einer Smartphone-App befragen wir die Probanden außerdem zu vier zufälligen Zeitpunkten zu ihrem Gemütszustand“, sagt Studienleiterin Dr. Chiara Baglioni, Wissenschaftlerin an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Freiburg. Am Ende der Woche werden bei den Probanden physiologische Reaktionen wie Herzaktivität, Hirnströme und Gesichtsmimik gemessen, während sie emotionale Filmsequenzen betrachten; zunächst ohne und dann unter Verwendung einer zuvor erlernte Strategie zur Emotionsregulation.

Interessenten an dieser am Universitätsklinikum Freiburg durchgeführten Studie können sich für weitere Informationen bei Dr. Chiara Baglioni per E-Mail an schlafstudie@uniklinik-freiburg.de oder telefonisch unter: 0761 270-65891 melden.

Anmerk. der Redaktion: Informieren Sie sich vor der Telnahme genau darüber, wie sicher die App (End-to-End-Verschlüsselung?) ist. Und wer Einblick in die Daten hat. Und wer der oder die Auftraggeber der Studie sind. Das mögen Forscher*innen nicht immer gerne beantworten, Sie sollten dennoch auf die verbindliche Auskunft nicht verzichten.

Psychische Erkrankungen bei älteren Menschen

Psychische Krankheiten bei älteren Menschen sind häufiger als bisher angenommen

13. September 2016

Ergebnisse einer vom Universitätsklinikums Hamburg‐Eppendorf geleiteten Studie

Bisher waren Wissenschaftler davon ausgegangen, dass die Häufigkeit psychischer Erkrankungen im höheren Alter sinkt. Eine neue, groß angelegte Untersuchung in sechs europäischen Ländern mit innovativen Diagnoseverfahren kommt nun zu dem Ergebnis, dass rund ein Drittel der 65 bis 85 Jahre alten Befragten rückblickend auf das vergangene Jahr unter einer psychischen Erkrankung litt und rund ein Viertel der Befragten aktuell psychisch krank ist. Die Ergebnisse der Studie, die von Prof. Dr. Martin Härter, Direktor des Instituts und der Poliklinik für Medizinische Psychologie des Universitätsklinikums Hamburg‐Eppendorf (UKE), koordiniert wurde, wurden nun im renommierten „British Journal of Psychiatry“ publiziert.

„Ausgangspunkt war die Annahme, dass die gültigen Diagnoseverfahren für Erwachsene schlechter für die Diagnose von psychischen Krankheiten bei älteren Menschen geeignet sind“, erläutert Studienleiter Prof. Härter, der gemeinsam mit Prof. Dr. Sylke Andreas, Dr. Jana Volkert und Prof. Dr. Holger Schulz (Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie des UKE) die Untersuchung koordinierte. Ältere Menschen würden bei den herkömmlichen Diagnoseinstrumenten recht bald die Aufmerksamkeit verlieren. Hinzu kommt, dass die Fragen in den bisherigen Diagnoseverfahren oft recht lang und kompliziert waren, was zusätzlich älteren Menschen Probleme bereitete.

Neues  Diagnostikinstrument entwickelt

Das Forschungsteam entwickelte zunächst ein neues Diagnostikinstrument in Form eines computerbasierten Interviews mit vereinfachten Sätzen. Mit diesem Verfahren wurden dann 3100 Menschen im Alter von 65 bis 85 Jahren in Spanien, Großbritannien, Deutschland, Italien, Israel und in der Schweiz untersucht. Die statistischen Analysen wurden von Prof. Dr. Karl Wegscheider, Susanne Sehner und Dr. Anna Suling vom Institut für Medizinische Biometrie und Epidemiologie des UKE durchgeführt.

Die Ergebnisse zeigen eine deutlich höhere Häufigkeit von psychischen Erkrankungen bei älteren Menschen als bisher angenommen wurde: Bei einem Drittel der Befragten zeigte sich zum Zeitpunkt des Interviews eine psychische Erkrankung im vergangenen Jahr (Ein‐Jahres‐Prävalenz) und bei einem Viertel der Befragten wurde eine aktuelle psychische Erkrankung festgestellt. Am häufigsten waren es Angsterkrankungen (17 Prozent) und Depressionen (14 Prozent), an denen die befragten Personen im vergangenen Jahr erkrankt waren.

Die Ergebnisse seien insbesondere vor dem Hintergrund der bisher angebotenen Gesundheitsleistungen erschreckend, sagt Prof. Andreas, die inzwischen an der Alpen‐Adria Universität Klagenfurt (Österreich) arbeitet. „Wir brauchen bessere und verlässlichere Wege, um zu eruieren, ob ein älterer Mensch an einer psychischen Erkrankung leidet. Damit einher geht auch die dringliche Notwendigkeit, bis dato beinahe gänzlich fehlende psychotherapeutische Versorgungsangebote für Menschen im höheren Lebensalter zu etablieren.“

Literatur:
Sylke Andreas, Martin Härter et al., “Prevalence of mental disorders in elderly people: the European MentDis_ICF65+ study”. The British Journal of Psychiatry 2016 (published ahead of print). DOI: 10.1192/bjp.bp.115.180463

Links zum Thema:

http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/23000171

http://www.who.int/mediacentre/factsheets/fs381/en/

 

Unser Gehirn verarbeitet soziale Informationen besonders intensiv

Ein internationales Forscherteam hat festgestellt, dass unsere Wahrnehmung sehr stark dafür sensibilisiert ist, soziale Informationen aufzunehmen. Das Gehirn ist somit trainiert, Alltagshandlungen automatisch eine hohe Aufmerksamkeit zu schenken. Die Ergebnisse berichten der Neurowissenschaftler Prof. Dr. Martin Brüne und der Philosoph Prof. Dr. Albert Newen von der Ruhr-Universität Bochum (RUB) gemeinsam mit Eleonore Neufeld und weiteren Kollegen in der Zeitschrift Consciousness and Cognition.

Unser Gehirn schenkt Alltagshandlungen, die in einem sozialen Kontext stehen, automatisch große Aufmerksamkeit. Bochumer Forscher haben das mithilfe von Hypnose nachgewiesen.

Gehirn ist sensibel für soziale Informationen

Ein internationales Forscherteam hat festgestellt, dass unsere Wahrnehmung sehr stark dafür sensibilisiert ist, soziale Informationen aufzunehmen. Das Gehirn ist somit trainiert, Alltagshandlungen automatisch eine hohe Aufmerksamkeit zu schenken. Die Ergebnisse berichten der Neurowissenschaftler Prof. Dr. Martin Brüne und der Philosoph Prof. Dr. Albert Newen von der Ruhr-Universität Bochum (RUB) gemeinsam mit Eleonore Neufeld und weiteren Kollegen in der Zeitschrift Consciousness and Cognition.

Hypnose schaltet zielgerichtete Aufmerksamkeit aus

Für die Studie untersuchten die Forscher die grundlegende Aufmerksamkeit (bottom-up) separat von der zielgerichteten Top-down-Aufmerksamkeit. Um die beiden Aufmerksamkeitsprozesse zu trennen, setzte das Team Hypnose ein. Damit schalteten sie die Top-down-Prozesse bei den Probanden aus.

Hypnotisiert beobachteten die Studienteilnehmer Videos, in denen Personen Münzen in verschiedenfarbige Schalen legen. Die Wissenschaftler erwarteten, dass soziale Informationen – in diesem Fall die Alltagshandlungen anderer Menschen – unter Hypnose intensiver verarbeitet werden, da das Gehirn sie automatisch im Bottom-up-Aufmerksamkeitsprozess verwertet.

Soziale Informationen automatisch verarbeiten

Das Forschungsteam erfasste mittels Elektroenzephalografie (EEG) das Signal, das angibt, wie beabsichtigte Handlungen verarbeitet werden. Dieses spezielle Signal, die My-Suppression, verglichen sie im hypnotisierten und nicht hypnotisierten Zustand.

Das Ergebnis: Die My-Suppression war – wie erwartet – stärker, wenn die Teilnehmer hypnotisiert waren. Sind durch Hypnose die Top-down-Aufmerksamkeitsprozesse ausgeschaltet, verarbeitet das Gehirn soziale Informationen also intensiver. Dies lässt darauf schließen, dass Alltagshandlungen generell eine besondere Aufmerksamkeit erhalten. „Die Forschungsergebnisse unterstützen das Bild vom Menschen als Wesen, das sich vom Tier vor allem durch soziale Kompetenz auszeichnet“, sagt Albert Newen.

Kognitive Prozesse mit Hypnose untersuchen

Die Ergebnisse unterstützen damit die Soziale-Relevanz-Hypothese, die davon ausgeht, dass Alltagshandlungen automatisch mit einer größeren Aufmerksamkeit verarbeitet werden. Zudem zeigt das Projekt, inwiefern Hypnose eine Möglichkeit ist, kognitive Prozesse zu untersuchen.

Originalveröffentlichung:

E. Neufeld, E. C. Brown, S. Lee-Grimm, A. Newen, M. Brüne (2016): Intentional action processing results from automatic bottom-up attention: An EEG-invesitgation into the Social Relevance Hypothesis using hypnosis, Consciousness and Cognition, DOI: 10.1016/j.concog.2016.03.002

Weitere Informationen:

Prof. Dr. Albert Newen, Institut für Philosophie II, Ruhr-Universität Bochum, Tel.: 0234 32 22139, albert.newen@rub.de

Prof. Dr. Martin Brüne, LWL-Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Bochum, Tel.: 0234 5077 155, martin.bruene@rub.de

„Move against Depression“

Aus der Abwärtsspirale entkommen: Bewegung hilft gegen Depression

12. Europäischen Depressionstags am Donnerstag, 01. Oktober

Herbst-u-Depression: Mit den dunklen Monaten kehrt der Herbst- und Winterblues ein. Die saisonal abhängige Depression tritt allerdings bei nur etwa 10 Prozent der Betroffenen auf.

Herbst-u-Depression: Mit den dunklen Monaten kehrt der Herbst- und Winterblues ein. Die saisonal abhängige Depression tritt allerdings bei nur etwa 10 Prozent der Betroffenen auf.

Unter dem Motto „Move against Depression“ wollen Forscher, Patienten und medizinische Fachkräfte am „12. Europäischen Depressionstag“ das Bewusstsein für die Volkskrankheit stärken. Auch der leitende Psychologe Dr. Andreas Schmidt der Dr. Becker Burg-Klinik hilft Betroffenen dabei, aus ihrer emotionalen Abwärtsspirale auszubrechen. Bewegung ist dabei eines der wichtigsten Mittel.

4,9 Millionen Menschen erkranken in Deutschland jährlich an einer behandlungsbedürftigen Depression, so die Zahlen der Deutschen Stiftung Depressionshilfe. Von 100 Menschen leiden etwa 20 mindestens einmal in ihrem Leben an einer Depression oder depressiven Verstimmung (Dysthymie). Sie verlieren ihren Antrieb, haben plötzlich kein Interesse mehr an Dingen, die ihnen früher Freude bereitet haben, sind häufig müde und bedrückt. Viele fühlen sich wie Gefangene in einem dunklen Loch, weil sie keinen Ausweg mehr aus der Antriebslosigkeit und der negativen Abwärtsspirale ihrer Gedanken und Gefühle finden.

„Die Depression wirkt wie ein permanenter innerer Stress und führt zu Anspannungssymptomen, die abgebaut werden müssen“, erklärt Dr. Andreas Schmidt, leitender Psychologe in der Dr. Becker Burg-Klinik. Jährlich kommen etwa 1.500 depressive Patienten in die psychosomatische Rehaklinik in Stadtlengsfeld, Thüringen. „Wir versuchen in der Rehabilitation ganzheitlich Körper und Geist wieder in Einklang zu bringen und depressive Menschen zu aktivieren“, so Schmidt. Regelmäßige sportliche Betätigung helfe dabei, die krankheitstypischen Anspannungssymptome abzubauen und die Stresshormone zu ‚verbrennen’. Neben einer Verbesserung des Körpergefühls wirke körperliche Bewegung auch psychisch entspannend: Dunkle Gedanken werden vertrieben und die emotionale Abwärtsspirale wird unterbrochen. „Sport wirkt wie eine positive Selbstverstärkung: Ich schaffe etwas, ich komme wieder in Bewegung und finde Wege aus einer erlebten Starre heraus“, erklärt Dr. Schmidt.

Bewegung wirkt antidepressiv

Dass regelmäßige Bewegung eine stimmungsaufhellende Wirkung hat, konnte mittlerweile empirisch belegt werden. In einer Analyse von 39 Studien aus den vergangenen 23 Jahren, haben Forscher der Medical School Hamburg (MSH) die antidepressiven Effekte von Sport nachgewiesen. Zurückzuführen seien diese u. a. auf die erhöhte Ausschüttung von bestimmten Hormonen wie Serotonin und Noradrenalin, die beim Sport freigesetzt werden. Bei depressiven Menschen ist die Produktion von „Glücksbotenstoffen“ gehemmt, so dass sie einen niedrigeren Serotonin-Spiegel aufweisen.

In der Dr. Becker Burg-Klinik gehören sportliche Aktivitäten wie Nordic Walking, Gerätesport oder Aquagymnastik zum festen Bestandteil des Behandlungsprogramms depressiver Patienten. „Wir bieten vor allem Sportarten an, die auch Zuhause zum Einsatz kommen können. Schließlich ist es wichtig, dass Patienten den Sport auch langfristig in ihren Alltag integrieren können.“ Eine Hilfestellung dafür seien z. B. feste Wochenpläne, die nach jeder sportlichen Leistung eine kleine Belohnung vorsehen. „Sinnvoll für Menschen mit Depressionen sind neben Ausdauersporten auch Teamsportarten. Denn die fördern das soziale Miteinander und verhindern den sozialen Rückzug, der bei vielen depressiven Menschen einsetzt“, so Dr. Schmidt.

Mit schweren Depressionen zum Arzt

Dr.  Andreas Schmidt: Dr. Andreas Schmidt, leitender Psychologe in der Dr. Becker Burg-Klinik, weiß wie wichtig Bewegung für depressive Menschen ist. In der Rehabilitation gehört die sportliche Betätigung fest zum Behandlungsplan.

Dr. Andreas Schmidt: Dr. Andreas Schmidt, leitender Psychologe in der Dr. Becker Burg-Klinik, weiß wie wichtig Bewegung für depressive Menschen ist. In der Rehabilitation gehört die sportliche Betätigung fest zum Behandlungsplan.

Bei depressiven Verstimmungen leistet die regelmäßige körperliche Betätigung einen wichtigen Beitrag zum Spannungsabbau, zur Stabilisierung und Stimmungsverbesserung. Für Menschen mit mittelschweren bis schweren Depressionen reicht der Sport allein als Behandlungsmethode nicht aus, sondern wird ergänzend zu medikamentösen und psychotherapeutischen Verfahren eingesetzt. Dies kann auch bei leichteren depressiven Symptomen bereits sinnvoll sein.

Transparente Methoden statt Psychotricks

Fachtag an der Hamburger Uni zu effektiverem Gesundheitsmanagement

Seit der Gesetzgeber 2013 Arbeitgeber im Arbeitsschutzgesetz ausdrücklich dazu verpflichtet hat, die psychischen Belastungen ihrer Mitarbeiter einschätzen und Maßnahmen gegen eine zu hohe Gefährdung zu ergreifen, hat das Gesundheitsmanagement Konjunktur. Aber nicht nur die dafür speziell ausgebildeten Psychologinnen und Psychologen (BDP) kommen zum Einsatz. Auf dem Markt tummeln sich – für Arbeitgeber oft schwer einschätzbar – vom Ingenieur bis zum Theaterwissenschaftler viele Berufsgruppen, die eine neue Einnahmequelle erschließen möchten. Noch sind Qualitätsstandards auf diesem Gebiet nicht ausreichend bekannt, anders als für manch anderen Dienstleistungen. Zudem sind Arbeitgeber ja in der Regel nicht dabei, wenn ihre Mitarbeiter Kurse gegen Stress oder zur Stärkung der Widerstandskraft gegen Belastungen durchlaufen. Sie bekommen irgendwann Ergebnisse präsentiert und wissen oft nicht, wie diese zustande gekommen sind.

„Dagegen wollen wir etwas tun“, so die Julia Scharnhorst aus der Sektion Gesundheitspsychologie des Berufsverbandes Deutscher Psychologinnen Und Psychologen. Mit einem Fachtag unter der Überschrift „Leistung durch Gesundheit“ an der Hamburger Universität wollen sie und Kollegen der Regionalgruppe Hamburg am 10. September über Instrumente aufklären, mit denen psychische Belastungen korrekt ermittelt werden können und damit das Wort „Arbeitssituationsanalyse“ verständlicher und handhabbarer machen. Die Teilnehmer – vom Geschäftsführer über Personalleiter und -entwickler bis zu Führungskräften in Unternehmen und Verwaltung – werden außerdem exemplarisch selbst erleben, wie Mitarbeitertrainings aussehen und besser verstehen, wie man sie idealerweise auswählt.

Bis heute ist der Fokus bei solchen Veranstaltungen oft zu sehr auf das Individuum gerichtet: Ich lerne, wie ich resilient werde, wie ich mit Belastung klarkomme usw.  Eigentlich – so Scharnhorst – müssten die Arbeitsbedingungen der Hauptansatzpunkt sein. Das sei im Gesetz vorgesehen, geschehe aber in den meisten Unternehmen nicht. „Es ist eben viel einfacher, in einem  Fortbildungskatalog nach irgendeinem  Stressmanagement-Kurs zu schauen und Mitarbeiter dahin zu schicken. Deshalb wollen wir uns bei dem Fachtag auch den Teams und den Strukturen der gesamten Organisation zuwenden.“

Ein weiterer Schwachpunkt in der bisherigen Umsetzung des Gesetzes ist nach Julia Scharnhorst Meinung bei vielen Projekten die Evaluation. „Evaluation findet selten statt. Wir widmen diesem Thema während des Fachtages einen Workshop und geben Teilnehmern damit ein Instrument in die Hand, die Effektivität ihrer Investition in das Gesundheitsmanagement zu überprüfen.“ Kausalitäten seien oft nicht nachweisbar, aber immerhin sollte es Messkriterien für die verschiedenen Maßnahmen geben, die eine spätere Überprüfung zulassen.

Von der begründeten Zielstellung des BDP, dass es neben einem Betriebsarzt auch einen Betriebspsychologen geben sollte, ist die Realität noch weit entfernt; das vor kurzem verabschiedete Präventionsgesetz hat diesbezüglich leider keine Klarheit geschaffen, sondern den Ärzten die eigentlich unzumutbare Verantwortung für psychologische Themen trotz fehlender Kompetenz mit aufgebürdet.

Achtsamkeit – mitten im Leben

Anwendungsgebiete und wissenschaftliche Perspektiven

Achtsamkeit – mitten im LebenMit Beiträgen von Dr. Britta Hölzel, Dr. Christine Brähler, Prof. Dr. Stefan Schmidt, Dr. Tim Gard, Dr. Thorsten Barnhofer, Dr. Gisela Full, Dr. Clarissa Schwarz, Lienhard Valentin, Vera Kaltwasser, Nicole Stern, Dr. med Eckard Krüger und Michaela Doepke

Die Autoren sind Wissenschaftler, Therapeuten und Praktiker, die sich schon lange mit dem Thema beschäftigen.

Der neue Trend heißt MBSR „Mindfulness-Based Stress Reduction“ oder einfach nur „Achtsamkeit“.

Man würde der Sache allerdings einen Bärendienst erweisen, wenn man sie als einen Trend sehen würde, der bald wieder vorübergehen wird. Denn „Achtsamkeit“ wird in asiatischen Ländern seit Jahrtausenden praktiziert. Und dank neuester Forschungen weiß man auch hierzulande, dass „Selbst-Achtsamkeit“ positive Spuren in unserem Gehirn und Körper hinterlässt.

Es gibt eine Online-Studie, die die Auswirkungen der Selbst-Achtsamkeit auf chronische Schmerzen untersucht. Leider gab es weder vor, während oder danach einen einzigen persönlichen Kontakt zu den Forschern oder den anderen Teilnehmern. Alles – auch die Übungen – wurden am Computer ausgeführt. Wer nicht regelmäßig die langen Fragebögen ausfüllte, wurde mit Nachdruck daran erinnert. Wer zugestimmt hatte, sogar per SMS – und das mehrmals täglich. Das wurde mit der Zeit manchen Teilnehmern lästig. Es wurde von Seiten der Studienleitung auch nicht nachgefragt, weshalb jemand die anstehenden Aufgaben nicht erledigt hatte. Get.On Screenshot

 

Die Studienteilnehmer wurden teilweise über Facebook rekrutiert. Ein Teil des E-Mail-Verkehrs fand unverschlüsselt statt.Wie sinnvoll und brauchbar solche Forschungsergebnisse letztendlich sind, sollte kritisch hinterfragt werden.

Nun könnte man auf die Idee kommen, dass ein Buch auch nicht der richtige Weg zur Erlangung von Achtsamkeit ist. Natürlich können Sie die Übungen im Buch nicht gleichzeitig lesen und anwenden. Dafür sind sie auch nicht gedacht.

Das Buch zeigt die Zusammenhänge zwischen der Anwendung und den daraus resultierenden Ergebnissen auf. Es gibt einen guten Überblick, was die Methode ist, woher sie kommt und wie sie angewendet werden kann.

Ein Kapitel widmet sich dem Weg der Achtsamkeit vom historischen Buddhismus zur modernen Bewusstseinskultur.

Auch hier im Buch gibt es ein Kapitel zum achtsamen Umgang mit Schmerz. Es gilt, den Schmerz zu akzeptieren. Es geht um Wahrnehmung, nicht um Schmerzbeseitigung.

An Lehrkräfte und Eltern richten sich gleich 3 größere Kapitel. Dann folgen die Kapitel „Achtsamkeit im Berufsalltag“ und „Achtsam altern“. Letzteres gewinnt zunehmend an Bedeutung.

Wer MBSR kennenlernen und ausprobieren will, kann mit einfachen Übungen, die es auch auf CD gibt, beginnen. Ein paar Minuten täglich reichen für den Anfang schon aus. Die Übungen werden im Sitzen ausgeführt. Auf dem Smartphone gespeichert, kann man sie immer und überall, wenn es gerade passt, anwenden.

Wem das Buch zu wissenschaftlich ist und wer lieber gleich praktisch einsteigen will, findet im Odenwald-Institut ein umfangreiches Seminarangebot: https://www.odenwaldinstitut.de/kursleitende/kollegium/standhardt

Vorträge, Workshops, Seminare und Ausbildungen bietet auch das Giessener Forum:

http://www.achtsamkeit-am-arbeitsplatz.de/anmeldung.htm

Weitere Bücher und CD’s finden Sie hier:

http://www.arbor-seminare.de/achtsamkeit-leben

Vorträge von Britta Hölzel auf CD gibt es beim Auditorium Neztwerk:  http://bit.ly/1dAzyb7

Hardcover, O.W. Barth
04.05.2015, 336 S.

ISBN: 978-3-426-29236-5
€ 19,99

E-Book (€17,99)

Britta Hölzel ist Psychologin und Hirnforscherin mit dem Spezialgebiet Achtsamkeit. Sie leistet maßgebliche Forschungsarbeiten und genießt einen hohen Bekanntheitsgrad in der Öffentlichkeit und in den Medien. Zusammen mit Christine Brähler, Psychotherapeutin und Spezialistin für achtsames Mitgefühl, sowie einem hochkarätigen Autorenteam hat sie nun ein Grundlagenwerk zum Thema initiiert. Darin wird klar, wie sehr Achtsamkeit das Leben bereichern kann: etwa im Job, bei der Kindererziehung oder im B

Studienteilnehmerinnen gesucht

Erfahrungen mit Brustkrebs teilen

Das Institut für Psychologie der Universität Freiburg sucht Studienteilnehmerinnen, die eine neue Internetseite testen

Freiburg, 09.01.2015

Von der eigenen Krankheit erzählen, über persönliche Erfahrungen berichten: Das Institut für Psychologie der Universität Freiburg sucht noch Probandinnen, die eine neue Internetseite zum Thema Brustkrebs testen. Das Modul soll auf dem Portal krankheitserfahrungen.de erscheinen. Bei der Seite handelt es sich um eine im Internet offen zugängliche Webseite, auf der Betroffene in Form von Texten, Video- oder Audioclips von ihren Erfahrungen mit einer bestimmten Erkrankung erzählen – zum Beispiel, wie sie sich auf Familie, Freunde oder die Arbeit auswirkt. Beiträge zu den Themen chronischer Schmerz, Diabetes und Epilepsie sind bereits erschienen.

Das Team möchte die in Zusammenarbeit mit der Berlin School of Public Health an der Charité Berlin entwickelte Internetseite zum Thema Brustkrebs vor einer Freischaltung mit Betroffenen diskutieren. Die Teilnehmerinnen erhalten einen persönlichen Zugang und sollen das Online-Angebot innerhalb von zwei Wochen im Zeitraum vom 19. Januar bis zum 1. Februar 2015 testen. Im Anschluss findet im Februar eine Gruppendiskussion statt, in der die Eindrücke, Verbesserungsvorschläge und Kritik besprochen werden. Daraufhin will das Team die Internetseite den Bedürfnissen der Betroffenen anpassen. Die Teilnehmerinnen erhalten eine Aufwandsentschädigung von 50 Euro. Die Anmeldung ist bis zum 15. Januar möglich.

www.krankheitserfahrungen.de

Medizinische Soforthilfe bei einem psychischen Zusammenbruch

Vor knapp einem Jahr eröffnete die Dr. Becker Brunnen-Klinik in Horn-Bad Meinberg ein Akut-Department für psychisch Kranke. Jetzt zieht Chefarzt Dr. med. Dirk Schröder eine erste Bilanz.

Vor knapp einem Jahr eröffnete die Dr. Becker Brunnen-Klinik ein Akutdepartement für psychisch Kranke.

Vor knapp einem Jahr eröffnete die Dr. Becker Brunnen-Klinik ein Akutdepartement für psychisch Kranke.

Vier Einzelsitzungen und drei Gruppensitzungen erhalten die Akut-Patienten pro Woche in der Dr. Becker Brunnen-Klinik.

Vier Einzelsitzungen und drei Gruppensitzungen erhalten die Akut-Patienten pro Woche in der Dr. Becker Brunnen-Klinik.

Horn-Bad Meinberg. 580 Belegungstage von Januar bis Juni 2014 – Chefarzt Dr. med. Dirk Schröder zeigt sich zufrieden mit dieser Halbjahresbilanz seines Akutdepartements für psychisch Kranke. „Für 2014 hatten wir eine Zielgröße von 1.000 Belegungstagen ausgegeben. Die haben wir jetzt schon übererfüllt.“ Er und sein Team hatten im September letzten Jahres in der Dr. Becker Brunnen-Klinik eine Abteilung für Menschen eröffnet, die nach einem psychischen Zusammenbruch zeitnah medizinische Hilfe in Anspruch nehmen möchten. Rund 30 Betroffene aus ganz Deutschland haben seitdem von dem Angebot Gebrauch gemacht. „Die Menschen, die bei uns Hilfe suchen, leiden zum Beispiel unter einem akuten Burnout, meist ausgelöst durch berufliche Probleme. Sie haben Antriebsschwierigkeiten und fühlen sich wie taub. Auch Angststörungen behandeln wir oft. Meist ist die Erkrankung soweit fortgeschritten, dass sich die Betroffenen schon nicht mehr trauen, das Haus zu verlassen“, erklärt Dirk Schröder.

Die Intensität einer einjährigen ambulanten Therapie
Vier Einzelsitzungen und drei Gruppensitzungen erhalten diese Patienten pro Woche in der Dr. Becker Brunnen-Klinik. Hinzu kommen Angebote wie Sport-, Kunst- und Entspannungskurse. „Die Behandlung bei uns ist sehr effektiv. Bei einer durchschnittlichen Verweildauer von vier bis sechs Wochen entspricht sie in etwa einer einjährigen ambulanten Therapie“, fasst Schröder das Konzept seines Akutdepartements zusammen. Die Behandlungsergebnisse seien gut, die Patienten durchweg zufrieden.

Auch die Mitarbeiter profitieren
Und auch die Mitarbeiter profitieren von ihrer Arbeit im neuen Akutdepartement. Für sie bedeutet der neue Aufgabenbereich weitere Impulse und fachliche Entwicklungsmöglichkeiten. „Die Patienten des Akutdepartements sind in der Regel hoch motiviert mit den Therapeuten zu arbeiten. Das und die hohe Erfolgsquote sind für uns natürlich sehr befriedigend“, erläutert Schröder.
 
Ausbau ist geplant
Angesichts dieser positiven Entwicklungen streben der Chefarzt der Brunnen-Klinik und sein Team langfristig den weiteren Ausbau des Akutdepartements an. „Momentan können wir aus formalen Gründen auf unserer Station nur privat versicherte oder beihilfeberechtigte Patienten behandeln. Wir sind aber optimistisch, dass unser Angebot  bald auch gesetzlich Versicherten zugänglich sein wird“, so Schröder. Der Antrag dafür ist bereits gestellt.

Veranstaltungshinweis: Vortrag über die „Akutbehandlung in der Psychotherapie“
Passend zum Thema wird Dr. Dirk Schröder, Chefarzt der Dr. Becker Brunnenklinik, am kommenden Sonntag, 27.07.2014 um 15.00 Uhr einen Vortrag über die „Akutbehandlung in der Psychotherapie“ halten. Veranstaltungsort ist der historische Kurpark von Horn-Bad Meinberg, der Besuch der Veranstaltung ist kostenlos.

Dr. Becker Brunnen-Klinik
Die Dr. Becker Brunnen-Klinik ist auf psychotherapeutische und psychosomatische Rehabilitation und Akutbehandlung spezialisiert. Über 1.600 Patienten werden jährlich in der nordrhein-westfälischen Klinik auf höchstem medizinischem Niveau versorgt. Behandlungsschwerpunkte sind insbesondere Depressionen, Angsterkrankungen, psychosomatische Beschwerden und Krankheitsbewältigung bei körperlichen Erkrankungen wie z.B. Tinnitus sowie die Behandlung älterer Menschen (Gerontopsychosomatik). Seit September 2014 können auch Menschen mit akuten psychischen Problemen aufgenommen werden. Die Brunnen-Klinik in Horn-Bad Meinberg beschäftigt rund 120 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. www.dbkg.de/brunnen-klinik

Wie blendet das Gehirn Störungen aus?

Berlin, 02.07.2014 Wie schafft es unser Gehirn, Störreize zu ignorieren und aus einer Vielzahl an Informationen die relevanten herauszufiltern? Dieser Frage sind zwei Neurowissenschaftler der Charité – Universitätsmedizin Berlin und der Universität Tübingen in einer experimentellen Studie nachgegangen. Die Ergebnisse der Studie sind in der aktuellen Ausgabe des Fachjournals Neuron* veröffentlicht.

Täglich ist unser Gehirn einer Flut von wichtigen und unwichtigen Reizen ausgesetzt. Dennoch sind wir in der Lage, aus der Masse an Informationen, diejenigen herauszufiltern, die für uns relevant sind. Welche Mechanismen diesen Filterungsprozessen zugrunde liegen, haben Dr. Simon Jacob von der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Campus Charité Mitte und Prof. Dr. Andreas Nieder von der Fakultät für Biologie der Eberhard Karls Universität Tübingen an Rhesusaffen untersucht. Die Tiere sollten sich eine bestimmte Anzahl an Punkten in einem Musterbild merken. In einer sich anschließenden Gedächtnisphase wurde ein Störreiz gezeigt. Danach sollten sie das Musterbild wiedererkennen.

Während die Rhesusaffen die Aufgabe durchführten, wurde die elektrische Aktivität einzelner Nervenzellen im Stirnlappen und im Scheitellappen gemessen, zwei für das Arbeitsgedächtnis wesentliche Regionen im Großhirn. Der Stirnlappen ist Sitz komplexer kognitiver Funktionen, während der Scheitellappen unter anderem eine wichtige Rolle bei der Verarbeitung sensorischer Informationen spielt. Die Forschungsergebnisse zeigen, dass die Nervenzellen im Stirnlappen zwar durch den Störreiz aktiviert werden, nach Ausschalten des störenden Reizes jedoch wieder das im Gedächtnis gespeicherte Musterbild darstellen. Demgegenüber wurden die Nervenzellen im Scheitellappen durch den Störreiz überhaupt nicht aktiviert.

„Die Studie hilft zu erklären, warum das Arbeitsgedächtnis bei vielen neurologischen und psychiatrischen Erkrankungen gestört ist“, sagt Dr. Jacob von der Charité. Weiterhin erklärt er: »Verschiedene Hirnareale scheinen bei der Ausblendung eines störenden Reizes unterschiedliche Strategien zu verwenden. Während Nervenzellen im Scheitellappen den Störreiz einfach unterdrücken, lassen sich die Zellen im Stirnlappen kurzzeitig ablenken, um aber sofort danach die eigentlich wichtige Gedächtnisinformation wieder herzustellen.« Prof. Nieder fügt hinzu: »Uns hat vor allem die unterschiedliche Anfälligkeit der beiden Hirnareale gegenüber Störreizen überrascht. Bisher war man davon ausgegangen, dass der Stirnlappen alle Arten von Störreizen filtert, während der Scheitellappen sensibler für Störungen ist. Unsere Ergebnisse fordern ein Umdenken hinsichtlich der Beiträge und Strategien der jeweiligen Hirnareale während Arbeitsgedächtnisaufgaben.»

*Jacob S, Nieder A. Complementary roles for primate frontal and parietal cortex in guarding working memory from distractor stimuli. Neuron. 2014 July 02.