86 komorbide Erkrankungen, also Begleiterkrankungen wurden identifiziert
Haben Menschen mit Depressionen ein höheres Risiko für weitere Erkrankungen? Welche sind das und wann treten sie auf? Das haben Forschende der Universitätsmedizin Greifswald zusammen mit weiteren europäischen Kooperationspartnern in einer Studie untersucht. Dafür wurden über 1,2 Millionen Datensätze aus Krankenakten verschiedener Länder analysiert.
Mit dem Alter nimmt die Regenerationsfähigkeit des Nervensystems ab; das Risiko für Nervenerkrankungen (Neuropathien) steigt. Forscher des Leibniz-Instituts für Alternsforschung in Jena haben mit Kollegen des Jenaer Universitätsklinikums und der Universität Bonn die Regeneration alternder Nerven untersucht. Sie fanden heraus, dass daran maßgeblich eine gestörte Immunantwort beteiligt ist, die zu einem chronischen Entzündungszustand führt. Zur Verbesserung der Nervenregeneration im Alter wiesen die Forscher die Wirksamkeit einer entzündungshemmenden Therapie nach und identifizierten vielversprechende Alternsmarker, die derzeit auf ihre Eignung als spezifische Therapieziele getestet werden.
Jena. Unzählige Nerven durchziehen den menschlichen Körper. Gemeinsam bilden sie das periphere Nervensystem, welches Gehirn und Rückenmark (das zentrale Nervensystem) mit dem Rest des Körpers verbindet, um Schmerz- und Sinneswahrnehmungen und Bewegungssignale weiterzuleiten. Störungen des peripheren Nervensystems haben große Auswirkungen auf die Lebensqualität und führen zu Beeinträchtigungen verschiedener Organfunktionen, reduzierter Sinneswahrnehmung und unspezifischem Schmerzempfinden. Umso wichtiger ist daher die gute Regenerationsfähigkeit, die einen lebenslangen Erhalt der Nervenfunktionen ermöglicht und sie nach Verletzungen wiederherstellt. Mit dem Alter nimmt diese Regenerationsfähigkeit jedoch ab, und mit ihr auch die Funktionalität des Nervensystems.
Obwohl die altersbedingt abnehmende Regenerationsfähigkeit bereits
seit längerem bekannt ist, sind deren Ursachen größtenteils noch
unerforscht und Therapien bisher schwierig bis unmöglich. Forscher des
Leibniz-Instituts für Alternsforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI) in
Jena konnten nun zusammen mit Kollegen des Jenaer Universitätsklinikums
und der Universität Bonn wichtige Einblicke in die zugrundeliegenden
molekularen und zellulären Vorgänge des Alterns von Nerven erlangen und
mögliche Therapieansätze identifizieren. Die Ergebnisse der Studie
wurden kürzlich in der Fachzeitschrift Aging Cell veröffentlicht.
Chronische Entzündungsprozesse beeinträchtigen die Regeneration im Alter
Die Forscher untersuchten zunächst die Regenerationsfähigkeit des
peripheren Nervensystems im Mausmodell. Junge Mäuse regenerierten nach
einer Nervenverletzung deutlich schneller als alte Mäuse und zeigten
auch schneller eine vollständige Genesung. Alte Mäuse zeigten auch nach
längerer Regenerationszeit keine vollständige Wiederherstellung der
Nervenfunktionen.
„Das periphere Nervensystem ist ein sehr komplexes System, in dem
verschiedene Zelltypen eng miteinander kommunizieren und
zusammenarbeiten müssen,“ erläutert Dr. Helen Morrison,
Forschungsgruppenleiterin am FLI. „Dies ist umso wichtiger beim
Regenerationsprozess der Nerven, der zeitlich und räumlich hoch
koordiniert ablaufen muss, um erfolgreich zu sein.“ Die Hauptdarsteller
der Regeneration sind auswachsende Nervenzellen, unterstützende
Schwannzellen sowie Immunzellen – insbesondere Fresszellen -, die
helfen, den verletzten Nerv abzubauen und Zelltrümmer zu beseitigen, um
den Platz für regenerierende Nerven zu schaffen.
Frühere Studien haben gezeigt, dass speziell die Funktion von
Schwann- und Immunzellen durch den Alternsprozess beeinträchtigt wird.
Forscher waren bisher davon ausgegangen, dass das gealterte Immunsystem
in Folge einer Nervenverletzung nur unzureichend aktiviert werden kann,
bzw. dass deren Zellfunktion herabgesetzt ist. Es wurde eine
abgeschwächte Immunantwort als Ursache der verringerten Regeneration
vermutet, die den Bereich der Verletzung für die regenerierenden Nerven
nur unzureichend frei räumen kann.
„Dies scheint jedoch nur ein Teil der Geschichte zu sein“, so Robert
Büttner, der das Thema im Rahmen seiner Doktorarbeit am FLI bearbeitete
und Erstautor der Studie ist. „Wir beobachteten, dass die Immunantwort
in Folge einer Nervenverletzung zwar zunächst verringert ist, bei
näherer Beobachtung jedoch nur verzögert abläuft,“ so Büttner weiter.
„Alte verletzte Nerven zeigen stattdessen im weiteren Verlauf eine
verstärkte, überschießende Immunantwort, was zu einem Zustand
andauernder Entzündung führt und den weiteren Heilungsprozess stark beeinträchtigt.“ Durch Gabe des Entzündungshemmers Acetylsalicylsäure
(ASA, auch bekannt unter dem Markenname Aspirin®) gelang es den
Forschern, dieser Entwicklung entgegenzuwirken und die
Nervenregeneration bei alten Mäuse deutlich zu steigern.
Identifikation alternsassoziierter Entzündungsmarker – neue Therapieansätze
Das Team ging der Frage nach, wie die überschießende Immunantwort die
Regeneration beeinträchtigt und untersuchte dafür gezielt die
Botenstoffe, die die Kommunikation zwischen den beteiligten Zellen
vermitteln. „Das Zytokin CCL-11 war für uns am interessantesten“, fasst
Dr. Michael Reuter, Postdoktorand in der Forschungsgruppe Morrison, die
Ergebnisse zusammen. Dieses Zytokin ist vor allem im Zusammenhang mit
Allergien und der Parasitenabwehr bekannt; auch eine Rolle bei der
alternsbedingten Abnahme kognitiver Leistung wurde beschrieben. „Eine
Funktion bei der Nervenregeneration ist jedoch neu“, unterstreicht Dr.
Reuter das Ergebnis.
Nachfolgend konnten die Forscher zeigen, dass CCL-11 auf die Schwannzellen einwirkt und deren Differenzierung
verhindert, so dass sie nicht mehr in der Lage sind, die Regeneration
optimal zu unterstützen. Diese Schwannzellen rekrutieren vermutlich
beständig weiter neue Immunzellen, was den andauernden
Entzündungszustand erklären könnte; ein Teufelskreis.
„Die Identifizierung einzelner, ursächlich beteiligter Signalmoleküle
eröffnet in diesem Zusammenhang ganz neue Therapieansätze“, betont Dr.
Morrison. „Im Gegensatz zu dem unspezifischen Entzündungshemmer ASA mit
seinen bekannten Nebenwirkungen, haben wir hier die Möglichkeit, ganz
präzise in den Regenerationsprozess einzugreifen.“ In diesem
Zusammenhang ist besonders interessant, dass sowohl Mäuse als auch
Menschen altersbedingt chronisch erhöhte CCL-11 Werte im Blut aufweisen.
CCL-11 könnte somit ein spezifischer Alternsmarker sein. In weiteren
Arbeiten prüfen die Forscher um Dr. Morrison nun, ob sich das Zytokin
CCL-11 tatsächlich als therapeutisches Ziel eignet und zur Verbesserung
der Nervenregeneration im Alter genutzt werden kann.
Publikation
Inflammaging impairs peripheral nerve maintenance and regeneration.
Büttner R, Schulz A, Reuter M, Akula AK, Mindos T, Carlstedt A, Riecken
LB, Baader SL, Bauer R, Morrison H. Aging Cell 2018, e12833. doi:
10.1111/acel.12833.
Hintergrundinformation
Das Leibniz-Institut für Alternsforschung – Fritz-Lipmann-Institut
(FLI) in Jena widmet sich seit 2004 der biomedizinischen
Alternsforschung. Über 330 Mitarbeiter aus 30 Nationen forschen zu
molekularen Mechanismen von Alternsprozessen und alternsbedingten
Krankheiten. Näheres unter http://www.leibniz-fli.de.
Die Leibniz-Gemeinschaft verbindet 93 selbständige
Forschungseinrichtungen. Ihre Ausrichtung reicht von den Natur-,
Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und
Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute
widmen sich gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevanten
Fragen. Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Forschung,
auch in den übergreifenden Leibniz-Forschungsverbünden, sind oder
unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten
forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt
Schwerpunkte im Wissenstransfer, vor allem mit den
Leibniz-Forschungsmuseen. Sie berät und informiert Politik,
Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Leibniz-Einrichtungen
pflegen enge Kooperationen mit den Hochschulen – u.a. in Form der
Leibniz-WissenschaftsCampi, mit der Industrie und anderen Partnern im
In- und Ausland. Sie unterliegen einem transparenten und unabhängigen
Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung
fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft
gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 19.100 Personen,
darunter 9.900 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Gesamtetat
der Institute liegt bei mehr als 1,9 Milliarden Euro (http://www.leibniz-gemeinschaft.de).
Originalpublikation:
Inflammaging impairs peripheral nerve maintenance and regeneration.
Büttner R, Schulz A, Reuter M, Akula AK, Mindos T, Carlstedt A, Riecken
LB, Baader SL, Bauer R, Morrison H. Aging Cell 2018, e12833. doi:
10.1111/acel.12833.