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Epilepsie: Neue Forschungsergebnisse

Ausgefeilte Datenanalyse ersetzt riskante Hirn-Stimulation

Messmethode könnte in Anfallsprävention und Therapiekontrolle helfen

Epilepsieforschung

Ziel der Epilepsieforschung: Sensoren auf der Oberfläche des Gehirns messen dessen Aktivität. Pathologische Veränderungen führen direkt zu einer Stimulation des Gehirns durch eine implantierte Elektrode, so dass es zur Normalisierung der Hirnaktivität kommt. Derartige Systeme werden von Wissenschaftlern des Universitätsklinikums Freiburg und der Universität Freiburg im Exzellenzcluster BrainLinks-BrainTools entwickelt.
Bildquelle: BrainLinks-BrainTools / Universität Freiburg

Als eine der Hauptursachen von Epilepsie gilt eine übermäßig starke Grunderregung des Gehirns. Diese konnten Ärzte bislang nur messen, indem sie das Gehirn des Patienten elektrisch oder magnetisch stimulierten, was jedoch aufwändig ist und einen epileptischen Anfall auslösen kann. Nun präsentiert ein internationales Forscherteam unter Beteiligung des Universitätsklinikums Freiburg in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Proceedings of the National Society (PNAS) eine mathematische Analyse-Methode, um den Erregungszustand des Gehirns ohne äußeren Einfluss zu bestimmen. Das Verfahren macht die Messung sicherer, ermöglicht Langzeit-Untersuchungen und stellt eine objektive Therapiekontrolle in Aussicht. Außerdem zeigen die Forscher, dass die Erregbarkeit des Gehirns stark vom Schlaf-Wach-Rhythmus abhängt.

Rund 600.000 Menschen in Deutschland leiden an Epilepsie, der häufigsten neurologischen Erkrankung. Insbesondere für Patienten mit starker Epilepsie stellen die Krampfanfälle eine starke Einschränkung und Gefährdung im Alltag dar. Eine zuverlässige Vorhersagetechnik konnte bislang nicht entwickelt werden.

Ausgefeilte Mathematik macht riskante Hirn-Stimulation überflüssig

Als Maß für die Grunderregung untersuchten die Forscher, wie stark verschiedene Bereiche des Gehirns im Gleichtakt arbeiten. Diese synchrone Aktivität ist bekanntermaßen bei Epilepsie erhöht. Bisher wurde dafür mit Hilfe der Elektroenzephalografie (EEG) gemessen, wie sich die Hirnströme nach einer direkten Stimulation des Gehirns verändern. Nun gelang es den Forschern diese Grunderregung in den EEG-Daten auch ohne Stimulation zu zeigen. Im direkten Vergleich mit der bisherigen Methode wiesen sie nach, dass die neue Methode bereits sehr zuverlässig funktioniert.

„Es ist uns erstmals gelungen, die Erregbarkeit des Gehirns ohne vorherige Stimulation zu messen“, sagt der Ko-Autor der Studie Prof. Dr. Andreas Schulze-Bonhage, Leiter des Epilepsiezentrums an der Klinik für Neurochirurgie des Universitätsklinikums Freiburg und Mitglied des Exzellenzclusters BrainLinks-BrainTools der Universität Freiburg. „Damit ist eine wichtige Grundlage geschaffen, um auch längerfristige Messungen, etwa zur Sicherung einer guten Anfallskontrolle, zu ermöglichen“, so Prof. Schulze-Bonhage.

Bedeutung für Therapiekontrolle und Anfallsprävention

Die Forscher zeigten außerdem, dass die Erregbarkeit des Gehirns unter anti-epileptischen Medikamenten zurückging. In Zukunft ließe sich damit der Erfolg von Therapien in Echtzeit kontrollieren. Auch für die Anfallsvorhersage könnte die Methode von Bedeutung werden. „Wir haben die Hoffnung, anhand des Erregungsmusters Phasen besonders hoher Anfallswahrscheinlichkeit identifizieren zu können“, sagt Prof. Schulze-Bonhage. Die Patienten könnten sich in diesen Phasen besonders vorsichtig verhalten und etwa Autofahrten unterlassen. Zudem würde dies zeitlich gezielte Behandlungen ermöglichen.

Ohne Schlaf wird das Gehirn besonders leicht erregbar

Auch der Schlaf-Wach-Rhythmus hat nach Erkenntnissen der Forscher Einfluss auf den Erregungszustand des Gehirns. Die Messungen zeigten starke Schwankungen im Tagesverlauf. Zudem wurde bei acht gesunden Probanden während eines 40-stündigen Schlafentzugs die Erregbarkeit gemessen. Je länger die Probanden wach waren, desto höher war auch der gemessene Erregungszustand des Gehirns. „Das passt zu der Beobachtung, dass epileptische Anfälle gehäuft bei Schlafmangel auftreten“, sagt Prof. Schulze-Bonhage. „Außerdem gibt es einen wichtigen Hinweis auf eine ganz grundlegende Funktion des Schlafes: nämlich eine Normalisierung der Hirnerregbarkeit.“

Messung der Hirnaktivität

Für seine Studie wertete das Wissenschaftler-Konsortium aus Deutschland, USA und Australien Daten von zwölf Epilepsie-Patienten aus. Alle Patienten waren medikamentös nur mangelhaft behandelbar. In Vorbereitung auf eine deshalb notwendige operative Epilepsie-Therapie wurde die Hirnaktivität mit EEG-Elektroden gemessen. Die Elektroden wurden dafür neurochirurgisch auf oder in die Gehirnoberfläche implantiert. Bei den gesunden Probanden wurden die EEG-Elektroden auf der Kopfhaut platziert.

Weitere Untersuchungen müssen nun prüfen, ob unterschiedliche Formen der Epilepsie im Erregungsmuster voneinander abweichen und wie gut die Vorhersagekraft bei einzelnen Patienten ist. Diese Informationen sind eine Grundvoraussetzung für mögliche Verfahren zur Anfallsvorhersage.

Original-Titel der Arbeit: Intrinsic excitability measures track antiepileptic drug action and uncover increasing/decreasing excitability over the wake/sleep cycle.

DOI: 10.1073/pnas.1513716112