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Gefaltetes Gift

Forscher zeigen, wie die Toxine des resistenten Bakteriums Clostridium difficile in Darmzellen eindringen

Das Schaubild zeigt, wie das Toxin des Bakteriums Clostridium difficile mithilfe des Proteins TRiC in die Darmzelle eindringt. Quelle: Klaus Aktories
Das Schaubild zeigt, wie das Toxin des Bakteriums Clostridium difficile mithilfe des Proteins TRiC in die Darmzelle eindringt. Quelle: Klaus Aktories

Die Therapie bakterieller Infektionen mit Antibiotika schädigt häufig die Darmflora und führt zu Durchfall und Darmentzündungen. Oftmals sind Bakterien mit dem Namen Clostridium difficile, die gegen Antibiotika resistent sind, dafür verantwortlich. Eine Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Dr. Klaus Aktories vom Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie der Universität Freiburg hat in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Andreas Schlosser vom Rudolf-Virchow-Zentrum in Würzburg gezeigt, wie die giftigen Proteine des Keims in die Darmzellen eindringen. Ihre Ergebnisse haben die Forscher in dem renommierten Journal „Proceedings of the National Academy of Sciences“ veröffentlicht.

Das Bakterium Clostridium difficile produziert im Darm Giftstoffe, die in die Zellen der Schleimhaut eindringen und deren Schrankenfunktion stören. Wie diese Toxine in den Zellen wirken, ist seit Langem bekannt: Sie übertragen Zucker auf Schalterproteine, die dadurch inaktiv werden. In der Folge wird der Zusammenhang von Darmzellen gestört und es kommt zum Zelltod. Wie die vergleichsweise großen Proteine dieser Toxine in die Wirtszellen eindringen, war bisher nicht geklärt. Bekannt war lediglich, dass die bakteriellen Giftstoffe an Rezeptoren auf der Oberfläche von Darmzellen binden und aus Bläschen im Zytoplasma, den so genannten Vesikeln, durch kleine Poren ins Zellinnere gelangen.

Wie die Arbeitsgruppe gezeigt hat, hängt die weitere Aufnahme der Toxine von dem Protein TRiC ab. Es faltet Eiweißstoffe, die in der Zelle als lange Ketten von Aminosäuren gebildet werden, und verhilft ihnen zu ihrer räumlichen Struktur. Den Wissenschaftlern zufolge ist TRiC auch daran beteiligt, bakterielle Giftstoffe zu falten, die als lange Ketten durch Zellmembranen geschleust und dann im Inneren neu gefaltet werden müssen. Blockierten die Forscher TRiC durch einen Hemmstoff oder schalteten das Protein mit diesem genetisch aus, kam es zu keiner Vergiftung durch die Toxine.

Auch die Wirkung anderer bakterieller Giftstoffe, die alle die Fähigkeit haben, Zucker zu übertragen, hängen von TRiC ab. Die neuen Erkenntnisse können dabei helfen, Wirkstoffe gegen die Toxine zu entwickeln.

Originalpublikation
Marcus Steinemann, Andreas Schlosser, Thomas Jank, and Klaus Aktories. The chaperonin TRiC/CCT is essential for the action of bacterial glycosylating protein toxins like Clostridium difficile toxins A and B. Proceedings of the National Academy of Sciences USA. pii: 201807658. doi: 10.1073/pnas.1807658115.

Wie Giftstoffe zelluläre Wegweiser aktivieren

Ein Durchfallerreger verändert die Oberfläche von Darmzellen so, dass sich Bakterien besser ansiedeln können

Bakterielle Giftstoffe bilden Zellausläufer und benutzen dabei Septine als Wegweiser. Bild: Carsten Schwan

Bakterielle Giftstoffe bilden Zellausläufer und benutzen dabei Septine als Wegweiser. Bild: Carsten Schwan

Die Einnahme von Antibiotika schädigt oft die natürliche Darmflora. Diese kann infolgedessen krankmachende Keime nicht mehr in Schach halten; Durchfall und Darmentzündungen können entstehen. Zu den Erregern gehört der Keim Clostridium difficile, der Darmzellen durch Giftstoffe angreift. Das Bakterium bewirkt unter anderem, dass sich ein feines Netzwerk aus Zellausläufern auf der Oberfläche von Darmzellen bildet, wodurch sich weitere Bakterien besser ansiedeln können. Die Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Dr. Klaus Aktories und Dr. Carsten Schwan vom Pharmakologischen Institut der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg hat gezeigt, wie der Giftstoff CDT von C. difficile-Bakterien diese Zellausläufer bildet. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben ihre Forschungsergebnisse in der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS) veröffentlicht. „Indem wir das CDT-Toxin untersuchen, können wir besser verstehen, wie Darmentzündungen durch die Krankheitserreger entstehen und sich entwickeln“, sagt Aktories. „Zudem können wir grundlegende physiologische Prozesse aufklären, indem wir das Toxin als Werkzeug nutzen.“

Besonders angriffslustige Bakterien der Spezies C. difficile stellen Gifte her, die das Zellgerüst von Darmzellen zerstören. Dadurch werden Kontakte zwischen Darmzellen und ihre Schrankenfunktionen gehemmt, was zu  typischen Durchfällen und Entzündungen führt. Zwei wichtige Bestandteile des Zellgerüstes sind Aktin und Mikrotubuli, die eine zentrale Rolle bei der Erhaltung der Zellform, der Schrankenfunktion und bei zellulären Bewegungsvorgängen spielen. Das CDT-Toxin von C. difficile verändert Aktin und blockiert dadurch dessen Kettenbildung, was seine normale Funktion stört. Eine Folge davon ist, dass sich Mikrotubuli-Ketten leichter bilden und derart vermehren, dass zahlreiche Zellausläufer entstehen. Diese bilden ein Netzwerk auf der Darmzell-Oberfläche und fördern den Kontakt der Bakterien mit der Wirtszelle.

Wie CDT diese Zellausläufer bildet, war bislang nicht bekannt. Die Freiburger Wissenschaftler haben gezeigt, dass der Einfluss des Giftstoffes auf das Zusammenspiel der beiden Gerüstproteine Aktin und Tubulin von einem dritten Baustein abhängt, den Septinen. In einer menschlichen Zelle gibt es bis zu 13 verschiedene Septine, die miteinander wechselwirken und sich zu Ketten, Ringen oder Bändern verbinden können. Dieser Prozess nennt sich Polymerisation. CDT verändert das Aktin so, dass die Septine nicht mehr an Aktin binden können und stattdessen an die Zellmembran wandern. Hier bilden sie trichterartige Septinpolymere, die in die Mikrotubuli – röhrenförmige Proteinstrukturen – hineinwachsen. Septine stehen mit der Spitze von wachsenden Mikrotubuli in direkter Wechselwirkung und funktionieren so als ein Wegweiser für das Wachstum dieser Strukturen.

Die Untersuchungen der Freiburger Arbeitsgruppe ermöglichen darüber hinaus Einblicke in die Entstehung der Septin-Trichter. Die Proteine Cdc42 und Borg regulieren den Transport der Septine an die Membranen und sind eine Voraussetzung dafür, dass sich die Trichter bilden. Eine ähnliche Funktion wie bei der Ausläuferbildung, die das Toxin CDT bewirkt, haben Septine im Nervensystem des Menschen bei der Bildung von Nervenausläufern, den Neuriten. Auch hier kommt es zu einem Zusammenspiel von Aktin, Mikrotubuli und Septinen, wobei mikroskopisch ähnliche Strukturen gebildet werden. Die Untersuchung des Toxins gibt daher Aufschluss über grundlegende Abläufe im menschlichen Körper.

Klaus Aktories ist Direktor der Abteilung I am Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie der Albert-Ludwigs-Universität sowie Mitglied des Freiburger Exzellenzclusters BIOSS Centre for Biological Signalling Studies. Carsten Schwan ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe von Aktories.

Originalpublikationen:
Thilo Nölke, Carsten Schwan, Friederike Lehmann, Kristine Østevold, Olivier C. Pertz, and Klaus Aktories (2016). Septins guide microtubule protrusions induced by actin-depolymerizing toxins like Clostridium difficile transferase CDT. PNAS. DOI: 10.1073/pnas.1522717113