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Hirnstimulation zur Behandlung von Parkinson

Geschlossener Regelkreis, geringere Nebenwirkung

Anpassungsfähige Stimulation könnte Patienten mit neurologischen Erkrankungen wie Parkinson deutlich entlasten

Gehirnaktivität

Ein Gerät zeichnet die Gehirnaktivität eines Patienten auf und passt dadurch die Stärke der Stimulation an dessen individuelle Bedürfnisse an. Quelle: Gunnar Grah/BrainLinks-Braintools

Könnten beim Einsatz tiefer Hirnstimulation zur Behandlung von Parkinson potenzielle Nebenwirkungen mithilfe eines so genannten geschlossenen Regelkreises vermieden werden, der sich individuell an die Symptome der Patientin oder des Patienten anpasst? Mit dieser Frage beschäftigen sich der Neurowissenschaftler Dr. Ioannis Vlachos und seine Kollegen Taskin Deniz, Prof. Dr. Arvind Kumar und Prof. Dr. Ad Aertsen in einer aktuellen Studie, die in der Fachzeitschrift „PLoS Computational Biology“ erschienen ist.

Der Ansatz der Wissenschaftler des Bernstein Centers Freiburg und des Exzellenzclusters BrainLinks-BrainTools an der Albert-Ludwigs-Universität könnte die Entwicklung neuer Methoden bei der Behandlung von Parkinson um einen entscheidenden Schritt voranbringen: „Es gibt derzeit nur zwei etablierte Therapieansätze bei dieser Erkrankung. Entweder man verabreicht Medikamente oder man wendet die Tiefenhirnstimulation an“, erklärt Vlachos. Bei der letzteren wird eine Elektrode in das Gehirn des Patienten implantiert, die kontinuierlich Stimulationssignale aussendet. Das bezeichnen Forscherinnen und Forscher als offenen Regelkreis. „Im Prinzip funktioniert diese Methode ähnlich wie ein Herzschrittmacher“, sagt Vlachos. Die Symptome von Parkinson sind jedoch nicht konstant. Den Freiburger Wissenschaftlern zufolge sei es deswegen nicht effizient, durchgehend mit demselben Signal zu stimulieren.

„Beim geschlossenen Regelkreis passt die Elektrode die Stimulation an die momentanen Symptome des Patienten an. Wir hoffen, damit mögliche Nebenwirkungen wie Gang- oder Sprachstörungen zu vermeiden, die bei der konventionellen Behandlung mit Tiefenhirnstimulation entstehen können“, erläutert Vlachos.

Bei dem neuen Ansatz wird die Gehirnaktivität aufgezeichnet und an ein neuroprothetisches Gerät übermittelt. Das Stimulationssignal kann dadurch kontinuierlich angepasst werden. Das Steuergerät überwacht pausenlos jene Gehirnaktivitäten, die eine Parkinson’sche Erkrankung auszeichnen. Die gewonnenen Daten bestimmen die Intensität der Stimulation. Ist eine stärkere Stimulation notwendig, sendet das Gerät stärkere Signale aus. Nimmt die Aktivität ab, wird auch das Signal schwächer. Sind die Gehirnaktivitäten normal, bleibt das Gerät inaktiv. „Dies sorgt darüber hinaus für eine längere Lebensdauer der Batterie sowie für größere Wartungsintervalle und erhöht so die Lebensqualität der Patienten“, berichtet der Forscher.

Auch bei der Behandlung anderer Erkrankungen des Gehirns wie Epilepsie oder Schizophrenie könnte der Ansatz Anwendung finden. Zudem halten die Forscher die Entwicklung von Methoden für möglich, die ohne Implantat auskommen, etwa die transkranielle Stimulation. Dabei wird das Gehirn von außen stimuliert, ohne dass es notwendig ist, ein Loch in den Schädel zu bohren und eine Elektrode in das Gehirn einzusetzen.

Die Methode könnte laut Vlachos auch neue Erkenntnisse zu grundsätzlichen neurowissenschaftlichen Fragen ermöglichen: „Wenn beispielsweise Tiere ihre Aufmerksamkeit auf einen bestimmten Reiz richten, erhöhen sich die Oszillationen in der Hirnaktivität. Mithilfe unseres Verfahrens können wir die Stärke dieser Schwingungen verändern und somit überprüfen, ob und wie die Aufmerksamkeit durch solche Oszillationen des Netzwerkes beeinflusst wird.“ Nachdem nun Computersimulationen erste Ergebnisse geliefert haben, planen die Forscher im nächsten Schritt, die Methode an Tiermodellen zu überprüfen, bevor sie auch beim Menschen zum Einsatz kommen kann.

Originalveröffentlichung:
Vlachos I, Deniz T, Aertsen A, Kumar A (2016) Recovery of dynamics and function in spiking neural networks by closed-loop control. In: PLoS Computational Biology, http://dx.doi.org/10.1101/030189.

Implantatpass für jeden operierten Patienten

Pressemitteilung zum DKOU 2015

Gelenkersatz wird immer sicherer
DKOU-Präsidenten begrüßen Implantatpass für jeden operierten Patienten

Berlin – Seit dem 1. Oktober ist eine Gesetzesänderung für Implantate in Kraft. Gemäß der neuen Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBetreibV) müssen Kliniken ab sofort jedem Betroffenen nach der Operation einen Implantatpass aushändigen. Somit soll die Patientensicherheit weiter verbessert werden. Die Qualität des künstlichen Gelenkersatzes wird hierzulande durch das Endoprothesenregister Deutschland (EPRD) erfasst und hat sich durch das Zertifizierungsverfahren für behandelnde Kliniken, EndoCert, bereits deutlich verbessert. Welche weiteren Pflichten und Vorteile für Kliniken und Patienten das neue Gesetz mit sich bringt, berichten Experten am 21. Oktober 2015 anlässlich des deutschen Kongresses für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU).

Mehr als 150.000 Gelenkersatz-Operationen sind inzwischen im EPRD dokumentiert. Der größte Teil bezieht sich mit rund 88.000 Eingriffen auf Hüftprothesen, weitere rund 67.000 auf Operationen des Knies. „Mit mehr als 630 angemeldeten Kliniken ist nun etwa die Hälfte aller infrage kommenden Krankenhäuser zur Teilnahme registriert“, sagt Professor Dr. med. Rüdiger Krauspe, Kongresspräsident des DKOU 2015. Dank EndoCert konnten Orthopäden und Unfallchirurgen bereits in den letzten Jahren die Infektionsraten senken und die Haltbarkeit der Implantate deutlich steigern. Dieser hohe Qualitätsstandard und die detaillierte Erfassung der Implantate im EPRD seien weltweit einzigartig. „Mehrere Nationen und Fachgesellschaften haben bereits Kontakt mit uns aufgenommen, um mit dem EPRD zu kooperieren“, berichtet der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC) und Direktor der Orthopädischen Klinik und Poliklinik, Universitätsklinikum der Heinrich-Heine-Universität, Düsseldorf.

Um die Patientensicherheit weiter zu verbessern hat sich die DGOOC in den letzten Jahren auch für die Änderungen der Medizinprodukte-Betreiberverordnung eingesetzt – mit Erfolg: Der jetzt verpflichtende Implantatpass enthält neben dem Patientennamen und dem Datum der Implantation Details des implantierten Medizinprodukts wie etwa den genauen Typ und die Seriennummer. Das betrifft Knie- oder Hüftendoprothesen, aber auch Herzschrittmacher, Stents oder Brustimplantate. „Zwar haben durch EndoCert zertifizierte Kliniken Implantatpässe für Endoprothesen schon zuvor ausgestellt“, so Dr. med. Holger Haas, Vorsitzender der Zertifizierungskommission EndoCert der DGOOC. Dennoch sei es wichtig, dass dies nun auch gesetzlich verankert sei.

Denn der Pass und die Dokumentation der Implantate böten entscheidende Vorteile für die Patientensicherheit, so Haas, Chefarzt am Zentrum für Orthopädie, Unfallchirurgie und Sportmedizin des Gemeinschaftskrankenhauses Bonn. „Neu ist etwa, dass die Kliniken verpflichtet sind, die Daten digital aufzubewahren und diese auf Anfrage innerhalb von drei Tagen zu ermitteln.“ So können sie etwa bei Rückrufaktionen von Herstellern oder einer notwendigen Korrektur schneller als bisher allein anhand der Chargen- oder Seriennummer oder des Implantat-Typs betroffene Patienten ausfindig machen.

Welche Fortschritte EndoCert und das EPRD in den letzten Jahren erzielen konnten und was die neue Implantatpass-Pflicht Patienten bringt, diskutieren Orthopäden und Unfallchirurgen anlässlich des DKOU 2015 in Berlin, der von DGOOC, der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU), sowie dem Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU) ausgerichtet wird. Es werden zudem Langzeitergebnisse vorgestellt, welche Implantatmaterialien sich bei welchen Patienten bewährt haben.