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Verändertes Mikrobiom bei Hochaltrigen: Wie die Darmflora das Altern beeinflussen kann

Das Mikrobiom als Ansatzpunkt für Therapien gegen das Altern

Professor Christoph Kaleta
Professor Christoph Kaleta

(01.09.2020) Der Darm mit seinen zahlreichen Mikroorganismen leistet einen maßgeblichen Beitrag zu unserer Gesundheit und unserem Wohlbefinden. Doch wie verändert sich das Mikrobiom des Darms – immerhin größtes Organ des menschlichen Körpers – bei hochaltrigen Menschen? Und welchen Einfluss hat seine veränderte Zusammensetzung auf die Gesundheit geriatrischer Patienten – und ihr Altern? Mit dieser Thematik setzt sich Professor Christoph Kaleta (Foto), Leiter der Arbeitsgruppe „Medizinische Systembiologie“ am Institut für Experimentelle Medizin der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, auseinander. In seiner Keynote „Elucidating the contribution of the gut microbiome to aging“ im Rahmen der am Donnerstag beginnenden geriatrisch-gerontologischen Online-Konferenz beleuchtet er das Thema ganzheitlich. Dabei zeigt Kaleta auf, wie mikrobiombasierte Therapien das Altern verlangsamen können. Die Online-Konferenz findet vom 3. bis 5. September statt und wird organisiert von der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG) mit Beteiligung der Deutschen Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie (DGGG).

„Wir haben festgestellt, dass sich das Mikrobiom im alternden Körper opportunistisch verhält. Das bedeutet im Detail, dass es die Produktion von – für seinen Wirt vorteilhaften – Metaboliten reduziert und gleichzeitig seinen eigenen Verbrauch von Nährstoffen erhöht“, sagt Christoph Kaleta und fährt fort: „Diese verminderte Kapazität der Mikrobiota in unserem Darm spielt eine zentrale Rolle für das Altern. Erkennbar wird das beispielsweise bei der Zellproliferation und Reparatur von DNA-Schäden.“ Den Teilnehmern der Online-Konferenz wird er aufzeigen, was diese Veränderung des Mikrobioms im Detail bedeutet, aber auch, wie die Medizin es nutzen kann, um dem Altern entgegenzuwirken.

Mit der medizinischen Systembiologie Krankheiten entschlüsseln

Am Institut für Experimentelle Medizin der Universität Kiel gehen Christoph Kaleta und sein Team der Frage nach, wie unser biologisches System als Ganzes funktioniert, welche Mechanismen Krankheiten auslösen und wie das Mikrobiom mit dem Wirt interagiert. In der sogenannten Systembiologie, einer zukunftsweisenden Forschungsdisziplin, werden integrative Analysen großer Datenmengen, Modellierungen und Nasslaborexperimente vollzogen, um schlussendlich besser zu verstehen, wie biologische Prozesse ablaufen und Krankheiten entstehen. Dadurch werden einerseits Risikofaktoren identifiziert und Forscher können andererseits wesentlich besser verstehen, wie es Krankheitserregern gelingt, sich im Körper zu verbreiten. Zudem wird erkannt, wie sich diese Erreger während einer Infektion an die sich schnell verändernden Bedingungen anpassen.

Das Mikrobiom als Ansatzpunkt für Therapien gegen das Altern

Für Christoph Kaleta steht fest, dass therapeutische Interventionen, die auf das Mikrobiom ausgerichtet sind, das Altern aktiv verlangsamen können. Hierfür haben er und sein Team bereits erste Experimente mit einigen Medikamenten durchgeführt. „Beispielsweise spielt es eine wesentliche Rolle im Wirkungsmechanismus des Typ-2-Diabetes-Medikaments Metformin. Dieses ist in der Lage, die Lebensspanne in einer Vielzahl von Organismen und möglicherweise auch im Menschen zu verlängern“, so der Forscher. Experimente mit Fadenwürmern und Studien mit hochbetagten Patienten haben gezeigt, dass nach der Einnahme des Medikamentes das Mikrobiom aktiver ist.

Erfolgsversprechen Therapien: Erhöhte Kapazitäten des Mikrobioms nutzen

Die Experimente mit Metformin sind nur ein erster Nachweis dafür, dass die Erforschung biologischer Mechanismen Alterserscheinungen verbessern oder gar reduzieren kann. „Das Mikrobiom, besonders im Darm, wird zunehmend als Modulator für die Gesundheit seines Wirts anerkannt, vor allem im Kontext des Alterns“, so Christoph Kaleta. In seiner Keynote will er noch detaillierter aufzeigen, wie erfolgsversprechend Therapien sind, die direkt die Mikrobiota ansprechen. „Wenn wir die mikrobiellen Gemeinschaften im menschlichen Körper verstehen, können wir auch die Pathomechanismen menschlicher Krankheiten besser verstehen – und das Mikrobiom nutzen, um sie zu behandeln.“ Die Erkenntnisse aus der Systembiologie können auch die Therapie von Alterserscheinungen entscheidend verändern.

Zur Person:

Prof. Dr. Christoph Kaleta ist Leiter der Arbeitsgruppe „Medizinische Systembiologie“ am Institut für Experimentelle Medizin der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Schwerpunkte der Forschung der Arbeitsgruppe „Medizinische Systembiologie“ sind die Aufklärung gemeinsamer Mechanismen, die menschlichen Krankheiten – besonders im Alter – zugrunde liegen sowie die Entwicklung von Modellierungsansätzen, die es ermöglichen, metabolische Interaktionen innerhalb mikrobieller Gemeinschaften sowie mit dem Wirt zu untersuchen. Unter der Leitung von Christoph Kaleta hat die Arbeitsgruppe zahlreiche Publikationen zur Funktion und dem Einfluss von Mikrobiomen bei zahlreichen Krankheiten veröffentlicht. Kaleta ist zudem Mitglied des Exzellenzclusters „Präzisionsmedizin für chronische Entzündungserkrankungen/Precision Medicine in Chronic Inflammation“ (PMI) und des Sonderforschungsbereichs „Entstehen und Funktionieren von Metaorganismen“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG).

Termin:

Prof. Dr. Christoph Kaleta
Keynote Lecture: Elucidating the contribution of the gut microbiome to aging
Geriatrisch-gerontologische Online-Konferenz
Deutsche Gesellschaft für Geriatrie (DGG) mit Beteiligung der Deutschen Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie (DGGG)
Donnerstag, 3. September 2020
15:45 bis 16:25 Uhr

Mediziner in Deutschland werden immer älter

Nachwuchsmediziner auf dem 122. Internistenkongress
Forum „Chances“ punktet mit Praxisbezug

Wiesbaden – Mediziner in Deutschland werden immer älter: Wie das Statistische Bundesamt (destatis) mitteilte, lag das Durchschnittalter der Krankenhausärzte Ende 2014 bereits bei über 41 Jahren – Vertragsärzte waren im Durchschnitt schon über 53 Jahre alt. Auch steigt die Zahl der Beschäftigten in Arztpraxen und Krankenhäusern immer weniger an, während jedoch die Patientenzahlen drastisch steigen. Die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) warnt vor einer Überalterung der Ärzteschaft in Deutschland und fördert mit dem Forum „Chances“ beim 122. Internistenkongress in Mannheim gezielt junge Mediziner und Medizinstudenten. Studenten erhalten kostenfreien Eintritt zum Kongress.

„Die aktuellen Zahlen zeigen erneut, wie sehr Deutschland auf seinen medizinischen Nachwuchs angewiesen ist“, betont Professor Dr. med. Gerd Hasenfuß, Vorsitzender der DGIM und Kongresspräsident des 122. Internistenkongresses. „Denn seit Jahren nimmt das Durchschnittsalter der Ärztinnen und Ärzte zu. In den kommenden Jahren werden etliche ambulant und stationär tätige Mediziner in den Ruhestand gehen und eine steigende Patientenzahl hinterlassen.“ Der Internist und Kardiologe warnt daher vor Versorgungslücken und sinkender Versorgungsqualität durch zu wenig Personal. „Umso wichtiger ist es, den Nachwuchs zu fördern und junge Studenten für das Medizinstudium zu begeistern“, so Hasenfuß. Mit dem Forum „Chances“ richtet sich die DGIM gezielt an eben jene jungen Mediziner und Studenten.

„Chances“ ist als kontinuierlicher Programmteil des Internistenkongresses nicht mehr wegzudenken und erstreckt sich über alle Kongresstage. Neu ist in diesem Jahr ein eintägiger Workshop zum Thema „Grundlagen der internistischen Systemmedizin“. Während des Workshops werden das Mikrobiom und „Next Generation Sequencing“ (NGS) vorgestellt – eine aktuelle Methode der DNA-Sequenzierung. Der Tag gibt einen Einblick in die in internistische Systemmedizin und hat zum Ziel, junge Mediziner und Studenten für eine wissenschaftliche Laufbahn zu interessieren. Teil des Programms werden zudem die Themen „Auslandsaufenthalt“ und „medizinische Forschung“ sein. Zur Anwendung im medizinischen Alltag auf der Station und im Not- und Bereitschaftsdienst erfahren Teilnehmer am Dienstag, was es mit dem „kleinen 1×1 der antibiotischen Therapie“ auf sich hat und erhalten eine strukturierten und komprimierten Einblick in die Antibiotika-Therapie.

Am Kongress-Sonntag wird „Chances“ durch die Jungen Internisten der DGIM ausgerichtet. Experten diskutieren gemeinsam mit interessierten Nachwuchsmedizinern Befunde der klinischen Bildgebung. Des Weiteren können sich die Teilnehmer über die Professionalisierung der klinischen Weiterbildung in Deutschland und deren Umsetzung informieren. Schließlich vermittelt das „klinische Gymnasium“ interaktiv spannende Fälle aus der Klinik und in diesem Jahr die wichtigsten Krankheitsbilder aus der Endokrinologie „Für uns als Junge Internisten ist es ganz entscheidend, im Forum ‚Chances‘ nah an der Praxis zu bleiben und den Teilnehmern einen Eindruck über den Beruf des Internisten in seinen vielen Facetten zu bieten“, sagt Dr. med. Matthias Raspe, Sprecher der Jungen Internisten.

„Chances“ endet mit einer gemeinsamen Sitzung der DGIM und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) zum Thema „Clinician Scientist“. Die Experten diskutieren Chancen, Möglichkeiten und Umsetzung einer klinisch-wissenschaftlichen Karriere und stellen das neue Curriculum der DGIM zur Facharztweiterbildung und Habilitation vor. „Es ist uns auch in diesem Jahr gelungen, für Studenten und junge Medizinern ein vielfältiges Programm auszuarbeiten – ich freue mich darauf, viele Interessierte Nachwuchs-Internisten beim Kongress zu treffen“, sagt Professor Hasenfuß. Weitere Informationen zu „Chances“ finden Interessierte im Hauptprogramm zum 122. Internistenkongress ab Seite 287.