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Tiefe Hirnstimulation bei Parkinson: Neue Software zur Einstellung entwickelt

Charité-Studie zeigt Gleichwertigkeit der Software mit bisherigem klinischen Verfahren

Zu sehen sind die anatomischen Positionen zweier Hirnstimulationselektroden. Farblich dargestellt sind die für die tiefe Hirnstimulation bei Parkinson-Erkrankten relevanten anatomischen Strukturen. Die Positionen der Elektroden wurden auf Basis individueller radiologischer Bilddaten ermittelt. Die neu entwickelte Software StimFit nutzt diese Informationen, um Vorschläge für effektive Stimulationseinstellungen zu berechnen. © Charité | Jan Roediger
Zu sehen sind die anatomischen Positionen zweier Hirnstimulationselektroden. Farblich dargestellt sind die für die tiefe Hirnstimulation bei Parkinson-Erkrankten relevanten anatomischen Strukturen. Die Positionen der Elektroden wurden auf Basis individueller radiologischer Bilddaten ermittelt. Die neu entwickelte Software StimFit nutzt diese Informationen, um Vorschläge für effektive Stimulationseinstellungen zu berechnen. © Charité | Jan Roediger

Die Tiefe Hirnstimulation (THS) ist ein Therapieverfahren, das zur Behandlung von Parkinson-Erkrankten eingesetzt wird. Zwei im Gehirn implantierte Elektroden stimulieren dabei dauerhaft bestimmte Hirnregionen. Die Einstellung der Stimulationsparameter ist allerdings ein aufwendiger Prozess. Ein Forschungsteam der Charité – Universitätsmedizin Berlin hat nun eine Software entwickelt, die die Einstellung effizienter machen könnte. In ihrer im Fachmagazin The Lancet Digital Health* erschienenen Studie konnten die Forschenden zeigen, dass die softwarebasierte Einstellung im Vergleich zur Stimulationseinstellung des herkömmlichen Verfahrens zu gleichwertigen Ergebnissen in der Verbesserung der motorischen Symptome führt. 

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Hirnstimulation zur Behandlung von Parkinson

Geschlossener Regelkreis, geringere Nebenwirkung

Anpassungsfähige Stimulation könnte Patienten mit neurologischen Erkrankungen wie Parkinson deutlich entlasten

Gehirnaktivität

Ein Gerät zeichnet die Gehirnaktivität eines Patienten auf und passt dadurch die Stärke der Stimulation an dessen individuelle Bedürfnisse an. Quelle: Gunnar Grah/BrainLinks-Braintools

Könnten beim Einsatz tiefer Hirnstimulation zur Behandlung von Parkinson potenzielle Nebenwirkungen mithilfe eines so genannten geschlossenen Regelkreises vermieden werden, der sich individuell an die Symptome der Patientin oder des Patienten anpasst? Mit dieser Frage beschäftigen sich der Neurowissenschaftler Dr. Ioannis Vlachos und seine Kollegen Taskin Deniz, Prof. Dr. Arvind Kumar und Prof. Dr. Ad Aertsen in einer aktuellen Studie, die in der Fachzeitschrift „PLoS Computational Biology“ erschienen ist.

Der Ansatz der Wissenschaftler des Bernstein Centers Freiburg und des Exzellenzclusters BrainLinks-BrainTools an der Albert-Ludwigs-Universität könnte die Entwicklung neuer Methoden bei der Behandlung von Parkinson um einen entscheidenden Schritt voranbringen: „Es gibt derzeit nur zwei etablierte Therapieansätze bei dieser Erkrankung. Entweder man verabreicht Medikamente oder man wendet die Tiefenhirnstimulation an“, erklärt Vlachos. Bei der letzteren wird eine Elektrode in das Gehirn des Patienten implantiert, die kontinuierlich Stimulationssignale aussendet. Das bezeichnen Forscherinnen und Forscher als offenen Regelkreis. „Im Prinzip funktioniert diese Methode ähnlich wie ein Herzschrittmacher“, sagt Vlachos. Die Symptome von Parkinson sind jedoch nicht konstant. Den Freiburger Wissenschaftlern zufolge sei es deswegen nicht effizient, durchgehend mit demselben Signal zu stimulieren.

„Beim geschlossenen Regelkreis passt die Elektrode die Stimulation an die momentanen Symptome des Patienten an. Wir hoffen, damit mögliche Nebenwirkungen wie Gang- oder Sprachstörungen zu vermeiden, die bei der konventionellen Behandlung mit Tiefenhirnstimulation entstehen können“, erläutert Vlachos.

Bei dem neuen Ansatz wird die Gehirnaktivität aufgezeichnet und an ein neuroprothetisches Gerät übermittelt. Das Stimulationssignal kann dadurch kontinuierlich angepasst werden. Das Steuergerät überwacht pausenlos jene Gehirnaktivitäten, die eine Parkinson’sche Erkrankung auszeichnen. Die gewonnenen Daten bestimmen die Intensität der Stimulation. Ist eine stärkere Stimulation notwendig, sendet das Gerät stärkere Signale aus. Nimmt die Aktivität ab, wird auch das Signal schwächer. Sind die Gehirnaktivitäten normal, bleibt das Gerät inaktiv. „Dies sorgt darüber hinaus für eine längere Lebensdauer der Batterie sowie für größere Wartungsintervalle und erhöht so die Lebensqualität der Patienten“, berichtet der Forscher.

Auch bei der Behandlung anderer Erkrankungen des Gehirns wie Epilepsie oder Schizophrenie könnte der Ansatz Anwendung finden. Zudem halten die Forscher die Entwicklung von Methoden für möglich, die ohne Implantat auskommen, etwa die transkranielle Stimulation. Dabei wird das Gehirn von außen stimuliert, ohne dass es notwendig ist, ein Loch in den Schädel zu bohren und eine Elektrode in das Gehirn einzusetzen.

Die Methode könnte laut Vlachos auch neue Erkenntnisse zu grundsätzlichen neurowissenschaftlichen Fragen ermöglichen: „Wenn beispielsweise Tiere ihre Aufmerksamkeit auf einen bestimmten Reiz richten, erhöhen sich die Oszillationen in der Hirnaktivität. Mithilfe unseres Verfahrens können wir die Stärke dieser Schwingungen verändern und somit überprüfen, ob und wie die Aufmerksamkeit durch solche Oszillationen des Netzwerkes beeinflusst wird.“ Nachdem nun Computersimulationen erste Ergebnisse geliefert haben, planen die Forscher im nächsten Schritt, die Methode an Tiermodellen zu überprüfen, bevor sie auch beim Menschen zum Einsatz kommen kann.

Originalveröffentlichung:
Vlachos I, Deniz T, Aertsen A, Kumar A (2016) Recovery of dynamics and function in spiking neural networks by closed-loop control. In: PLoS Computational Biology, http://dx.doi.org/10.1101/030189.

Tanz Wissenschaft Parkinson

Abschlusskongress des deutsch-israelischen Projekts „Störung/Ha-fra-ah“ am Theater Freiburg am 18./19.12.2015

Am 18. und 19. Dezember 2015 präsentieren Forscherinnen und Forscher der Universität Freiburg, Tänzerinnen und Tänzer und an Morbus Parkinson erkrankte Menschen gemeinsam die Erkenntnisse des Projekts „Störung/Ha-fra-ah“ des Exzellenzclusters BrainLinks-BrainTools und des Theater Freiburg. In Performance-Parcours und Workshops stellen die Teilnehmenden ihre Arbeiten zum Thema Bewegung und Bewegungsstörungen vor. Ein Dokumentarfilm und wissenschaftliche Vorträge berichten über Schnittpunkte zwischen Neurowissenschaften und Tanz, und die Tänzerin Yasmeen Godder aus Tel Aviv/Israel führt einen Teil der Choreografie „Common Emotion“ auf. Seit dem 20. Februar 2015 trafen sich die Teilnehmenden jede Woche, um zu tanzen, zu diskutieren und gemeinsame Forschungsfragen zu bearbeiten.
  • Was: Kongress/Kulturveranstaltung
  • Wann: 18.12.2015, 10:00 Uhr bis 19.12.2015, 14:00 Uhr
  • Wo: Theater Freiburg, Bertoldstraße 46, 79098 Freiburg

Darmbakterien sorgen für gesundes Gehirn

Darmbakterien steuern Reifung und Funktion von Immunzellen des Gehirns / Zersetzte Ballaststoffe dienen als Botenstoffe zwischen Darm und Gehirn / Veröffentlichung in Nature Neuroscience

gesunde Mikroglia eines Tieres mit Darmflora; Mitte: ohne Darmflora sind die Mikroglia unreif; Rechts: Tiere ohne Darmflora, die ein bakterielles Abbauprodukt fressen, besitzen gesunde Mikroglia Bildquelle: Universitätsklinikum Freiburg

Gesunde Mikroglia eines Tieres mit Darmflora; Mitte: ohne Darmflora sind die Mikroglia unreif;
Bildquelle: Universitätsklinikum Freiburg

(01.06.2015) Die Besiedlung des Darms mit Bakterien beeinflusst lebenslang die Immunabwehr des Gehirns und damit möglicherweise auch den Verlauf von Hirnerkrankungen wie Alzheimer und Multipler Sklerose. Dies hat  ein Team um Neuropathologen des Universitätsklinikums Freiburg erstmals an Mäusen festgestellt. Wie die Wissenschaftler nun zeigen konnten, wird die Funktion von Fresszellen des Gehirns, so genannte Mikroglia, durch Abbauprodukte von Darmbakterien gesteuert. Insbesondere bei der Zersetzung von Ballaststoffen produzieren Bakterien kurzkettige Fettsäuren, die für die korrekte Funktion der Mikroglia benötigt werden. Mäuse, deren Darm keine Bakterien enthielt, entwickeln unreife und verkümmerte Mikroglia. Wurde  später eine Darmflora etabliert, waren auch die Mikroglia-Zellen wieder gesünder. Die Studie gibt nicht nur Hinweise auf die mögliche Entstehung neurodegenerativer Erkrankungen, sondern auch auf die Bedeutung einer ausgewogenen Ernährung für die Vorbeugung von Gehirnerkrankungen. Ihre Ergebnisse präsentieren die Forscher in der Juli-Ausgabe der renommierten Fachzeitschrift Nature Neuroscience und vorab in der Online-Ausgabe der Zeitschrift.

Mikroglia sind die sogenannten Fresszellen des Gehirns, auch Gehirn-Makrophagen genannt. Sie beseitigen eingedrungene Keime und abgestorbene Nervenzellen und sind an der lebenslangen Formbarkeit des Gehirns beteiligt. Fehlgesteuerte Mikroglia-Zellen spielen bei mehreren Hirnerkrankungen eine Rolle. Wie die Reifung und Aktivierung dieser Zellen gesteuert wird, war bislang unklar.

Ohne Darmbakterien verkümmern die Immunzellen des Gehirns

Bildquelle: Universitätsklinikum Freiburg

Bildquelle: Universitätsklinikum Freiburg

Prof. Dr. Marco Prinz, Ärztlicher Direktor des Instituts für Neuropathologie am Universitätsklinikum Freiburg und assoziiertes Mitglied des BIOSS Centre for Biological Signalling Studies Freiburg, leitete die Forschungsgruppe mit Mitgliedern aus Freiburg, Rehovot (Israel), München, Mainz, Köln, und Bern (Schweiz). Gemeinsam mit den Erstautoren Dr. Daniel Erny und Anna Lena Hrabě de Angelis konnte er erstmals bei Mäusen zeigen, dass ein intaktes Immunsystem des Gehirns von einer gesunden bakteriellen Darmflora abhängt. Dafür untersuchten sie Tiere, die in einer komplett sterilen Umgebung aufgezogen und gehalten wurden. Diese besaßen verkümmerte und unreife Mikroglia, die auf Entzündungsreize im Hirn kaum reagierten. „Unsere Ergebnisse weisen auf einen ständigen Informationsfluss zwischen Darmbakterien und Hirnmakrophagen hin“, sagt Prof. Prinz.

Auch Tiere, deren Darmbakterien durch eine vierwöchige Antibiotika-Therapie abgetötet worden waren, wiesen eine gestörte Immunantwort auf. Im Kontakt mit gesunden Tieren etablierte sich bei den zuvor steril gehaltenen Tieren schnell eine Darmflora. Dies hatte einen positiven Einfluss auf die Immunabwehr. Dabei galt: „Je größer die Vielfalt der Darmbakterien war, desto besser entwickelten sich auch die Mikroglia“, fasst der Neuropathologe zusammen

Zersetzte Ballaststoffe steuern Immunreaktion im Gehirn

Die Forscher zeigten, dass kurzkettige Fettsäuren als Botenstoff zwischen Darmflora und Mikroglia dienen. Diese werden bei der bakteriellen Verwertung von Ballaststoffen, Milchprodukten und weiteren Nahrungsmitteln produziert. Über das Blut könnten sie ins Gehirn gelangen und dort Mikrogliazellen helfen, Entzündungsreaktionen schnell und effizient zu bekämpfen. „Unsere Ergebnisse weisen darauf hin, wie wichtig für die geistige Gesundheit eine ausgewogene Ernährung ist, die zur bakteriellen Bildung von kurzkettigen Fettsäuren beiträgt“, sagt Prof. Prinz.

Hat die Darmflora auch Einfluss auf Alzheimer, Parkinson und Multiple Sklerose?

Die Studie dürfte auch für den Menschen eine hohe Relevanz haben. „Die Ergebnisse passen sehr gut zu früheren klinischen Studien und zu Untersuchungen anderer Forschungsgruppen“, so Prof. Prinz. So werden Autoimmunerkrankungen des Darms wie Morbus Crohn mit einem Mangel an kurzkettigen Fettsäuren in Verbindung gebracht. Hier wird seit einiger Zeit die Behandlung durch eine so genannte Stuhltransplantation geprüft, bei der die Darmflora von einem auf einen anderen Menschen übertragen wird. Wie groß der Einfluss der Darmflora auf Funktion und Entwicklung des Gehirns beim Menschen genau ist, müssen zukünftige Studien prüfen.

Bildquelle: Universitätsklinikum Freiburg

Original-Titel der Arbeit: Host microbiota constantly control maturation and function of microglia in the CNS

DOI: 10.1080/15592294.2015.1039216

Link zum Journal: www.nature.com/neuro/index.html

Kurzes Video-Interview zur Studie mit Prof. Marco Prinz

Wenn die Pflege eines Angehörigen überfordert

ZDF-Feiertagsakzent „Dietrich Grönemeyer – Leben ist mehr!“ am Buß- und Bettag

„Ich bin einfach am Ende“, sagt der 75-jährige Heinz P., der seit Jahren seine gleichaltrige Frau Lisa pflegt. Die Aufgabe fordert ihn rund um die Uhr: Lisa leidet an Parkinson und Demenz und ist seit einem Oberschenkelhalsbruch auf den Rollstuhl angewiesen. In der diesjährigen Buß- und Bettags-Ausgabe seiner Sendung „Leben ist mehr!“, beleuchtet Dietrich Grönemeyer am Mittwoch, 19. November 2014, 17.45 Uhr, ein Thema, das jeden von uns treffen kann: Was passiert, wenn ein Angehöriger pflegebedürftig ist und die Belastung unerträglich wird?Dietrich Grönemeyer erfährt, in welches Dilemma pflegende Angehörige stürzen, wenn sie das nicht mehr schaffen, was sie doch so gern tun würden: sich liebevoll um ihren Vater, ihre Mutter, ihren Ehegatten zu kümmern. Heinz P. erwägt, seine Frau in ein Pflegeheim zu geben. Kann es gelingen, dass Pflegebedürftige geschätzt, ernst- und immer wieder in den Arm genommen werden und dass gleichzeitig Angehörige ihr eigenes Leben frei von schlechtem Gewissen leben können? Es gilt, Entscheidungen zu treffen, sein Gewissen zu prüfen und – im Sinn des Buß- und Bettags – sich selbst und seine Positionen zu hinterfragen.