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Gehirn räumt im Schlaf auf

Gehirn räumt im Schlaf auf – und bleibt dadurch lernfähig

Die wesentliche Funktion von Schlaf ist geklärt

Schlaf reduziert die Übertragung zwischen Nervenzellen und schafft dadurch Platz für Neues und Wichtiges

Publikation in Nature Communications

Noch immer ist nicht eindeutig geklärt, weshalb Menschen und Tiere schlafen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Freiburg zeigen in einer am 23. August 2016 im Fachmagazin Nature Communications veröffentlichten Studie, dass im Schlaf die allgemeine Aktivität der als Synapsen bezeichneten Nervenzell-Verbindungen reduziert wird. Die meisten Verbindungen werden geschwächt, manche sogar ganz abgebaut. Nur wichtige Synapsen bleiben bestehen oder werden gestärkt. Dadurch schafft das Gehirn wieder Platz, um neue Informationen zu speichern. Diese als synaptische Plastizität bezeichnete Anpassungsfähigkeit ist eine wichtige Grundlage für Lernen und eine flexible Informationsverarbeitung. Der Abbau dürfte zudem Platz und Energie sparen, da beides im Gehirn zu einem Großteil von den Verbindungsstellen benötigt wird.

Nehmen wir tagsüber Informationen auf, werden im Gehirn Synapsen gestärkt oder neu angelegt. „Wir konnten jetzt erstmals beim Menschen zeigen, dass Schlaf die Synapsen wieder heruntergeregelt und damit Platz für neue Informationen schafft. Das Gehirn räumt also im Schlaf auf“, sagt Studienleiter Prof. Dr. Christoph Nissen, Ärztlicher Leiter des Schlaflabors an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Freiburg. „Wird dieser Prozess durch Schlafmangel unterbunden, gerät das Gehirn in einen Sättigungszustand. Synapsen können dann nicht mehr ausreichend verstärkt oder neu aufgebaut werden. Entsprechend schwer fallen auch Lernen und flexible Informationsverarbeitung.“

Schlaf senkt die tagsüber gestiegene Aktivität der Synapsen

Zunächst untersuchten die Forscher die allgemeine Aktivität der Synapsen im Gehirn, die auch als Gesamtverbindungsstärke bezeichnet wird. Mit Hilfe einer Magnetspule über dem Kopf der Probanden reizten sie einen Bereich im Gehirn, der für die Steuerung eines Daumenmuskels zuständig ist. Dieses Vorgehen wird als Transkranielle Magnetstimulation (TMS) bezeichnet. Nach Schlafentzug löste bereits ein deutlich schwächerer Reiz eine Kontraktion des Muskels aus, was ein Zeichen für eine hohe synaptische Verbindungsstärke ist.

Außerdem werteten die Forscher mittels Elektroenzephalografie-Messungen (EEG) die unterschiedlichen Frequenzen der Hirnströme aus. Schlafentzug führte dabei zu einem deutlichen Anstieg sogenannter Theta-Wellen. Vorangegangenen Tier- und Humanstudien zufolge ist dies ein weiteres Anzeichen erhöhter synaptischer Gesamtstärke. „Schlaf senkt die tagsüber gestiegene Gesamtstärke der Synapsen im Gehirn. Nach Schlafentzug bleibt die Aktivität dagegen auf einem hohen Niveau“, sagt Prof. Nissen.

Gehirn wehrt sich gegen Überladung

Außerdem fanden die Forscher erstmals beim Menschen Hinweise für ein Prinzip, das eine dauerhafte Reizverarbeitung gewährleistet, die sogenannte homöostatische Plastizität. Sind die Synapsen durch lange Wachphasen bereits maximal aktiv, führen neue Reize oder Informationen nicht zu einer Stärkung, sondern zu einer Schwächung der Nervenzell-Verbindungen. Neu ankommende Reize können dann wieder normal verarbeitet werden. „Es ist anzunehmen, dass praktisch alle Funktionen des Gehirns dadurch beeinflusst werden, wie etwa Emotionsregulation, Konzentration oder Lernen“, sagt Prof. Nissen.

Im Experiment kombinierten die Forscher wiederholt die Reizung des motorischen Gehirn-Areals mit einem elektrischen Reiz am Arm, der ins Gehirn weiter geleitet wird. Findet eine Stärkung der Verknüpfung von Nervenzellen statt, kontrahiert sich der Daumenmuskel stärker als zuvor. Dieser Effekt zeigte sich nach Nachtschlaf. Nach Schlafentzug dagegen war die Kontraktion des Daumenmuskels sogar schwächer. Auf Verhaltensebene beobachteten die Freiburger Forscher zudem ein schlechteres Neulernen von Wortpaaren nach Schlafentzug.

Möglicher Grund, warum Menschen Schlafmangel unterschiedlich gut vertragen

Weiterhin fanden sie Hinweise darauf, dass der Wachstumsfaktor BDNF (brain derived neurotrophic factor) bei der Regulation der synaptischen Aktivität eine wichtige Rolle spielt. Es ist bekannt, dass BDNF nach normalem Schlaf die Neuverknüpfung von Nervenzellen und damit Lernen fördert. Die Forscher konnten nun zeigen, dass eine anhaltend hohe BDNF-Konzentration im Blut unter Schlafentzug eher zu einer Sättigung von Synapsen führte. „Das könnte erklären, warum manche Menschen Schlafmangel besser verkraften als andere“, sagt Prof. Nissen.

Therapieansätze für Depression und Schlaganfall

Die Erkenntnisse könnten zur Entwicklung neuer Therapiemöglichkeiten beitragen, etwa nach Schlaganfall oder bei depressiven Störungen. Bei diesen Erkrankungen ist es wichtig, Verschaltungen im Gehirn zu verändern. Hierzu könnten eine gezielte Beeinflussung des Schlaf-Wach-Verhaltens, aber auch andere Verfahren wie die transkranielle Gleichstromstimulation oder Medikamente mit neuen Wirkmechanismen auf Plastizität genutzt werden.

Original-Titel der Arbeit: Sleep recalibrates homeostatic and associative synaptic plasticity in the human cortex

DOI: 10.1038/ncomms12455

Einblicke in die Notfallmedizin

Die „Freiburger Abendvorlesungen“ starten am 13. Juli 2016 mit den Einblicken in die Notfallmedizin

AbendvorlesungenBereits zum zehnten Mal finden in diesem Jahr die „Freiburger Abendvorlesungen“ statt, die vom Universitätsklinikum Freiburg in Zusammenarbeit mit der Badischen Zeitung veranstaltet werden.

An vier Terminen wird diesen Sommer das Thema „Notfallmedizin“ aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet. Die „Freiburger Abendvorlesungen“ starten am

Mittwoch, den 13. Juli 2016,
um 19.00 Uhr im Hörsaal der Universitäts-Frauenklinik,
Hugstetter Straße 55, Freiburg  

mit der Auftaktveranstaltung zu zwei unterschiedlichen Perspektiven auf die Notfallmedizin: PD Dr. Hans-Jörg Busch und Dr. Thorsten Hammer, Ärztliche Leiter des Universitäts-Notfallzentrums am Universitätsklinikum Freiburg, werden einen Vortrag zum Thema „Wie funktioniert Notfallmedizin in einer interdisziplinären Notaufnahme?“ halten. Weiterhin wird Prof. Dr. Hartmut Bürkle, Ärztlicher Direktor der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Universitätsklinikum Freiburg, gemeinsam mit Dr. Hammer einen Einblick in das Thema „Unfallmedizin: Wie Unfallchirurgen und Intensivmediziner zusammenwirken“ geben.

Die öffentlichen Veranstaltungen richten sich an alle, die sich für medizinische Themen und das Universitätsklinikum Freiburg interessieren.

Im Anschluss an die Vorträge beantworten die Referenten die Fragen der Besucher. Die Abende klingen bei Getränken, Häppchen und Gesprächen mit den Experten im Garten vor der Frauenklinik aus.

Der Eintritt ist frei.

Die folgenden Veranstaltungen der „Freiburger Abendvorlesungen“ finden immer mittwochs an drei weiteren Terminen jeweils um 19.00 Uhr im Hörsaal der Universitäts-Frauenklinik statt:

20. Juli 2016: Herzinfarkt: Schnelle Versorgung rettet Leben

27. Juli 2016: Schlaganfall: Welche neuen Behandlungsmethoden gibt es?

3. August 2016: Lebensbedrohende Bauchschmerzen: Wann ist eine Operation nötig?

Mit einer App den Schaganfall schnell erkennen

Gesundheits-Apps sind allerorts beliebt.

dcdd636f-09f1-444b-864a-36815c94a1f2Die „Schlaganfall-App“ will in erster Linie helfen, die Zeichen für einen Schlaganfall schnellstens zu erkennen, um so die nötige Hilfe schnell herbeirufen zu können.

Da mit Hilfe von Gesundheits-Apps vor allem auch Daten gesammelt werden, wollten wir von der Deutschen Schlaganfall-Hilfe wissen, was mit den erfassten Daten passiert.

Hier die Antwort:

Durch die App werden unsererseits keine Daten erfasst oder weiterverwendet. Wenn der App-Nutzer von einer der integrierten Kontakt-Möglichkeiten (z.B. per E-Mail) Gebrauch macht, werden diese zwecks Bearbeitung der Anfrage an unsere Agentur und ggf. auch an uns weitergeleitet.

Um den Datenschutz richtig einschätzen zu können, sollte Nutzer wissen, dass Partner der App die „Initiative Schlaganfallvorsorge“ ist . Ihr gehören neben der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO) und der Schlaganfall-Hilfe die Pharmaunternehmen Pfizer und Bristol Myers-Squibb an. Die Initiative macht sich stark für die Prävention des Schlaganfalls durch bessere Informationen.

Die Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe hat ihre Schlaganfall-App überarbeitet. Nutzer können einen Schlaganfall-Verdacht prüfen und direkt den Notruf auslösen, auch im europäischen Ausland.

Drei einfache Fragen stellt der sogenannte FAST-Test, mit Audiobegleitung in drei Sprachen und Bildunterstützung. Durch einen Tastendruck lässt sich der Notruf 112 auslösen. Dieser funktioniert auch aus dem Mobilnetz in allen 28 EU-Staaten.

Zusätzlich hat die Deutsche Schlaganfall-Hilfe ihre im vergangenen Jahr entwickelte App um ein Infocenter erweitert. Es enthält Checklisten und vermittelt Wissen rund um den Schlaganfall. Wichtige Fragen für Angehörige und Patienten zum Aufenthalt auf einer Schlaganfall-Station (Stroke Unit) sind ebenfalls enthalten.

Eine weitere Neuheit ist das App-Center. Unter diesem Menüpunkt werden den Nutzern kostenlose medizinische Apps rund um das Thema Schlaganfall und Gesundheitsförderung neutral vorgestellt. Prüfen Sie genau, ob Sie weitere Apps – vor allem kostenlose – nutzen wollen. Jede App birgt auch das Risiko, dass mehr Daten als nötig erfasst werden.

Die App ist erhältlich im Apple Store und im Google Play Store unter dem Stichwort „Schlaganfall-Hilfe“. Weitere Informationen unter schlaganfall-hilfe.de/app.

 

Die neue Volkskrankheit

Chronische Nasennebenhöhlenentzündung

Mehr als zehn Prozent der Deutschen leiden unter einer chronischen Rhinosinusitis. Diese auf den ersten Blick harmlos wirkende Erkrankung belästigt den Patienten durch chronischen Schnupfen, Sekret, das den Rachen hinunterläuft, Kopfschmerzen und Riechstörungen. International erlangt die chronische Rhinosinusitis deutlich mehr Aufmerksamkeit als in Deutschland, weil die individuelle Belastung des Patienten deutlich über diese körperlichen Symptome hinausgeht, weil weitere Erkrankungen in ihrer Entstehung begünstigt werden. So erkranken Patienten mit einer chronischen Rhinosinusitis deutlich häufiger an Lungenerkrankungen, wie Asthma bronchiale und COPD, nach
internationalen Daten haben sie aber auch ein erhöhtes Risiko, an Schlaganfall, Übergewicht oder einer Depression zu erkranken. Insgesamt sind dabei Männer und Frauen etwa gleich häufig betroffen.
Scheinbar sind bestimmte Berufsgruppen, wie Feuerwehrleute und Flugbegleiter, besonders gefährdet, an einer chronischen Rhinosinusitis zu erkranken.

Patienten, die an einem der oben genannten Symptome leiden, sind aufgerufen, einen HNO-Arzt aufzusuchen. Dieser kann durch eine Endoskopie der Nase verschiedene Unterformen der chronischen
Rhinosinusitis unterscheiden, beraten und eine spezifische Therapie einleiten. Diese ist häufig bereits konservativ erfolgreich, bei Versagen besteht aber auch die Option einer operativen Therapie. In
Deutschland wurden allein im Jahr 2009 mehr als 50 000 Prozeduren an Patienten im Bereich der Nasennebenhöhlen wegen einer chronischen Rhinosinusitis durchgeführt. Entsprechend ist diese
Erkrankung auch für unser Gesundheitssystem mit enormen Kosten verbunden.

Für die USA, in denen etwa 12 Prozent der Bevölkerung an der chronischen Rhinosinusitis leiden, wurden direkte Kosten der chronischen Rhinosinusitis bereits 1996 auf 4,5 Milliarden US-Dollar
geschätzt. Dabei erfolgen konstant seit Jahren mehr als zehn Millionen Arztkontakte pro Jahr (oder 1,3 Prozent aller Arztkontakte) nur aufgrund dieser Erkrankung.

Dieses enorme gesundheitspolitische Problem wurde in Korea erkannt und durch repräsentative Untersuchungen der Bevölkerung angegangen. Dabei zeigte sich zwischen 1996 und 2008 eine
Zunahme der chronischen Rhinosinusitis von 1,01 Prozent auf 7,12 Prozent. „Auch wenn dieser dramatische Anstieg teilweise auch durch Verbesserungen der Untersuchungstechnik erklärt werden
kann, sollte er Anlass sein, sich auch in Deutschland wissenschaftlich mehr mit der chronischen Rhinosinusitis zu beschäftigen“, führt PD Dr. med. habil. Achim G. Beule, Geschäftsführender Oberarzt der Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde, Kopf-und Halschirurgie der
Universitätsmedizin Greifswald weiter aus.

Im Rahmen einer großen europäischen Untersuchung berichten in der Region Duisburg 14,1 Prozent und in Brandenburg 6,9 Prozent der Befragten Beschwerden, die als typisch für eine chronische
Rhinosinusitis gelten. Bei Befragung der Ärzte wurde die Häufigkeit dieser Erkrankung mit 8,4 Prozent (Duisburg) beziehungsweise 4,6 Prozent (Brandenburg) deutlich unterschätzt. „Die Ursachen für diese Unterschiede können sowohl in der industriellen Ausrichtung in der Region des Niederrheins und Ruhrgebietes liegen, wie in günstigen Nachwirkungen der deutschen Teilung“, stellt Beule dar.
„Andererseits muss auch an die Möglichkeit eines erschwerten Zuganges des Patienten zum HNO-Arzt, gerade in ländlichen Regionen, gedacht werden.“

 

Übergewicht und Bewegungsmangel

Den Tsunami der chronischen Krankheiten stoppen
Vier Maßnahmen für eine wirkungsvolle und bevölkerungsweite Prävention

Berlin, 12. November 2014 – Übergewicht und Bewegungsmangel gehören zu den Hauptursachen für nicht übertragbare Krankheiten. Ob Bluthochdruck, Schlaganfall, Typ-2-Diabetes, Krebs, Herz-Kreislauf- oder Atemwegserkrankungen, sie stehen in direktem Zusammenhang mit diesen Risikofaktoren. Um die Zunahme dieser Leiden zu stoppen, fordert die Deutsche Allianz gegen Nichtübertragbare Krankheiten (NCD Allianz) die politisch Verantwortlichen in Deutschland auf, wirksame Maßnahmen zu ergreifen. Dazu gehören täglich mindestens eine Stunde Sport in Kita und Schule, eine Zucker-/Fettsteuer auf ungesunde Lebensmittel und die steuerliche Entlastung gesunder Lebensmittel, verbindliche Qualitätsstandards für die Schulverpflegung und ein Verbot von Lebensmittelwerbung, die sich an Kinder richtet. Prominente wie Eckart von Hirschhausen und Matthias Steiner stellen dieses Vier-Punkte-Programm zusammen mit Experten am 12.  November in Berlin vor.

Über die Hälfte der Erwachsenen und fünfzehn Prozent der Drei- bis Siebzehnjährigen in Deutschland sind übergewichtig, ein knappes Viertel der Erwachsenen und sechs Prozent der Kinder und Jugendlichen sogar adipös – Tendenz steigend. Sie haben ein hohes Risiko, in der Folge ihres Übergewichts auch an Diabetes, Krebs, Herzinfarkt, Schlaganfall, Bluthochdruck oder Atemwegsleiden zu erkranken. In Europa verursachen diese chronischen Krankheiten bereits 86 Prozent der vorzeitigen Todesfälle und 77 Prozent der Krankheitslast. Dies führt nicht nur zu großem Leid, sondern auch zu Kosten in mehrstelliger Milliardenhöhe.

Um die Zunahme dieser Erkrankungen zu stoppen, fordert die NCD Allianz daher Bund und Länder auf, endlich wirkungsvolle Maßnahmen einzuleiten. „Es gibt hunderte von Präventionsangeboten in Deutschland. Sie haben den Tsunami der chronischen Krankheiten nicht aufhalten können. Appelle an die Vernunft des Einzelnen sind gescheitert“, erklärt Dr. Dietrich Garlichs, Sprecher der Allianz. „Wir müssen wegkommen von der bisherigen ‚Projektitis‘ hin zu Strukturlösungen, die einen gesunden Lebensstil fördern“, so Garlichs. Zu diesem Zweck hat die Allianz ein Vier-Punkte-Programm formuliert, das auch bildungsferne Schichten erreicht, die besonders von den chronischen Krankheiten betroffen sind und die von den bisherigen Angeboten nicht
erreicht werden.

(1)  Täglich mindestens eine Stunde Bewegung (Sport) in Kita und Schule
Der Lebensstil wird in jungen Jahren geprägt. Kinder bewegen sich heute viel zu wenig. Dabei ist Bewegung für ein ausgewogenes Verhältnis von Energieaufnahme und Energieverbrauch sehr wichtig: Täglich 60 bis 90 Minuten moderate Aktivität steigern den Energieverbrauch um rund zehn Prozent und verhindern dadurch eine Gewichtszunahme – dies wird schon durch strammes Spazierengehen oder Fahrrad fahren erreicht. Deshalb gehört eine Stunde Sport täglich auf den Stundenplan für Schulen und Kitas, da nur dort alle Kinder und Jugendlichen erreicht werden.

(2)  Adipogene Lebensmittel besteuern und gesunde Lebensmittel entlasten (Zucker-/Fettsteuer)
Der Lebensmittelpreis kann das Verbraucherverhalten stark beeinflussen.  Wir essen heute doppelt so viel Zucker, Fett und Salz, als uns gut täte. Wenn in Lebensmitteln ein bestimmter Anteil an Fett, Zucker oder Salz überschritten wird, sollten sie durch eine Steuer verteuert werden. Entsprechend sollten gesunde Lebensmittel verbilligt werden. Länder wie Dänemark, Ungarn, Finnland und Frankreich haben bereits differenzierte Lebensmittelsteuern eingeführt. Selbst die nach kurzer Zeit in Dänemark aus koalitionspolitischen Gründen wieder abgeschaffte Fettsteuer senkte den Konsum stark fetthaltiger Produkte um 10 bis 20 Prozent.

Wie erfolgreich Preissignale sein können, haben auch die Erfahrungen mit den Tabaksteuererhöhungen in Deutschland gezeigt. Erst durch sie konnte der Anteil der rauchenden Jugendlichen in den letzten zehn Jahren halbiert werden. Dagegen haben die Informations- und Aufklärungsprogramme an Schulen kaum einen Effekt gehabt.

(3)  Verbindliche Qualitätsstandards für Kita- und Schulverpflegung
Kita und Schule können beim gesunden Aufwachsen von Kindern eine wichtige Rolle übernehmen, da sie sich mit zunehmendem Nachmittagsunterricht und dem steigenden Anteil an Ganztagesschulen immer mehr zum zentralen Lebensraum von Kindern und Jugendlichen entwickeln. Infolgedessen essen Kinder auch immer häufiger in der Schule. Die Zusammensetzung und Qualität des täglichen Essens beeinflusst nicht nur die körperliche und geistige Entwicklung der Kinder und Jugendlichen, sondern bestimmt auch maßgeblich, wie sich ihr Ernährungsverhalten bis ins Erwachsenenalter ausbildet und verfestigt. Die Schulverpflegung spielt daher nicht nur eine zentrale Rolle in der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen, sondern kann auch einen nachhaltigen Beitrag zum Gesundheitsverhalten in der Bevölkerung insgesamt leisten.

(4)  Verbot von an Kinder gerichtete Lebensmittelwerbung
Die Lebensmittelindustrie bewirbt fast ausschließlich ungesunde Nahrungsmittel, die viel Zucker, Fett oder Salz enthalten und welche die Entstehung von Übergewicht fördern; dazu gehören Süßwaren, stark zuckerhaltige Frühstückscerealien, Milchprodukte und Softdrinks sowie fett- und salzreiche Knabberwaren.  Da die Ernährungsgewohnheiten in Kindheit und Jugend geprägt und dann zu einem hohen Grad im Erwachsenenalter beibehalten werden, versucht die Lebensmittelindustrie, Kinder als Kunden von morgen mit Hilfe spezieller Kinderprodukte und entsprechender Werbung frühzeitig an Marken und Produkte zu binden.
Kinder können häufig Werbebotschaften als solche nicht erkennen. Daten belegen, dass Kindermarketing das Risiko erhöht, überschüssiges Gewicht zuzulegen. Freiwillige Selbstverpflichtungen der Industrie haben sich als wirkungslos erwiesen.

Dr. med. Eckart von Hirschhausen, ehemaliger Arzt an der Kinderklinik der Freien Universität Berlin, unterstützt das Anliegen der Allianz. „In Kindergärten und Schulen entscheidet sich für das Leben, ob man seinen Körper verstehen und lieben lernt. Und weil ein gesundes Selbstvertrauen, Neugier und Freude die besten Garanten für ein glückliches und gesundes Leben sind, ist es höchste Zeit, dass die Mediziner, Pädagogen und Erzieher moderne und praxiserprobte Konzepte an die Hand bekommen“, meint der Komiker und Moderator. Auch Matthias Steiner, Olympiasieger im Gewichtheben und Buchautor, findet den Ansatz richtig: „Sport oder – für weniger Ambitionierte: tägliche Bewegung – ist der richtige Hebel, um das Verhältnis von Energiezufuhr und –verbrauch in eine stabile Balance zu bringen.“

Die vier Maßnahmen werden auch von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Globalen Aktionsplan gegen nichtübertragbare Krankheiten 2013-2020 empfohlen. Mit der politischen Deklaration des ersten UN-Gipfels zur Prävention und Kontrolle nichtübertragbarer Krankheiten 2011 und der Annahme des Globalen NCD-Aktionsplans bei der Weltgesundheitsversammlung 2013 ist Deutschland die Selbstverpflichtung eingegangen, die empfohlenen Politikstrategien umzusetzen. „Nun müssen die Verantwortlichen endlich handeln!“, fordert Garlichs.

Quelle:
Strategiepapier der Arbeitsgruppe Adipositasprävention in der Deutschen Allianz gegen Nichtübertragbare Krankheiten (NCD Allianz). Berlin. November 2014.

„Zehn Minuten Bewegung täglich sollen das Sterberisiko“ senken

Bluthochdruck kann lebensgefährlich sein

(Quelle: World Health Summit)

Interview mit dem Bluthochdruck-Experten Prof. Dr. Detlev Ganten zum
Welt Hypertonie Tag am 17. Mai 2014

Millionen Deutsche haben einen zu hohen Blutdruck, weltweit ist es
jeder dritte Erwachsene. Die Folgen können lebensbedrohend sein:
Schlaganfall, Herzinfarkt oder Nierenschäden. Der Welt Hypertonie Tag
am 17. Mai soll auf die Gefahr aufmerksam machen, denn Bluthochdruck
kann völlig unbemerkt zur ernsten Krankheit werden. Dabei ist es ganz
einfach, Bluthochdruck zu erkennen, zu behandeln und sogar zu
vermeiden.

Prof. Dr. Detlev Ganten ist Facharzt für Pharmakologie und Molekulare
Medizin und einer der weltweit führenden Experten für Bluthochdruck.
Außerdem ist der Medizinforscher Präsident des World Health Summit
(WHS), der jedes Jahr Fachleute aus aller Welt nach Berlin holt, um
Lösungen für die Probleme globaler Gesundheitsversorgung zu finden.

Der 6. WHS findet vom 19. – 22. Oktober 2014 im Auswärtigen Amt
statt.

1. Herr Professor Ganten, Bluthochdruck ist die größte Gefahr für
die Gesundheit, der größte Killer weltweit, zugleich aber ein massiv
erforschtes Feld in der Medizin – warum sterben dann immer noch
Millionen Menschen jedes Jahr an den Folgen von Bluthochdruck?

Die meisten messen leider viel zu selten ihren Blutdruck! Dabei ist
das kinderleicht und geht sogar schneller als Fieber messen. Ein
Blutdruck-Messgerät gehört in jeden Haushalt und jeder sollte seinen
Blutdruck kennen. Wenn er zu hoch ist, das heißt der obere Wert liegt
über 140 mmHG und der untere Wert über 90, sollte man auf jeden Fall
zum Arzt gehen. Zu hoher Blutdruck belastet die Blutgefäße und die
Adern platzen, häufig zum Beispiel im Gehirn. An Hirnschlag sterben
viele Menschen. Dabei könnte man das vermeiden.

2. Was macht Bluthochdruck zu einem so großen Rätsel für Mediziner?

Wir wissen in über 80 Prozent der Fälle nicht, weshalb der Blutdruck
ansteigt, wir sprechen dann von „primärer Hypertonie“. Das liegt
daran, dass das ganze System so kompliziert ist: Die Niere reguliert
das Blutvolumen in den Gefäßen. Die wiederum werden durch Nerven und
Hormone weit oder eng gestellt, denn Blutgefäße sind dehnbar. Das
Herz pumpt das Blut dann entsprechend schneller oder langsamer durch
die Arterien. Gesteuert wird das Ganze von Gehirn und Nerven. Und bei
Stress gesellen sich noch Hirnanhangsdrüse und Nebenniere dazu. Es
ist ein äußerst kompliziertes Zusammenspiel, das aus den Fugen
geraten kann. Warum, wissen wir tatsächlich immer noch nicht genau.

3. Ist denn Bluthochdruck eindeutig auf Lebenswandel und
Verhaltensweise zurückzuführen?

In vielen Fällen eindeutig ja! Jedes Kilo Übergewicht lässt den
Blutdruck um 1mmHG ansteigen. Bei 20 Kg mehr auf den Rippen geht der
Blutdruck also von 90 auf 110, das ist zu viel! Das bedeutet,
Ernährung und Bewegung sind die zentralen Faktoren, den Blutdruck zu
beeinflussen. Ein weiterer wichtiger Risikofaktor ist übrigens
Dauerstress.

4. Was also sollen wir tun? Die WHO zum Beispiel empfiehlt jedem
Erwachsenen, sich zweieinhalb Stunden in der Woche zu bewegen.

Ein sehr guter Ratschlag. Es muss allerdings noch nicht mal so viel
sein und auch gar nicht unbedingt Sport. Jeder Schritt und jede Minute
Bewegung helfen. In einer Studie wurde nachgewiesen, dass zehn Minuten
Bewegung am Tag das Sterberisiko schon um fast zehn Prozent senken,
bei 30 Minuten sind es sogar rund 20 Prozent. Das lohnt sich doch!
Spazierengehen ist ja zudem eine angenehme Tätigkeit.

5. Sie plädieren dafür, regelmäßig Blutdruck zu messen – das
Überwachen unserer Körperfunktionen ist ja gerade sehr in Mode: Apps
kontrollieren Puls, Cholesterin, Kalorienverbrennung, sogar den
Schlaf. Kann einen diese Selbstvermessung nicht geradezu krank machen?

Computer und Apps machen nicht gesund! Manchmal machen sie sogar krank
und neurotisch, insbesondere wenn man gestresst und verrückt wird vor
lauter Messerei und Angst vor den vielen Daten bekommt, die man nicht
versteht und die sich beständig ändern! Ich finde es aber gut, wenn
man gesundheitsbewußt die leicht messbaren Werte kennt und sich von
einem Arzt dabei beraten lässt. Auch ich messe meinen Blutdruck und
meinen Puls beim Joggen.

6. Sie sind ja nicht nur Experte für Hypertonie sondern als
Präsident und Gründer des World Health Summit auch für
Weltgesundheit: Ist Bluthochdruck eine reine Zivilisationskrankheit
oder in allen Teilen der Welt gleichermaßen zu beobachten?

Ursprünglich hatten die Bevölkerungen in Südamerika, Afrika und
Asien keinen Bluthochdruck, aber wir exportieren unsere Lebensweise
und die industriell gefertigte Nahrung in diese Länder und
verursachen damit Übergewicht, Diabetes und Bluthochdruck. Das sind
die neuen Plagen der sogenannten Zivilisation. Auch darauf will der
Welt Hypertonie Tag aufmerksam machen. In so wohlhabenden Ländern wie
Deutschland müssen wir uns auch um die Gesundheit in den weniger
privilegierten Regionen dieser Welt kümmern. Das machen wir auf dem
Weltgesundheitsgipfel. Wir haben eine große Verantwortung.

(Quelle: World Health Summit)

Vom 19. – 22. Oktober 2014 findet der sechste World Health Summit im
Auswärtigen Amt in Berlin statt. Er steht traditionell unter der
Schirmherrschaft von Bundeskanzlerin Merkel und Frankreichs
Staatspräsident Hollande.

Weitere Informationen zu Themen, Sprechern und Tickets:
http://phplist.charite.de/lists/lt.php?id=Z0gADkQABh8KBVo