Wenn schon die Ärzte:innen nicht vorbereitet sind, was passiert dann mit den Patient:innen?
Für die Ärzt:innen können wir aktuell keine Hilfe anbieten. Für Patienten und Patientinnen gibt es in Freiburg 2 kostenlose Informationsveranstaltungen zur Nutzung der ePA.
Termin: Montag, 27. Januar 2025 von 15 bis 16:30 Uhr im Mehrgenerationenhaus in Freiburg. Referentin: Ria Hinken
Termin: Dienstag, 11. Februar 2025 von 14 bis 16 Uhr im Rathaus Stühlinger, Freiburg. Diese Infoveranstaltung findet in Kooperation mit dem Seniorenbüro Freiburg und dem Seniorenrat der Stadt Freiburg statt. Referentin: Ria Hinken.
Hamburg, 5. Dezember 2024 – Kurz vor dem Start der elektronischen Patientenakte (ePA) sieht sich fast die Hälfte der niedergelassenen Ärzte nicht ausreichend auf die ePA vorbereitet: 48,5 Prozent von ihnen gaben in der aktuellen Befragung „Im Fokus“ der Stiftung Gesundheit an, nur geringe oder gar keine Vorkenntnisse zu besitzen und noch umfassende Schulungen oder Informationen zu benötigen. Lediglich 9,0 Prozent schätzen sich als gut vertraut und sicher im Umgang ein. Weitere 42,5 Prozent verfügen über Grundkenntnisse, fühlen sich jedoch unsicher.
Vor allem bei Haftungsfragen, Zugriffsberechtigungen und der Datenübertragung in die ePA fühlen sich rund 60 Prozent der Ärzte zu wenig informiert. 56,7 Prozent ist das Vorgehen bei Internet-Problemen nicht klar, und jeder zweite Arzt gibt an, Informationen für die Patientenaufklärung zu benötigen. Lediglich 15,5 Prozent der Ärzte brauchen keine weiteren Informationen.
Verhaltene Erwartungen an die ePA
Als größten Vorteil der ePA sehen Ärzte die schnellere Verfügbarkeit von Patienteninformationen an: 38,3 Prozent der Ärzte stufen dies als großen oder sehr großen Nutzen ein, allerdings sehen mit 35,4 Prozent fast ebenso viele nur einen geringen oder sehr geringen Nutzen.
In allen weiteren abgefragten Bereichen überwiegt der Anteil der Skeptiker: So zweifeln beispielsweise 44,3 Prozent daran, dass die ePA doppelte bzw. unnötige Untersuchungen oder Behandlungen vermeiden könne. Einen großen oder gar sehr großen Nutzen erwarten in diesem Punkt nur 29,0 Prozent der Ärzte. Die größten Zweifel haben Ärzte daran, dass die ePA die Patientensicherheit verbessern könnte: Zwei Drittel der Ärzte gehen von einem geringen oder sehr geringen Nutzen aus, nur 9,3 Prozent erwarten einen positiven Effekt.
Kritik an komplizierten Zugriffsberechtigungen und hohen Kosten
Bei der Frage nach möglichen Hemmnissen im Zusammenhang mit der ePA haben Ärzte am häufigsten komplizierte Zugriffsberechtigungen (68,0 Prozent) genannt, gefolgt von hohen Kosten (58,8 Prozent). Auf dem dritten Platz rangiert die Einschätzung, dass die ePA wenig Nutzen bringe (56,5 Prozent). Als Begründung nannten die Ärzte vor allem praktisch-organisatorische Gründe („Völlig unstrukturiert 100 Seiten völlig durcheinander, wer soll das wann lesen?“) sowie die Tatsache, dass Patienten selbst entscheiden, was in die ePA hochgeladen wird. In den Freitexten äußerten viele Ärzte ihre Sorge um die Sicherheit der Patientendaten.
„Angesichts früherer Herausforderungen mit der Telematikinfrastruktur ist das Misstrauen der Ärzteschaft natürlich verständlich“, erläutert Reza Mazhari von der eHealth Experts GmbH, der die Ergebnisse der Stiftung Gesundheit kommentiert hat. Um das volle Potenzial der ePA auszuschöpfen und die Bedenken zu adressieren, sei eine sorgfältige Implementierung unerlässlich: „Unsere Aufgabe seitens der Industrie wird es sein, eine Kombination aus stabiler Technik, benutzerfreundlichem Design und hohen Sicherheitsstandards anzubieten. Leistungserbringer benötigen Systeme, die ePA-Prozesse übersichtlich abbilden und relevante Informationen schnell zugänglich machen – ohne unnötige Navigation.
Über die Ad-hoc-Befragungsreihe „Im Fokus“
Seit Anfang 2022 befragt die Stiftung Gesundheit einmal im Quartal die Leistungserbringer in der ambulanten Versorgung – je nach Thema ärztliche und/oder nichtärztliche – zu einem aktuellen Fokusthema. An der Befragung im 4. Quartal 2024 nahmen 835 Ärzte und Apotheker teil.
Über die Stiftung Gesundheit
Wissen ist die beste Medizin – angespornt von diesem Gedanken setzt sich die Stiftung Gesundheit seit mehr als 25 Jahren für Transparenz ein und bietet Verbrauchern praktische Orien¬tierungshilfe. Neben ihren satzungsgemäßen Aufgaben führt die Stiftung kontinuierlich Studien durch. Als Basis für zahlreiche Services dient das Strukturverzeichnis der medizinischen Versorgung.
Apotheker:innen versprechen sich mehr von der ePA als Ärzt:innen
Für Apotheker:innen in den Modellregionen startet ebenfalls ab Januar 2025 die verpflichtende Nutzung der ePA. Insgesamt sehen sich die Apotheker ähnlich vorbereitet wie die niedergelassenen Ärzte: 46,9 Prozent haben noch wenig bis keine Vorkenntnisse. Ebenso viele gaben an, Grundkenntnisse zu besitzen, aber noch unsicher zu sein. Gut vertraut fühlen sich lediglich 6,3 Prozent der Apotheker.
Deutliche Unterschiede gibt es jedoch bei der Erwartungshaltung: Im Vergleich zu den Ärzten schätzen die Apotheker den Nutzen der ePA deutlich höher ein. So sehen beispielsweise 53,9 Prozent der Apotheker die schnellere Verfügbarkeit von Patienteninformationen als großen Nutzen an, bei den Ärzten dagegen sind es nur 38,1 Prozent.
Gast-Kommentar: Misstrauen der Ärzte ist verständlich – und muss aufgefangen werden
Die Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) ab 2025 markiert einen entscheidenden Wendepunkt in der Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens. Sie hat das Potenzial, die Qualität der Patientenversorgung zu verbessern und die Effizienz eines stark belasteten Systems zu steigern. Besonders die zentrale Speicherung medizinischer Daten ermöglicht einen schnellen Zugriff auf relevante Informationen. Dadurch lassen sich Fehlentscheidungen reduzieren, Doppeluntersuchungen vermeiden und wertvolle Ressourcen der Leistungserbringer schonen – ein entscheidender Faktor bei komplexen Krankheitsbildern und der zukünftigen Vision einer modernen Versorgung: digital vor ambulant vor stationär.
Auch auf systemischer Ebene kann die ePA zur Entlastung beitragen, indem ineffiziente Prozesse digitalisiert werden. Als Gesundheitswissenschaftler sehe ich persönlich ein enormes Potenzial in der Präventionsmedizin: Die strukturierte Sammlung und Analyse von Gesundheitsdaten ermöglicht es, Krankheiten früher zu erkennen, individuelle Risikoprofile zu erstellen und maßgeschneiderte Präventionsstrategien zu entwickeln. Die ePA könnte damit nicht nur Heilung fördern, sondern auch Krankheiten verhindern.
Angesichts früherer Herausforderungen mit der Telematikinfrastruktur ist das Misstrauen der Ärzteschaft natürlich verständlich. Um das volle Potenzial der ePA auszuschöpfen und die Bedenken zu adressieren, ist eine sorgfältige Implementierung also unerlässlich. Unsere Aufgabe seitens der Industrie wird es sein, eine Kombination aus stabiler Technik, benutzerfreundlichem Design und hohen Sicherheitsstandards anzubieten. Leistungserbringer benötigen Systeme, die ePA-Prozesse übersichtlich abbilden und relevante Informationen schnell zugänglich machen – ohne unnötige Navigation oder zusätzlichen Aufwand. Die Integration der ePA in PVS muss daher schnell, unkompliziert und aufwandsarm erfolgen.
Die ePA kann aber nur gelingen, wenn alle Beteiligten zusammenarbeiten und das „Blaming Game“ aufhört. Die gematik als zentrale Koordinationsstelle, die Industrie und die Selbstverwaltung treiben das Projekt bereits erfolgreich und intensiv voran – jede Gruppe leistet einen entscheidenden Beitrag, um die ePA als zukunftsweisendes Werkzeug im Gesundheitswesen zu etablieren.
Die Umsetzung der ePA ist eine politisch und emotional aufgeladene Aufgabe mit vielen Akteuren und Interessen. Es erfordert eine klare Vision und das Vertrauen aller Beteiligten, um diese Herausforderung zu meistern. Wenn dies gelingt, kann die ePA eine der größten Hoffnungen für standardisierte Prozesse und die digitale Transformation des deutschen Gesundheitswesens werden. Wichtig bleibt es, die Anwenderinnen und Anwender – Patientinnen, Patienten und medizinisches Fachpersonal – weiter stärker einzubinden. Ihre Perspektiven sind der Schlüssel, um sicherzustellen, dass die ePA nicht nur technisch überzeugt, sondern auch im Alltag Akzeptanz findet. Offenheit, klare Kommunikation und gezielte Rückmeldungen helfen dabei.