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Gibt es wirklich einen Zusammenhang zwischen Bluthochdruck und „ungesunden“ Einkaufszentren?

Bluthochdruck 72 % wahrscheinlicher in „ungesunden“ als „gesunden“ Einkaufszentren

Dies ist eine Pressemitteilung!  Wer einmal in Großbritannien gelebt hat, weiß, dass das Essverhalten dort allgemein nicht so gesundbewusst ist. Wir fanden, dass diese Mitteilung eine Anregung zum Nachdenken über unser generelles Verhalten (Essen und Einkauf) sein kann. 

Eine neue Studie mit Pop-Up-Gesundheitscheckstationen fand einen möglichen Zusammenhang zwischen „ungesunden“ Einkaufszentren und der Anzahl der Fälle von vermutetem oder diagnostiziertem Bluthochdruck bei Menschen, die sich freiwillig an Kontrollen beteiligten.

Forscher der City, University of London installierten in sieben Einkaufszentren in ganz England die eintägigen Pop-Up-Gesundheitskontrollstationen und luden Passanten dazu ein, sich auf Anzeichen der Augenkrankheit (Glaukom) untersuchen zu lassen. Die Tests wurden von der Optometrikerin Laura Edwards geleitet.

Blutdruckmessungen wurden auch angeboten, um potenzielle Freiwillige für eine umfassendere und vertraute Gesundheitsuntersuchung zu gewinnen.

Bekannterweise kann anhaltender Bluthochdruck (Hypertonie) das Risiko für eine Reihe schwerer und potenziell lebensbedrohlicher Erkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall erhöhen.

Das Forschungsteam stufte die Einzelhandelsgeschäfte in Einkaufszentren als „ungesund“ ein, wenn es sich entweder um einen Fast-Food-Imbiss, einen Bookmaker, einen Sonnenstudio oder ein Zahltag-Darlehensgeschäft handelte, in Übereinstimmung mit einem Bericht der Royal Society of Public Health (RSPH), der die britischen Stadteinkaufszentren nach ihren „ungesunden“ und „gesunden“ Einzelhandelsgeschäften bewertet.

Laut diesem Bericht bieten „gesunde Geschäfte“ zahlreiche Möglichkeiten zur Gesundheitsoptimierung wie saubere Luft, Sicherheit, Lärmreduzierung, transparente Beschilderung und leichten Zugang, aber auch Gesundheitsfürsorge und Entspannung in vor Ort, zum Beispiel Gesundheitschecks und erschwingliche Bio-Produkte. Diese Geschäfte fördern aktiv gesunde Entscheidungen wie Raucherentwöhnung. Schließlich verfügen sie auch über Freizeitzentren, Grünflächen sowie andere inklusive und integrative Gemeinschaftsräume, die Gelegenheiten bieten, Freunde zu treffen, Kontakte zu knüpfen und Ausgrenzung zu verhindern.

Die Forscher errechneten auch eine Grundpunktzahl der „Ungesundheit“ jedes Einkaufszentrums, d.h. den Anteil der am Testtag eröffneten „ungesunden“ Einzelhandelsgeschäfte im Verhältnis zur Gesamtzahl der im Einkaufszentrum eröffneten Einzelhandelsgeschäfte.

Die Pop-Up-Gesundheitscheckstationen wurden in vier Einkaufszentren aus den Top 10 der „ungesündesten“ Einkaufszentren aus dem RSPH-Ranking und drei aus den Top 15 der „gesündesten“ Einkaufszentren aus dem Ranking eingerichtet.

Bei der Analyse fanden die Forscher einen Zusammenhang zwischen der Anzahl der erwachsenen Probanden, bei denen ein erhöhter Blutdruck vermutet oder diagnostiziert wurde (wiederholte Blutdruckmessungen bei oder über 140/90 mmHg) und dem für jedes Einkaufszentrum entwickelten „Ungesundheitswert“, der ein statistisch signifikantes Ergebnis war.

Sie stellten auch fest, dass in den drei „gesunden“ Einkaufszentren, die im RSPH-Berichtsranking (Bristol, Cambridge und Nottingham) ausgewertet wurden, 20 von 152 Erwachsenen (13,1%) bei Wiederholungsuntersuchungen Bluthochdruckwerte hatten.

In den vier untersuchten „ungesunden“ Einkaufszentren (Coventry, Preston, Northampton, Stoke-on-Trent) hatten 45 von 199 Erwachsenen (22,6%) Bluthochdruckwerte.

Der Unterschied im Anteil der Messwerte von Bluthochdruck in „gesunden“ gegenüber „ungesunden“ Einkaufszentren war ebenfalls ein statistisch signifikantes Ergebnis, was zu einer um 72 Prozent erhöhten Wahrscheinlichkeit führte, dass in einem „ungesunden“ Einkaufszentrum im Vergleich zu einem „gesunden“ Einkaufszentrum ein Verdacht auf Bluthochdruck besteht.

Die Studie hat ihre Grenzen, einschließlich der Bewertungen von Pop-Up-Gesundheitskontrollstationen, die keine definitive Diagnose eines hohen Blutdrucks bieten können. 

Die Ergebnisse können auf Strategien für gezielte Diagnostik und Screening des Blutdrucks in Einkaufszentren hinweisen, die Gegenstand weiterer Untersuchungen sein könnten, möglicherweise im Zusammenhang mit dem Abbau gesundheitlicher Ungleichheiten.

Die Studie ist in der Zeitschrift BMC Public Health veröffentlicht.

David Crabb, Professor für Statistik und Sehforschung an der City, University of London und Leiter des Forschungsteams, erklärte:

Weniger als die Hälfte der Erwachsenen im Alter von 40-74 Jahren, denen der kostenlose NHS-Gesundheitscheck angeboten wurde, nahm ihn in Anspruch. Die British Heart Foundation hat kürzlich auch das Gesundheitspersonal des NHS aufgefordert, Blutdruckkontrollen in Fitnessstudios, Friseursalons und Fußballstadien durchzuführen und Blutdruckkontrollen am Arbeitsplatz anzubieten. Wir wissen, dass weitere effektivere Methoden zum Screening von Menschen auf Bluthochdruck erforderlich sind, und diese Studie bietet einen Einblick in einige Möglichkeiten, die ergriffen werden können.

In unserer Studie war über die Hälfte der Befragten, die einen Bluthochdruck hatten, sich der Erkrankung bewusst oder berichtete von Bluthochdruck in der Vergangenheit. Es kann sein, dass Unterschiede zwischen „ungesunden“ und „gesunden“ Einkaufszentren auf Unterschiede bei der Erkennung von Bluthochdruck, der Behandlung von Bluthochdruck oder einer Kombination aus beiden zurückzuführen sind.  Beide haben eine erhebliche Bedeutung für die öffentliche Gesundheit, und ihr Zusammenhang mit dem sozioökonomischen Status sollte weiter untersucht werden.“

Shirley Cramer CBE, Geschäftsführerin der Royal Society for Public Health, kommentierte:

Unsere Forschung hat gezeigt, wie sich ungesunde Unternehmen in Bereichen konzentrieren, in denen die Lebenserwartung bereits niedriger ist. Die Aufdeckung und Beseitigung der gesundheitlichen Ungleichheiten ist eine Priorität des öffentlichen Gesundheitswesens“.

Gesünder und besser leben

Öffentlicher Vortrag zur Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Besser und gesünder leben

Plakat zur Veranstaltung

Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind weltweit nach wie vor die häufigste Todesursache. Dabei können Menschen mit einem gesunden Lebensstil viel für die eigene Herzgesundheit tun. Wie Bluthochdruck, Herzinfarkt und Schlaganfall schon frühzeitig vorgebeugt werden kann, darüber spricht Prof. Dr. Franz-Josef Neumann, Ärztlicher Direktor der Klinik für Kardiologie und Angiologie II am Universitäts-Herzzentrum Freiburg • Bad Krozingen, am

 

Samstag, 27. Januar 2018, um 11.15 Uhr
im Kollegiengebäude I (Hörsaal 1199)
Platz der Universität 3, Universität Freiburg  

in einem öffentlichen Vortrag mit dem Titel „Gesünder und besser leben: Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorbeugen“. Der Kardiologe erklärt unter anderem, wie Menschen schon in jungen Jahren durch gesunde Ernährung, Sport sowie die Vermeidung von Risikofaktoren wie Rauchen ihr Herz fit halten können, und gibt hilfreiche Tipps für den Alltag.

Die Veranstaltung findet im Rahmen der Vortragsreihe „Prävention – für ein gesundes Leben“ des Instituts für Prävention und Tumorepidemiologie am Universitätsklinikum Freiburg statt.

Der Eintritt zur Veranstaltung ist frei.

Vorsicht beim unkritischem Umgang mit den neuen Grenzwerten für Bluthochdruck

Die Deutsche Gesellschaft für Geriatrie warnt vor unkritischem Umgang mit den neuen Grenzwerten für Bluthochdruck

Blutdruckmessung

Ältere Patienten sollten regelmäßig den Blutdruck durch medizinisches Personal messen lassen.

Die im November 2017 veröffentlichten niedrigeren Grenzwerte für den Bluthochdruck gefährden ältere Patienten – zumindest bei unkritischer Anwendung. Nach den neuen Empfehlungen amerikanischer Fachgesellschaften gilt jetzt nur noch ein Blutdruck von weniger als 120/80 mm Hg als normal. Bereits ab einem Blutdruck von 130/80 mm Hg liegt ein Bluthochdruck vor.

Die neuen amerikanischen Empfehlungen stützen sich auf aktuelle Untersuchungen, die in der Tat auch für ältere Patienten den Nutzen einer intensiveren Blutdrucksenkung belegen konnten. Die diesbezüglichen Studien wurden sorgfältig durchgeführt und die jeweiligen Ergebnisse sind nachvollziehbar. Das Problem taucht bei der Übertragung der Studienergebnisse auf den älteren Patienten im Praxisalltag auf. Hier sind im Wesentlichen zwei Aspekte zu nennen:

1. Die automatische, unbeobachtete Blutdruckselbstmessung, die in der wesentlichen Studie eingesetzt wurde, führt zu Blutdruckwerten, die etwa 15/8 mm Hg niedriger liegen als Messungen durch medizinisches Personal.

2. In die Studie wurden nur sehr rüstige, zuhause lebende, ältere Patienten aufgenommen. So fit wie die Patienten der Studie sind aber bei weitem nicht alle Personen im höheren Lebensalter.

Die große Gefahr liegt daher in der Übertragung dieser Studienergebnisse auf den älteren Patienten im Allgemeinen. Häufig befinden sich ältere Patienten in einem schlechteren Allgemeinzustand mit zahlreichen Begleiterkrankungen wie zum Beispiel einer kognitiven Beeinträchtigung. Unter Umständen leben sie aufgrund einer oder mehrerer Behinderungen bereits in Alten- und Pflegeeinrichtungen. Da Patienten dieser Art gar nicht in die erwähnten Studien aufgenommen wurden, kann streng genommen zu diesen älteren Patienten in schlechterem Allgemeinzustand keine Aussage gemacht werden.

Aus anderen Untersuchungen ist bekannt, dass bei vielfach erkrankten hochbetagten Patienten eine intensivere Blutdrucksenkung mit vielen Problemen einhergeht. Der niedrige Blutdruck bedeutet eine größere Sturzgefahr und damit auch eine größere Gefahr, eine Fraktur zu erleiden. Außerdem geht ein niedriger Blutdruck bei diesen Patienten mit einer erhöhten Sterblichkeit einher. So haben Altenheimbewohner, deren Blutdruck mit zwei oder mehr Blutdruck senkenden Präparaten auf <130 mm Hg gesenkt wurde, eine um 78 Prozent höhere Sterblichkeit als Bewohner, die nur ein Mittel zur Blutdrucksenkung erhielten und deren Blutdruck bei > 130 mm Hg lag (PARTAGE-Studie).

FAZIT: Die Deutsche Gesellschaft für Geriatrie (DGG) erkennt den Nutzen an, den die neuen Grenzwerte des Bluthochdrucks für viele, gerade jüngere Patienten haben können. Gemeinsam mit vielen Kollegen anderer Disziplinen, die mit der Behandlung älterer Patienten befasst sind, warnt sie ausdrücklich vor der Übertragung dieser Empfehlungen auf ältere Patienten. Nur diejenigen Patienten, die in den zugrundeliegenden Studien beschrieben werden, und deren Blutdruck auf die beschriebene Weise gemessen wurde, profitieren von einer intensiveren Blutdruckbehandlung. Bei allen anderen älteren Patienten ist zu befürchten, dass der Schaden einer intensiven Blutdrucksenkung unter Umständen den erwartenden Nutzen übersteigt. Und diese Patienten bilden einen großen Anteil der älteren Bevölkerung!

Whelton PK, Carey RM, Aronow WS, Casey DE Jr, Collins KJ, Dennison Himmelfarb C, DePalma SM, Gidding S, Jamerson KA, Jones DW, MacLaughlin EJ, Muntner P, Ovbiagele B, Smith SC Jr, Spencer CC, Stafford RS, Taler SJ, Thomas RJ, Williams KA Sr, Williamson JD, Wright JT Jr.: ACC/AHA/AAPA/ABC/ACPM/AGS/APhA/ASH/ASPC/NMA/PCNA guideline for the prevention, detection, evaluation, and management of high blood pressure in adults: a report of the American College of Cardiology/American Heart Association Task Force on Clinical Practice Guidelines. Hypertension. 2017;00: e0000–e0000.

Benetos A. et al: An Expert Opinion From the European Society of Hypertension-European Union Geriatric Medicine Society Working Group on the Management of Hypertension in Very Old, Frail Subjects. Hypertension. 2016;67: 820-825.

Benetos A. et al: Treatment with Multiple Blood Pressure Medications, Achieved Blood Pressure, and Mortality in Older Nursing Home Residents THE PARTAGE STUDY
JMA Intern Med. 2015;175(6): 989-995.

 

Gesundheit in Europa – Wie krank ist Deutschland?

Bluthochdruck, Rückenschmerzen, Kopfschmerzen – so krank ist Deutschland

Neuer ESS-Bericht über die Gesundheit in Europa

Der European Social Survey (ESS) ist eine große, auf wissenschaftlichen Maßstäben beruhende Erhebung, mit Stammsitz an der City, University of London. Am Montag, den 24. Oktober wurde ein neuer ESS-Bericht, der das Gesundheitsverhalten in 21 Ländern Europas vergleicht, veröffentlicht: „ESS Topline Results Series issue 6: Social Inequalities in Health and their Determinants“ basiert auf über 40 000 Befragungen, die 2014/15 in ganz Europa durchgeführt wurden.

Frauen leiden häufiger unter Depressionen und Kopfschmerzen
Männer rauchen häufiger und schätzen sich eher als übergewichtig ein
Das Vereinigte Königreich und Portugal haben die höchsten Raten an Alkoholexzessen
Europaweit konsumieren Männer fast doppelt so viel Alkohol wie Frauen
Deutsche Frauen leiden am häufigsten an Rückenschmerzen
Bluthochdruck ist in Deutschland weit verbreitet
In Deutschland leidet ein großer Teil der Bevölkerung unter Kopfschmerzen
Der Bericht kommt zum Schluss, dass eine erhebliche Zahl der Europäer unter einer ganzen Bandbreite an körperlichen und mentalen Gesundheitsproblemen leidet, die teilweise im Zusammenhang mit ihren wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen stehen.

Die Autoren fanden ebenfalls heraus, dass die Förderung eines gesunden Lebensstils allein anscheinend keine ausreichende Strategie ist, um Gesundheitsprobleme zu reduzieren, sondern durch eine Politik der Einkommensumverteilung und bessere körperliche Arbeitsbedingungen unterstützt werden sollte.

Depression und Kopfschmerzen

Zu den deutlichsten Untersuchungsergebnissen gehört, dass Frauen europaweit häufiger über depressive Symptome und schwere Kopfschmerzen klagen als Männer.

In allen 21 europäischen Ländern berichteten Frauen häufiger über Anzeichen von Depressionen als ihre männlichen Landsleute, wobei die Unterschiede in einigen Ländern beträchtlich waren.

Die größten Unterschiede wurden in Portugal (30,9 % bei Frauen gegenüber 15,8 % bei Männern), Polen (25,3 % gegenüber 11,3 %), Spanien (24,7 % gegenüber 12,8 %) und Deutschland (20,2 % gegenüber 9 %) ermittelt.

In den vier Ländern Portugal, Tschechische Republik, Ungarn und Polen erklärten mehr als ein Viertel der Frauen, sie hätten schon einmal depressive Symptome empfunden, während in Ungarn lediglich 20 % der Männer angaben, unter Depressionen zu leiden.

Auch Kopfschmerzen treten bei Frauen in ganz Europa häufiger auf. Betrachtet man die Zahlen getrennt nach Geschlechtern, stehen in den 12 Ländern mit den höchsten Raten jeweils die Frauen an der Spitze.

So reichen die Prozentsätze derer, die unter starken Kopfschmerzen leiden, von 30,2 % aller französischen Frauen bis hin zu nur 3,8 % der irischen Männer.

Rauchen

Betrachtet man die aktuellen Raucherquoten, lässt sich eine erhebliche Kluft zwischen den Geschlechtern feststellen: Die 13 höchsten Prozentsätze entfallen auf Männer, mit Litauen (48,8 %) und Ungarn (41,3 %) an der Spitze.

Der Bericht stellt fest, dass die Raten derer, die sich selbst als Raucher bezeichnen, in Nordeuropa, im Vereinigten Königreich und in Irland sehr viel niedriger sind, während sie bei Männern aus Mittel- und Osteuropa erheblich höher liegen.

Nimmt man die Raucherraten von Männern und Frauen zusammen, weist Schweden mit weniger als 15 % die niedrigste Anzahl an Rauchern auf. Diese Statistik erstaunt umso mehr, wenn man die früheren Raucherzahlen in Schweden betrachtet: 77,8 % aller Männer und 76,2 % aller Frauen (die beiden höchsten Raten in Europa).

Ein hoher Prozentsatz ehemaliger und ein niedriger Prozentsatz aktueller Raucher ist in Skandinavien typisch, insbesondere in Schweden und Norwegen, aber auch in Dänemark und Finnland.

Bei heutigen Rauchern liegt der Anteil derer, die an einem gewöhnlichen Tag mehr als 20 Zigaretten rauchen, in Üsterreich, Polen und Israel besonders hoch.

Übergewicht

Männer geben in allen 21 europäischen Ländern viel häufiger als Frauen an, übergewichtig zu sein: Die Länder mit den höchsten Raten sind die Tschechische Republik (67,4 %), Ungarn (63,8 %) und Slowenien (61,2 %).

Am seltensten schätzen sich Frauen in der Schweiz (29,9 %), in Dänemark und in Üsterreich (jeweils 38,9 %) als übergewichtig oder fettleibig ein.

Alkohol

Alkoholexzesse sind vor allem im Vereinigten Königreich und in Portugal ein Problem, während häufiges Komatrinken unter Skandinaviern und Frauen in Mittel- und Osteuropa selten ist.

Betrachtet man den Alkoholkonsum in allen 21 Ländern, konsumieren Männer fast zwei Mal so viel wie Frauen, der Konsum an Wochenendtagen liegt knapp doppelt so hoch wie an Werktagen.

Die Anzahl der konsumierten Alkoholeinheiten liegt in Irland besonders hoch, während häufiger Alkoholkonsum vor allem in Israel sowie in Mittel- und Osteuropa und ganz besonders bei Frauen selten ist.

Professor Terje A. Eikemo, ein Autor des Berichts, sagte:

„Obwohl diese ersten Ergebnisse neue Erkenntnisse über die Zusammenhänge zwischen Gesundheit und deren Bestimmungsfaktoren innerhalb der europäischen Sozialstaaten liefern, haben wir bisher nur an der Oberfläche der Möglichkeiten gekratzt, die dieses neue Modul bietet. Ich hoffe, dass diese neuen Möglichkeiten zu mehr Zusammenarbeit zwischen den sozialen und medizinischen Wissenschaften führen werden.“

Dr Rory Fitzgerald, Direktor der ESS, fügte hinzu:

„Diese Topline-Ergebnisse des ESS-Moduls zeigen die erheblichen Gesundheitsunterschiede innerhalb und zwischen den Ländern. Die Ergebnisse liefern Wissenschaftlern und Entscheidungsträgern zahlreiche Daten, die die Unterschiede beleuchten und mögliche Ursachen suggerieren.

Länderspezifische Aussagen

Deutschland

Bluthochdruck ist in Deutschland, Ungarn, Litauen und Slowenien weit verbreitet.
Der Prozentsatz von Frauen mit Bluthochdruck ist in Litauen (25,8 %), Slowenien (24,5 %) und Deutschland (23,7 %) am höchsten.
Deutsche Frauen leiden am häufigsten an Rückenschmerzen (59,5 %), gefolgt von finnischen (57,8%) und belgischen Frauen (53,7%).
In Deutschland, Frankreich und Portugal leidet ein großer Teil der Bevölkerung unter Kopfschmerzen. Die Menschen in diesen Ländern klagen drei Mal häufiger über starke Kopfschmerzen als Iren.
Französische Frauen leiden am häufigsten an Kopfschmerzen (30,2 %), gefolgt von portugiesischen (29,6 %) und deutschen Frauen (27,1 %).
Rund 90 % der befragten Frauen in Finnland, Frankreich und Deutschland berichteten von einer, zwei oder mehr chronischen Erkrankungen im vergangenen Jahr. Das bedeutet, dass nur eine kleine Minderheit unter keiner solchen Erkrankung leidet.
Die folgenden Länder haben die höchsten Raucherraten bei Männern: Litauen (45,8 %), Ungarn (41,3 %), Estland (37,4 %), Tschechische Republik (34,8 %), Polen und Deutschland (34,2 %), Australien (33,1 %), Portugal (33 %), Israel (31,5 %), die Niederlande (31,4 %), Spanien (31,3 %), Frankreich (31 %) und Slowenien (29,7 %). Das Land mit den meisten Raucherinnen ist Deutschland mit einer Quote von 29,2 %.

Bluthochdruck gilt als „stiller Killer“

Bluthochdruck: Was Ur-Ozean, unsere Gene, Salz und Fett mit dem „stillen Killer“ zu tun haben

Interview mit dem Bluthochdruck-Experten Prof. Dr. Detlev Ganten zum Welt Hypertonie Tag am 17. Mai 2015

20 bis 30 Millionen Menschen haben allein in Deutschland einen zu hohen Blutdruck – das ist fast jeder dritte. An den Folgeerkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall  sterben laut Weltgesundheitsorganisation WHO jedes Jahr weltweit über neun Millionen Menschen. Das große Problem: Die meisten wissen nicht einmal, dass sie bereits erkrankt sind. Bluthochdruck (Hypertonie) gilt als „stiller Killer“.

Dabei ist es einfach, Bluthochdruck zu erkennen, zu behandeln und sogar zu vermeiden. Was jeder Einzelne tun kann, erklärt Professor Dr. Detlev Ganten. Er ist weltweit einer der führenden Bluthochdruck-Forscher, Facharzt für Pharmakologie und Molekulare Medizin, sowie Experte für Evolutionäre Medizin. Außerdem ist er Präsident des World Health Summit, der jährlichen internationalen Weltgesundheitskonferenz in Berlin.

Professor Ganten, Bluthochdruck ist zu einem weltweiten Gesundheitsproblem geworden. Wie konnte dies geschehen? Mediziner forschen doch seit Jahrzehnten zu diesem Thema.

Es stimmt: Wir befassen uns seit Jahren mit der Erforschung des Herz-Kreislauf-Systems und den medizinischen Zusammenhängen von Bewegung, Gesundheit und Bluthochdruck. Auch die Bedeutung unserer genetischen Erbanlagen wird immer wichtiger. Die Antwort allerdings liegt in unserer evolutionären Entwicklung: Wir Menschen sind auf Salz, Fett und Zucker fokussiert. Fett gab unseren Vorfahren Reserven für schlechte Zeiten, Zucker schnelle Energie in Gefahrensituationen und Salz ist für den Blutkreislauf essenziell. Wir leben bis heute mit diesem System, das auf ein Leben und Überleben als Jäger und Sammler ausgerichtet ist. Allerdings passt das überhaupt nicht mehr in unsere moderne Welt, in der die Hälfte aller Menschen in Städten leben und wir uns viel zu wenig bewegen. Wir nehmen heute deutlich mehr Salz, Zucker und Fett zu uns, als wir verbrauchen. Das treibt den Blutdruck in die Höhe. An den Folgeerkrankungen sterben jedes Jahr Millionen Menschen.

Die genaue Wechselwirkung von Bluthochdruck und Salz ist bis heute ein Geheimnis für die Wissenschaft: Warum treibt Salz bei dem einen den Blutdruck in die Höhe, bei dem anderen nicht?

Auch hier kommt die Antwort aus der Evolution: Beim Gang an Land, vor etwa 400 Millionen Jahren, als Amphibien, Reptilien und später auch unsere näheren Vorfahren entstanden, entwickelte sich ein Organ, dessen Konstruktionspläne auch heute noch den Blutdruck regulieren: Das Filterorgan Niere. Es sorgt dafür, dass überschüssiges Salz mit dem Urin aus dem Körper geschwemmt wird. Unsere Zellen sind aber bis heute an die Konzentration der Salze im Ur-Ozean angepasst. Unablässig befördern kleine Pumpen auf der Zellmembran Salze nach innen und wieder hinaus. Das  wird durch unsere Gene geregelt, die aber bei jedem Menschen ein wenig anders sind. Darum reagieren die einen mehr und die anderen weniger empfindlich auf Salz.

Wie kann man einen so individuellen Zusammenhang eindeutig erforschen?

Die einfachste Methode besteht darin, einer Gruppe von Menschen Salz zu essen zu geben und dann den Blutdruck zu messen. Bei den salzempfindlichen Menschen steigt er an, bei den unempfindlichen bleibt er normal. Wenn man jetzt die Gene untersucht, findet man Veränderungen in der salzempfindlichen Gruppe – diese Gene müssen verantwortlich sein für den Anstieg des Blutdrucks. Bluthochdruck und Salzempfindlichkeit sind also zum Teil über die Gene vererbbar. Das kann man heute in der Forschung gut nachvollziehen.

Das klingt relativ einfach. Ist ein Durchbruch im Kampf gegen Bluthochdruck in Sicht?

Der Ansatz mag einfach klingen, die Forschung an diesem Thema ist allerdings hochkomplex. Obwohl es schon viele gute Ergebnisse und hervorragende Medikamente gibt, sollte man sich nicht auf eine medizinische Lösung verlassen. Viel wichtiger ist, dass wir noch mehr an der Aufklärung der Menschen arbeiten, denn Bluthochdruck und seinen Folgen kann hervorragend vorgebeugt werden: Selber Blutdruck messen und bei Werten deutlich über 140/90 mmHg zum Arzt gehen, mehr auf gesunde Ernährung achten und sich mehr bewegen. Anstatt zu warten, bis wir krank werden um dann zum Arzt zu gehen, sollten wir es lieber gar nicht erst so weit kommen lassen. Das ist nicht nur gesünder, sondern macht das Leben auch deutlich lebenswerter!

(Quelle: World Health Summit)
www.worldhealthsummit.org

Vom 11. – 13. Oktober 2015 findet der siebte World Health Summit im Auswärtigen Amt in Berlin statt. Er steht unter der Schirmherrschaft von Bundeskanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Staatspräsident François Hollande und dem Präsidenten der Europäischen Kommission Jean-Claude Juncker.

Experten aus über 80 Ländern werden Themen des G7 Gipfels im Juni in Elmau fortsetzen und auf die United Nations Climate Change Conference (COP 21) im Dezember  in Paris vorbereiten. Bestätigte Sprecher sind unter anderem die Nobelpreisträger Ada Yonath (2009, Israel) und Thomas C. Südhof (2013, Deutschland), sowie Debra Jones (USA), Direktorin und UN Repräsentantin von Save the Children.

Sodbrennen kann auch durch Medikamente ausgelöst werden

Bei Sodbrennen Medikamente überprüfen:
Arzneimittel können mögliche Auslöser sein

Berlin – Sodbrennen, Brennen im Rachen und saures Aufstoßen sind mögliche Anzeichen der sogenannten Refluxkrankheit. Mitunter verursachen oder verstärken bestimmte Medikamente den unangenehmen Übertritt von Säure aus dem Magen in die Speiseröhre. Darauf weist die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) in ihren aktualisierten Leitlinien „Gastroösophageale Refluxkrankheit“ hin. Da die Refluxkrankheit die Speiseröhre schädigen und sogar Krebs zur Folge haben kann, sollten Betroffene sich vom Gastroenterologen untersuchen lassen.

„Als Auslöser der Beschwerden können vor allem Arzneimittel in Frage kommen, die zu einer Entspannung des unteren Speiseröhrenschließmuskels führen und dadurch den Rückfluss von Magensäure in die Speiseröhre begünstigen“, erklärt Professor Dr. med. Stephan Miehlke vom Magen-Darm-Zentrum in Hamburg-Eppendorf. Als einer von drei Koordinatoren war er maßgeblich an der Erstellung der DGVS-Leitlinie beteiligt. In Betracht kommen zum Beispiel Medikamente zur Behandlung von Bluthochdruck, koronarer Herzerkrankung, Asthma und Harninkontinenz sowie Östrogenpräparate zur Hormontherapie und Psychopharmaka mit angstlösender Wirkung.

Auch manche Schmerz- und Rheumamittel sowie Medikamente zur Behandlung von Osteoporose, Eisenmangel und einige Antibiotika verursachen mitunter Sodbrennen. „Insbesondere bestimmte Schmerzmittel, nämlich die ,nichtsteroidalen Antirheumatika‘ oder kurz ,NSAR‘, können auch Entzündungen in der Speiseröhre hervorrufen“, erörtert Miehlke. Wichtig sei, dass Arzt und Patient im Blick haben, welche Mittel der Patient einnimmt. „Selbstverständlich sollten vom Arzt verschriebene Medikamente nicht einfach abgesetzt werden. Doch für das ein oder andere Präparat gibt es besser verträgliche Alternativen“, so DGVS-Experte Miehlke.

Von einer Refluxkrankheit sprechen Ärzte, wenn der Rückfluss von Magensäure in die Speiseröhre störende Symptome und auch Komplikationen verursacht. Bei ersten Anzeichen sollten Betroffene einen Arzt aufsuchen. „Die Erkrankung sollte behandelt werden, wenn die Symptome ein- bis zweimal in der Woche auftreten und der Patient sich hierdurch in seiner Lebensqualität beeinträchtigt fühlt“, erklärt Leitlinienkoordinator Professor Dr. med. Wolfgang Schepp, Chefarzt der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Gastroenterologische Onkologie am Klinikum Bogenhausen in München. Mit Hilfe von Medikamenten, die die Säureproduktion im Magen hemmen – sogenannte Protonenpumpenhemmer – sei die Erkrankung in der Regel wirksam zu behandeln. Bestehen die Refluxbeschwerden über mehrere Jahre hinweg, sollte ein Gastroenterologe die Schleimhaut der Speiseröhre mit Hilfe eines Endoskops untersuchen, so die Empfehlung der Leitlinie. Hierdurch kann der Arzt Gewebsveränderungen wie den sogenannten „Barrett-Ösophagus“ erkennen, der als Krebsvorstufe gilt und frühzeitig behandelt werden sollte.

Auch Veränderungen im Lebensstil und alltäglichen Leben können manchmal schon eine Besserung bewirken: „Übergewichtigen Patienten hilft es häufig etwas abzunehmen und wer bestimmte Nahrungsmittel und Getränke nicht verträgt, kann versuchen, hierauf zu verzichten“, sagt Schepp. Patienten mit nächtlichen Beschwerden sollten zudem auf späte Mahlzeiten verzichten und das Kopfende des Bettes hochstellen. Von Schlafmitteln rät er ab, denn auch sie verstärken mitunter die Symptome.

Übergewicht und Bewegungsmangel

Den Tsunami der chronischen Krankheiten stoppen
Vier Maßnahmen für eine wirkungsvolle und bevölkerungsweite Prävention

Berlin, 12. November 2014 – Übergewicht und Bewegungsmangel gehören zu den Hauptursachen für nicht übertragbare Krankheiten. Ob Bluthochdruck, Schlaganfall, Typ-2-Diabetes, Krebs, Herz-Kreislauf- oder Atemwegserkrankungen, sie stehen in direktem Zusammenhang mit diesen Risikofaktoren. Um die Zunahme dieser Leiden zu stoppen, fordert die Deutsche Allianz gegen Nichtübertragbare Krankheiten (NCD Allianz) die politisch Verantwortlichen in Deutschland auf, wirksame Maßnahmen zu ergreifen. Dazu gehören täglich mindestens eine Stunde Sport in Kita und Schule, eine Zucker-/Fettsteuer auf ungesunde Lebensmittel und die steuerliche Entlastung gesunder Lebensmittel, verbindliche Qualitätsstandards für die Schulverpflegung und ein Verbot von Lebensmittelwerbung, die sich an Kinder richtet. Prominente wie Eckart von Hirschhausen und Matthias Steiner stellen dieses Vier-Punkte-Programm zusammen mit Experten am 12.  November in Berlin vor.

Über die Hälfte der Erwachsenen und fünfzehn Prozent der Drei- bis Siebzehnjährigen in Deutschland sind übergewichtig, ein knappes Viertel der Erwachsenen und sechs Prozent der Kinder und Jugendlichen sogar adipös – Tendenz steigend. Sie haben ein hohes Risiko, in der Folge ihres Übergewichts auch an Diabetes, Krebs, Herzinfarkt, Schlaganfall, Bluthochdruck oder Atemwegsleiden zu erkranken. In Europa verursachen diese chronischen Krankheiten bereits 86 Prozent der vorzeitigen Todesfälle und 77 Prozent der Krankheitslast. Dies führt nicht nur zu großem Leid, sondern auch zu Kosten in mehrstelliger Milliardenhöhe.

Um die Zunahme dieser Erkrankungen zu stoppen, fordert die NCD Allianz daher Bund und Länder auf, endlich wirkungsvolle Maßnahmen einzuleiten. „Es gibt hunderte von Präventionsangeboten in Deutschland. Sie haben den Tsunami der chronischen Krankheiten nicht aufhalten können. Appelle an die Vernunft des Einzelnen sind gescheitert“, erklärt Dr. Dietrich Garlichs, Sprecher der Allianz. „Wir müssen wegkommen von der bisherigen ‚Projektitis‘ hin zu Strukturlösungen, die einen gesunden Lebensstil fördern“, so Garlichs. Zu diesem Zweck hat die Allianz ein Vier-Punkte-Programm formuliert, das auch bildungsferne Schichten erreicht, die besonders von den chronischen Krankheiten betroffen sind und die von den bisherigen Angeboten nicht
erreicht werden.

(1)  Täglich mindestens eine Stunde Bewegung (Sport) in Kita und Schule
Der Lebensstil wird in jungen Jahren geprägt. Kinder bewegen sich heute viel zu wenig. Dabei ist Bewegung für ein ausgewogenes Verhältnis von Energieaufnahme und Energieverbrauch sehr wichtig: Täglich 60 bis 90 Minuten moderate Aktivität steigern den Energieverbrauch um rund zehn Prozent und verhindern dadurch eine Gewichtszunahme – dies wird schon durch strammes Spazierengehen oder Fahrrad fahren erreicht. Deshalb gehört eine Stunde Sport täglich auf den Stundenplan für Schulen und Kitas, da nur dort alle Kinder und Jugendlichen erreicht werden.

(2)  Adipogene Lebensmittel besteuern und gesunde Lebensmittel entlasten (Zucker-/Fettsteuer)
Der Lebensmittelpreis kann das Verbraucherverhalten stark beeinflussen.  Wir essen heute doppelt so viel Zucker, Fett und Salz, als uns gut täte. Wenn in Lebensmitteln ein bestimmter Anteil an Fett, Zucker oder Salz überschritten wird, sollten sie durch eine Steuer verteuert werden. Entsprechend sollten gesunde Lebensmittel verbilligt werden. Länder wie Dänemark, Ungarn, Finnland und Frankreich haben bereits differenzierte Lebensmittelsteuern eingeführt. Selbst die nach kurzer Zeit in Dänemark aus koalitionspolitischen Gründen wieder abgeschaffte Fettsteuer senkte den Konsum stark fetthaltiger Produkte um 10 bis 20 Prozent.

Wie erfolgreich Preissignale sein können, haben auch die Erfahrungen mit den Tabaksteuererhöhungen in Deutschland gezeigt. Erst durch sie konnte der Anteil der rauchenden Jugendlichen in den letzten zehn Jahren halbiert werden. Dagegen haben die Informations- und Aufklärungsprogramme an Schulen kaum einen Effekt gehabt.

(3)  Verbindliche Qualitätsstandards für Kita- und Schulverpflegung
Kita und Schule können beim gesunden Aufwachsen von Kindern eine wichtige Rolle übernehmen, da sie sich mit zunehmendem Nachmittagsunterricht und dem steigenden Anteil an Ganztagesschulen immer mehr zum zentralen Lebensraum von Kindern und Jugendlichen entwickeln. Infolgedessen essen Kinder auch immer häufiger in der Schule. Die Zusammensetzung und Qualität des täglichen Essens beeinflusst nicht nur die körperliche und geistige Entwicklung der Kinder und Jugendlichen, sondern bestimmt auch maßgeblich, wie sich ihr Ernährungsverhalten bis ins Erwachsenenalter ausbildet und verfestigt. Die Schulverpflegung spielt daher nicht nur eine zentrale Rolle in der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen, sondern kann auch einen nachhaltigen Beitrag zum Gesundheitsverhalten in der Bevölkerung insgesamt leisten.

(4)  Verbot von an Kinder gerichtete Lebensmittelwerbung
Die Lebensmittelindustrie bewirbt fast ausschließlich ungesunde Nahrungsmittel, die viel Zucker, Fett oder Salz enthalten und welche die Entstehung von Übergewicht fördern; dazu gehören Süßwaren, stark zuckerhaltige Frühstückscerealien, Milchprodukte und Softdrinks sowie fett- und salzreiche Knabberwaren.  Da die Ernährungsgewohnheiten in Kindheit und Jugend geprägt und dann zu einem hohen Grad im Erwachsenenalter beibehalten werden, versucht die Lebensmittelindustrie, Kinder als Kunden von morgen mit Hilfe spezieller Kinderprodukte und entsprechender Werbung frühzeitig an Marken und Produkte zu binden.
Kinder können häufig Werbebotschaften als solche nicht erkennen. Daten belegen, dass Kindermarketing das Risiko erhöht, überschüssiges Gewicht zuzulegen. Freiwillige Selbstverpflichtungen der Industrie haben sich als wirkungslos erwiesen.

Dr. med. Eckart von Hirschhausen, ehemaliger Arzt an der Kinderklinik der Freien Universität Berlin, unterstützt das Anliegen der Allianz. „In Kindergärten und Schulen entscheidet sich für das Leben, ob man seinen Körper verstehen und lieben lernt. Und weil ein gesundes Selbstvertrauen, Neugier und Freude die besten Garanten für ein glückliches und gesundes Leben sind, ist es höchste Zeit, dass die Mediziner, Pädagogen und Erzieher moderne und praxiserprobte Konzepte an die Hand bekommen“, meint der Komiker und Moderator. Auch Matthias Steiner, Olympiasieger im Gewichtheben und Buchautor, findet den Ansatz richtig: „Sport oder – für weniger Ambitionierte: tägliche Bewegung – ist der richtige Hebel, um das Verhältnis von Energiezufuhr und –verbrauch in eine stabile Balance zu bringen.“

Die vier Maßnahmen werden auch von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Globalen Aktionsplan gegen nichtübertragbare Krankheiten 2013-2020 empfohlen. Mit der politischen Deklaration des ersten UN-Gipfels zur Prävention und Kontrolle nichtübertragbarer Krankheiten 2011 und der Annahme des Globalen NCD-Aktionsplans bei der Weltgesundheitsversammlung 2013 ist Deutschland die Selbstverpflichtung eingegangen, die empfohlenen Politikstrategien umzusetzen. „Nun müssen die Verantwortlichen endlich handeln!“, fordert Garlichs.

Quelle:
Strategiepapier der Arbeitsgruppe Adipositasprävention in der Deutschen Allianz gegen Nichtübertragbare Krankheiten (NCD Allianz). Berlin. November 2014.

Gesunder Lebensstil schützt vor grünem Star

Bluthochdruck, Übergewicht und Schlaf-Apnoe schaden den Augen

Berlin – Gefäßverkalkung, Übergewicht, Nikotin und Schlafapnoe schädigen nicht nur das Herzkreislaufsystem, sondern auch die Augen. So zeigt eine Untersuchung, dass jeder zweite Glaukom-Patient an Bluthochdruck, jeder dritte an einem erhöhten Blutfettspiegel oder Diabetes leiden. Gesunde Ernährung und Bewegung sollten demnach auch ein Rezept gegen Augenleiden sein, rät die Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft (DOG). Laufen oder Fahrradfahren kann den Augeninnendruck vorübergehend senken und somit das Risiko für einen fortschreitenden Sehnervenschaden vermindern.

In Deutschland leiden rund 800.000 Menschen an einem grünen Star, auch Glaukom genannt. Bisher galt ein Augeninnendruck ab 21 mmHg auf der Quecksilbersäule als einzig bekannter Risikofaktor für die Augenerkrankung. Doch die Forschung der vergangenen Jahre hat ergeben, dass Bluthochdruck, erhöhte Blutfettwerte, Übergewicht, Nikotingenuss und Diabetes mellitus Typ 2 offenbar ebenfalls die Entwicklung eines Glaukoms fördern können. „Diese Faktoren schädigen erwiesenermaßen die Gefäße und können zu einer Fehlregulation der Gefäße führen“, erläutert Professor Dr. med. Johann Roider, Kongresspräsident der DOG. „Und damit vermutlich auch die Gefäße, die den Sehnerv und die Netzhaut versorgen.“ In der Folge steigt der Augeninnendruck, und die Sehkraft schwindet.

So zeigt eine Fallstudie aus Taiwan, in der Daten von mehr als 76.000 Glaukompatienten analysiert wurden, dass jeder zweite unter Bluthochdruck und jeder dritte an einem erhöhten Blutfettspiegel oder Diabetes leidet. „Das bedeutet nicht, dass Betroffene zwangsläufig ein Glaukom entwickeln“, sagt Professor Dr. med. Anselm Jünemann, Direktor der Klinik für Augenheilkunde der Universitätsmedizin Rostock. „Aber wenn Bluthochdruck, hohe Cholesterinwerte und Übergewicht zusammentreffen, ist eine Glaukom-Vorsorgeuntersuchung ab dem 40. Lebensjahr ratsam.“

Auch Schlaf-Apnoe gilt als Risikofaktor für den grünen Star – jeder zweite schnarchende Glaukom-Patient leidet am Schlaf-Apnoe-Syndrom, fanden Wissenschaftler heraus. Bei dieser Form des Schnarchens kämpfen die Betroffenen mit nächtlichen Atem-Aussetzern. „Der Sauerstoffmangel, der bei den Atemstillständen entsteht, scheint den Augen zu schaden“, erklärt Jünemann. „Ärzte sollten ihre Glaukompatienten deshalb fragen, ob sie schnarchen und womöglich tagsüber unter Müdigkeit leiden.“ Ob ein Schlaf-Apnoe-Syndrom vorliegt, das in jedem Fall mitbehandelt werden sollte, zeigt ein Test im Schlaflabor. Gegen die Atemaussetzer helfen Atemtherapiegeräte, Unterkieferschienen, aber auch Musizieren mit einem Blasinstrument und der Abbau von Übergewicht mit regelmäßiger Bewegung.

Damit wird körperliche Aktivität zu einem wichtigen Element auch in der Glaukomtherapie. Studien haben zeigen können, dass Sport den Augeninnendruck senkt. „Laufen oder Fahrradfahren kann den Augeninnendruck bei Glaukompatienten um bis zu 13 mmHg reduzieren“, so Jünemann. Zwar steigt der Druck anschließend wieder an. „Aber der Wiederanstieg ist um bis zu 50 Prozent verlängert“, erläutert Jünemann. Auch zügiges Gehen über 20 Minuten vermag den Augeninnendruck vorübergehend um 1,5 mmHg zu senken. Zum Vergleich: Ein Anstieg um einen mmHg erhöht das Risiko für einen Gesichtsfeldschaden um zehn Prozent. „Jeder Millimeter Absenkung zählt also“, betont Jünemann.

„Durch einen gesunden Lebensstil mit ausgewogener Ernährung, Nikotinverzicht und regelmäßiger Bewegung können sich Risikopatienten womöglich nicht nur vor einem Herzinfarkt, sondern auch vor grünem Star schützen“, bilanziert DOG-Präsident Roider.

„Zehn Minuten Bewegung täglich sollen das Sterberisiko“ senken

Bluthochdruck kann lebensgefährlich sein

(Quelle: World Health Summit)

Interview mit dem Bluthochdruck-Experten Prof. Dr. Detlev Ganten zum
Welt Hypertonie Tag am 17. Mai 2014

Millionen Deutsche haben einen zu hohen Blutdruck, weltweit ist es
jeder dritte Erwachsene. Die Folgen können lebensbedrohend sein:
Schlaganfall, Herzinfarkt oder Nierenschäden. Der Welt Hypertonie Tag
am 17. Mai soll auf die Gefahr aufmerksam machen, denn Bluthochdruck
kann völlig unbemerkt zur ernsten Krankheit werden. Dabei ist es ganz
einfach, Bluthochdruck zu erkennen, zu behandeln und sogar zu
vermeiden.

Prof. Dr. Detlev Ganten ist Facharzt für Pharmakologie und Molekulare
Medizin und einer der weltweit führenden Experten für Bluthochdruck.
Außerdem ist der Medizinforscher Präsident des World Health Summit
(WHS), der jedes Jahr Fachleute aus aller Welt nach Berlin holt, um
Lösungen für die Probleme globaler Gesundheitsversorgung zu finden.

Der 6. WHS findet vom 19. – 22. Oktober 2014 im Auswärtigen Amt
statt.

1. Herr Professor Ganten, Bluthochdruck ist die größte Gefahr für
die Gesundheit, der größte Killer weltweit, zugleich aber ein massiv
erforschtes Feld in der Medizin – warum sterben dann immer noch
Millionen Menschen jedes Jahr an den Folgen von Bluthochdruck?

Die meisten messen leider viel zu selten ihren Blutdruck! Dabei ist
das kinderleicht und geht sogar schneller als Fieber messen. Ein
Blutdruck-Messgerät gehört in jeden Haushalt und jeder sollte seinen
Blutdruck kennen. Wenn er zu hoch ist, das heißt der obere Wert liegt
über 140 mmHG und der untere Wert über 90, sollte man auf jeden Fall
zum Arzt gehen. Zu hoher Blutdruck belastet die Blutgefäße und die
Adern platzen, häufig zum Beispiel im Gehirn. An Hirnschlag sterben
viele Menschen. Dabei könnte man das vermeiden.

2. Was macht Bluthochdruck zu einem so großen Rätsel für Mediziner?

Wir wissen in über 80 Prozent der Fälle nicht, weshalb der Blutdruck
ansteigt, wir sprechen dann von „primärer Hypertonie“. Das liegt
daran, dass das ganze System so kompliziert ist: Die Niere reguliert
das Blutvolumen in den Gefäßen. Die wiederum werden durch Nerven und
Hormone weit oder eng gestellt, denn Blutgefäße sind dehnbar. Das
Herz pumpt das Blut dann entsprechend schneller oder langsamer durch
die Arterien. Gesteuert wird das Ganze von Gehirn und Nerven. Und bei
Stress gesellen sich noch Hirnanhangsdrüse und Nebenniere dazu. Es
ist ein äußerst kompliziertes Zusammenspiel, das aus den Fugen
geraten kann. Warum, wissen wir tatsächlich immer noch nicht genau.

3. Ist denn Bluthochdruck eindeutig auf Lebenswandel und
Verhaltensweise zurückzuführen?

In vielen Fällen eindeutig ja! Jedes Kilo Übergewicht lässt den
Blutdruck um 1mmHG ansteigen. Bei 20 Kg mehr auf den Rippen geht der
Blutdruck also von 90 auf 110, das ist zu viel! Das bedeutet,
Ernährung und Bewegung sind die zentralen Faktoren, den Blutdruck zu
beeinflussen. Ein weiterer wichtiger Risikofaktor ist übrigens
Dauerstress.

4. Was also sollen wir tun? Die WHO zum Beispiel empfiehlt jedem
Erwachsenen, sich zweieinhalb Stunden in der Woche zu bewegen.

Ein sehr guter Ratschlag. Es muss allerdings noch nicht mal so viel
sein und auch gar nicht unbedingt Sport. Jeder Schritt und jede Minute
Bewegung helfen. In einer Studie wurde nachgewiesen, dass zehn Minuten
Bewegung am Tag das Sterberisiko schon um fast zehn Prozent senken,
bei 30 Minuten sind es sogar rund 20 Prozent. Das lohnt sich doch!
Spazierengehen ist ja zudem eine angenehme Tätigkeit.

5. Sie plädieren dafür, regelmäßig Blutdruck zu messen – das
Überwachen unserer Körperfunktionen ist ja gerade sehr in Mode: Apps
kontrollieren Puls, Cholesterin, Kalorienverbrennung, sogar den
Schlaf. Kann einen diese Selbstvermessung nicht geradezu krank machen?

Computer und Apps machen nicht gesund! Manchmal machen sie sogar krank
und neurotisch, insbesondere wenn man gestresst und verrückt wird vor
lauter Messerei und Angst vor den vielen Daten bekommt, die man nicht
versteht und die sich beständig ändern! Ich finde es aber gut, wenn
man gesundheitsbewußt die leicht messbaren Werte kennt und sich von
einem Arzt dabei beraten lässt. Auch ich messe meinen Blutdruck und
meinen Puls beim Joggen.

6. Sie sind ja nicht nur Experte für Hypertonie sondern als
Präsident und Gründer des World Health Summit auch für
Weltgesundheit: Ist Bluthochdruck eine reine Zivilisationskrankheit
oder in allen Teilen der Welt gleichermaßen zu beobachten?

Ursprünglich hatten die Bevölkerungen in Südamerika, Afrika und
Asien keinen Bluthochdruck, aber wir exportieren unsere Lebensweise
und die industriell gefertigte Nahrung in diese Länder und
verursachen damit Übergewicht, Diabetes und Bluthochdruck. Das sind
die neuen Plagen der sogenannten Zivilisation. Auch darauf will der
Welt Hypertonie Tag aufmerksam machen. In so wohlhabenden Ländern wie
Deutschland müssen wir uns auch um die Gesundheit in den weniger
privilegierten Regionen dieser Welt kümmern. Das machen wir auf dem
Weltgesundheitsgipfel. Wir haben eine große Verantwortung.

(Quelle: World Health Summit)

Vom 19. – 22. Oktober 2014 findet der sechste World Health Summit im
Auswärtigen Amt in Berlin statt. Er steht traditionell unter der
Schirmherrschaft von Bundeskanzlerin Merkel und Frankreichs
Staatspräsident Hollande.

Weitere Informationen zu Themen, Sprechern und Tickets:
http://phplist.charite.de/lists/lt.php?id=Z0gADkQABh8KBVo