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Analyse zu Notfällen in der ersten Lockdown‐Phase: Mehr Todesfälle bei Schlaganfall‐Patienten

Qualitätsmonitor 2020: Keine Hinweise auf verminderte Qualität der stationären Notfallbehandlung im Frühjahr

Bereits im Juni hatte das WIdO über alarmierende Rückgange von Herzinfarkt‐ und Schlaganfall‐Patienten während der ersten Lockdown‐Phase berichtet. Die aktuellen Auswertungen bestätigen nun: Im Frühjahr 2020 ist insbesondere die Zahl von Notfall‐Patienten mit leichten oder unspezifischen Symptomen zurückgegangen. So wurden wegen einer transitorisch ischämischen Attacke (TIA), bei der es für höchstens 24 Stunden zu Schlaganfall‐Symptomen kommt, 35 Prozent weniger Patienten behandelt als im Vorjahr. Demgegenüber gingen die Behandlungen schwerer, durch Hirninfarkt oder Hirnblutung ausgelöster Schlaganfälle im gleichen Zeitraum um 15 Prozent zurück

Besonders starker Fallzahl‐Rückgang bei Notfällen mit leichteren Symptomen

Ein ähnliches Bild zeigt sich beim Herzinfarkt. Die Zahl der Behandlungen von schweren Herzinfarkten mit komplettem Verschluss eines großen Herzkranzgefäßes und charakteristischen EKG‐Veränderungen (STEMI) ist im Vergleich zum entsprechenden Vorjahreszeitraum um 24 Prozent zurückgegangen. Stärker ausgeprägt war der Rückgang mit minus 29 Prozent bei sogenannten NSTEMI, also leichteren Herzinfarkten, bei denen die Gefäße oft nicht komplett verschlossen sind und die damit geringere Schäden am Herzen verursachen. Dazu Jürgen Klauber: „Die Angst vor einer Covid‐19‐Infektion könnte gerade Patienten mit leichteren Beschwerden davon abgehalten haben, sich ins Krankenhaus zu begeben. Diese Sorge muss den Patienten genommen werden, denn bei der Behandlung von Herzinfarkt und Schlaganfall zählt wirklich jede Minute.“

Die Grafik zeigt den Rückgang stationärer Behandlungsfälle bei Schlaganfall und Herzinfarkt

Schlaganfall: mehr Komplikationen und höhere Sterblichkeit

Trotz der deutlichen Fallzahl‐Rückgänge stieg die Zahl der Patienten, die innerhalb von 30 Tagen nach einem

Hirninfarkt oder einer Hirnblutung verstarben, von 714 im Frühjahr 2019 auf 740 im Frühjahr 2020 (Abbildung 2). Dieser Anstieg ist nicht durch Covid‐19‐Patienten erklärbar, denn diese wurden bei der Betrachtung der Sterblichkeit nicht berücksichtigt. Besonders ins Auge fällt der Sterblichkeits‐Unterschied bei den Frauen über 80 Jahren: Während der ersten Lockdown‐Phase vom 16. März bis zum 5. April 2020 starben in dieser Altersgruppe 368 Frauen innerhalb von 30 Tagen, ein Jahr zuvor waren es im Vergleichszeitraum nur 327 Frauen. Der genauere Blick auf die Schlaganfall‐Behandlungen aus der ersten Lockdown‐Phase zeigt zudem: Die Patienten mit Hirninfarkt oder Hirnblutung, die in dieser Phase in den Kliniken ankamen, wiesen im Schnitt signifikant häufiger halbseitige Lähmungen sowie Sprechstörungen und Schluckbeschwerden auf. „In der aktuellen Situation kann man angesichts dieser Ergebnisse aus der ersten Infektionswelle nur an die Menschen appellieren: Wählen Sie den Notruf und lassen Sie sich im Krankenhaus behandeln, wenn Sie Symptome eines Herzinfarktes oder Schlaganfalls haben“, betont Klauber. „Die Gefahr einer Infektion im Krankenhaus ist sicher wesentlich geringer als die Folgen eines nicht oder zu spät behandelten Herzinfarktes oder Schlaganfalls.“

Zügigere Interventionen und kürzere Verweildauern

Ein weiteres zentrales Ergebnis der Analyse für den Qualitätsmonitor: Die Notfallversorgung im Krankenhaus hat in der Frühphase der Pandemie unverändert funktioniert und die Behandlungsprozesse in der Klinik liefen zum Teil schneller. Wichtige – und zeitkritische – Behandlungen zur Wiedereröffnung verschlossener Blutgefäße fanden im Frühjahr 2020 bei einem höheren Anteil von Herzinfarkt‐ und Hirninfarkt‐Patienten bereits am Tag der Klinikeinweisung statt (Abbildung 3). „Der Grund hierfür sind möglicherweise die besseren Anfahrts‐ und Transportbedingungen für den Rettungsdienst in der Lockdown‐Phase, aber auch die frei gewordenen Kapazitäten für solche dringlichen Eingriffe aufgrund der Absage vieler planbarer Operationen“, vermutet Klauber. Die durchschnittliche Liegedauer war sowohl bei Schlaganfällen als auch bei Herzinfarkten signifikant kürzer als 2019. „Insgesamt haben wir keine Hinweise auf eine verminderte Qualität der stationären Notfallbehandlung im Frühjahr gefunden, sondern im Gegenteil eher schnellere und glattere Prozesse“, betont Klauber. 

Notfälle landen zu oft in Kliniken mit mangelhafter Ausstattung

Auch während der Pandemie bestand allerdings weiter das Problem, dass Patienten in Kliniken ohne die von medizinischen Fachgesellschaften empfohlene Ausstattung zur Behandlung von Schlaganfall und Herzinfarkt aufgenommen wurden. Insgesamt 13 Prozent der Patienten mit Hirninfarkt oder Hirnblutung wurden im Betrachtungszeitraum des Lockdowns in einer Klinik ohne eine spezielle Schlaganfallstation (Stroke Unit) versorgt. Im Jahr 2018 betraf dies 17 Prozent der Patienten, wie eine vertiefende Auswertung zur Behandlungsstruktur deutscher Kliniken im „Qualitätsmonitor 2020“ zeigt. Besonders ausgeprägt war das Problem im Viertel der Kliniken mit den wenigsten versorgten Patienten (unter 20 pro Jahr). 99 Prozent dieser Kliniken verfügten nicht über eine

Stroke Unit.  Ein ähnliches Bild zeigt sich für den Herzinfarkt. Während der ersten Pandemie‐Phase wurden sieben Prozent aller STEMI‐ und NSTEMI‐Patienten in Kliniken ohne Herzkatheterlabor behandelt, das für die Versorgung von akuten Herzinfarkten der Standard sein sollte. Die Analyse für das Jahr 2018 zeigt, dass zehn Prozent aller Herzinfarkte in Kliniken ohne Herzkatheterlabor versorgt wurden. Von dem Problem betroffen waren knapp

21.000 Herzinfarkt‐Patienten. Auch hier fehlten adäquate Strukturen zur Akutversorgung von Herzinfarkt‐Patienten insbesondere im Viertel der Kliniken mit den wenigsten Behandlungsfällen (unter 25 pro Jahr). Insgesamt 87 Prozent dieser Kliniken verfügten nicht über ein Herzkatheterlabor (Abbildung 4). „Die Ergebnisse bestätigen den Befund früherer Auswertungen“, so WIdO‐Geschäftsführer Jürgen Klauber. Sein Fazit: „Wir brauchen eine stärkere Konzentration der Notfallversorgung auf Kliniken mit entsprechender Ausstattung und Erfahrung. Dieses Problem besteht unabhängig von der Covid‐19‐Pandemie weiter.“

Klinikliste mit Qualitätskennzahlen zu drei Notfall‐Behandlungen

Die aktuelle Ausgabe des Qualitätsmonitors vom Wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO), der Initiative Qualitätsmedizin (IQM) und dem Verein Gesundheitsstadt Berlin liefert für die drei Notfall‐Indikationen Herzinfarkt, Schlaganfall und Hüftfrakturen detaillierte Daten zu Fallzahlen und Qualitätskennzahlen der deutschen Krankenhäuser. In einer Klinikliste werden die Ergebnisse von insgesamt 1.576 Krankenhäusern bundesweit dargestellt, in denen 2018 eine dieser Behandlungen dokumentiert worden ist. Außerdem beleuchtet der Sammelband weitere Aspekte des Schwerpunkt‐Themas „Notfallversorgung“. Unter anderem geht es im Qualitätsmonitor um die Defizite bei der Digitalisierung der Notfallversorgung in Deutschland. Einheitliche Systeme zur digitalen Unterstützung des Rettungsdienstes wie das Programm IVENA (Interdisziplinärer Versorgungsnachweis), das bisher in 75 der über 200 Leitstellen zur Zuweisung in rund 500 Kliniken implementiert ist, können die medizinische Versorgung aus Sicht der Autoren nachhaltig verbessern.

Mehr Informationen zum „Qualitätsmonitor 2020“ und Link zum E‐Book: https://wido.de/publikationen‐produkte/buchreihen/qualitaetsmonitor/2020/

Wenn‘s eng wird beim Mann – Von Impotenz bis Herzinfarkt

Am Montag, 15. April 2019 erfahren Interessierte Neues zu typisch männlichen Gesundheitsproblemen / Experten aus Kardiologie und Urologie halten vier Kurzvorträge und beantworten Fragen

Wenn die Potenz abnimmt, ist das für viele Männer eine große psychische Belastung. Was viele nicht wissen: Erektionsstörungen können auch auf Gefäßverengungen hindeuten und Vorbote eines Herzinfarkts sein. Woran man diese und andere „männliche“ Gesundheitsprobleme frühzeitig erkennt und was man dagegen tun kann, erfahren Interessierte am Montag, 15. April 2019 ab 18.30 Uhr bei der Veranstaltung „Wenn‘s eng wird beim Mann – von Impotenz bis Herzinfarkt“ im Hörsaal der Universitäts-Frauenklinik, Hugstetter Straße 55 in Freiburg. In insgesamt vier Vorträgen sprechen Experten der Klinik für Urologie des Universitätsklinikums Freiburg und der Klinik für Kardiologie und Angiologie I des Universitäts-Herzzentrums Freiburg · Bad Krozingen über Herzklappenverengung, erektile Dysfunktion, Herzinfarkt und gutartige Prostatavergrößerungen. Im Anschluss stehen die Referenten für persönliche Gespräche zur Verfügung. Die Veranstaltung ist kostenlos, eine Anmeldung nicht notwendig.

Der Weg zum Arzt fällt Männern oft besonders schwer

„Männer haben eine rund vier Jahre kürzere Lebenserwartung als Frauen. Das liegt auch daran, dass sie später und seltener zum Arzt gehen“, sagt Prof. Dr. Dr. h.c. Christoph Bode, Ärztlicher Direktor der Klinik für Kardiologie und Angiologie I des Universitäts-Herzzentrums Freiburg · Bad Krozingen. Auch haben Männer bis ins hohe Alter ein deutlich höheres Risiko, an einem Herzinfarkt zu sterben. „Wir erklären, wie Männer frühe Warnhinweise erkennen und wie sich rechtzeitig gegensteuern lässt“, sagt Prof. Bode.

Sexualität kann oft erhalten oder wieder ermöglicht werden

Bei Beschwerden, die die Sexualität betreffen, wird der Weg zum Arzt oft besonders lange hinausgeschoben. „Mit dieser Veranstaltung möchten wir gezielt den Rahmen schaffen, um typisch männliche Gesundheitsprobleme zu besprechen“, sagt Prof. Dr. Christian Gratzke, Ärztlicher Direktor der Klinik für Urologie am Universitätsklinikum Freiburg. In den Vorträgen wird unter anderem erklärt, wie Männer nach der Behandlung einer gutartigen Prostatavergrößerung noch eine normale Sexualität erleben können und welche medikamentösen und mechanischen Möglichkeiten es bei einer erektilen Dysfunktion gibt.

https://www.uniklinik-freiburg.de/uploads/tx_aspresse/UKF_Plakat_A1_Impotenz_bis_Herzinfarkt_2019.pdf

Den Blutdruck zu senken ist gesund! Oder?

Neue Erkenntnisse zum Blutdruck im Alter

Berlin, 07.03.2019 Bislang haben Mediziner angenommen, dass es für ältere Menschen gesünder ist, wenn ihr Blutdruck auf unter 140/90 mmHg eingestellt wird. Forschende der Charité – Universitätsmedizin Berlin haben jetzt festgestellt, dass diese Annahme nicht für alle Bluthochdruckpatienten gilt. Im Gegenteil: Bei Menschen, die älter als 80 Jahre sind oder die bereits einen Schlaganfall oder einen Herzinfarkt hatten, steigt das Sterberisiko sogar. Veröffentlicht wurde die Studie jetzt im European Heart Journal*.

Etwa 70 bis 80 Prozent der über 70-Jährigen haben einen erhöhten Blutdruck, der langfristig lebensbedrohliche Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall nach sich ziehen kann. Bei der Entscheidung, ob und wie Ärztinnen und Ärzte Menschen mit Bluthochdruck behandeln, richten sie sich nach den Empfehlungen der Fachgesellschaften. Laut den europäischen Leitlinien soll der Blutdruck bei über 65-Jährigen auf unter 140/90 mmHg eingestellt werden, um sie vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu schützen. Diese Zielwerte gelten auch für über 80-Jährige, bei ihnen sind jedoch verstärkt individuelle Faktoren wie Begleiterkrankungen zu berücksichtigen. Die US-amerikanischen Fachgesellschaften empfehlen für alle Bluthochdruckpatienten, die älter sind als 65 Jahre, sogar eine Einstellung des Blutdrucks auf unter 130/80 mmHg. Welche Zielwerte nun tatsächlich für die Behandlung älterer Menschen mit Bluthochdruck die besten sind, ist Gegenstand einer aktuellen wissenschaftlichen Debatte. 

In einer Beobachtungsstudie konnten Forschende der Charité jetzt zeigen, dass die medikamentöse Senkung des Blutdrucks auf unter 140/90 mmHg – und insbesondere auf unter 130/90 mmHg – nicht grundsätzlich eine schützende Wirkung hat. Grundlage der Analyse sind epidemiologische Daten von mehr als 1.600 Frauen und Männern, die zu Beginn der Studie im Jahr 2009 mindestens 70 Jahre alt waren und unter blutdrucksenkender Behandlung standen. Wie die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler feststellten, hatten bei den über 80-Jährigen diejenigen, deren Blutdruck bei unter 140/90 mmHg lag, ein um 40 Prozent höheres Sterberisiko als diejenigen, deren Blutdruck mehr als 140/90 mmHg betrug. Eine ähnliche Beobachtung machte die Forschungsgruppe bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Studie, die in der Vergangenheit einen Schlaganfall oder Herzinfarkt erlitten hatten: Bei denjenigen, deren Blutdruck bei unter 140/90 mmHg lag, stieg das Sterberisiko sogar um 61 Prozent im Vergleich zu denjenigen, deren Blutdruck trotz der medikamentösen Behandlung oberhalb dieses Grenzwertes blieb. „Unsere Ergebnisse machen deutlich, dass die Behandlung eines erhöhten Blutdrucks bei diesen Patientengruppen individuell angepasst werden sollte“, erklärt Dr. Antonios Douros vom Institut für Klinische Pharmakologie und Toxikologie der Charité. Der Erstautor der Studie betont: „Wir sollten davon abkommen, die Empfehlungen der Fachgesellschaften pauschal bei allen Patientengruppen anzuwenden.“ 

Erfasst wurden die epidemiologischen Daten im Rahmen der „Berliner Initiative Studie“, die von Prof. Dr. Elke Schäffner, Stellvertretende Direktorin des Instituts für Public Health der Charité, geleitet wird. Ihr Team befragte die Studienteilnehmer alle zwei Jahre zu ihren Erkrankungen und Medikamenten, maß Blutdruck und Nierenfunktion und analysierte Blut und Urin. Nach sechs Jahren untersuchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit statistischen Methoden, inwiefern der zu Beginn gemessene Blutdruck mit dem Tod in Zusammenhang stand. Dabei wurden auch Einflussfaktoren wie Geschlecht, Body-Mass-Index, Raucherstatus, Alkoholkonsum, Diabetes und die Anzahl der blutdrucksenkenden Mittel berücksichtigt. „Als nächstes wollen wir untersuchen, welche Patientengruppen von einer Blutdrucksenkung tatsächlich profitieren“, erklärt Prof. Schäffner.

*Douros A et al., Control of blood pressure and risk of mortality in a cohort of older adults: the Berlin Initiative Study. Eur Heart J. 2019 Feb 25. doi: 10.1093/eurheartj/ehz071.

Berliner Initiative Studie
In der Berliner Initiative Studie (BIS) wird seit 2009 die Entwicklung der Nierenfunktion von rund 2.000 älteren Patientinnen und Patienten beobachtet. Ziel ist es, die medizinische Situation und Versorgung von über 70-Jährigen mit chronischer Niereninsuffizienz zu verbessern. Die BIS ist am Institut für Public Health der Charité angegliedert und wird von Prof. Dr. Elke Schäffner geleitet. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Studie sind bei der AOK Nordost versichert. An der Durchführung der Studie sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Medizinischen Klinik für Nephrologie an den Charité-Standorten Campus Virchow-Klinikum und Campus Benjamin Franklin, des Vivantes Klinikums im Friedrichshain und des Instituts für Klinische Epidemiologie und angewandte Biometrie des Universitätsklinikums Tübingen beteiligt. 

Sozialer Stress kann Herz und Gefäße schon im Kindesalter schädigen

Stuttgart – Armut ist auch in Deutschland ein Herz-Kreislauf-Risiko. Experten führen die erhöhte Zahl von Herzinfarkten und Schlaganfällen bei Menschen mit benachteiligtem sozioökonomischen Hintergrund unter anderem auf soziale Stressoren zurück. In der Fachzeitschrift „Aktuelle Kardiologie“ (Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2018) erklären sie, dass diese auch schon im Kindes- und Jugendalter auftreten und langfristige Auswirkungen haben können. Die Vorbeugung kardiovaskulärer Erkrankungen sollte daher bereits in Kindheit und Jugend ansetzen.

Die internationalen Studienergebnisse, auch aus Deutschland, sind eindeutig. Menschen aus sozial benachteiligten Verhältnissen erleiden zwei- bis dreimal häufiger einen Herzinfarkt oder Schlaganfall als Menschen, die unter besseren Bedingungen leben. Trotz weitgehend gleicher Behandlung im Krankenhaus erholen sie sich schlechter. „So verkürzt ein Herzinfarkt das Leben der Betroffenen in ärmeren Bevölkerungsschichten um rund fünf Jahre. Patienten mit höherem Einkommen verlieren nur etwa dreieinhalb Jahre“, erläutert Privatdozent Dr. Thomas Lampert vom Robert Koch-Institut in Berlin. Ärmere Menschen haben in Deutschland insgesamt eine um mehr als fünf Jahre kürzere Lebenserwartung. Betrachtet man ausschließlich die Lebensjahre, die in guter Gesundheit verbracht werden, so beträgt der Verlust sogar mehr als zehn Jahre.

Ein ungesünderer Lebensstil erklärt den Unterschied nach Einschätzung von Dr. Lampert nur teilweise. Es sei richtig: Ärmere Menschen rauchen in Deutschland häufiger und sind eher übergewichtig. Sie ernähren sich ungesünder und bewegen sich weniger. Zum Teil sind sie am Arbeitsplatz auch ungesunden Belastungen ausgesetzt. Es gibt aber auch psychische Stressoren. Dazu zählt Dr. Lampert beispielsweise hohe Arbeitsanforderungen in Kombination mit geringer Selbstbestimmung. Experten sprechen hier von „Job Strain“. Aber auch „Gratifikationskrisen“ erhöhen das Herzinfarktrisiko: Solche entstehen durch das empfundene Missverhältnis von persönlichem Engagement am Arbeitsplatz und dem gezahlten Lohn oder das fehlende Lob durch Kollegen und Vorgesetzte.

Vielen ärmeren Menschen fehlt es zudem an sozialen Kontakten. Diese sind wichtig, um in schwierigen Situationen Rückhalt zu haben. Der Verlust des Partners oder des Arbeitsplatzes führten bei ihnen schneller zu Lebenskrisen. Die fehlende soziale Unterstützung ist vermutlich aber nicht nur für die Bewältigung solcher Erlebnisse wichtig. Sie trägt auch zu einer adäquaten Wahrnehmung und Bewertung dieser Belastungen bei und steuert so die Intensität und die Dauer der Stressreaktion: Ärmere Menschen gehen seltener zum Arzt und reagieren später auf gesundheitliche Beschwerden, so Lampert.

Dr. phil. Morten Wahrendorf rückt Stresserfahrungen in Kindheit und Jugend als Ursache für spätere Herz-Kreislauf-Erkrankungen in den Fokus. Zu den Belastungen, die für Kinder das Herzinfarktrisiko im Alter erhöhen, zählen Konflikte in der Familie, Misshandlungen, traumatische Erlebnisse und emotionale Vernachlässigung. In seinem Beitrag zieht der Medizinsoziologe vom Institut für Medizinische Soziologie am Universitätsklinikum Düsseldorf auch Daten aus der europaweit durchgeführten Studie “Survey of Health Ageing and Retirement“ kurz SHARE heran. Über 27000 Menschen über 50 Jahren wurden dabei zu Kindheitserfahrungen interviewt und ihre Antworten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen im Alter in Beziehung gesetzt. Die Ergebnisse zeigen, dass eine geringe berufliche Qualifikation des Vaters, ein niedriger Bildungsstand und schlechte, beengte Wohnbedingungen langfristig das Herz-Kreislauf-Risiko erhöhen, so Dr. Wahrendorf. „Kindern und Jugendlichen ein sicheres, stabiles und von Armut freies Umfeld zu ermöglichen, könnte deshalb effizienter als die Behandlung einer Erkrankung im Alter sein“, gibt er zu bedenken.

Die Kindheit könnte eine kritische Phase sein, in der Handlungsmuster erlernt werden oder der Körper auf eine vermehrte Ausschüttung der Stresshormone Adrenalin und Kortison geprägt werde. Diese Hormone werden für die Schädigung der Blutgefäße mitverantwortlich gemacht, die im Alter zur Gefäßverkalkung führt. Es könnte aber auch sein, dass für manche Menschen die Kindheit nur der Beginn eines stressgeprägten Lebenslaufs ist, der mit einer ständigen Zunahme der Gesundheitsbelastung verbunden ist.

Parodontitis verhindern

Rauchen verursacht 40 Millionen schwere Parodontitisfälle

Berlin, 14.05.2018 Wer Parodontitis verhindern will, sollte nicht rauchen. In einer Studie haben Zahnmediziner der Charité – Universitätsmedizin Berlin, der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel die Zahl der Parodontitisfälle weltweit berechnet, die auf Zigaretten zurückzuführen ist. Auffällig dabei sind deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern. Die Studienergebnisse sind im Journal of Clinical Periodontology* erschienen.

Parodontitis ist eine bakteriell bedingte chronische Entzündung des Zahnbettes und zählt genau wie Karies zu den Volkskrankheiten, da jeder zweite Erwachsene davon betroffen ist. Die Entzündung kann zu irreversiblen Schäden führen und die Betroffenen verlieren ihre Zähne. Eine zentrale Krankheitsursache ist das Rauchen und weltweit werden rund 40 Millionen schwere Parodontitisfälle dadurch verursacht. Zudem wird Parodontitis mit verschiedenen Allgemeinerkrankungen assoziiert.

Die Wissenschaftler um Privatdozent Dr. Falk Schwendicke von der Abteilung für Zahnerhaltung und Präventivzahnmedizin der Charité sind der Frage nachgegangen, wie viele Parodontitisfälle bzw. welcher Anteil an Parodontitiserkrankungen weltweit auf das Rauchen zurückgeführt werden können. Dabei haben die Wissenschaftler herausgefunden, dass insbesondere Männer mittleren Alters Parodontitis aufgrund von Rauchen aufweisen. Zudem gibt es international große Schwankungen hinsichtlich der Häufigkeit: Während in Deutschland rund zehn Prozent der Parodontitisfälle auf Zigaretten zurückzuführen sind, ist dieser Prozentsatz beispielsweise in Spanien, aber auch in vielen Ländern Afrikas, deutlich geringer.

„Rauchen ist ein zentraler Risikofaktor für Parodontitis – und dieser Zusammenhang scheint insbesondere bei jungen Menschen besonders hoch zu sein“, erklärt Privatdozent Dr. Schwendicke. Er fügt hinzu: „Zudem stehen Parodontitis und Rauchen mit zahlreichen anderen Erkrankungen in Verbindung. Das heißt: Nicht zu rauchen und weniger Parodontitis zu haben, ist doppelt sinnvoll, um auch Herzinfarkt oder Schlaganfall vorzubeugen.“

Für die Studie wurden mathematische Modelle verwendet, die die Daten aus einem umfänglichen Pool für insgesamt 186 Länder berechneten. Kooperationspartner waren Dr. Toni Meier von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Kompetenzcluster für Ernährung und kardiovaskuläre Gesundheit (nutriCARD), und Prof. Dr. Christof Dörfer von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, der auch Präsident der Deutschen Gesellschaft für Parodontologie ist.

„Im nächsten Schritt könnten wir uns vorstellen, dass unsere Erkenntnisse für Aufklärungs- und Präventionsmaßnahmen bei Parodontitis eingesetzt werden. Zudem ist es sinnvoll, dass Ärzte und Zahnärzte Rauchen verstärkt als gemeinsamen Risikofaktor für verschiedene Erkrankungen bekämpfen“, gibt Privatdozent Dr. Schwendicke einen Ausblick.

*Schwendicke, F., Dörfer, C.E., Meier, T.: Global smoking-attributable burden of periodontal disease in 186 countries in the year 2015. In: Journal of Clinical Periodontology. Doi: 10.1111/jcpe.12823, 2017.

Wer Freundschaften pflegt, hat mehr vom Leben

Einsamkeit – Die unbekannte Krankheit

Immer mehr Menschen leben in Deutschland alleine

Cover Einsamkeit Aktuell sind es rd.17 Millionen, die in Single-Haushalten leben, so Manfred Spitzer in seinem neuen Buch „Einsamkeit“. Tendenz steigend, da sich immer mehr langjährige Ehepaare und Partnerschaften im fortgeschrittenen Alter trennen.

Allein zu leben, muss nicht gleich Einsamkeit bedeuten. Man kann auch einsam unter vielen Menschen sein, das belegen zahlreiche Studien. Seit 1980 wird mit einem an der UCLA entwickelten Fragebogen von Wissenschaftlern die soziale Isolation erfasst. Die Ergebnisse sind in zahlreiche Studien eingeflossen.

Manfred Spitzer stellt in seinem Buch die Behauptung auf, dass sich jeder zehnte Mensch in Deutschland einsam fühlt. Und er behauptet gar, dass Einsamkeit erblich, ansteckend und tödlich sei.

Nach der „Selbstfindungs-Ära“ ist nun die „Selfie-Ära“ angebrochen. Sich selbst für den Nabel der Welt zu halten, hat in den letzten Jahren stark zugenommen, stellt auch Manfred Spitzer fest. Das Smartphone mit seinen vielen Möglichkeiten, beflügelt den Narzissmus vieler junger Menschen. Tausende von Likes und Shares suggerieren den Selbstdarstellern, dass sie nicht nur beliebt sind, sondern sogar geliebt werden. Damit ist die Selbsttäuschung perfekt. Aber was passiert, wenn plötzlich das Interesse von Followern und Friends weg ist? Kommt dann die große Einsamkeit in Form eines schwarzen Lochs?

Einsamkeit wird vor allem von jüngeren und älteren Menschen erlebt. Menschen zwischen 25 und 55 Jahren sind eher selten betroffen. Besonders einsam sind unverheiratete Männer, dann folgen unverheiratete Frauen. Verheiratete Männer fühlen sich nur selten einsam, während verheiratete Frauen häufiger angaben, einsam zu sein.

Ältere, alleinlebende Menschen sind einsam, weil Verwandte und Freunde oft schon verstorben sind. Neue Bekannt- oder gar Freundschaften entstehen extrem selten. Manfred Spitzer sagt, wer einsam ist, erkrankt häufiger an Krebs, Herzinfarkt, Schlaganfall, Depression und Demenz.

Manche Journalisten haben Spitzer mit seinen Thesen fast schon zum Feind erklärt. Man kann sagen, dass Spitzer provoziert und da und dort auch etwas verbissen wirkt. Aber müssen deshalb seine Thesen falsch sein?

Wenn Manfred Spitzer das Internet und die Nutzung von Smartphones und Tablets schon im Kleinkindesalter anprangert, sollten wir vielleicht darüber nachdenken, wie weit er damit Recht hat.

Eltern, die permanent ihre Mails checken und in den „sozialen Netzwerken“ unterwegs sind, lehnen Spitzers Aussage, dass das Internet dumm und abhängig macht, strikt ab.

Im Gehirn-Scanner wurde von verschiedenen Wissenschaftler*innen nachgewiesen, dass Schmerz und Einsamkeit im gleichen Bereich der Gehirnrinde verarbeitet werden. Dies könnte die Erklärung dafür sein, dass Einsamkeit auch krank machen kann.

Es gibt einen Unterschied zwischen gefühlter Einsamkeit und sozialer Isolation. Man kann durch die Beschäftigung mit dem Smartphone in einem vollbesetzten Straßencafé keinerlei Einsamkeit verspüren, ist aber dennoch in einer gewissen sozialen Isolation. Erst wenn das Smartphone außer Betrieb ist, und der Blick auf die anderen Menschen fällt, die ihrerseits auf ihr Smartphone schauen, beginnt der Moment, an dem sich Einsamkeit spüren lässt.

Mein persönliches Fazit lautet: Es lohnt sich, das Buch zu lesen, selbst dann, wenn man mit der einen oder anderen Aussage nicht ganz einverstanden ist.

Manfred Spitzer

Einsamkeit, Die unbekannte Krankheit

Hardcover mit Schutzumschlag, 320 Seiten

978-3-426-27676-1, € 19,99 / ebook € 17,99

Nachfolgend einige Links zu Rezensionen in anderen Medien:

mdr Kultur:

https://www.mdr.de/kultur/themen/sachbuch-der-woche-manfred-spitzer-einsamkeit-die-unerkannte-krankheit-100.htmlhttps://www.mdr.de/kultur/themen/sachbuch-der-woche-manfred-spitzer-einsamkeit-die-unerkannte-krankheit-100.html

Spiegel Online:

http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/manfred-spitzer-ueber-einsamkeit-an-allem-ist-das-internet-schuld-a-1197453.html

Deutschlandfunk Kultur:

http://www.deutschlandfunkkultur.de/manfred-spitzer-einsamkeit-die-unerkannte-krankheit-soziale.950.de.html?dram:article_id=412349

merkur:

https://www.merkur.de/leben/gesundheit/manfred-spitzer-ueber-krankheit-einsamkeit-zr-9666140.html

SZ:

http://www.sueddeutsche.de/leben/ende-der-einsamkeit-anleitung-zum-alleinsein-1.3921781?reduced=true

 

 

Gesünder und besser leben

Öffentlicher Vortrag zur Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Besser und gesünder leben

Plakat zur Veranstaltung

Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind weltweit nach wie vor die häufigste Todesursache. Dabei können Menschen mit einem gesunden Lebensstil viel für die eigene Herzgesundheit tun. Wie Bluthochdruck, Herzinfarkt und Schlaganfall schon frühzeitig vorgebeugt werden kann, darüber spricht Prof. Dr. Franz-Josef Neumann, Ärztlicher Direktor der Klinik für Kardiologie und Angiologie II am Universitäts-Herzzentrum Freiburg • Bad Krozingen, am

 

Samstag, 27. Januar 2018, um 11.15 Uhr
im Kollegiengebäude I (Hörsaal 1199)
Platz der Universität 3, Universität Freiburg  

in einem öffentlichen Vortrag mit dem Titel „Gesünder und besser leben: Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorbeugen“. Der Kardiologe erklärt unter anderem, wie Menschen schon in jungen Jahren durch gesunde Ernährung, Sport sowie die Vermeidung von Risikofaktoren wie Rauchen ihr Herz fit halten können, und gibt hilfreiche Tipps für den Alltag.

Die Veranstaltung findet im Rahmen der Vortragsreihe „Prävention – für ein gesundes Leben“ des Instituts für Prävention und Tumorepidemiologie am Universitätsklinikum Freiburg statt.

Der Eintritt zur Veranstaltung ist frei.

Einblicke in die Notfallmedizin

Die „Freiburger Abendvorlesungen“ starten am 13. Juli 2016 mit den Einblicken in die Notfallmedizin

AbendvorlesungenBereits zum zehnten Mal finden in diesem Jahr die „Freiburger Abendvorlesungen“ statt, die vom Universitätsklinikum Freiburg in Zusammenarbeit mit der Badischen Zeitung veranstaltet werden.

An vier Terminen wird diesen Sommer das Thema „Notfallmedizin“ aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet. Die „Freiburger Abendvorlesungen“ starten am

Mittwoch, den 13. Juli 2016,
um 19.00 Uhr im Hörsaal der Universitäts-Frauenklinik,
Hugstetter Straße 55, Freiburg  

mit der Auftaktveranstaltung zu zwei unterschiedlichen Perspektiven auf die Notfallmedizin: PD Dr. Hans-Jörg Busch und Dr. Thorsten Hammer, Ärztliche Leiter des Universitäts-Notfallzentrums am Universitätsklinikum Freiburg, werden einen Vortrag zum Thema „Wie funktioniert Notfallmedizin in einer interdisziplinären Notaufnahme?“ halten. Weiterhin wird Prof. Dr. Hartmut Bürkle, Ärztlicher Direktor der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Universitätsklinikum Freiburg, gemeinsam mit Dr. Hammer einen Einblick in das Thema „Unfallmedizin: Wie Unfallchirurgen und Intensivmediziner zusammenwirken“ geben.

Die öffentlichen Veranstaltungen richten sich an alle, die sich für medizinische Themen und das Universitätsklinikum Freiburg interessieren.

Im Anschluss an die Vorträge beantworten die Referenten die Fragen der Besucher. Die Abende klingen bei Getränken, Häppchen und Gesprächen mit den Experten im Garten vor der Frauenklinik aus.

Der Eintritt ist frei.

Die folgenden Veranstaltungen der „Freiburger Abendvorlesungen“ finden immer mittwochs an drei weiteren Terminen jeweils um 19.00 Uhr im Hörsaal der Universitäts-Frauenklinik statt:

20. Juli 2016: Herzinfarkt: Schnelle Versorgung rettet Leben

27. Juli 2016: Schlaganfall: Welche neuen Behandlungsmethoden gibt es?

3. August 2016: Lebensbedrohende Bauchschmerzen: Wann ist eine Operation nötig?

Herzinfarkt: Wie gefährdet sind Sie?

Machen Sie den persönlichen Risikotest der Deutschen Herzstiftung

Regensburg (obx-medizindirekt) – „Gefahr erkannt, Gefahr gebannt“, heißt ein beliebtes Sprichwort. Auch auf das tödliche Risiko eines Herzinfarktes kann man es anwenden. Denn wer sich einmal bewusst gemacht hat, welche Lebensweise ihm gefährlich werden kann, tut sich leichter, sein Verhalten zu ändern. Jährlich sterben weltweit mehr als 17 Millionen Menschen an Herzinfarkt oder Schlaganfall. „Viele Betroffene könnten noch leben, wenn sie rechtzeitig und regelmäßig auf eine Überprüfung ihres Herz-Kreislauf-Risikos geachtet hätten“, versichert Prof. Helmut Gohlke, Vorstandsmitglied der Deutschen Herzstiftung.

Um möglichen Betroffenen bei der Einstufung ihres persönlichen Risikos zu helfen, hat Prof. Gohlke den nachstehenden Test entwickelt. „Viele Menschen leben gefährlich und ahnen es nicht einmal“, sagt der Herzmediziner. Das liegt unter anderem daran, dass einige schwerwiegende Risikofaktoren wie Bluthochdruck und zu hohe Cholesterin- oder Blutzuckerwerte die Blutgefäße über Jahre hinweg schädigen, ohne dass die Betroffenen etwas davon merken. „Weil man diese Risikofaktoren nicht spüren kann, muss man sie messen“, erklärt Prof. Gohlke. „Zum Beispiel im Rahmen des von den gesetzlichen Krankenkassen für Versicherte ab dem 35. Lebensjahr alle zwei Jahre bezahlten Gesundheits-Checks.“

Faktoren, die das Herzinfarkt-Risiko drastisch erhöhen, sind außer Bluthochdruck und erhöhten Cholesterinwerten auch das Rauchen, Übergewicht, mangelnde körperliche Bewegung, falsche Ernährung und vor allem hoher Kochsalzverzehr. „Nur drei Gramm weniger Salzkonsum pro Tag – also ein halber Teelöffel Salz – kann die Zahl der durch Bluthochdruck verursachten tödlichen Herzkranzgefäß-Erkrankungen um 16 bis 22 Prozent vermindern“, erklärt Prof. Gohlke.

Machen Sie nun diesen Test

Ist in Ihrer Familie bei Vater, Mutter, Geschwistern oder Kindern bereits ein Herzinfarkt oder Schlaganfall aufgetreten?
Vor dem 70. Lebensjahr                Ja  (4)    Nein  (0)
Vor dem 55. Lebensjahr                Ja  (6)    Nein  (0)

Rauchen Sie?
Bin Nichtraucher                    (0)
Weniger als 20 Zigaretten/Tag                        (6)
Mehr als 20 Zigaretten/Tag                (8)
Mehr als 20 Zigaretten + Anti-Baby-Pille        (10)

Wie hoch ist Ihr Body-Mass-Index?
(Körpergewicht in kg geteilt durch das Quadrat der Körperlänge in m.
Beispiel: 70 kg : (1.70 x 1.70))

Frauen:     unter 19      (0)        Männer:    unter 20      (0)
19 – 24      (0)                20 – 25      (0)
25 – 30      (1)                26 – 30      (1)
über 30     (2)                über 30      (2)

Essen Sie täglich frisches Obst, Salate und Gemüse, Hülsenfrüchte, Vollkornprodukte sowie zwei Fischmahlzeiten pro Woche?
Praktisch immer         (-4)
Häufig                 (-2)
Eher nicht             (0)

Bevorzugen Sie deftige Speisen wie rotes Fleisch, Bratwürste, Pommes, Vollmilchprodukte, Sahne, Kuchen, Süßigkeiten, Nachtische?
Praktisch immer         (4)
Häufig                 (2)
Eher nicht             (0)

Wie oft bewegen Sie sich sportlich (mindestens 20 Minuten am Stück)?
Mindestens ein- bis zweimal pro Woche         (-2)
Mindestens einmal pro Monat                         (0)
Seltener als 1 x pro Monat                 (2)

Was wissen Sie über Ihre Blutfettwerte?
Nicht bekannt                 (2)
Stark erhöht (über 280 mg/dl)                 (6)
Etwas erhöht (200 – 280 mg/dl)     (3)
Normal (unter 200 mg/dl)         (0)

Wie hoch ist Ihr Blutdruck?
Nicht bekannt                 (2)
Oberer Wert unter 140 mmHg              (0)    Unterer Wert unter 90 mmHg        (0)
Oberer Wert 140 – 160 mmHg              (1)    Unterer Wert 90 – 95 mmHg         (2)
Oberer Wert über 160 mmHg               (6)    Unterer Wert über 95 mmHg         (4)

Haben Sie erhöhten Blutzucker?
Nicht bekannt                     (2)
Nein                         (0)
Ja, aber benötige noch keine Medikamente     (6)
Nehme Tabletten für den Blutzucker         (8)
Muss Insulin spritzen                 (8)

Arbeiten Sie dauernd unter Zeitdruck oder Stress?
Nein                     (0)
Gelegentlich                 (0)
Häufig                     (2)
Praktisch dauernd             (4)

Haben Sie gelegentlich bei körperlicher Belastung, bei Kälte oder bei Stress Beschwerden im Brustbereich, evtl. mit Ausstrahlung in den Hals oder in den Arm?
Nein                         (0)
Bei körperlicher Belastung             (10)
Bei Stress                     (6)
Gelegentlich in Ruhe oder nach Belastung     (4)

Haben Sie bereits einmal länger als fünf Minuten anhaltende druckartige Beschwerden im Brustkorb verspürt?
Ja                     (10)
Nein                     (0)

Wurden Sie bereits wegen eines Herzinfarktes oder Verdachtes auf Infarkt behandelt?
Ja                     (10)
Nein                     (0)

Auswertung:

Addieren Sie die Zahlen hinter den Kästchen, die Sie angekreuzt haben (Bei der Ernährungsfrage und bei der Bewegung kann es Punktabzug geben). Haben Sie

0 bis 4 Punkte: Herzlichen Glückwunsch! Ihr Risiko für Herzinfarkt oder Schlaganfall ist unter dem Durchschnitt!

5 bis 8 Punkte: Sie haben ein durchschnittliches Risiko. Versuchen Sie, beeinflussbare Risiken auszuschalten.

9 bis 16 Punkte: Erhöhtes Risiko. Besprechen Sie mit Ihrem Arzt die Möglichkeit der Verminderung von Risiken und achten Sie besser auf Ihren Lebensstil

17 und mehr Punkte: Ihr Risiko ist deutlich erhöht. Für Sie ist eine Besprechung mit Ihrem Arzt über die Möglichkeit eines gesünderen Lebensstils besonders wichtig.

 Jährlich sterben weltweit mehr als 17 Millionen Men-schen an Herzinfarkt oder Schlaganfall. Viele Betroffe-ne könnten noch leben, wenn sie rechtzeitig und regelmäßig auf eine Überprüfung ihres Herz-Kreislauf-Risikos geachtet hätten. Foto: obx-medizindirekt


Jährlich sterben weltweit mehr als 17 Millionen Men-schen an Herzinfarkt oder Schlaganfall. Viele Betroffe-ne könnten noch leben, wenn sie rechtzeitig und regelmäßig auf eine Überprüfung ihres Herz-Kreislauf-Risikos geachtet hätten. Foto: obx-medizindirekt

Warum Stress am Arbeitsplatz krank macht

Depressionen und Herzinfarkt:

Warum Stress am Arbeitsplatz krank macht

Notausgang 2fzm, Stuttgart, Juli 2014 – Hohe Anforderungen, permanenter Zeitdruck und geringe Kontrollmöglichkeiten, eine nicht angemessene Belohnung und keine Aussicht auf Beförderung. Das alles kann Arbeiter und Angestellte krank machen. So steigert Arbeitsstress das Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden, um 40 Prozent, das Risiko, eine Depression zu entwickeln, sogar um 80 Prozent, warnt ein Experte in der Fachzeitschrift „DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift“ (Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2014).

Arbeitsstress ist ein Alltagsbegriff, dessen Auswirkungen auf die Gesundheit kaum fassbar erscheinen. Wissenschaftler haben in den letzten Jahren jedoch Fragebögen entwickelt, mit denen sie potenziell gesundheitsgefährdenden Stress erkennen und bewerten können. „Arbeitsstress ist messbar“, schreibt Professor Peter Angerer, Leiter des Instituts für Arbeits- und Sozialmedizin der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, und nennt gleich drei Arten, wie Arbeitsstress die Menschen krank macht. Das „Job Strain“-Modell vergleicht die Anforderungen am Arbeitsplatz mit den Möglichkeiten des Arbeiters sie zu erfüllen. Wenn Zeit- und Handlungsspielräume und Lerngelegenheiten fehlen, kann die Arbeit schnell über den Kopf wachsen, was auf Dauer krank macht. „Diese Konstellation findet sich häufig bei Beschäftigten mit gering qualifizierter Industriearbeit, etwa Fließbandarbeit in hohem Tempo“, schreibt Angerer. Aber auch einfache immer gleiche Bürotätigkeiten könnten krank machen, wenn die Anforderungen zu hoch geschraubt werden. Ein 11-Punkte-Fragebogen zeigt den Forschern, ob die Gesundheit eines Arbeiters oder Angestellten gefährdet ist.

Unter Belohnungs- oder Gratifikationskrisen leiden Menschen, die für ihre berufliche Karriere Vorleistungen erbracht haben und sich gegen Konkurrenten durchsetzen wollen. Wenn der Erfolg ausbleibt, neigen viele zu einem ungesunden Überengagement. „Stresstheoretisch stehen enttäuschte Erwartungen sozialer Belohnungen im Zentrum“, erläutert der Experte. Auch dies ist mittlerweile mit einem Fragebogen messbar.

Der dritte Stressor entsteht durch Willkür und nicht korrekte Umgangsformen zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern. Auch ein Mangel an Fairness und Respekt im Umgang miteinander ist ungesund. Arbeitsmediziner bezeichnen dies als mangelnde Organisationsgerechtigkeit, die sie ebenfalls mit einem Fragebogen erfassen können.

In den letzten Jahren haben Arbeitsmediziner die Fragebögen genutzt, um die Auswirkungen von Stress auf die Gesundheit zu messen. Ihre Ergebnisse zeigen, dass Arbeitsstress das Risiko auf Depressionen um 80 Prozent und das Risiko auf einen Herzinfarkt um 40 Prozent steigert. Für die Depressionen sei dies noch eine zurückhaltende Schätzung, so Professor Angerer. Die wissenschaftliche Befundlage sei „robust“. Für Arbeitsstress als Ursache spreche die Übereinstimmung der Ergebnisse in verschiedenen Studien und eine „Dosis-Wirkungsbeziehung“: Je stärker der Stress ist und je länger er anhält, desto höher ist das Risiko von Depressionen. Die Lebensgeschichte der Arbeiter und die Persönlichkeit haben nach Einschätzung des Experten zwar einen gewissen Einfluss: „Auf Dauer können sie den Effekt gefährdender Arbeitsbedingungen nicht wesentlich abschwächen“, warnt er. Die Belastungen können sogar so hoch sein, dass es für den Arbeiter im Einzelfall gesünder sein kann, den Job zu kündigen. Arbeitslosigkeit beeinflusse die psychische Gesundheit zwar negativ, die Beschäftigung in hochgradig belastenden Berufen könne jedoch noch ungesünder sein. Dies hat laut Professor Angerer eine Studie aus Australien ergeben.

Auch die schädliche Wirkung auf Herz- und Kreislauf ist gut untersucht. Professor Angerer sieht zwei „Stressachsen“. Über das sympathische Nervensystem werden Adrenalin und Noradrenalin, sogenannte Katecholamine, freigesetzt. Messbar ist dies an einer verminderten Herzfrequenzvariabilität: Der Herzschlag bleibt so auch bei Entlastung und Entspannung erhöht. Gleichzeitig schüttet die Nebenniere vermehrt Cortisol aus, was mit einem morgendlichen Speicheltest gemessen werden kann. Arbeiter mit erhöhten Werten in den Tests haben ein erhöhtes Risiko auf einen hohen Blutdruck sowie auf Herzinfarkt oder Schlaganfall.

Arbeitsstress ist für Professor Angerer vermeidbar. „Arbeitsbedingungen im Unternehmen sind grundsätzlich modifizierbar und ein günstigeres Verhalten im Umgang mit Belastungen lässt sich erlernen“, schreibt der Arbeitsmediziner. Betriebsärzte und Personalverantwortliche sollten hier zusammenarbeiten. Eine Stressvermeidung käme dem Betrieb und auch der Gesellschaft zugute. Denn so Professor Angerer: „Gut belegt ist, dass sich der Anteil psychischer Diagnosen an Fehlzeiten und Frühberentungen im letzten Jahrzehnt stark erhöht hat.“

P. Angerer et al.:
Stress: Psychosoziale Arbeitsbelastung und Risiken für kardiovaskuläre Erkrankungen sowie Depression
DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift 2014; 139 (24); S. 1315-1320