Künstliche Intelligenz kann die Medizin-Dokumentation deutlich erleichtern
Bestes Modell liefert 93,1 Prozent verwendbare Dokumente / Potenzial zur Entlastung medizinischer Fachkräfte / Einsatz bereits im Regelbetrieb
Bestes Modell liefert 93,1 Prozent verwendbare Dokumente / Potenzial zur Entlastung medizinischer Fachkräfte / Einsatz bereits im Regelbetrieb
(08.08.2023) Mithilfe der Digitalisierung und moderner Technik kann die Sterblichkeit bei älteren Menschen und Patienten um 20 bis 30 Prozent gesenkt und viele andere Symptome verbessert werden – davon ist Professor Clemens Becker (Foto), Sturz-Experte der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG), überzeugt. „Mit Smartwatches und neuen Apps gelingt jetzt schon sehr viel. Weitere Entwicklungen können zu einer grundlegenden Verbesserung des geriatrischen Assessments führen und so Diagnostik, Therapie und Prävention in der Altersmedizin bereichern“, sagt der Mediziner und Leiter der Abteilung Digitale Geriatrie an der Universitätsklinik Heidelberg. Mit welchen Entwicklungen in naher Zukunft zu rechnen ist, darüber informiert Becker im Rahmen seines Keynote-Vortrages beim Geriatrie-Kongress, der vom 14. bis 16. September auf dem Campus Westend der Goethe-Universität Frankfurt am Main stattfinden wird. „Klar ist: Mit digitalen Anwendungen können wir die Lebensqualität hochaltriger Menschen deutlich verbessern.“
Angesichts dieser Fahrlässigkeit wundert es nicht, dass derart viele Gesundheitsdaten im Darknet zu finden sind.
Die Mitarbeiter:innen im Gesundheitswesen, die für die finanzstärksten Unternehmen der Welt arbeiten, nutzen sehr schwache Passwörter für ihre beruflichen Konten, das zeigt eine neue Studie von NordPass. Cybersicherheits-Experten fordern Unternehmen zwar immer wieder auf, ihre Firmenkonten besser zu schützen, dennoch führen Passwörter wie „123456“, „password“ und „12345“ weiter die Liste an.
Im Folgenden finden Sie die 10 am häufigsten verwendeten Passwörter im Gesundheitswesen:
1. 123456
2. password
3. teil des firmennamens*
4. 12345
5. aaron431
6. teil des firmennamens2012*
7. Teil des firmennamens*
8. TEIL DES FIRMENNAMENS443*
9. firmenname2014*
10. linkedin
*Dieses Passwort bezieht sich direkt auf ein Unternehmen. NordPass nennt das genaue Unternehmen nicht. Es erwähnt das Format, in dem dieses Passwort verwendet wurde, zum Beispiel die Abkürzung des Unternehmensnamen, ein Teil des Namens oder der Name kombiniert mit anderen Worten oder Symbolen.
Mehrere tausend Patientendaten sind offen im Internet abrufbar. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) wurde über diesen Sachverhalt von IT-Sicherheitsforschern informiert und hat daraufhin die betroffenen medizinischen Einrichtungen anhand der ihm vorliegenden IP-Adressen in Kenntnis gesetzt. In drei Fällen konnte das BSI die Einrichtungen direkt kontaktieren, in 14 weiteren Fällen wurden die jeweiligen Internet-Service-Provider gebeten, ihre Kunden anhand der IP-Adressen zu identifizieren und zu informieren. Zudem hat das BSI 46 internationale Partnerorganisationen über den Sachverhalt informiert. Das BSI darf nach derzeitiger Rechtslage diese Daten nicht abrufen oder analysieren, auch nicht um die Betreiber der ungesicherten Webserver zu identifizieren. Nach Einschätzung des BSI sind die Patientendaten zugänglich, weil einfachste IT-Sicherheitsmaßnahmen wie ein Zugriffsschutz durch Nutzername und Passwort oder Verschlüsselung nicht umgesetzt wurden. Dem BSI liegen keine Informationen vor, dass die Patientendaten tatsächlich in krimineller Absicht abgeflossen sind.
Dazu äußert sich BSI-Präsident Arne Schönbohm wie folgt:
„Wenn selbst bei so sensiblen Daten wie Röntgenaufnahmen, Mammografien oder MRT-Bildern grundlegende IT-Sicherheitsmaßnahmen missachtet werden, zeigt das, dass IT-Sicherheit noch immer nicht den Stellenwert einnimmt, den sie verdient. Wir müssen als Gesellschaft begreifen, dass die großen Digitalisierungsprojekte, die uns so viele Vorteile bringen können, nur gelingen werden, wenn sie von Anfang an sicher gestaltet werden. Nur wenn die Bürgerinnen und Bürger Vertrauen in die Sicherheit ihrer Daten haben, wird die Digitalisierung erfolgreich sein.“
Bonn, 17.09.2019
Tatsächlich wurden etwa 39 Prozent der Organisationen in diesem Sektor täglich oder wöchentlich von Hackern angegriffen, und nur 6 Prozent gaben an, noch nie einen Cyberangriff erlebt zu haben.
Die zunehmende Digitalisierung im Gesundheitswesen trägt zur Vergrößerung der Angriffsfläche der Branche bei. Und sie wird durch eine Reihe von Faktoren beschleunigt: die breite Einführung von Electronic Health Records Systems (EHRS), die Integration der IoT-Technologie in Medizinprodukte (softwarebasierte medizinische Geräte wie MRTs, EKGs, Infusionspumpen) und die Migration zu Cloud-Diensten. Tatsächlich macht der zunehmende Einsatz von medizinischen IoT-Geräten Gesundheitsorganisationen anfälliger für DDoS-Angriffe: Hacker nutzen infizierte IoT-Geräte in Botnetzen, um koordinierte Angriffe zu starten.
Accenture schätzt, dass der Verlust von Daten und die damit verbundenen Ausfälle die Gesundheitsunternehmen im Jahr 2020 fast 6 Billionen Dollar bzw. Euro kosten werden, verglichen mit 3 Billionen im Jahr 2017. Cyberkriminalität kann in den nächsten vier bis fünf Jahren verheerende finanzielle Auswirkungen auf den Gesundheitssektor haben.
Laut dem bereits erwähnten Radware-Bericht verzeichneten Gesundheitsorganisationen einen deutlichen Anstieg von Malware- oder Bot-Angriffen, wobei auch Social Engineering und DDoS-Attacken stetig wuchsen. Auch wenn die Zahl der Ransomware-Angriffe insgesamt zurückgegangen ist, treffen Hacker die Gesundheitsbranche mit diesen Angriffen weiterhin am stärksten. Und es steht zu erwarten, dass sie Ransomware-Angriffe weiter verfeinern und wahrscheinlich IoT-Geräte hijacken werden, um Lösegelder zu erpressen. Darüber hinaus nimmt das Kryptomining zu, wobei 44 Prozent der Unternehmen einen Kryptomining oder Ransomware-Angriff erleben. Weitere 14 Prozent erlebten beides. Dabei sind nur wenige Gesundheitsdienstleister auf derartige Angriffe vorbereitet.
Warum das Gesundheitswesen?
Die Gesundheitsbranche wird aus verschiedenen Gründen angesprochen. Ein ganz wesentlicher ist das Geld. Die Gesundheitsausgaben machen weltweit einen Anteil von 20 Prozent oder mehr des BIP aus, was die Branche zu einem finanziell attraktiven Ziel für Cyberkriminelle macht. Und laut dem Bericht von Radware werden medizinische Daten im Darknet höher gehandelt als Passwörter und Kreditkartendaten.
„Unabhängig von der Motivation stellen Ransomware- und DDoS-Angriffe eine gefährliche Bedrohung für Patienten und Dienstleister dar“, so Michael Tullius, Regional Director DACH bei Radware. „Viele Krankheiten werden zunehmend mit Hilfe von Cloud-basierten Überwachungsdiensten, Embedded-IoT-Geräten und der Selbst- oder automatisierten Verabreichung von verschreibungspflichtigen Medikamenten behandelt. Cyberangriffe könnten dabei das Leben und Wohlergehen der Menschen ernsthaft gefährden.“
Empfehlungen
Die Sicherung digitaler Assets kann nicht mehr ausschließlich an die IT-Abteilung delegiert werden, sondern wird zunehmend zur Angelegenheit der Führungsspitze von Gesundheitsdienstleistern. Die Experten von Radware empfehlen eine Reihe von Maßnahmen, um Cyberangriffen im Gesundheitswesen proaktiv zu begegnen:
– Kontinuierliche Überwachung und Überprüfung auf gefährdete und kompromittierte IoT-Geräte und im Falle des Falles Durchführung geeigneter Abhilfemaßnahmen
– Erstellung und Implementierung von Richtlinien und Verfahren für die Passwortverwaltung für Geräte und deren Benutzer; Sicherstellung, dass alle Standardpasswörter in sichere Passwörter geändert werden.
– Installation und Wartung von Antivirensoftware und Sicherheitspatches sowie die Aktualisierung von IoT-Geräten mit Sicherheitspatches, sobald Patches verfügbar sind
– Installation und Konfiguration einer Firewall zur Einschränkung des ein- und ausgehenden Datenverkehrs
– Gegebenenfalls Segmentierung von Netzwerken Beschränkung des Zugriffs auf Netzwerksegment
– Deaktivieren des universellen Plug-and-Play auf Routern, es sei denn, es ist unbedingt erforderlich
– Gegebenenfalls Nutzung von Cloud-Diensten spezialisierter Anbieter zur Abwehr von Cyberattacken
Weitere Artikel zum Thema:
Stuttgarter Nachrichten https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.datenschutz-in-krankenhaeusern-cyberattacke-auf-die-klinik.4f2ca0bc-32f8-4511-bf87-9dd176c259c9.html
(08.08.2018) Von Big Data versprechen sich viele Akteure im Gesundheitswesen bessere Erkenntnisse und damit bessere Diagnose- und Therapiemöglichkeiten. Professor Gerd Antes, Co-Direktor von Cochrane Deutschland und wissenschaftlicher Vorstand der Cochrane Deutschland Stiftung in Freiburg, warnt davor, dass das Thema viel zu unkritisch betrachtet wird. Warum mehr Daten eben nicht unbedingt mehr Wissen bedeuten, und wie ein verantwortungsvoller Umgang damit aussehen sollte, legt er in seiner mit Spannung erwarteten Keynote „Big Data – Datenrauschen auch in der Geriatrie?“ dar – beim gemeinsamen Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG) und der Deutschen Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie (DGGG). Der Kongress findet unter dem Motto „Vielfalt des Alterns: biomedizinische und psychosoziale Herausforderungen“ vom 6. bis 8. September 2018 in Köln statt.
Herr Professor Antes, warum setzen Sie sich mit dem Thema „Big Data im
Gesundheitswesen“ auseinander?
Big Data ist gerade in aller Munde und viele Akteure im Gesundheitswesen versprechen sich davon, dass mehr Daten auch zu mehr Wissen und damit zu besseren Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten führen. Sicherlich gibt es zum Beispiel hervorragende Apps oder Erinnerungssysteme, die insbesondere in der Altersmedizin die Versorgung erleichtern. Ich bin allerdings der festen Überzeugung und kann auch belegen, dass das
Thema Big Data, insbesondere im Gesundheitswesen, viel zu unkritisch gesehen wird.
Was müsste denn kritischer gesehen werden?
Ich kritisiere, dass dabei das wissenschaftliche Denken außer Kraft gesetzt wird. Dank unbegrenzter Datenmengen wird Korrelation auf einmal zu Kausalität. Nach dem Motto: Je mehr Daten wir haben, desto genauere Aussagen können wir daraus ableiten. Dieser versprochene Nutzen lässt sich bisher aber nicht feststellen und die Risiken und Kosten werden nicht dazu in Bezug gesetzt. Die Vermutung, dass mehr Daten automatisch auch zu mehr Wissen führen, ist schlichtweg falsch. Im Gegenteil: Mehr
Daten können auch mehr Fehler bedeuten, was ein großes Risiko in der
Patientenversorgung darstellt. Wir brauchen eine wissenschaftlich fundierte rationale Betrachtung von Big Data, wie es in jeder Technikfolgenabschätzung üblich ist. Es braucht nicht weniger, sondern mehr Methoden als sonst.
Warum ist das Thema besonders relevant in der Altersmedizin?
Weil sie in der Altersmedizin noch mehr Daten zu den Patientinnen und Patienten haben, aufgrund der längeren Lebenszeit und der Multimorbidität. Wenn man bei diesen hochdimensionalen Daten einzelne Mechanismen herausfischen will, läuft man noch mehr Gefahr, etwas richtig falsch zu machen. Besonders in der Geriatrie sollte man also
nicht einfach die Datenkrake loslaufen lassen. Der Begriff Qualität, der sonst im Gesundheitswesen allerhöchste Priorität hat, taucht bei dem Thema Big Data interessanterweise an keiner Stelle auf!
Aber Big Data und Co bringen ja auch neue Möglichkeiten mit sich, um der Vielfalt des Alterns zu begegnen.
Wir erleben gerade eine große Entfremdung der Bevölkerung von der Medizin. Alle wollen mehr Sprechzeiten und persönliche Zuwendung. Aber alles, was jetzt gerade passiert im Hinblick auf die Digitalisierung und Big Data, geht in eine ganz andere Richtung. Das trifft massiv die älteren Patientinnen und Patienten. Neue Technologien bringen zwar neue Möglichkeiten und damit Vielfalt mit sich, haben jedoch ernsthafte
Nebenwirkungen, die mit hoher Priorität ebenfalls betrachtet werden müssen.
Wie wird das Thema Big Data im Gesundheitswesen in anderen Ländern gehandhabt und was wünschen Sie sich hier für die Zukunft?
Einzelne Länder gehen derzeit sehr unterschiedlich mit dem Thema Datenschutz und Datenmanagement im Gesundheitswesen um. Während in Ländern wie den USA die Privatheit der eigenen Daten kaum noch existiert, wird das in Europa sehr viel anders gehandhabt, seit Kurzem durch die EU-Datenschutzverordnung auch mit zunehmender Harmonisierung zwischen den einzelnen Ländern. Insgesamt wäre es wünschenswert, wenn international das Thema Big Data und der Umgang damit kritischer gesehen wird und wissenschaftlich fundierte Datenqualität in Zukunft den nötigen Stellenwert bekommt. Praktisch heißt das, sich nicht nur von den Versprechungen leiten zu lassen, sondern für die Nutzung sorgfältig abwägende Nutzen-Risiko-Betrachtungen verpflichtend zu machen.
Zur Person:
Professor Gerd Antes ist Co-Direktor von Cochrane Deutschland sowie
wissenschaftlicher Direktor der Cochrane Deutschland Stiftung in Freiburg und gilt als einer der Wegbereiter der evidenzbasierten Medizin in Deutschland. Der Mathematiker und Biometriker ist seit 2000 Gründungs- und Vorstandsmitglied des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin. Seit 1987 ist er, mit einer Unterbrechung von zwei Jahren, angestellt beim Universitätsklinikum Freiburg, 2012 wurde er zum Honorarprofessor ernannt. Professor Antes war Mitglied der Ständigen Impfkommission
am Robert-Koch-Institut. Im Jahr 2009 erhielt er das Ehrenzeichen der deutschen Ärzteschaft.
Prof. Dr. Gerd Antes
Keynote-Lecture: „Big Data – Datenrauschen auch in der Geriatrie?“
Hörsaalgebäude 105, Hörsaal B, Universität zu Köln
Freitag, 07.09.2018
09:45 – 10:30 Uhr
Das schafft kein Arzt ohne Hilfsmittel: Dosierungen, spezifische Indikationen und Kontraindikationen von tausenden Medikamenten durchsuchen, Wechselwirkungen prüfen und die individuell beste Kombination für den Patienten zusammenstellen. Wenn der Patient gar wie knapp jeder zweite Deutsche über 65 Jahren fünf oder mehr Medikamente einnimmt, kann die individualisierte Therapie zur zeitraubenden Herausforder
ung werden. „Bei Polypharmazie erreichen die ärztlichen Entscheidungen eine solche Komplexität, dass ich mich frage, wie man sie ohne Hilfe im Kopf lösen will“, sagt Professor Walter E. Haefeli (Foto), Ärztlicher Direktor der Abteilung Klinische Pharmakologie und Pharmakoepidemiologie des Universitätsklinikums Heidelberg. Der ausgewiesene Experte für Klinische Pharmakologie plädiert deshalb dafür, sich zum Wohle der Patienten von Computerprogrammen bei Entscheidungen zur Arzneimitteltherapie helfen zu lassen. In seiner Keynote-Lecture beim Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG) in Frankfurt wird Haefeli die Herausforderungen im Umgang mit aktuellen Arzneimittelinformationssystemen detailliert erläutern. Außerdem wird er aufzeigen, wie die Verordnungen mithilfe von IT-Unterstützung in Zukunft sicherer werden und sich stärker an den Präferenzen der Patienten orientieren könnten.
Viele der gängigen Informationssysteme, die Ärzte und Apotheker bereits nutzen, um Verordnungen auf mögliche Wechselwirkungen und andere Risiken zu prüfen, haben aus Haefelis Sicht einen erheblichen Schwachpunkt: „Sie produzieren unzählige Warnungen, von denen die allermeisten auf den jeweiligen Patienten gar nicht zutreffen.“ Diese Programme, die im klinischen Alltag Entscheidungen unterstützen sollen, führen häufig vor allem zu einer Entscheidung: sie wieder abzuschalten. „In manchen Studien werden 95 Prozent der Warnungen, die das Programm ausgibt, weggeklickt“, kritisiert Haefeli. Für die Folge dieses unnützen Warnens gibt es bereits einen Begriff: „alert fatigue“. Auf Deutsch: Alarmmüdigkeit. Unpassende Gefahrenhinweise könnten zudem dazu führen, dass ein Medikament vorsorglich abgesetzt wird, obwohl es dem Patienten nützt.
Haefeli weist zudem auf die Schwächen von verbreiteten Stand-alone-Systemen hin, die nicht an die Klinik- oder Praxissoftware angeschlossen sind. Sie könnten die Kofaktoren wie Begleiterkrankungen und aktuelle Laborwerte der Patienten nicht oder nur unzureichend berücksichtigen. Trotzdem rät der Klinische Pharmakologe zum Einsatz von Unterstützungssystemen. „Die Erfahrung zeigt, dass mithilfe des Computers eher evidenzbasiert behandelt wird“, sagt Haefeli, „weil Ärzte in diesen Situationen häufiger in der Literatur nachschlagen.“
Für die Zukunft wünscht sich Haefeli jedoch intelligentere IT-Unterstützung. Er forscht zusammen mit Kollegen an praxistauglichen Programmen. „Wir brauchen raffiniertere Software, die individualisierte Empfehlungen ausgibt“, so Haefeli. „Dafür muss sie tief in die Informationssysteme der jeweiligen Klinik oder Praxis integriert sein.“ Nur so könnten die Programme alle relevanten Daten des Patienten einbeziehen und dem Arzt Arbeit abnehmen. Dafür muss aber gewährleistet sein, dass entscheidungsrelevante Kofaktoren, wie zum Beispiel Allergien, verlässlich und maschinenlesbar kodiert und über Schnittstellen verfügbar sind.
Ein ideales Unterstützungssystem würde laut Haefeli zuerst anhand der Diagnosen, Beschwerden und Präferenzen eines Patienten seine Therapiebedürftigkeit einschätzen und ermitteln, welche Medikamente zur Behandlung seiner Krankheiten infrage kommen. Anschließend würde es anhand eines möglichst vollständigen Medikationsplans prüfen, ob in den aktuellen Verordnungen ein notwendiges Medikament fehlt. Ein Programm mit dieser Funktionalität gebe es bislang nicht auf dem Markt, so Haefeli. Es sei aber notwendig, um Untertherapie zu vermeiden. Erst danach sollte das Programm Doppelverordnungen, Dosierungsfehler und Wechselwirkungen überprüfen. „Das Programm muss dabei nicht nur Wirkstoffpaare anschauen, sondern auch riskante oder interagierende Dreier- und Viererkombinationen.“ Außerdem müsse die Software auch Begleiterkrankungen wie Nierenfunktionsstörungen berücksichtigen und gegebenenfalls die Dosierungsempfehlung entsprechend anpassen.
Eine so individuell optimierte Therapie führt jedoch nicht zwangsläufig zu weniger Verordnungen, wie Haefeli betont: „Nicht die Zahl der Medikamente ist entscheidend für eine gute Behandlung, sondern die richtige Gesamtmedikation, die den Lebenszielen des Patienten am besten entspricht.“ Ziel sei es, die Nebenwirkungen für die häufig multimorbiden Patienten zu verringern. Dass dies möglich ist, wurde sowohl anhand der deutschen FORTA-Liste, einer Positiv- und Negativliste für die Arzneimitteltherapie älterer Menschen, als auch mit den in Irland entwickelten STOPP/START-Kriterien, eines Tools zur Vermeidung von Untertherapie und riskanten Verordnungen, bereits gezeigt. Dabei erhielten die Studienteilnehmer nach der Umstellung im Schnitt genauso viele Medikamente wie zuvor, vertrugen diese jedoch besser. Allerdings ist eine solche händische Überarbeitung des Medikationsplans zeitaufwändig. „Für die FORTA-Liste dauert die Anpassung pro Patient etwa eine halbe Stunde“, so Haefeli. „Mit Software ginge das schneller. Der Arzt könnte in der gewonnenen Zeit andere Fragen klären, zum Beispiel die ständig wechselnden Therapieziele seines Patienten.“
Für die meisten der derzeit angewandten oder in Entwicklung befindlichen Unterstützungssysteme fehlen bislang gute Studien, die ihren Nutzen belegen. In einem ersten Schritt müssen Entwickler zeigen, dass ihr System so arbeitet wie vorgesehen. Anschließend müssen Studien belegen, dass die Anwender, also Ärzte und Apotheker, sich in ihren Entscheidungen von dem Hilfsprogramm beeinflussen lassen. „Für viele Systeme wurde dieser zweite Schritt gar nicht geprüft“, sagt Haefeli. In einem dritten Schritt sollte schließlich überprüft werden, ob die technische Entscheidungshilfe den Patienten einen Vorteil bringt. „Dabei kommt es auf Endpunkte an, die für geriatrische Patienten relevant sind“, so Haefeli, „also die Lebensqualität oder die Frage der Autonomie, also ob ein Umzug ins Pflegeheim vermieden werden kann. Solche Endpunkte wurden bislang in Studien aber kaum untersucht und sind selten das Behandlungsziel in Leitlinien.“
Auf dem Weg zu besseren Unterstützungssystemen für die ärztliche Entscheidungsfindung erhofft sich Haefeli einen Impuls aus der aktuellen Forschung zur Krebsbehandlung. In der Onkologie werden bereits heute für ausgewählte Patienten maßgeschneiderte Therapien mit Computerhilfe zusammengestellt. Das dort gewonnene Know-how müsse man auch in die Routineanwendung für andere Patientengruppen übertragen, so Haefeli.
Professor Dr. med. Walter E. Haefeli ist Ärztlicher Direktor der Abteilung Klinische Pharmakologie und Pharmakoepidemiologie des Universitätsklinikums Heidelberg. Nach dem Medizinstudium in Basel und Weiterbildungsaufenthalten an den Universitäten Stanford und Harvard habilitierte er sich 1995 an der Universität Basel in Innerer Medizin. 1999 wurde Haefeli auf den Lehrstuhl für Klinische Pharmakologie an der Universität Heidelberg berufen. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten zählen die Erforschung von Arzneimittelwechselwirkungen und die Entwicklung von Techniken zur Individualisierung von Arzneimitteltherapien, unter anderem hinsichtlich der Bedürfnisse des einzelnen Patienten. Zur Bearbeitung dieser Herausforderungen forscht Haefeli bevorzugt nach IT-basierten Lösungen.
Professor Walter E. Haefeli, Universitätsklinikum Heidelberg
Keynote-Lecture: „IT-Unterstützung bei Polypharmazie – Herausforderungen, Hoffnungen und Träume”
DGG-Jahreskongress
Campus Westend – Hörsaal 4
Donnerstag, 28. September 2017, 14:15-15:00 Uhr
Frankfurt am Main
Beim Filtern von Informationen mit Suchmaschinen, als Gegner bei Brettspielen oder zur Erkennung von Bildinhalten: Bei bestimmten Aufgaben ist künstliche Intelligenz der menschlichen längst überlegen. Wie Ideen aus der Informatik auch die Hirnforschung revolutionieren könnten, zeigen nun mehrere Gruppen aus dem Freiburger Exzellenzcluster BrainLinks-BrainTools um den Neurowissenschaftler Privatdozent Dr. Tonio Ball. Im Fachjournal „Human Brain Mapping“ demonstrieren sie, wie ein selbstlernender Algorithmus menschliche Hirnsignale entschlüsselt, die von einem Elektroenzephalogramm (EEG) gemessen wurden. Darunter waren zum Beispiel ausgeführte, aber auch bloß vorgestellte Fuß- und Handbewegungen oder eine imaginäre Rotation von Gegenständen. Obwohl ihm keine Merkmale zur Auswertung vorgegeben sind, arbeitet der Algorithmus so schnell und präzise wie herkömmliche Systeme, die für die Lösung bestimmter Aufgaben anhand vorher bekannter Hirnsignal-Eigenschaften entworfen wurden – und sich deswegen nicht in allen Fällen eignen. Die Nachfrage nach solch vielseitigen Schnittstellen zwischen Mensch und Maschine ist groß: Am Universitätsklinikum Freiburg würde man sie beispielsweise zur Früherkennung epileptischer Anfälle nutzen. Denkbar sind aber auch verbesserte Kommunikationsmöglichkeiten für Schwerstgelähmte oder eine automatisierte Diagnostik in der Neurologie.
„Unsere Software basiert auf Modellen, die vom Gehirn inspiriert sind und sich als äußerst hilfreich dabei erwiesen haben, verschiedene natürliche Signale, wie zum Beispiel Sprachlaute, zu entschlüsseln“, sagt der Informatiker Robin Tibor Schirrmeister. Damit umschreibt der Forscher die Methode, die das Team zur Dekodierung der EEG-Daten nutzte: So genannte künstliche neuronale Netze sind das Herzstück des aktuellen Projekts bei BrainLinks-BrainTools. „Das Tolle an dem Programm ist, dass wir keine Merkmale vordefinieren müssen. Die Informationen werden schichtweise, also in mehreren Instanzen, mittels einer non-linearen Funktion verarbeitet. Somit lernt das System selbst, Aktivitätsmuster von verschiedenen Bewegungen zu erkennen und voneinander zu unterscheiden“, erklärt Schirrmeister. Das Modell ist an die Verbindungen zwischen Nervenzellen im menschlichen Körper angelehnt, wo elektrische Signale von Synapsen über Zellfortsätze zum Zellkern und wieder hinaus geleitet werden. „Die Theorien dazu sind schon seit Jahrzehnten im Umlauf, aber erst mit der Rechenleistung heutiger Computer wurde das Modell praktikabel“, kommentiert Schirrmeister.
Typischerweise wird die Genauigkeit des Modells mit einer größeren Anzahl von Verarbeitungsschichten besser. Bis zu 31 kamen bei der Studie zum Einsatz. Dabei spricht man von „Deep Learning“. Problematisch jedoch war bisher der Umstand, dass die Verschaltung eines Netzwerks nach dem Lernvorgang kaum noch interpretierbar ist. Alle algorithmischen Prozesse passieren unsichtbar im Hintergrund. Deshalb veranlassten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Software dazu, Karten zu erstellen, anhand derer sie die Dekodierungsentscheidungen nachvollziehen konnten. Jederzeit können die Forschenden dem System neue Datensätze hinzufügen. „Im Unterschied zu bisherigen Verfahren können wir direkt an die Rohsignale gehen, die das EEG vom Gehirn aufnimmt. Dabei ist unser System mindestens genauso präzise oder sogar besser“, fasst Versuchsleiter Tonio Ball den wissenschaftlichen Wert der Studie zusammen. Das Potenzial der Technologie ist noch nicht ausgeschöpft – der Forscher möchte sie mit seiner Gruppe weiterentwickeln: „Unsere Vision für die Zukunft sind selbstlernende Algorithmen, die in der Lage sind, unterschiedlichste Absichten des Nutzers noch zuverlässiger und schneller anhand seiner Hirnsignale zu erkennen. Außerdem könnten solche Algorithmen künftig die neurologische Diagnostik unterstützen.“
Originalveröffentlichung
Schirrmeister RT, Springenberg JT, Fiederer LDJ, Glasstetter M, Eggensperger K, Tangermann, M, Hutter F, Burgard W, Ball T; Deep learning with convolutional neural networks for EEG decoding and visualization. 2017 Hum Brain Mapp. DOI: 10.1002/hbm.23730.
BrainLinks-BrainTools
www.brainlinks-braintools.uni-freiburg.de
Berlin, 21.07.2017 Es beginnt mit fehlender Kraft in Händen und Füßen, dann treten Zuckungen und Krämpfe auf, schließlich sogar Lähmungen. Etwa 7000 Menschen in Deutschland leiden an Amyotropher Lateralsklerose (ALS), einer Erkrankung des zentralen Nervensystems, die sich vor allem auf die Muskulatur auswirkt. ALS-Erkrankte sind auf Hilfsmittel angewiesen, die ihnen die Aktivitäten des Alltags erleichtern. Die Charité – Universitätsmedizin Berlin und die Pflegewerk Berlin GmbH wollen jetzt zusammen mit verschiedenen Partnern aus der Industrie und der Hilfsmittelversorgung einen Robotikarm entwickeln, der Betroffenen zu mehr Eigenständigkeit im täglichen Leben verhilft. Das kürzlich gestartete Projekt ROBINA wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung bis 2020 mit rund 1,8 Millionen Euro finanziert.
Welche Muskelgruppen als erstes betroffen sind, ist von Patient zu Patient unterschiedlich − ebenso die Geschwindigkeit, mit der sich die Krankheit auf den gesamten Körper ausdehnt. Innerhalb weniger Jahre kann es zu einer vollständigen Lähmung des Körpers, bei völligem Erhalt aller intellektueller Fähigkeiten führen. Die Betroffenen müssen engmaschig betreut werden, sodass ihr Wunsch nach möglichst viel Autonomie steigt. Dies stellt die behandelnden Fachkräfte vor pflegerische und psychosoziale Herausforderungen. Hier setzt ROBINA an: Auf Basis einer umfassenden Bedürfnisanalyse mit Patientinnen und Patienten sowie einer praxisnahen Visualisierung der notwendigen Versorgungsabläufe wird ein Prototyp eines Roboterarms erstellt, der im Pflegealltag erprobt wird. „Wir wollen mit dem Roboterarm keine Pflegkräfte ersetzen, wir wollen die Ressourcen der Pflegenden gezielter nutzen und den Betroffenen zu mehr Selbstbestimmung verhelfen“, erklärt Jörn Kiselev, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Forschungsgruppe Geriatrie der Charité. Ob es gilt, ein Wasserglas anzuheben oder einen Knopf auf der Fernbedienung zu drücken: Der robotergestützte Arm soll an Bett oder Rollstuhl angebracht werden und mittels Augenbewegung oder Gesten gesteuert werden können – eine Entlastung für alle Beteiligten. „Besonders in komplexen Pflegesituationen können so in Zukunft zunehmend Pflegebedürftige und Pflegerinnen und Pfleger von diesem innovativen Ansatz profitieren“, fügt Kiselev hinzu.
Hannover. Milliarden-Summen fließen ins Gesundheitswesen, oft steht es wegen Ineffizienz und veralteter Prozesse und Abläufe in der Kritik, Patientenorganisationen beklagen sinkende Qualität bei der Versorgung.
Kann die Digitalisierung wirklich in allen Bereichen der Gesundheits-branche helfen?
Wie groß die Potenziale sind, wo der größte Handlungsbedarf besteht und welche Chancen die Digitalisierung bietet, greift die „d!conomy Healthcare“ im Rahmen der CeBIT auf. Ein internationales Panel von Experten, Wissenschaftlern und Praktikern beleuchtet die Ursachen und Folgen sowie die Risiken und Chancen der Digitalisierung.
„d!conomy Healthcare“ bietet eine Plattform, um gemeinsam zu erarbeiten, was digitale Technologien im Gesundheitswesen für jeden Einzelnen bedeutet. In einer Vielzahl von Keynotes und Workshops rund um das Thema „What’s up Digital Health? Ideen, Geschäftsmodelle, Möglichkeiten“ werden unter anderem die Auswirkungen politischer Entscheidungen betrachtet. In einem Panel diskutieren Parteivertreter wie der SPD-Gesundheitsexperte, Prof. Dr. Karl Lauterbach, zum Thema „Was wollen wir tun, um Potenziale zu heben?“ Es gilt zudem zu klären, welche Patientendaten überhaupt erhoben werden dürfen und wie weit Patienten bereit sind, diesen Weg mitzugehen. Auch die Möglichkeit weltweiter Vernetzung, um auf das Know-how internationaler Spezialisten zuzugreifen sowie notwendige Voraussetzungen von Medizinern werden auf der Konferenz thematisiert.
Die Veranstaltung wird gemeinsam mit der Gesundheitswirtschaft Region Hannover, medcon & more sowie der SKC Beratungsgesellschaft ausgerichtet und findet am CeBIT-Mittwoch, 22. März von 10 bis 18.00 Uhr auf der Bamboo Stage in Halle 8, Stand A01, statt.
„d!conomy Healthcare“ richtet sich an Mediziner, Entscheider bei Krankenkassen, Pharmaunternehmen, Visionäre und Politiker, die einen Blick in die Gesundheitszukunft wagen möchten. „Wir sind begeistert, dass wir so erfahrene und innovative Vordenker aus Industrie, Politik und Wissenschaft für die d!conomy Healthcare 2017 gewinnen konnten und freuen uns auf gehaltvolle, facettenreiche und wegweisende Diskussionen“, bewertet Univ.-Prof. Dr. med. Matthias P. Schönermark die Veranstaltung auf der CeBIT.