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Das könnte Reizdarm-Patienten helfen

Reizdarm: Alte Brotbacktechniken könnten Leiden verringern

Blähungen durch unverdaubare Zucker lassen sich durch längere Gehzeit beim Teig verringern / Studie der Universität Hohenheim im „Journal of Functional Foods“

Hoffnung für Reizdarm-Patienten: Weizenprodukte verursachen bei ihnen schwere Blähungen u.a. ausgelöst durch spezielle Zucker, den sogenannten FODMAPs. Das sind im Wesentlichen niedermolekulare Zucker, die im Weizenkorn gespeichert werden. Viele Patienten berichten jedoch, dass Brot aus alten Getreidesorten ihnen Linderung bringt. Ein Team vom Lehrstuhl Technologie und Analytik pflanzlicher Lebensmittel und der Landessaatzuchtanstalt der Universität Hohenheim fand nun heraus, was Brot aus Urgetreide bekömmlicher macht und wie viel dieser speziellen Zucker darin enthalten sind. Die große Überraschung: Urgetreide enthält kaum weniger FODMAPs als Brotweizen. Es kommt vielmehr darauf an, wie der Teig aus dem Getreide zubereitet wird.

Menschen mit Reizdarm-Syndrom haben manchmal noch immer den Ruf der eingebildeten Kranken – dabei leiden mittlerweile 12 Prozent der Deutschen darunter. Normales Brot löst bei ihnen teils schwere Blähungen aus. Essen sie dagegen Brot aus den Urgetreiden, Einkorn, Emmer, Dinkel und Durum, berichten Reizdarmpatienten übereinstimmend, dass es ihnen besser geht.

Als mögliche Auslöser der Leiden gelten FODMAPs (fermentierbare Oligo-, Di- und Monosaccharide sowie Polyole). Das sind Zucker, die aus 1–14 Zuckermolekülen bestehen und im Dünndarm nicht ausreichend abgebaut werden können. Daher gelangen sie unverdaut in den Dickdarm und können dort Probleme verursachen. Vor allem bestimmte Mehlbestandteile (Fructane) sorgen dafür, dass sich große Mengen Wasserstoff, Kohlendioxid und Methan bilden. Die Gase blähen den Darm auf und bereiten große Schmerzen.

Analyseverfahren bestimmt Zuckeranteile in Getreidemehlen

Die Tatsache, dass jeder Deutsche 80 kg Brot im Jahr zu sich nimmt, war Grund genug für die Hohenheimer Forscher Prof. Dr. Dr. h.c. Reinhold Carle und PD Dr. Friedrich Longin mit ihren Teams herauszufinden, wie viele FODMAPs die verschiedenen Getreidesorten enthalten. Der Analytiker pflanzlicher Lebensmittel und der Pflanzenzüchter bestimmten in einem aufwändigen (sog. chromatografischen) Analyse-Verfahren die Mengenanteile der niedermolekularen Zucker in den jeweiligen Vollkornmehlen.

Das überraschende Ergebnis: Einkorn enthält sogar mehr FODMAPs als Brotweizen. In Emmer, Dinkel und Durum sind sie zwar in geringerer Menge vorhanden, aber nicht in dem Maße, dass sich daraus die von vielen Reizdarmpatienten berichtete Linderung erklären lässt.

Analyse der Teigbereitung – längere Gehzeit verringert FODMAPs

Weil offenbar nicht die Grundbestandteile der Getreidemehle die FODMAPs-Gehalte in den daraus hergestellten Gebäcken bestimmen, untersuchten die Forscher im nächsten Schritt die Teigbereitung. Sie analysierten aus den Getreidemehlen bereitete Teige nach einer, zwei, vier und viereinhalb Stunden Gehzeit.

Die höchsten Gehalte an FODMAPs wiesen die Teige bei allen Getreidesorten nach einer Stunde auf, in dem Urgetreide Emmer und Dinkel zwar weniger als in Brotweizen, aber auch dort deutlich mehr als zu Beginn der Teigbereitung. Nach viereinhalb Stunden waren selbst im Teig aus Brotweizen nur noch 10 Prozent der niedermolekularen Zucker enthalten. Die Getreidesorten selbst sind also nicht entscheidend, sondern vor allem die Art der Teigbereitung.

Häufig seien es kleine, traditionell arbeitende Bäckereien, die Produkte aus Urgetreiden herstellen. „Die in der Regel langsamere Brotbereitung im traditionellen Bäckerhandwerk sorgt dafür, dass die Beschwerden verursachenden Bestandteile im Brot bis zum Backen bereits abgebaut sind“, erklärt Prof. Dr. Dr. h.c. Carle vom Hohenheimer Lehrstuhl Technologie und Analytik pflanzlicher Lebensmittel. „Großbäckereien dagegen backen ihre Teiglinge meistens bereits nach einer Stunde Gehzeit. Das ist der Zeitpunkt, an dem nach unserer Analyse die meisten FODMAPs im Teig enthalten sind.“

Und PD Dr. Longin von der Landessaatzuchtanstalt ergänzt: „Nicht der Weizen selbst erscheint uns als unverträglich, sondern die Art und Weise, wie wir daraus Brot bereiten, trägt zu dessen Verträglichkeit bei. Außerdem entfalten sich die Aromen besser. Eine langsamere Teigbereitung erhöht die Brotqualität.“

Mehr Eisen und Zink durch den Abbau von Phytaten

Zudem ist seit längerem bekannt: Auch Phytate werden bei längerer Teigführung abgebaut. Sie binden die beiden Spurenelemente Eisen und Zink. Sind die Phytate abgebaut, ist mehr Eisen und Zink für den menschlichen Körper verfügbar. Vieles spricht somit für den aktuellen Trend des „Slow Baking“, der dem Teig eine längere Reifezeit erlaubt.
Für weitere Untersuchungen plädieren die Forscher der Universität Hohenheim dafür, nicht die Grundstoffe von Lebensmitteln alleine, sondern auch die Art und Weise ihrer Zubereitung zu untersuchen.

Titel der Originalstudie

Ziegler, J.U., Steiner, D., Longin C.F.H., Würschum, T., Schweiggert R.M., Carle, R. (2016): Wheat and the irritable bowel syndrome – FODMAP levels of modern and ancient species and their retention during bread making; in: “Journal of Functional Foods” 25 (2016), 257–266, doi: 10.1016/j.jff.2016.05.019.

Arzt-Patienten-Beziehung wird durch Transparenz gestärkt

Wenn Patienten vollen Zugang zu ihren medizinischen Daten erhalten, verbessert sich Arzt-Patienten-Beziehung

Erhöhte Transparenz in der medizinischen Versorgung stärkt zudem Mitarbeit, Verständnis und Selbstfürsorge der Behandelten

Prof. Dr. Tobias Esch

Prof. Dr. Tobias Esch

Wenn Patienten vollen Zugriff auf ihre medizinischen Befunde und die Notizen des Arztes zu ihrer Erkrankung erhalten, verbessert dies die Arzt-Patienten-Beziehung erheblich. Dies hat eine Gruppe von Forschern der Universität Witten/Herdecke (UW/H) und der Harvard University (Boston, USA) herausgefunden. Zudem stärkt die erhöhte Transparenz in der Behandlung die Mitarbeit und das Selbstmanagement der Patienten, verbessert das Verständnis der medizinischen Probleme und unterstützt die Selbstfürsorge.

„Nach Studienlage versteht etwa die Hälfte der Patienten, die zum Arzt gehen, nicht genau, was gerade besprochen wurde“, erläutert der Studienleiter Prof. Dr. Tobias Esch. Der 45-Jährige hat an der Harvard Medical School zum Thema Arzt-Patienten-Beziehung geforscht und ist nun Professor für Integrierte Gesundheitsversorgung und -förderung an der UW/H. „Durch das OpenNotes-Projekt hat sich das Verständnis für das Besprochene radikal verbessert. Dadurch, dass die Patienten alles noch einmal nachlesen und auch die Notizen der Ärzte online einsehen können, haben sie die Möglichkeit, sich noch intensiver mit dem Thema zu beschäftigen, etwas noch einmal nachzulesen oder mit Angehörigen und Bekannten darüber zu sprechen.“ Als das Projekt OpenNotes in den USA ins Leben gerufen wurde, seien viele Ärzte skeptisch gewesen. „Wir wollten herausfinden, wie sich die Beziehung zwischen Arzt und Patient verändert, wenn den Patienten volle Transparenz gewährt wird. Das für viele durchaus erstaunliche Ergebnis war, dass sich die Beziehung deutlich verbessert.“ So ist mittlerweile auch die Skepsis der Ärzte gewichen. Prof. Esch: „Am Anfang hatten wir 120.000 Patienten, die sich beteiligt haben. Mittlerweile sind schon rund acht Millionen dabei. In zwei Jahren möchten wir 50 Millionen Leute erreichen.“

Überlegungen, wie Patienten aktiv in ihre Heilung einbezogen werden können, beschäftigen den Forscher schon seit längerer Zeit. „Ich glaube, OpenNotes kann hier eine gute Lösung sein“, so Esch. „In der Zukunft wird es für Ärzte immer wichtiger werden, nicht nur die Krankheit des Patienten zu betrachten, sondern gemeinsam mit dem Patienten an seiner Genesung zu arbeiten. Dazu muss er involviert sein, verstehen, was passiert und sich als aktiven Teil der Behandlung ansehen. Patienten, die sich eingebunden fühlen, erzielen in der Regel auch bessere Therapieerfolge. Dafür brauchen wir eine patientenbasierte und integrative Medizin.“

In der Studie gaben mehr als 77 Prozent der Patienten an, durch OpenNotes mehr Kontrolle über ihre Behandlung zu haben als zuvor. Mehr als 60 Prozent konnten durch das Programm ihre Medikation korrekt oder besser dosieren. Und fast alle Befragten fanden mindestens einmal einen Irrtum oder ein Missverständnis in den Unterlagen, die sie dank der freien Zugänglichkeit schnell korrigieren lassen konnten. Einige Patienten gaben zudem zu, Informationen zum Schutz ihrer Privatsphäre zunächst zurückgehalten zu haben, bis ihnen durch die Einsicht in die Unterlagen klar geworden sei, dass sie zur Behandlung wichtig seien.

„Letztlich ist dieser transparente Ansatz ein Gewinn für beide Seiten”, sagt Prof. Esch. „Die Patienten haben mehr Vertrauen, nehmen ihre Medikamente wie verschrieben, erinnern sich besser an das Besprochene und arbeiten aktiv an ihrer Gesundung mit. Die Ärzte können dadurch ihre Kommunikation verbessern, haben besser informierte und vorbereitete Patienten und auch andere Ärzte und Pflegende können besser über die gewünschte Behandlung unterrichtet werden. Und zu guter Letzt hilft das auch dem Gesundheitssystem. Wenn besser kommuniziert und die Dosierung der Medikamente eingehalten wird, medizinische Fehler vermieden werden und der Arzt seine Zeit effizienter nutzen kann, reduziert das am Ende auch die Kosten der Behandlung.“

Die Studie finden Sie unter: http://bmjopen.bmj.com/content/6/1/e010034.full