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Das verheimlichte Leiden

Gegen das verheimlichte Leiden
DGVS-Experten: Stuhlinkontinenz ist behandelbar

Berlin – Schätzungsweise fünf Millionen Menschen in Deutschland können die Ausscheidung ihres Stuhls nicht bewusst kontrollieren. Ursache ist mitunter ein Schlaganfall oder auch eine Beckenbodenschwäche. Betroffene schämen sich dafür und versuchen ihr Leiden geheim zu halten. Dabei gibt es wirksame Therapien, mit denen Ärzte Stuhlinkontinenz behandeln und die Beschwerden lindern können, teilt die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) mit.

„Stuhlinkontinenz darf kein Tabuthema sein“, sagt DGVS-Beirat Professor Dr. med. Peter Layer, Direktor der Medizinischen Klinik am Israelitischen Krankenhaus in Hamburg. „Für die meisten Patienten gibt es langfristig wirksame Hilfen.“ Der erste Schritt dabei sei ein offenes Gespräch mit dem Hausarzt. Dieser stellt, wenn nötig, eine Überweisung zum Gastroenterologen aus.

Der Magen-Darm-Spezialist kann dann mit Hilfe einer Endoskopie oder Ultraschall feststellen, ob eine chronische Darmerkrankung vorliegt und den Schließmuskel untersuchen. Anhand der Ergebnisse entscheidet er, welche Therapie für den Patienten in Frage kommt. „Eine häufige Ursache ist beispielsweise eine Schwächung der Beckenbodenmuskulatur, also jener Muskelgruppe, die die Ausgänge von Blase und Darm dicht hält“, erklärt der Experte. Auch Verletzungen durch Geburten und Operationen können die Funktion des Schließmuskels beeinträchtigen. „Bei Menschen mit Diabetes mellitus oder bei Schlaganfallpatienten kann die Nervenwahrnehmung am Darmausgang auch derart abgeschwächt sein, dass der Patient den Stuhldrang nicht mehr bemerkt“, fügt Layer hinzu.

Einem Viertel der Betroffenen hilft es schon, sich anders zu ernähren. „Eine ballaststoffreiche Ernährung erhöht Volumen und Konsistenz des Stuhls, so dass dieser nicht mehr so leicht austreten kann“, erklärt Professor Layer. Medikamente, die den Stuhl fester machen oder die Darmaktivität verringern, unterstützen dabei.

Langfristig lassen sich Beckenboden und Schließmuskel mit gymnastischen Übungen trainieren. Das sogenannte Biofeedback verstärkt den Trainingseffekt. Dabei führt der Arzt eine Sonde durch den After ein, die die Spannung in der Beckenbodenmuskulatur misst. Das Ergebnis liest der Patient auf einer Skala ab. „Patienten, bekommen so ein besseres Gespür für ihre Muskulatur“, berichtet Layer. „Fast 80 Prozent der Behandelten lernen den Schließmuskel wieder zu kontrollieren.“

Hilft die konservative Therapie nicht weiter, kommen auch chirurgische Verfahren in Frage. „Wenn beispielsweise ein Dammriss vorliegt, kann ein Chirurg den defekten Schließmuskel operativ korrigieren“, sagt Layer. Eine weitere Möglichkeit bietet die sakrale Nervenstimulation: dabei baut der Chirurg Elektroden am Darmausgang ein, die den Schließmuskel stimulieren. Mit einer kleinen Fernbedienung kann der Patient diese Elektroden selbst steuern, wenn ein Toilettengang ansteht.

Stuhlinkontinenz trifft Menschen in jedem Alter, doch besonders häufig sind Ältere die Leidtragenden. So kommt eine Erhebung aus den USA zu dem Ergebnis, dass über 15 Prozent der über 70-Jährigen unter Stuhlinkontinenz leiden. Die Betroffenen bemerken den Stuhldrang entweder gar nicht oder können den Stuhl nicht lange genug halten, um die Toilette zu erreichen. Aus Scham trauen sie sich nicht über ihr Problem zu sprechen und versuchen allein mit der Situation zurechtzukommen – mit der Folge, dass sie sich immer mehr zurückziehen und vereinsamen. Oft wird das Problem fälschlich als „Durchfall“ bezeichnet und dann fehlbehandelt. Die DGVS empfiehlt darum auch Angehörigen das Problem anzusprechen und die Betroffenen auf die Möglichkeit medizinischer Hilfe hinzuweisen.

Literatur:
Current and Emerging Treatment Options for Fecal Incontinence.
Rao SS., Journal of Clinical Gastroenterology, 2014 Oct; 48(9):752-64