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„Fitness- und Aufbauprogramm“ für die Darmflora

Nach Probiotika rücken jetzt Präbiotika in den Fokus der Forschung:

Lebenswichtiges „Fitness- und Aufbauprogramm“ für die Darmflora

Probiotische Lebensmittel sind seit Jahren in aller Munde. Genauso essenziell für Stoffwechsel und Immunabwehr sind jedoch auch die so genannten Präbiotika. Diese führen aber in der Öffentlichkeit bisher weitgehend ein Schattendasein – auch, weil sie sich nur schwer als Produkte vermarkten lassen. Präbiotika sind jedoch der Schlüssel für unsere Gesundheit und ein Mangel lässt sich auf einfache Weise ausgleichen, wie neue Forschungsergebnisse belegen.

 

Viele Mediziner sind heute überzeugt: Die Tatsache, dass viele Menschen offenbar zu wenige kurzkettige Fettsäuren selbst produzieren wegen zu geringer Ballaststoffaufnahme, ausgelöst durch die ungünstige Ernährung, könnte also eine wesentliche Ursache für den Anstieg von Zivilisationskrankheiten wie Allergien, Autoimmunerkrankungen oder Diabetes Typ 2 sein. Foto: Fotolia

Viele Mediziner sind heute überzeugt: Die Tatsache, dass viele Menschen offenbar zu wenige kurzkettige Fettsäuren selbst produzieren wegen zu geringer Ballaststoffaufnahme, ausgelöst durch die ungünstige Ernährung, könnte also eine wesentliche Ursache für den Anstieg von Zivilisationskrankheiten wie Allergien, Autoimmunerkrankungen oder Diabetes Typ 2 sein. Foto: Fotolia

Herne (obx-medizindirekt) – Über 70 Prozent der menschlichen Immunabwehr findet im Darm statt: Es sind bis zu 100 Millionen Bakterien, die uns vor Krankheiten schützen. Voraussetzung für eine funktionierende Immunabwehr ist die Vielfalt dieser Mikroorganismen. Als Schlüssel dafür wiederum gilt die richtige Ernährung. Auch dank geschickter Werbung der Lebensmittelbranche wissen viele Verbraucher heute: Probiotika, also Zubereitungen, die lebensfähige Mikroorganismen beinhalten wie Joghurt oder Quark, tun dem Darm gut. Weitgehend unbekannt ist jedoch eine zweite Gruppe an Substanzen, die für einen funktionsfähigen Darm ebenso lebenswichtig ist: die so genannten Präbiotika. Das sind unverdauliche Lebensmittelbestandteile, die Aktivität und Wachstum der so wichtigen Bakterien im Dickdarm fördern. Viele Deutsche nehmen zu wenig von ihnen auf. Dabei ließe sich, so neueste Forschungen, dieses Defizit auf einfache Weise beheben – durch die Zufuhr kurzkettiger Fettsäuren.

Präbiotika, das sind im Wesentlichen Pflanzenfasern und pflanzliche Ballaststoffe: „Präbiotika wie Inulin, Frukto-Oligosaccharide und Galakto-Oligosaccharide sind natürliche Nahrungsmittelbestandteile. Inulin und Frukto-Oligosacchaeride findet man in Chicorée, Artischocken, Lauch, Knoblauch, Zwiebeln, Weizen, Roggen und Bananen“, schreiben die beiden Mediziner Professor Dr. med. Rémy Meier, Leitender Arzt Innere Medizin und Gastroenterologie am Kantonsspital Baselland der Medizinischen Universitätsklinik Liestal in der Schweiz, und der Gastroenterologe Professor Dr. Herbert Lochs von der Berliner Charité in einer Forschungsarbeit über Pro- und Präbiotika.
Die beiden Mediziner verweisen darauf: Die Darmbakterien beeinflussen unter anderem Stoffwechsel- und die Schutzfunktionen des Körpers. Ein wesentlicher Stoffwechselprozess ist die Fermentation von unverdauten Kohlenhydraten. Dazu gehören beispielsweise Hemizellulose, Pektin, Guar und Oligosaccharide. „Die daraus entstehenden kurzkettigen Fettsäuren Butyrat, Propionat und Acetat haben eine wichtige Aufgabe zur Aufrechterhaltung einer normalen Darmfunktion“, schreiben die beiden Wissenschaftler.

Kurzkettige Fettsäuren: Schlüssel für Darmgesundheit, Immunsystem, Stoffwechsel

Diese kurzkettigen Fettsäuren dienen nach dem aktuellen Stand der Forschung besonders denjenigen Darmbakterien als „Futter“, die eine besondere Schutzfunktion für den Menschen haben: Sie können Entzündungen im Körper verhindern und vor einem Angriff des menschlichen Organismus auf körpereigene Zellen schützen, der Ursache für zahlreiche Autoimmunerkrankungen – wie etwa Multiple Sklerose, Schuppenflechte, Rheuma oder Allergien.
 Die menschliche Darmflora ist ein eigener Mikrokosmos: Das so genannte Mikrobiom setzt sich aus mehr als eintausend verschiedenen Arten von Darmbakterien zusammen. Diese siedeln an den Wänden des Darms und in dessen Inneren. Sie sind für uns lebenswichtig: Die Darmflora ist wichtig für die Verdauung, die Abwehr von gefährlichen Keimen und Giften und die Funktionsfähigkeit des Immunsystems. Foto: Fotolia


Die menschliche Darmflora ist ein eigener Mikrokosmos: Das so genannte Mikrobiom setzt sich aus mehr als eintausend verschiedenen Arten von Darmbakterien zusammen. Diese siedeln an den Wänden des Darms und in dessen Inneren. Sie sind für uns lebenswichtig: Die Darmflora ist wichtig für die Verdauung, die Abwehr von gefährlichen Keimen und Giften und die Funktionsfähigkeit des Immunsystems. Foto: Fotolia

Als „Superfoods“ im Bereich der Präbiotika gelten heute besonders Pak Choi, Artischocken, Chicorée, Pastinaken, aber auch Nüsse, Pistazien und Äpfel (Schale). Sie alle enthalten wertvolles Inulin, die Nahrungsgrundlage für die Bakterien, die die kurzkettigen Fettsäuren enthalten. Es könnte also so einfach sein. Aus vielen Untersuchungen weiß man jedoch: Gerade in vielen westlichen Ländern ist es um die Vielfalt der Darmbakterien schlecht bestellt, weil die Nahrung viel zu wenige pflanzliche Ballaststoffe enthält. Nur wenige Menschen schaffen hierzulande die von Ernährungsexperten empfohlene Menge von 30 Gramm pro Tag.

Antibiotika zerstört die Darmflora

Hinzu kommen beispielsweise die Folgen von Antibiotika, die das „Ökosystem“ im Darm massiv beeinflussen. Rund 40 Millionen Verschreibungen gibt es jedes Jahr allein in Deutschland. Antibiotika töten zahlreiche Bakterien im Darm, häufig auch die guten, also diejenigen, die Entzündungen bekämpfen, Stress entgegenwirken oder auch die Entstehung von Krebs hemmen. Es dauert je nach Antibiotikum bis zu einem Jahr, bis sich die Darmflora wieder vollständig regeneriert. Und neben probiotischen Lebensmitteln, also beispielsweise Naturjoghurt mit Milchsäurebakterien oder Hefe, sind präbiotische Lebensmittel ebenso essenziell für diesen Prozess.

Gezielte Aufnahme kurzkettiger Fettsäuren kann Mangel ausgleichen

An verschiedenen Universitäten im In- und Ausland laufen derzeit Forschungsprojekte, die untersuchen, ob es neben der oft schwer umzusetzenden kompletten Ernährungsumstellung noch einen zweiten Weg gibt, die Bakterienvielfalt im Darm zu fördern. Forscher des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung in Potsdam-Rehbrücke haben in diesem Jahr nachgewiesen, dass die Zufuhr von Salzen kurzkettiger Fettsäuren – im konkreten Fall Propionate als Salze der Propionsäure – ähnlich positive Effekte hat wie der Verzehr von Pflanzenfasern. Das könnte künftig völlig neue Möglichkeiten für eine gesündere Ernährung eröffnen. Verwendet wurde medizinisch hochreines Natriumpropionat, das in Deutschland unter dem Handelsnamen Propicum erhältlich ist.
Auch bei der Behandlung von entzündlichen Darmkrankheiten wie dem Reizdarm, Morbus Crohn und Colitis ulcerosa deuten Versuche darauf hin, dass eine spezielle Diät, die die Produktion kurzkettiger Fettsäuren ankurbelt, Betroffenen Linderung bringt. Aber nicht nur bei Darmerkrankungen, sondern auch bei Autoimmunkrankheiten, wie der Multiplen Sklerose, schöpfen Patienten dank kurzkettiger Fettsäuren neue Hoffnung: Teilnehmer einer Studie an der Ruhr-Universität-Bochum berichten laut Studienleiter Professor Dr. Aiden Haghikia davon, dass sie sich fitter, weniger müde fühlten und weniger anfällig für Infekte waren. Zum Einsatz kam auch hier Propicum. In der Folge stieg die Zahl der Abwehrzellen um rund 30 Prozent, die Zahl der Entzündungszellen ging um bis zu 50 Prozent zurück. Weitere Projekte, um den Zusammenhang von Ernährung und Multipler Sklerose genauer zu erforschen, laufen derzeit.

Probanden für Ernährungsstudie gesucht

Beeinflusst die Ernährung das Immunsystem?

Uni-Zentrum Naturheilkunde am Universitätsklinikum Freiburg sucht Probanden für Studie zur Wirkung verschiedener Ernährungsformen auf das Immunsystem und die Darmflora

Bitte beachten Sie, diese Studie ist nichts für Vegetarierer*innen oder Veganer*innen

Menschen mit einer rheumatoiden Arthritis leiden unter chronischen Gelenkentzündungen. Sie gehört zu den rheumatischen Erkrankungen, im Volksmund kurz „Rheuma“ genannt. Wissenschaftler vermuten, dass die Ernährung Erkrankungen mit Störungen des Immunsystems wie beispielsweise rheumatoide Arthritis beeinflussen kann. Das Uni-Zentrum Naturheilkunde sowie die Klinik für Rheumatologie und Klinische Immunologie des Universitätsklinikums Freiburg wollen nun in einer gemeinsamen Studie die Wirkung verschiedener Ernährungsweisen auf das Immunsystem bei gesunden Menschen überprüfen. Bei den unterschiedlichen Ernährungsweisen handelt es sich zum einen um eine vegane (beinhaltet keine Lebensmittel tierischen Ursprungs) und zum anderen um eine fleischreiche Ernährungsweise. Im Verlauf der Studie interessieren die Forscherinnen und Forscher besonders die Immunparameter, die bei Patienten mit rheumatoider Arthritis relevant sind.

Für die Studie werden gesunde Probandinnen und Probanden im Alter von 18 bis 60 Jahren mit einem normalen Body Mass Index gesucht. Voraussetzung ist eine derzeitige Ernährung mit Mischkost und die Bereitschaft, sich über vier Wochen zufällig zugeteilt vegan oder mit viel Fleisch zu ernähren. Vegetarier, Veganer oder Raucher können nicht mitmachen. Weitere Ausschlusskriterien sind unter anderem eine Schwangerschaft oder Stillzeit, regelmäßige Medikamenteneinnahme (mit Ausnahme von hormonellen Verhütungsmitteln oder Jodid), ausgeprägte Allergien oder eine Essstörung.

Die Studie dauert für jeden einzelnen Teilnehmer fünf Wochen: Eine Woche mit normaler Mischkost und danach vier Wochen mit entweder fleischreicher oder veganer Kost (zufällige Zuteilung). Die Teilnehmer erhalten während der vier Wochen ein kostenloses werktägliches Mittagessen im Casino des Universitätsklinikums Freiburg. Außerdem erhalten die Probanden während der Studienzeit Vergünstigungen in einzelnen Freiburger Restaurants. Für die Auswertung werden von den Probandinnen und Probanden zu zwei Zeitpunkten je eine Blut-, Urin- und Stuhlprobe benötigt.

Anmerkung d. Redaktion: Das Essen in der Uni-Klinik trifft nicht jeden Geschmack. Menschen, die auch den Anspruch auf geschmacklich gutes Essen haben, könnten hier enttäuscht werden. 

Interessenten können sich melden bei:  
Manuel Hettich
Uni-Zentrum Naturheilkunde
Universitätsklinikum Freiburg
Telefon: 01515-2255375
manuel.hettich@uniklinik-freiburg.de   

Weitere Informationen zu der Studie finden Sie hier und hier.

Neuer Therapieansatz bei multipler Sklerose

Charité-Wissenschaftler identifizieren entscheidenden Botenstoff

Berlin, 21.07.2014 Die Hemmung eines bestimmten Botenstoffs des Immunsystems bietet einen neuen Ansatz zur Therapie von multipler Sklerose. Dies ist das Ergebnis einer aktuellen Studie von Wissenschaftlern der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Die Forscher konnten in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Rheuma-Forschungszentrum erstmals demonstrieren, dass der Botenstoff GM-CSF mit multipler Sklerose assoziiert ist und von einer neuartigen Immunzell-Population produziert wird. Die Studie ist in der aktuellen Ausgabe des Fachjournals Science Translational Medicine* veröffentlicht.

Bei Autoimmunkrankheiten wie der multiplen Sklerose greift die Körperabwehr den eigenen Organismus an. Eine besondere Rolle spielen dabei spezialisierte Zellen des Immunsystems, die Helfer-T-Zellen, die den Körper eigentlich vor schädlichen Mikroorganismen schützen sollen. Von diesen Helfer-T-Zellen existieren verschiedene Unterklassen mit unterschiedlichen Aufgaben.

Die Wissenschaftler um Dr. Christina Zielinski von der Klinik für Dermatologie und Allergologie sowie dem Berlin-Brandenburg Centrum für Regenerative Therapien der Charité beschreiben in ihrer Forschungsarbeit eine ganz neuartige Klasse von Helfer-T-Zellen, die sogenannten GM-CSF-T Zellen. Diese T-Zellen produzieren den Botenstoff GM-CSF (Granulozyten-Makrophagen-Kolonie stimulierender Faktor), der für die entzündlichen Prozesse im Gehirn von Patienten mit multipler Sklerose eine grundlegende Rolle spielt.

Rebecca Noster, die Erstautorin der Studie, konnte die genaue molekulare Regulation dieser Zellen entschlüsseln. Sie identifizierte auslösende und hemmende Botenstoffe, die für die Entwicklung der GM-CSF T-Zellen wichtig sind. Überraschend war, dass Faktoren, die die Entwicklung von GM-CSF T-Zellen im Menschen auslösen, im Mausmodell eine entgegengesetzte Aufgabe haben. Zudem war die Produktion des Botenstoffes GM-CSF nicht mit den sogenannten Th17 Zellen, einer weiteren Unterklasse von Helfer-T-Zellen, assoziiert. Den Th17 Zellen wird bislang eine ursächliche Rolle für die Krankheitsentstehung bei vielen entzündlichen Erkrankungen zugeschrieben.

»Diese Diskrepanz zwischen Maus und Mensch verdeutlicht, wie wichtig es ist, nicht nur die klinische Anwendung sondern auch immunologische Grundlagen im Menschen zu studieren«, erklärt Dr. Christina Zielinski, Leiterin der Klinischen Forschergruppe Zelluläre Immunregulation. »Unsere Ergebnisse werfen ein ganz neues Licht auf die Entstehung von multipler Sklerose und zeigen neue therapeutische Angriffspunkte bei der Behandlung dieser, aber auch anderer Autoimmunerkrankungen des Menschen auf.«