Schlagwort-Archive: Krankenhaushygiene

Portrait Prof. Dr. Hajo Grundmann

Bakterien mit extrem hoher Antibiotikaresistenz verbreiten sich über Krankenhäuser

Genetische Analysen machen europaweite Verbreitungswege von Erregern sichtbar / Krankenhäuser sind die entscheidenden Multiplikatoren / Gute Krankenhaushygiene kann hochresistente Erreger kontrollieren

Das Bakterium Klebsiella pneumoniae gehört zu den häufigsten Erregern in Krankenhäusern. Ein internationales Team um Freiburger Forscher zeigt nun, dass sich die Erreger maßgeblich durch das Verlegen von Patienten zwischen Krankenhäusern verbreiten.
Bildrechte: Centers for Disease Control and Prevention

Gegen sogenannte extrem resistente Bakterien sind fast alle bekannten Antibiotika wirkungslos. Die Anzahl an Todesfällen, die sich auf eine Infektion mit solchen Erregern zurückführen lassen, hat sich zwischen 2007 und 2015 in Europa mehr als versechsfacht. Wie sich diese Bakterien verbreiten, beschreibt eine internationale Forschergruppe um Wissenschaftler des Universitätsklinikums Freiburg in in einer Studie, die am 29. Juli 2019 in der Fachzeitschrift Nature Microbiology erschienen ist. Demnach leisten Krankenhäuser und die Verlegung von Patienten den entscheidenden Beitrag zur Verbreitung der Erreger. Nur eine geringe Rolle spielen Übertragungen in der Allgemeinbevölkerung, aus der Umwelt, der Landwirtschaft und über Lebensmittel.

Je näher die Krankenhäuser, desto ähnlicher die Erreger

Die Verbreitungswege extrem resistenter Bakterien ließen sich anhand detaillierter genetischer Analysen nachvollziehen. Sechs Monate lang wurden in 455 Krankenhäusern in 36 europäischen Ländern Proben gesammelt. Auf Grundlage dieser repräsentativen Erreger-Stichprobe sequenzierten die Forscher die gesamte genetische Information von fast 2.000 Bakterien der Spezies Klebsiella pneumoniae. „Die genetischen Unterschiede zwischen extrem resistenten Isolaten nahmen zu, je größer die Entfernung zwischen den Krankenhäusern war“, sagt Prof. Dr. Hajo Grundmann, Leiter des Instituts für Infektionsprävention und Krankenhaushygiene des Universitätsklinikums Freiburg und Letztautor der Studie. Hingegen stammte die Mehrzahl der genetisch ähnlichsten Isolate von Patienten, die innerhalb des Beobachtungszeitraums im selben Krankenhaus behandelt wurden. „Unsere Beobachtungen sprechen dafür, dass sich extrem resistente Bakterien vor allem innerhalb einzelner Krankenhäuser sowie bei der Verlegung von Patienten zwischen geografisch naheliegenden Krankenhäusern verbreiten“, erläutert Grundmann.

Portrait Prof. Dr. Hajo Grundmann

Gute Krankenhaushygiene kann die Verbreitung von Erregern kontrollieren

Über Landesgrenzen hinweg verbreiten sich die Erreger hingegen nur sporadisch. Dennoch hatten einzelne internationale Übertragungen landesweite Ausbrüche zur Folge. „Es ist extrem wichtig, Patienten bei der Aufnahme nach früheren Krankenhausaufenthalten im In- und Ausland zu fragen“, hält Grundmann fest. Mit solchen Befragungen können Risikopatienten erfasst, frühzeitig diagnostiziert und nötigenfalls isoliert werden, um einer Weiterverbreitung von Erregern vorzubeugen. Die Befragung wird als unabdingbarer Teil der klinischen und hygienisch guten Praxis ausdrücklich vom Robert Koch-Institut empfohlen. „Wir sind optimistisch, dass wir mit guter Krankenhaushygiene die Verbreitung dieser Erreger nicht nur verzögern, sondern auch erfolgreich kontrollieren können“, sagt Grundmann.

Original-Titel der Studie: ‚Epidemic of carbapenem-resistant Klebsiella pneumoniae in Europe is driven by nosocomial spread‘

DOI: 10.1038/s41564-019-0492-8

Link zur Studie: https://www.nature.com/articles/s41564-019-0492-8 

Großer WDR-Test: Krankenhauskeime – wie verbreitet sind sie wirklich?

Krankenhauskeime und ihre Verbreitung

Die Angst, sich im Krankenhaus mit Antibiotika-resistenten Keimen zu infizieren, ist weit verbreitet – der Keim dagegen nicht. Das ist das Ergebnis einer groß angelegten Untersuchung der beiden WDR-Sendungen Quarks und Servicezeit. In Remscheid, Bonn und Köln wurden insgesamt 500 Menschen auf den Krankenhauskeim MRSA getestet. Am 14. November berichten die Servicezeit (18:15 – 18:45) und Quarks (21:00 – 21:45) im WDR Fernsehen über die Ergebnisse.

WDR Betriebsarzt Michael Neuber, Moderator Ranga Yogeshwar und Krankenhaushygienikerin Birgit Ross © WDR/Axel Bach

WDR Betriebsarzt Michael Neuber, Quarks-Moderator Ranga Yogeshwar und Krankenhaushygienikerin Birgit Ross von der Uni-Klinik Essen (von links)

Ein Test dieser Art mit gesunden Probanden aus der Allgemeinbevölkerung wurde bisher in Deutschland noch nie durchgeführt. Umso gespannter waren die Experten auf das Ergebnis. Unter den 500 Proben konnte nur bei einer Person der Krankenhauskeim festgestellt werden. Dr. Birgit Ross, Leiterin der Krankenhaushygiene der Uni-Klinik Essen, betont: „Für uns war das interessant, weil wir ja normalerweise nur unsere Patienten testen. Das heißt, wir wissen relativ gut, wie viele Menschen bei uns betroffen sind. Wir wissen aber eigentlich nichts über die Allgemeinbevölkerung. Und so war das auch für uns ein interessanter Befund, dass nur eine einzige Probe positiv war. Denn das ist doch sehr wenig.“

Experten schätzen, dass maximal ein Prozent der Bevölkerung MRSA-Träger ist. Der Test könnte darauf hindeuten, dass dieser Anteil eher kleiner ist.

Im September dieses Jahres hatten die Servicezeit und Quarks zum großen Keimtest aufgerufen. Im WDR in Köln führte Betriebsarzt Michael Neuber gemeinsam mit Medizinern der Uni-Klinik Essen Wattestäbchen-Tests durch. Auch WDR Intendant Tom Buhrow, Servicezeit-Moderatorin Yvonne Willicks und Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar ließen sich testen. Weitere Proben nahmen die Servicezeit-Ärzte Doc Esser und Aylin Urmersbach auf den Marktplätzen in Remscheid und Bonn.

Schwere Infektionen sind möglich

Für gesunde Menschen ist der Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA) ungefährlich. Oft verschwindet er sogar wieder von selbst. Ist das Immunsystem jedoch geschwächt und gelangt der Keim in offene Wunden, kann es zu schweren Infektionen kommen. Besonders bei Krankenhausaufenthalten ist deshalb bei vielen Menschen die Sorge groß, sich mit dem Keim zu infizieren. „Dabei haben im Krankenhaus 90 Prozent der infizierten Menschen die Keime selbst mitgebracht“, so der Autor der Beiträge Axel Bach, der gemeinsam mit seiner Kollegin Christina Sartori den großen WDR-Keimtest organisierte.

Mehr Infos zum Thema http://www1.wdr.de/fernsehen/quarks/sendungen/uebersicht-krankenhauskeime-100.html

Die Zahl der Keimpatienten steigt

Plusminus/CORRECTIV.org

Mehr als jedes vierte Krankenhaus in Deutschland erfüllt Hygienevorschriften nicht – Mehr Keimpatienten

Mehr als jedes vierte Krankenhaus, genau 26 Prozent, erfüllt die Hygienevorschriften des Robert Koch Instituts nicht und beschäftigt zu wenig Hygienepersonal. Das ergeben gemeinsame Recherchen des ARD-Magazins Plusminus und des Recherchezentrums CORRECTIV.org. Schlusslicht ist demnach Bremen, wo 43 Prozent aller Kliniken die Vorgaben nicht erfüllen, auf dem vorletzten Platz liegt Thüringen mit 42 Prozent, danach folgt Berlin mit 37 Prozent. Am besten schneidet dagegen Hamburg ab, wo nur 10 Prozent der Kliniken die Hygienevorgaben verfehlen.

CORRECTIV.org und Plusminus haben erstmals eine frei zugängliche Datenbank erstellt, in der man auf der Homepage plusminus.de nachschauen kann, welche Krankenhäuser die Hygienestandards erfüllen und welche nicht.

Dirk Janssen, Vizechef des Landesverbands Nord der Krankenkasse BKK, hält die Ergebnisse für alarmierend. Sie zeigten „gravierende Mängel“ vieler Kliniken im Umgang mit Hygiene. Wenn sich nichts ändere, „kostet das jedes Jahr tausenden Patienten das Leben“, sagt Janssen.

Das Bundesgesundheitsministerium schiebt die Verantwortung den Bundesländern und den einzelnen Kliniken zu. Mit dem Infektionsschutzgesetz von 2011 sollten bis Ende 2016 verbindliche Regelungen für ausreichendes Hygienepersonal geschaffen werden. Gesundheitsminister Herrmann Gröhe (CDU) stellte Anfang 2015 außerdem einen Zehn-Punkte-Plan zur Bekämpfung multiresistenter Keime in Kliniken vor, der zum Ziel hatte, bis Ende 2016 mehr Hygienepersonal einzustellen. Das Erreichen des Ziels wurde „auf Bitten der Länder zwischenzeitlich bis Ende 2019 verlängert“, wie das Gesundheitsministerium mitteilte. Walter Popp, Vizepräsident der deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene kritisiert: „Die Krankenhäuser haben die Initiative ausgesessen.“

Weitere Infos: Mittwoch, 11.1.2017, um 21.45 Uhr im ARD-Magazin Plusminus im Ersten.