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Arzt-Patienten-Kommunikation: „Placebo-Effekte können den Verlauf von Krankheiten verbessern“

Messbare Effekte: Das Immunsystem wird beeinflusst, Schmerzen verbessert

Trotz des medizinischen Fortschritts bei der Diagnose und Behandlung von Krankheiten spielt eines oft nur eine untergeordnete Rolle: die Kommunikation zwischen Arzt und Patient. Doch was ist mit den Bedürfnissen, Ängsten und Zweifeln der Patienten? Erst in den vergangenen Jahren wurde mit der systematischen Untersuchung des Phänomens „Placebo“ ein Paradigmenwechsel angestoßen. Denn die positiven Effekte der Arzt-Patienten-Kommunikation sind tatsächlich biologisch messbar. Über eben diesen Placeboeffekt und auch seinen Gegenspieler, den Noceboeffekt, seine Wirkung und aktuelle Erkenntnisse spricht Professor Manfred Schedlowski (Foto), Direktor des Institutes für Medizinische Psychologie und Verhaltensimmunbiologie am Universitätsklinikum Essen, in seiner Keynote bei der geriatrisch-gerontologischen Online-Konferenz. Diese findet vom 3. bis 5. September statt und wird von der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG) mit Beteiligung der Deutschen Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie (DGGG) organisiert.

Die Medizin hat in den vergangenen Jahrzehnten eine enorme Entwicklung vollzogen: Verfeinerte technische Untersuchungsmethoden erlauben faszinierende Einblicke in die Funktion unserer Organe und des Gehirns, zielgerichtete Medikamente können exakt in Krankheitsprozesse eingreifen und Operationsroboter steigern die Präzision von Chirurgen. Doch in Zeiten der „High-Tech-Medizin“ wird der Kommunikation zwischen Arzt und Patient oft noch zu wenig Aufmerksamkeit entgegengebracht – auch nicht in der Wissenschaft. Forschungsansätze, die Vertrauen und Hoffnung der Patienten oder die Wirkung von Mitgefühl in den Mittelpunkt stellen, werden oft als „Wissenschaft light“ abgetan.

Messbare Effekte: Das Immunsystem wird beeinflusst, Schmerzen verbessert

„Placeboeffekte sind äußerst vielfältig und unterscheiden sich, je nach Organ und Patient. Eine Zuckertablette, die Kopfschmerzen vertreibt, eine Infusion mit Kochsalzlösung, die bei Parkinson hilft oder eine vorgetäuschte Akupunktur, die Reizdarmsymptome lindert, sind nur einige erfolgreiche Beispiele“, sagt Manfred Schedlowski. Placeboeffekte können sich auf körperliche und psychische Symptome auswirken und damit den Verlauf von Erkrankungen verbessern. Sie können das Immunsystem und den Blutdruck beeinflussen oder den Erfolg von Operationen und medikamentösen Behandlungen verändern. Der Körper reagiert positiv auf eine Behandlung, obwohl er das eigentlich gar nicht dürfte – weil beispielsweise die Tablette oder Infusion keinen Wirkstoff enthält oder die Akupunkturnadel gar nicht in die Haut eindringt. Doch wie kann ein Scheinmedikament oder eine Scheinbehandlung überhaupt eine Wirkung zeigen?

Der Glaube an Heilung: Das neuropsychologische Phänomen des Placeboeffekts

Placeboeffekte werden auf neuropsychologische Phänomene zurückgeführt, die Selbstheilungskräfte aktivieren. Immer mehr Details dieser Wirkmechanismen werden wissenschaftlich erforscht. Dabei spielen die Erwartungen der Patienten eine zentrale Rolle. Vertrauen sie darauf, dass die Therapie wirkt, oder haben sie eher Zweifel? Haben sie früher gute oder eher negative Erfahrungen mit medizinischen Behandlungen oder Behandlern gemacht? Schöpfen sie nach dem Gespräch mit dem Arzt Hoffnung oder löst die Lektüre des Beipackzettels eher Ängste aus? Erfahrungen führen zu Lernprozessen, die bewusst oder unbewusst ablaufen und große Wirkungen entfalten können: positive Placeboeffekte, aber auch negative „Noceboeffekte“. Je nachdem können sie die Heilung fördern – oder auch verhindern.

Der Placeboeffekt beeinflusst jede medizinische Behandlung

Eine Wirkung erzielt also nicht das Placebo selbst, sondern die an eine Behandlung geknüpfte Erwartung der Patienten. Placeboeffekte beeinflussen demnach jede Art von medizinischer Behandlung, sei es die Wirksamkeit und Verträglichkeit von gut erforschten und bewährten Medikamenten, der Ausgang einer Operation oder Gesprächstherapie – oder eben die Wirkung einer Zuckertablette. Echte Placebobehandlungen, beispielsweise zum Test der Wirksamkeit eines Medikaments, sollten jedoch weiterhin nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen, wie beispielsweise in klinischen Studien stattfinden.
In seiner Konferenz-Keynote fasst Professor Manfred Schedlowski seine Forschungsergebnisse zur Thematik zusammen und gibt einen spannenden Überblick über die neuen und aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Phänomen Placebo- und Noceboeffekt. Da gerade ältere Patienten häufig Noceboeffekten in der Kommunikation ausgesetzt sind, ist dieses Thema besonders für Geriater interessant und relevant.

Zur Person

Professor Manfred Schedlowski ist Direktor des Institutes für Medizinische Psychologie und Verhaltensimmunbiologie am Universitätsklinikum Essen

Professor Manfred Schedlowski ist Direktor des Institutes für Medizinische Psychologie und Verhaltensimmunbiologie am Universitätsklinikum Essen. Im Lauf seiner Karriere absolvierte er Forschungsaufenthalte an der University of Newcastle und der La Trobe University in Melbourne, Australien sowie an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich. Der Schwerpunkt seiner Forschung liegt auf der Analyse der funktionellen Verbindungen zwischen dem Nervensystem, dem Hormonsystem und dem Immunsystem. Vor diesem Hintergrund beschäftigt sich Professor Schedlowski mit seiner Arbeitsgruppe im Rahmen der Placeboantwort mit dem Phänomen der Klassischen Konditionierung von Immunfunktionen und analysiert die neurobiologischen und biochemischen Mechanismen sowie die klinische Bedeutung der Placebo- und Noceboantwort.