Bundesrat befasst sich mit Nationalem Diabetesplan
Berlin – Auf Initiative des Schleswig-Holsteinischen Landtags befasst sich der Bundesrat voraussichtlich noch diese Woche mit einer Bundesratsinitiative für einen Nationalen Diabetesplan. Vorangegangen waren intensive Gespräche der Gesundheitsminister/innen der Länder, oft auch unter Einbeziehung regionaler Diabetes- und Gesundheitsexperten. Mitantragsteller sind die Bundesländer Baden-Württemberg, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen. Damit steht nun das zunehmende Problem des Diabetes mellitus und seiner Folgeerkrankungen in allen Bundesländern auf der politischen Agenda, denn diese müssen sich zum Thema Nationaler Diabetesplan im Bundesrat positionieren. Auch Ärzte, Diabetesberater und Patientenvertreter, vereint in der Dachorganisation „diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe“, fordern seit langem einen Nationalen Diabetesplan für Deutschland und riefen dazu 2013 die Kampagne „Diabetes STOPPEN – jetzt!“ ins Leben. Regionale Teams aus Patienten, Diabetesberatern und Ärzten setzen sich in jedem Bundesland für ein positives Votum im Bundesrat ein.
„In Deutschland erkranken jeden Tag 750 bis 1000 Menschen neu an Diabetes, jährlich verzeichnen wir 40.000 Amputationen, 2000 Neuerblindungen, 2300 neu Dialysepflichtige, und jede Stunde sterben drei Menschen an Diabetes in Deutschland – diese Zahlen sprechen eine klare Sprache. Es mangelt vor allem an vernetzen Maßnahmen in der Versorgung. Nur mit vereinten Kräften werden wir diese Volkskrankheit in den Griff bekommen, deshalb brauchen wir einen Diabetesplan auch in Deutschland. 18 von 28 europäischen Länder haben bereits einen nationalen Diabetesplan, warum Deutschland nicht?“, fragt Professor Dr. med. Thomas Danne, Kinderdiabetologe aus Hannover und Vorstandsvorsitzender von diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe. „Deshalb sind wir der Schleswig-Holsteineinischen Gesundheitsministerin Alheit, dem Kieler Landtag und insbesondere dem dortigen Sozialausschuss sehr dankbar für diese Bundesratsinitiative und unterstützen sie sehr gerne mit einer konzertierten Aktion unserer Vertreter vor Ort in jedem Bundesland“, so Danne.
„Die Bundesratsinitiative ist ein Signal, auf das Behandler und Patienten seit langem gewartet haben und das den Forderungen unserer gemeinsamen Kampagne‚ Diabetes STOPPEN – jetzt!‘ entspricht“, bekräftigt PD Dr. Erhard Siegel, Präsident der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG). „Die Politik muss jetzt hinschauen – und das kann unsere Forderung nach einem Nationalen Diabetesplan enorm voranbringen, denn der politische Wille ist die entscheidende Stellgröße, um den Modernisierungsstau zu überwinden“, so Siegel.
„Besonders die Folgeerkrankungen des Diabetes verursachen viel persönliches Leid – und übrigens auch den Großteil der Diabeteskosten – dabei lassen sich diese Komplikationen häufig verhindern oder hinauszögern, wenn das Potential einer gesünderen Lebensführung und die medizinischen Möglichkeiten optimal ausgeschöpft würden“, sagt Elisabeth Schnellbächer, Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Diabetes-Beratungs- und Schulungsberufe (VDBD).
„Wir brauchen moderne Präventionsstrategien genauso wie eine effektive Früherkennung, Aufklärung von und Maßnahmen für Risikopersonen, außerdem sektorenübergreifende Versorgungslösungen. Auch Schulungen von Erkrankten können optimiert werden. All dies braucht politische Fürsprecher“, fasst Jan Twachtmann zusammen, Vorstandsvorsitzender der Patientenorganisation Deutsche Diabetes-Hilfe – Menschen mit Diabetes (DDH-M).
In einem Schreiben an die zuständigen Landesgesundheitsminister haben diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe und regionale Teams, bestehend aus je einem ärztlichen Vertreter der DDG, einem Vertreter der Schulungs- und Beratungsberufe, vertreten durch den VDBD sowie einem Patientenvertreter der DDH-M, in jedem Bundesland für ein Votum pro Nationalem Diabetesplan geworben.
„Uns ist auch wichtig, dass Kinder mit Diabetes Typ 1 bei dieser Initiative nicht ausgegrenzt werden“, so Kinder- und Jugendarzt Danne. „Wir werden jetzt darauf hinwirken, dass Diabetes Typ 1 und Typ 2 gleichartig und gleichrangig in der Bundesratsinitiative Berücksichtigung finden. Die Ansätze und Versorgungssituationen sind zwar unterschiedlich, aber beide Erkrankungen nehmen zu und beide kosten“, so Danne.
Hintergrund:
Seit Jahren steigt die Zahl der Menschen mit Diabetes, vor allem mit Diabetes Typ 2 ungebremst weiter an. Das Robert Koch-Institut beziffert den Zuwachs seit Ende der 90er Jahre auf 38 Prozent, aktuell sind mehr als sechs Millionen Deutsche erkrankt. Die direkten Krankheitskosten des Diabetes belaufen sich auf 48 Milliarden Euro pro Jahr. Herzinfarkt, Niereninsuffizienz, Erblindung, Beinamputation – das ist das bedrohliche Szenario diabetischer Folgekomplikationen.
Im Durchschnitt sind weniger als 20 Prozent aller Bundesratsinitiativen unmittelbar erfolgreich, d. h. münden in ein neues Gesetz. Allein die Abstimmung aller Bundesländer im Parlament der Länder (Bundesrat) zum Nationalen Diabetesplan ist jedoch sehr wertvoll, weil damit ein bundesweiter Meinungsbildungsprozess in Gang kommt. Es wäre nicht das erste Mal, dass die Bundesregierung durch eine Bundesratsinitiative auf ein politisch vernachlässigtes Politikfeld aufmerksam würde und im Nachhinein doch noch auf Bundesebene ein Gesetz eingebracht hätte. Dies könnte z.B. ein Diabetes-früherkennungs- und -registergesetz sein.
Nach derzeitigem Stand zeichnet sich bereits jetzt eine sehr hohe Zustimmung der Länder für die Bundesratsinitiative aus. Der Bundesrat wird in Kürze entscheiden, ob der Antrag noch in den zuständigen Ausschüssen beraten wird oder ob nun direkt die Bundesregierung am Zug ist.