25 Jahre nach Mauerfall
Im Osten erkranken mehr Menschen an Diabetes Typ 2
Berlin – Auch 25 Jahre nach dem Mauerfall existieren Gesundheitsunterschiede zwischen alten und neuen Bundesländern. Dazu gehört einer aktuellen Studie aus dem BMBF-Kompetenznetz Diabetes mellitus zufolge eine höhere Zahl von Neuerkrankungen an Typ-2-Diabetes im Nordosten der Republik. Die Ursachen können nur teilweise über individuelle Faktoren wie Übergewicht erklärt werden, ob strukturelle sozioökomische Faktoren (z.B. Arbeitslosigkeit) eine Rolle spielen, ist bislang noch unklar.
Eine Vergleichsanalyse der Nachbeobachtungen von fünf regionalen, bevölkerungsbasierten Studien hat an insgesamt 8787 Personen untersucht, ob sich die Neuerkrankungsrate für Typ-2-Diabetes in verschiedenen Regionen Deutschlands unterscheidet. Zwei Erhebungen fanden in den neuen Bundesländern statt, in den Regionen Vorpommern und Raum Halle. Die anderen drei Standorte befassten sich mit der Diabetes-Häufigkeit in den alten Bundesländern – und zwar im Raum Augsburg, Dortmund sowie in Essen/Bochum/Mülheim. Die Basisdaten der Studien stammen aus den Jahren 1997 bis 2006. Bei Teilnehmern, die zwischen 45 und 74 Jahre alt waren und einen Diabetes bei sich verneint hatten, wurde im Zeitraum 2002 bis 2010 abermals nachgefragt, ob die Krankheit zwischenzeitlich festgestellt wurde.
Die Ergebnisse aus dem DIAB-CORE Verbund wurden kürzlich unter Federführung von Wissenschaftlern der Universität Greifswald in der Fachzeitschrift Journal of Epidemiology & Community Health publiziert und zeigen ein Ost-West-Gefälle. „Genaugenommen handelt es sich um ein Nordost-Süd-Gefälle“, erläutert Privatdozentin Dr. med. Ulrike Rothe der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus der TU Dresden und Sprecherin der AG Epidemiologie der DDG. Nach Standardisierung für Alter und Geschlecht wies der Raum Halle mit 16,9 Neuerkrankungen pro 1000 Personenjahre die meisten Diabetes-Neuerkrankungen aller fünf Regionen auf, und auch im nordöstlichen Vorpommern lag die Rate mit 13,2 sehr hoch. Der Süden schnitt mit dem Raum Augsburg und 9,3 Neuerkrankungen pro 1000 Personenjahre am besten ab. Gemischt stellt sich das Bild im westlichen Ruhrgebiet dar – Dortmund folgte mit 16,2 Neuerkrankungen auf 1000 Personenjahre gleich hinter Halle auf Platz zwei in der Häufigkeits-Rangfolge, in Essen/Bochum/Mülheim betrug die Rate immerhin noch 11,8.
Als bedeutendste Risikofaktoren für eine Neuerkrankung erwiesen sich auch in dieser Studie Übergewicht und Fettleibigkeit (bzw. der Body-Mass-Index). Frühere Untersuchungen hatten gezeigt, dass die Menschen in den neuen Bundesländern häufiger adipös, sprich fettleibig sind, wobei Sachsen-Anhalt mit 28,3 Prozent die Statistik anführte. Zum Vergleich: In Bremen waren nur 19,8 Prozent der Erwachsenen fettleibig.
Darüber hinaus erhöhen strukturelle Faktoren wie Arbeitslosigkeit und geringes Einkommen das Risiko für Diabetes. „Wir wissen, dass die Erkrankungshäufigkeit in wirtschaftlich schwachen Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit höher ist“, sagt Rothe. Die Arbeitslosigkeit der Region ist dabei unabhängig von der individuellen Arbeitssituation als möglicher Risikofaktor zu betrachten.
Alarmierend ist aus Sicht von Privatdozentin Dr. med. Rothe, dass der „Gewichts-Trend“ in allen Bundesländern in die falsche Richtung geht. Der Anteil Erwachsener mit einer Adipositas ist innerhalb eines Jahrzehnts bei den Männern von 18,9 auf 23,3 Prozent und bei den Frauen von 22,5 auf 23,9 Prozent angestiegen. „Wir rechnen deshalb für die Zukunft mit einer weiteren Zunahme von Diabeteserkrankungen“, sagt DDG-Präsident Privatdozent Dr. med. Erhard Siegel.
Quelle:
Schipf S, et al. J Epidemiol Community Health 2014;0:1–8.
doi:10.1136/jech-2014-203998