Volkswirtschaftlich brisant: Wechseljahre am Arbeitsplatz

Die Ergebnisse der ersten deutschlandweiten Befragung von Frauen über Auswirkungen von Wechseljahresbeschwerden am Arbeitsplatz liegen vor

Ein Interview mit Studienleiterin Prof. Dr. Andrea Rumler von der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin.

Am 18. Oktober ist Welt-Menopausetag. Ziel ist es, das Thema Klimakterium mit seinen medizinischen Implikationen und Auswirkungen auf das Wohlbefinden und die Arbeitsfähigkeit von Frauen stärker in den Fokus von Öffentlichkeit und Politik zu rücken.

Prof. Dr. Andrea Rumler, Professorin für allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Marketing an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin.

Zur Person
Prof. Dr. Andrea Rumler ist Professorin für allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Marketing an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR Berlin). Ihre Forschungsschwerpunkte liegen aktuell in den Bereichen Frauengesundheit, Nachhaltigkeitskommunikation und gendergerechte Finanzierung von Startups. Die Expertin für Marketing fokussiert in der Lehre außerdem auch auf Corporate Social Responsibility (CSR) und Compliance, der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen im Sinne eines nachhaltigen Wirtschaftens.

Prof. Rumler, Gesundheitsmanagement am Arbeitsplatz ist allgegenwärtig. Wechseljahresbeschwerden von Frauen werden dabei kaum bis gar nicht öffentlich thematisiert. Weshalb?

Frauengesundheit fand lange Zeit kaum Beachtung im Forschungskontext und ist auch im Betrieblichen Gesundheitsmanagement erst seit wenigen Jahren wirklich ein Thema. Dabei werden allerdings oft nur die Bedürfnisse junger Frauen adressiert, das Thema Wechseljahre ist weitgehend noch ein Tabuthema im betrieblichen Arbeitskontext. Das bestätigen auch die von uns erhobenen Daten in der ersten deutschlandweiten Befragung von berufstätigen Frauen zum Thema Wechseljahre am Arbeitsplatz.

Wie sind Sie auf das Thema gekommen?

Ich wurde 2021 von der Unternehmerin und Wechseljahresexpertin Peggy Reichelt auf die Thematik aufmerksam gemacht und begann zu recherchieren. Frau Reichelt baute zu der Zeit gerade ein Start-up auf, das sich mit den Bedürfnissen von Frauen in der Menopause beschäftigt und ihre Kundinnen berichteten immer wieder von Schwierigkeiten mit ihren Wechseljahressymptomen im Arbeitskontext.

Bis dato gab es zu dieser Thematik allerdings nur eine große Studie im englischsprachigen Raum, und darauf aufbauend auch Empfehlungen, wie Frauen in der Menopause am Arbeitsplatz unterstützt werden könnten. So etwas wollten wir auch für Deutschland realisieren – die Idee für das Forschungsprojekt MenoSupport war geboren und seit 2022 forsche ich gemeinsam mit meinem Team an der HWR Berlin und den Projektpartnerinnen an der HTW Berlin dazu.

Inwiefern ist dieses Thema für Unternehmen und Verwaltungen, für die Volkswirtschaft insgesamt von Relevanz?

Volkswirtschaftlich gesehen ist das Thema hoch brisant. Schon heute klagen zwei Drittel aller deutschen Unternehmen über Fachkräftemangel. Und obwohl in vielen Unternehmen Frauen in den Wechseljahren einen bedeutenden Teil der Belegschaft ausmachen, gibt es in Deutschland kaum Angebote zur betrieblichen Gesundheitsförderung für Frauen in der Zeit der Menopause. Dabei könnten passgenaue Angebote die berufserfahrenen und oft gut ausgebildeten Frauen dabei unterstützen, länger im Unternehmen zu bleiben und die Zufriedenheit der Mitarbeitenden steigern.

Wir haben in Deutschland dieses Jahr 2119 Frauen zwischen 28 und 67 Jahren befragt und 10 Prozent der Befragten mit Wechseljahresbeschwerden gaben an, auf Grund der Menopause früher in Rente gehen zu wollen oder schon gegangen zu sein. Bei den Befragten, die älter als 55 Jahre alt waren, gab sogar fast jede Fünfte (19,4 Prozent) an, früher in Rente gehen zu wollen.

Darüber hinaus bestätigt fast ein Viertel aller Befragten mit Wechseljahressymptomen, auf Grund der Menopause bereits Arbeitsstunden reduziert zu haben. Fast ein Drittel war auf Grund von Wechseljahressymptomen schon einmal krankgeschrieben oder hat unbezahlten Urlaub genommen. Mehr als jede sechste Befragte hat auf Grund ihrer Wechseljahressymptome schon einmal die Stelle gewechselt. Diese Zahlen machen deutlich, wie relevant das Thema für Unternehmen ist.

Welche Symptome haben die befragten Frauen angeführt, die sie während der Menopause in ihrer Arbeit besonders einschränken?

Viele der Teilnehmerinnen unserer Befragung gaben an, dass sie durch körperliche und geistige Erschöpfung, Schlafstörungen, erhöhte Reizbarkeit, depressive Verstimmung sowie Hitzewallungen negativ am Arbeitsplatz beeinflusst werden. Aber auch Gelenk- und Muskelbeschwerden, Augentrockenheit und Migräne wurden häufig als Beeinträchtigung genannt.

Die Arbeitsfähigkeit der Befragten wurde durch die Wechseljahre in ähnlicher Weise wie in der vom House of Commons (Women and Equalities Committee) 2021 durchgeführten Studie in Großbritannien beeinträchtigt. Die Top 4 der sowohl in Deutschland als auch in UK genannten Beeinträchtigungen sind erhöhter Stress, geringere Konzentrationsfähigkeit, erhöhte Ungeduld und Gereiztheit gegenüber anderen und ein geringeres Selbstbewusstsein bezüglich der eigenen Fähigkeiten.

Wie wirken sich die Wechseljahresbeschwerden auf das Wohlbefinden der Frauen am Arbeitsplatz aus?

Das ist sehr individuell, hier spielen Symptomlage und -stärke sicherlich eine große Rolle, aber auch psychologische Faktoren. Über die Hälfte unserer Befragten gab an, sich mit dem Thema Wechseljahre am Arbeitsplatz alleine gelassen zu fühlen. Die Mehrheit der Befragten wünscht zudem eine offene Kommunikation zum Thema Wechseljahre. Allerdings wird das Thema im Arbeitskontext bisher kaum thematisiert und viele Frauen befürchten, benachteiligt zu werden, wenn andere im Unternehmen wissen, dass sie Wechseljahresbeschwerden haben.

Ist das Thema in Deutschland schon bei der Politik angekommen?

Jain – ich würde sagen, das rollt gerade erst an. Aktuell gibt es eine kleine Anfrage der Fraktion der CDU/CSU zur Politik der Bundesregierung zur Menopause, welche noch unbeantwortet ist. Außerdem lud im März dieses Jahres die Bundestagsabgeordnete Dorothee Bär (CSU) zur Veranstaltung „Oh Meno – Warum die Wechseljahre uns alle etwas angehen“ in den Deutschen Bundestag ein – das war meines Wissens nach das erste Mal, dass das Thema im Bundestag größer diskutiert wurde. Am 18. Oktober („Tag der Menopause“) findet nun ein fraktionsübergreifender parlamentarischer Abend dazu statt und es bleibt zu hoffen, dass das Thema zukünftig mehr Aufmerksamkeit erhält.

Was hoffen Sie mit Ihrer Studie, der Sie den Titel MenoSupport gegeben haben, zu erreichen?

Mit dem Projekt MenoSupport wollen wir zum einen die Relevanz der Thematik für Deutschland herausstellen und zum anderen ganz konkret die betroffenen Frauen unterstützen, indem wir für Unternehmen innovative Maßnahmen zur betrieblichen Gesundheitsförderung für Frauen in den Wechseljahren entwickeln und den Austausch darüber anstoßen.

In Großbritannien verpflichten sich aktuell immer mehr Unternehmen dazu, für ein wechseljahresfreundliches Arbeitsumfeld zu sorgen. Dort hat man bereits erkannt, dass es auch aus wirtschaftlicher Sicht Sinn macht, Frauen in ihrer Lebensmitte mit dem Thema Wechseljahre zu unterstützen. Wir hoffen, dass diese Entwicklung auch nach Deutschland überschwappt.

Frau Prof. Rumler, ich danke Ihnen für das Gespräch.

Das Interview führte Sylke Schumann, Pressesprecherin der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR Berlin).



Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin

Die Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR Berlin) ist eine fachlich breit aufgestellte, international ausgerichtete Hochschule für angewandte Wissenschaften, einer der bundesweit größten staatlichen Anbieter für das duale Studium und im akademischen Weiterbildungsbereich. Sie sichert den Fachkräftebedarf in der Hauptstadtregion und darüber hinaus. Rund 12 000 Studierende sind in über 60 Studiengängen der Wirtschafts-, Verwaltungs-, Rechts-, Ingenieur- und Polizei- und Sicherheitswissenschaften sowie in internationalen Master- und MBA-Studiengängen eingeschrieben. Die HWR Berlin ist die viertgrößte Hochschule für den öffentlichen Dienst in Deutschland und mehrfach prämierte Gründungshochschule. Über 700 Kooperationen mit Partnern in der Wirtschaft und im öffentlichen Dienst garantieren den ausgeprägten Praxisbezug in Lehre und Forschung. 195 aktive Partnerschaften mit Universitäten auf allen Kontinenten fördern einen regen Studierendenaustausch und die internationale Forschungszusammenarbeit. Die HWR Berlin ist Mitglied im Hochschulverbund „UAS7 – Alliance for Excellence“ und unterstützt die Initiative der Hochschulrektorenkonferenz „Weltoffene Hochschulen – Gegen Fremdenfeindlichkeit“.

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