Archiv für den Monat: Mai 2015

Rückenschmerzpatienten für Studie gesucht

Universitätsklinikum Freiburg untersucht Wirksamkeit von medizinischen Tapeverbänden

Die Sektion Komplementärmedizinische Evaluationsforschung an der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie und das Uni-Zentrum für Naturheilkunde am Institut für Umweltmedizin und Krankenhaushygiene des Universitätsklinikums Freiburg starten eine gemeinsame klinische Studie zur Wirksamkeit des sogenannten Medi-Tapings bei Rückenschmerzen und suchen dafür Probandinnen und Probanden, die unter chronischen Schmerzen im unteren Rückenbereich leiden. Die Studie läuft ab Juni 2015 und dauert drei Monate.

Die Medi-Taping-Methode wurde vom Allgemeinmediziner Dr. Dieter Sielmann entwickelt und setzt sich aus einer Triggerpunktbehandlung entlang der Halswirbelsäule und dem Anbringen von elastischen Tapes zusammen. In der bisherigen Erprobung im Praxisalltag zeigte das Verfahren gute Effekte und führte bei vielen Patienten zu einer deutlichen Schmerzreduktion.

Die Studienteilnehmer werden zufällig auf zwei Gruppen verteilt. Eine Patientengruppe wird mit den Tapeverbänden behandelt, die andere Gruppe erhält Physiotherapie. Die Teilnehmenden der Gruppe, die Physiotherapie erhält, bekommen  nach Abschluss der Studie (3 Monate) die Möglichkeit, ebenfalls die kombinierte Behandlung aus medizinischen Tapeverbänden und Triggerpunkttherapie zu erhalten.

Teilnehmen können Personen, die seit mindestens drei Monaten an unspezifischen Schmerzen im unteren Rückenbereich leiden – das bedeutet, dass keine spezifische Ursache (zum Beispiel ein Bandscheibenvorfall) bekannt ist – und derzeit keine andere Behandlung in Anspruch nehmen.

Die Behandlung findet einmal wöchentlich in drei aufeinander folgenden Wochen statt und dauert jeweils ca. 20 bis 30 Minuten. Ein Kontrolltermin findet nach zwei Monaten statt. Die Studie ist kostenfrei.

Bei Interesse an der Studienteilnahme schreiben Sie bitte eine E-Mail an helene.rieche@uniklinik-freiburg.de oder hinterlassen eine Nachricht unter der Telefonnummer 0761 270 – 68823. 

Freiburger Diabetes-Forscher erhalten angesehene Förderpreise

Diabetologie des Universitätsklinikums Freiburg für Projekte zu Schwangerschaftsdiabetes und zur endoskopischen Diabetes-Behandlung ausgezeichnet / Über 22.000 Euro Förderung

Hochrangige Projektförderpreise und Reisestipendien wurden an fünf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Abteilung für Endokrinologie und Diabetologie der Klinik für Innere Medizin II des Universitätsklinikums Freiburg am 16. Mai 2015 auf der Jahrestagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) in Berlin vergeben. Ausgezeichnet wurden Projekte zu Schwangerschaftsdiabetes und zur endoskopischen Diabetes-Behandlung. Drei Nachwuchswissenschaftler erhielten für ihre Arbeiten Reisestipendien. „Die Auszeichnungen durch die Deutsche Diabetes Gesellschaft mit Förderpreisen und Reisestipendien zeigt die hohe wissenschaftliche Aktualität der Forschung in unserer Abteilung, sowie deren Außenwirksamkeit“, betont Prof. Dr. Jochen Seufert, Leiter der Abteilung für Endokrinologie und Diabetologie am Universitätsklinikum Freiburg.

Portrait Dr. Katharina Laubner Bild 2 - Portrait Dr. Nikolaos Perakakis Bildrechte: Universitätsklinikum Freiburg

Portrait Dr. Katharina Laubner
Bildrechte: Universitätsklinikum Freiburg

Dr. Katharina Laubner, Oberärztin der Abteilung für Endokrinologie und Diabetologie, wurde mit einem Projekt-Förderpreis über 12.000 Euro ausgezeichnet. In dem demnächst anlaufenden klinisch experimentellen Projekt wird eine neue endoskopische Methode zur Behandlung des Diabetes mellitus und zur Gewichtsreduktion untersucht. Bei der Methode wird ein dünner Schlauch in den Darm implantiert, der als physikalische Barriere zwischen Darmwand und aufgenommener Nahrung dient. Die Forscher überprüfen insbesondere den Einfluss des Eingriffs auf Zuckerstoffwechsel, Darmhormone und Darmbakterien. Hieraus können neue Erkenntnisse zur Behandlung des Diabetes mellitus bei sehr übergewichtigen Menschen gewonnen werden.

Portrait Dr. Nikolaos Perakakis Bildrechte: Universitätsklinikum Freiburg

Portrait Dr. Nikolaos Perakakis
Bildrechte: Universitätsklinikum Freiburg

Dr. Nikolaos Perakakis erhielt einen mit 10.000 Euro dotierten Projekt-Förderpreis. In diesem Projekt wird der Einfluss von Genmutationen auf den Zuckerstoffwechsel bei Frauen mit Schwangerschaftsdiabetes untersucht. Die Ergebnisse dieser Studien können dazu beitragen, in Zukunft das Risiko für einen Schwangerschaftsdiabetes, aber auch für eine Zuckerkrankheit im höheren Lebensalter besser vorherzusagen und früher zu behandeln.

Darüber hinaus wurden die Doktorandinnen  Lena Arend, Bojana Mihic-Necic und der Doktorand Amir Mehana für ihre Forschungsarbeiten mit Reisestipendien zur Jahrestagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft in Berlin ausgezeichnet.   Die Deutsche Diabetes Gesellschaft vergibt jährlich Projektförderungen und Förderpreise für innovative klinische und experimentelle Forschungsprojekte in der Diabetologie. Die Projekte müssen sich in einem strengen Begutachtungsverfahren durchsetzen.

Forschungspreise der DDG

Einblick in die Liste der Geldgeber: http://www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de/forschung/ddg-forschungspreise.html

Chronisch entzündliche Darmerkrankungen

Aktionstag „Chronisch entzündliche Darmerkrankungen“
Morbus Crohn-Patienten brauchen individuelle Therapie

Berlin – Deutet sich bei Morbus Crohn ein komplizierter Krankheitsverlauf an, sollten Mediziner schon früh eine immunsuppressive Therapie erwägen, empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) in ihrer neuen Leitlinie „Morbus Crohn und Colitis ulcerosa“. Dies könnte den Patienten eine Dauertherapie mit Kortison und deren schwere Nebenwirkungen ersparen. Anlässlich des bundesweiten Aktionstages „Chronisch entzündliche Darmerkrankungen“ der Gastro-Liga am 19. Mai 2015, weist die Fachgesellschaft auf besondere Risikofaktoren hin, die einen komplizierten Krankheitsverlauf der Darmkrankheit ankündigen.

Morbus Crohn hat viele Gesichter: „Die Behandlung ist deshalb immer eine Herausforderung, denn die Krankheit verläuft bei jedem Betroffenen anders und es lässt sich schwer vorhersagen, welche Patienten auf welche Therapie dauerhaft ansprechen“, erklärt DGVS- Expertin Professor Dr. med. Britta Siegmund, Direktorin der Medizinischen Klinik I mit Schwerpunkt Gastroenterologie, Infektiologie und Rheumatologie an der Charité Campus Benjamin Franklin, Berlin. Besonders schwierig sei zu entscheiden, wann Immunsuppressiva zum Einsatz kommen sollten. Das sind Medikamente, die die körpereigene Abwehr eindämmen und so Entzündungsprozessen entgegenwirken, beispielsweise „TNF-Antikörper“.

Bestimmte Anhaltspunkte helfen dabei, gemeinsam mit dem einzelnen Patienten die richtige Entscheidung zu treffen. Für die „frühe, intensive Therapie“ kommen insbesondere Patienten in Frage, die eine floride Entzündung im Dickdarm haben oder deren Dünndarm von der Entzündung betroffen ist, die jünger als 40 Jahre alt sind, die aufgrund der starken Entzündung bereits bei der Erstdiagnose ein „systemisch“ wirksames Kortison bekommen mussten und die unter Fisteln leiden. Sind diese Risikofaktoren vorhanden oder besteht eine aktive Erkrankung, die nicht zu kontrollieren ist, sollte frühzeitig – also unter Umständen schon in den ersten Monaten – eine immunsuppressive Therapie eingeleitet werden, so Siegmund.

„Bei Morbus Crohn-Patienten richtet sich das Immunsystem gegen den eigenen Körper“, erklärt Siegmund. „Warum das so ist, verstehen wir nicht in allen Details.“ In Teilen scheint die Krankheit vererbt, aber Umwelteinflüsse nehmen eine sehr viel größere Rolle ein. Rauchen verschlimmert den Verlauf der Krankheit und begünstigt auch das Rückfallrisiko.

In Deutschland leiden bis zu 150 000 Menschen an Morbus Crohn. Ärzte finden bei ihnen eine chronische Entzündung, die jeden Abschnitt des Verdauungstrakts befallen kann, meist jedoch den Darm betrifft. Die Krankheit bricht oft in jungen Jahren aus und kehrt in Schüben wieder. Das Ziel einer Behandlung ist es, die Symptome wie Durchfall, starke Bauchschmerzen, Appetitlosigkeit oder Gewichtsverlust zu lindern und die beschwerdefreie Phase so weit wie möglich zu verlängern, im Idealfall ein weitestgehend normales Leben zu ermöglichen.

Individualisierte Therapiekonzepte sind in diesem Jahr das zentrale Thema des Aktionstages „Chronisch entzündliche Darmerkrankungen“, der anlässlich des „World Inflammatory Bowel Disease“-Tages am 19. Mai 2015 stattfindet. Die Gastro-Liga organisiert an diesem Tag bundesweit Veranstaltungen und Experten-Hotlines. Betroffene und Interessierte können sich über das Krankheitsbild und die Behandlungsmöglichkeiten informieren.

Informationen im Internet:

http://www.dgvs.de/leitlinien/

http://www.gastro-liga.de/

Bluthochdruck gilt als „stiller Killer“

Bluthochdruck: Was Ur-Ozean, unsere Gene, Salz und Fett mit dem „stillen Killer“ zu tun haben

Interview mit dem Bluthochdruck-Experten Prof. Dr. Detlev Ganten zum Welt Hypertonie Tag am 17. Mai 2015

20 bis 30 Millionen Menschen haben allein in Deutschland einen zu hohen Blutdruck – das ist fast jeder dritte. An den Folgeerkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall  sterben laut Weltgesundheitsorganisation WHO jedes Jahr weltweit über neun Millionen Menschen. Das große Problem: Die meisten wissen nicht einmal, dass sie bereits erkrankt sind. Bluthochdruck (Hypertonie) gilt als „stiller Killer“.

Dabei ist es einfach, Bluthochdruck zu erkennen, zu behandeln und sogar zu vermeiden. Was jeder Einzelne tun kann, erklärt Professor Dr. Detlev Ganten. Er ist weltweit einer der führenden Bluthochdruck-Forscher, Facharzt für Pharmakologie und Molekulare Medizin, sowie Experte für Evolutionäre Medizin. Außerdem ist er Präsident des World Health Summit, der jährlichen internationalen Weltgesundheitskonferenz in Berlin.

Professor Ganten, Bluthochdruck ist zu einem weltweiten Gesundheitsproblem geworden. Wie konnte dies geschehen? Mediziner forschen doch seit Jahrzehnten zu diesem Thema.

Es stimmt: Wir befassen uns seit Jahren mit der Erforschung des Herz-Kreislauf-Systems und den medizinischen Zusammenhängen von Bewegung, Gesundheit und Bluthochdruck. Auch die Bedeutung unserer genetischen Erbanlagen wird immer wichtiger. Die Antwort allerdings liegt in unserer evolutionären Entwicklung: Wir Menschen sind auf Salz, Fett und Zucker fokussiert. Fett gab unseren Vorfahren Reserven für schlechte Zeiten, Zucker schnelle Energie in Gefahrensituationen und Salz ist für den Blutkreislauf essenziell. Wir leben bis heute mit diesem System, das auf ein Leben und Überleben als Jäger und Sammler ausgerichtet ist. Allerdings passt das überhaupt nicht mehr in unsere moderne Welt, in der die Hälfte aller Menschen in Städten leben und wir uns viel zu wenig bewegen. Wir nehmen heute deutlich mehr Salz, Zucker und Fett zu uns, als wir verbrauchen. Das treibt den Blutdruck in die Höhe. An den Folgeerkrankungen sterben jedes Jahr Millionen Menschen.

Die genaue Wechselwirkung von Bluthochdruck und Salz ist bis heute ein Geheimnis für die Wissenschaft: Warum treibt Salz bei dem einen den Blutdruck in die Höhe, bei dem anderen nicht?

Auch hier kommt die Antwort aus der Evolution: Beim Gang an Land, vor etwa 400 Millionen Jahren, als Amphibien, Reptilien und später auch unsere näheren Vorfahren entstanden, entwickelte sich ein Organ, dessen Konstruktionspläne auch heute noch den Blutdruck regulieren: Das Filterorgan Niere. Es sorgt dafür, dass überschüssiges Salz mit dem Urin aus dem Körper geschwemmt wird. Unsere Zellen sind aber bis heute an die Konzentration der Salze im Ur-Ozean angepasst. Unablässig befördern kleine Pumpen auf der Zellmembran Salze nach innen und wieder hinaus. Das  wird durch unsere Gene geregelt, die aber bei jedem Menschen ein wenig anders sind. Darum reagieren die einen mehr und die anderen weniger empfindlich auf Salz.

Wie kann man einen so individuellen Zusammenhang eindeutig erforschen?

Die einfachste Methode besteht darin, einer Gruppe von Menschen Salz zu essen zu geben und dann den Blutdruck zu messen. Bei den salzempfindlichen Menschen steigt er an, bei den unempfindlichen bleibt er normal. Wenn man jetzt die Gene untersucht, findet man Veränderungen in der salzempfindlichen Gruppe – diese Gene müssen verantwortlich sein für den Anstieg des Blutdrucks. Bluthochdruck und Salzempfindlichkeit sind also zum Teil über die Gene vererbbar. Das kann man heute in der Forschung gut nachvollziehen.

Das klingt relativ einfach. Ist ein Durchbruch im Kampf gegen Bluthochdruck in Sicht?

Der Ansatz mag einfach klingen, die Forschung an diesem Thema ist allerdings hochkomplex. Obwohl es schon viele gute Ergebnisse und hervorragende Medikamente gibt, sollte man sich nicht auf eine medizinische Lösung verlassen. Viel wichtiger ist, dass wir noch mehr an der Aufklärung der Menschen arbeiten, denn Bluthochdruck und seinen Folgen kann hervorragend vorgebeugt werden: Selber Blutdruck messen und bei Werten deutlich über 140/90 mmHg zum Arzt gehen, mehr auf gesunde Ernährung achten und sich mehr bewegen. Anstatt zu warten, bis wir krank werden um dann zum Arzt zu gehen, sollten wir es lieber gar nicht erst so weit kommen lassen. Das ist nicht nur gesünder, sondern macht das Leben auch deutlich lebenswerter!

(Quelle: World Health Summit)
www.worldhealthsummit.org

Vom 11. – 13. Oktober 2015 findet der siebte World Health Summit im Auswärtigen Amt in Berlin statt. Er steht unter der Schirmherrschaft von Bundeskanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Staatspräsident François Hollande und dem Präsidenten der Europäischen Kommission Jean-Claude Juncker.

Experten aus über 80 Ländern werden Themen des G7 Gipfels im Juni in Elmau fortsetzen und auf die United Nations Climate Change Conference (COP 21) im Dezember  in Paris vorbereiten. Bestätigte Sprecher sind unter anderem die Nobelpreisträger Ada Yonath (2009, Israel) und Thomas C. Südhof (2013, Deutschland), sowie Debra Jones (USA), Direktorin und UN Repräsentantin von Save the Children.

Nicht alle Patienten profitieren von einer Änderung ihres Lebensstiles

Diabetes Typ 2: Nicht alle Patienten profitieren von Lebensstiländerung

Berlin, Mai 2015 –In Deutschland sind mehr als sechs Millionen Menschen an Diabetes erkrankt, die meisten davon an Diabetes Typ 2. Jedes Jahr kommen etwa 270 000 Neuerkrankungen hinzu. In vielen Fällen helfen Bewegung, Ernährungsumstellung und Gewichtsabnahme, um das Risiko für Diabetes Typ 2 zu senken. Doch neuere Untersuchungen zeigen: Nicht jeder profitiert gleich stark von einer Veränderung des Lebensstils. Das Tübinger-Lebensstil-Interventionsprogramm (TULIP) und die darauf basierende deutschlandweite Prädiabetes-Lebensstil-Interventionsstudie (PLIS) des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD) untersuchen, warum manche Menschen zum Beispiel trotz Gewichtsabnahme und sogar bei Normalgewicht an Diabetes Typ 2 erkranken. Genetische Faktoren sowie der Anteil des Bauch- und Leberfetts scheinen hierbei eine besondere Rolle zu spielen.

Diabetes zählt zu den häufigsten chronischen Erkrankungen weltweit. Über 90 Prozent der Betroffenen hat einen Diabetes Typ 2, der durch mangelnde Bewegung und kalorienreiche Ernährung sowie Übergewicht begünstigt wird. Bislang war die moderate Umstellung des Lebensstils zu kalorienärmerer Ernährung, Sport und Gewichtsabnahme die erfolgversprechendste Methode, die Stoffwechsellage zu verbessern und Folgeerkrankungen vorzubeugen. „Doch die Studien zeigen auch, dass diese Methode nicht bei jedem Teilnehmer gleich effektiv ist“, erklärt Professor Dr. med. Norbert Stefan, Kongresspräsident des Diabetes Kongresses 2015. „Untersuchungen zufolge müssen sieben Personen mit einer Vorstufe des Diabetes über einen Behandlungszeitraum von drei Jahren solch eine Lebensstilintervention vornehmen, damit bei einer Person ein Diabetes tatsächlich verhindert werden kann.“

Im Tübinger Lebensstil-Interventions-Programm (TULIP) untersuchen Norbert Stefan und seine Kollegen, warum manche Patienten weniger stark oder auch gar nicht auf die Veränderung der Lebensgewohnheiten ansprechen. „Hierbei stellten wir fest, dass das Diabetesrisiko durch eine Änderung der Lebensgewohnheiten nicht immer sinkt“, führt Stefan, Leiter der Abteilung Klinisch-experimentelle Diabetologie der Medizinischen Klinik IV des Universitätsklinikums Tübingen, aus. Die Experten vermuten, dass genetische Variationen, welche die Insulinwirkung und die Insulinproduktion beeinflussen, der Grund für die unterschiedlichen Erfolge bei den Patienten sind. Beispielsweise steht ein Rezeptor des Fettgewebshormons Adiponektin im Fokus. Das Protein und Hepatokin Fetuin-A, das bei Fettleber vermehrt ausgeschüttet wird, spielt offensichtlich ebenso eine bedeutende Rolle. Denn es senkt die Insulinwirkung in den Körperzellen und steigert die Produktion von Entzündungsstoffen. „Diese sogenannten Biomarker können wir künftig eventuell dafür nutzen, das persönliche Diabetesrisiko besser vorherzusagen und zu ermitteln, welche Patienten von einer Umstellung des Lebensstils tatsächlich profitieren“, prognostiziert Stefan. Mit diesen Erkenntnissen könnte eventuell auch der Zusammenhang zwischen Fettleber, Diabetes Typ 2 und Herz-Kreislauferkrankungen aufgedeckt werden.

Die neue Volkskrankheit

Chronische Nasennebenhöhlenentzündung

Mehr als zehn Prozent der Deutschen leiden unter einer chronischen Rhinosinusitis. Diese auf den ersten Blick harmlos wirkende Erkrankung belästigt den Patienten durch chronischen Schnupfen, Sekret, das den Rachen hinunterläuft, Kopfschmerzen und Riechstörungen. International erlangt die chronische Rhinosinusitis deutlich mehr Aufmerksamkeit als in Deutschland, weil die individuelle Belastung des Patienten deutlich über diese körperlichen Symptome hinausgeht, weil weitere Erkrankungen in ihrer Entstehung begünstigt werden. So erkranken Patienten mit einer chronischen Rhinosinusitis deutlich häufiger an Lungenerkrankungen, wie Asthma bronchiale und COPD, nach
internationalen Daten haben sie aber auch ein erhöhtes Risiko, an Schlaganfall, Übergewicht oder einer Depression zu erkranken. Insgesamt sind dabei Männer und Frauen etwa gleich häufig betroffen.
Scheinbar sind bestimmte Berufsgruppen, wie Feuerwehrleute und Flugbegleiter, besonders gefährdet, an einer chronischen Rhinosinusitis zu erkranken.

Patienten, die an einem der oben genannten Symptome leiden, sind aufgerufen, einen HNO-Arzt aufzusuchen. Dieser kann durch eine Endoskopie der Nase verschiedene Unterformen der chronischen
Rhinosinusitis unterscheiden, beraten und eine spezifische Therapie einleiten. Diese ist häufig bereits konservativ erfolgreich, bei Versagen besteht aber auch die Option einer operativen Therapie. In
Deutschland wurden allein im Jahr 2009 mehr als 50 000 Prozeduren an Patienten im Bereich der Nasennebenhöhlen wegen einer chronischen Rhinosinusitis durchgeführt. Entsprechend ist diese
Erkrankung auch für unser Gesundheitssystem mit enormen Kosten verbunden.

Für die USA, in denen etwa 12 Prozent der Bevölkerung an der chronischen Rhinosinusitis leiden, wurden direkte Kosten der chronischen Rhinosinusitis bereits 1996 auf 4,5 Milliarden US-Dollar
geschätzt. Dabei erfolgen konstant seit Jahren mehr als zehn Millionen Arztkontakte pro Jahr (oder 1,3 Prozent aller Arztkontakte) nur aufgrund dieser Erkrankung.

Dieses enorme gesundheitspolitische Problem wurde in Korea erkannt und durch repräsentative Untersuchungen der Bevölkerung angegangen. Dabei zeigte sich zwischen 1996 und 2008 eine
Zunahme der chronischen Rhinosinusitis von 1,01 Prozent auf 7,12 Prozent. „Auch wenn dieser dramatische Anstieg teilweise auch durch Verbesserungen der Untersuchungstechnik erklärt werden
kann, sollte er Anlass sein, sich auch in Deutschland wissenschaftlich mehr mit der chronischen Rhinosinusitis zu beschäftigen“, führt PD Dr. med. habil. Achim G. Beule, Geschäftsführender Oberarzt der Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde, Kopf-und Halschirurgie der
Universitätsmedizin Greifswald weiter aus.

Im Rahmen einer großen europäischen Untersuchung berichten in der Region Duisburg 14,1 Prozent und in Brandenburg 6,9 Prozent der Befragten Beschwerden, die als typisch für eine chronische
Rhinosinusitis gelten. Bei Befragung der Ärzte wurde die Häufigkeit dieser Erkrankung mit 8,4 Prozent (Duisburg) beziehungsweise 4,6 Prozent (Brandenburg) deutlich unterschätzt. „Die Ursachen für diese Unterschiede können sowohl in der industriellen Ausrichtung in der Region des Niederrheins und Ruhrgebietes liegen, wie in günstigen Nachwirkungen der deutschen Teilung“, stellt Beule dar.
„Andererseits muss auch an die Möglichkeit eines erschwerten Zuganges des Patienten zum HNO-Arzt, gerade in ländlichen Regionen, gedacht werden.“

 

Die Wiederentdeckung des freien Willens

SELBSTSTEUERUNG

Das große Sachbuch dieses Frühjahrs: Wie wir die Macht über unser Leben zurückgewinnen.

Selbststeuerung von Joachim BauerHöre auf deinen Bauch, folge deinen Gefühlen, vertraue auf deine Impulse. So der Tenor, in dem uns wissenschaftliche Bücher in den letzten Jahren darauf eingeschworen haben, unserem rationalen, abwägenden Denken nicht mehr die Bedeutung beizumessen, die ihm gebührt.

Joachim Bauers Selbststeuerung ist der lange überfällige Aufruf dazu, unsere auf Autopilot fahrenden Verhaltensweisen als das zu sehen, was sie sind: kurzsichtig und fehleranfällig. Studien zeigen: Seine Impulse kontrollieren und vorübergehende Anstrengungen auf sich nehmen zu können ist nicht nur die unabdingbare Voraussetzung für langfristige persönliche Erfolge und gute soziale Beziehungen. Die Fähigkeit zur Selbststeuerung schützt vor allem auch die Gesundheit, und erkrankten Menschen kann sie ein Heilmittel sein. Anstatt ständig den Reizen der Außenwelt zu folgen, sollten wir selbst entscheiden. Der freie Wille ist zurück, und das ist gut so.

Wissenschafts-Bestsellerautor Joachim Bauer erläutert in seinem neuesten Buch die aktuellen Forschungsergebnisse aus den unterschiedlichsten Disziplinen zu diesem Thema. Er zeigt, was diese unmittelbar für jeden Einzelnen bedeuten und welche Konsequenzen für die Psychologie, die Bildungs- oder die Gesundheitspolitik daraus zu ziehen sind. Soweit der Verlag zum Buch.

Gestern Abend (7. Mai 2015) kamen rd. 500 Menschen in Freiburg zur Lesung Bauers aus seinem neuen Buch. In gewohnt charmanter Art gab Bauer Informationen und Unterhaltsames aus seinen Forschungsergebnissen wieder. Es war ihm wohl ein großes Anliegen auf die Entwicklung von Säuglingen zum eigenen Ich einzugehen. Er klärte auf, dass Säuglinge sich erst über den wiederkehrenden Kontakt zu ihren Bezugspersonen zum eigene Ich in Verbindung mit dem Du entwickeln. Bauer richtete fast mahnende Worte an Eltern, dass sie ihre Säuglinge nicht in die Obhut von Krippen geben sollen, die einen viel zu kleinen Personalschlüssel haben, weil sich dann die Erzieherinnen nicht ausreichend um die einzelnen Babys kümmern können. Die Folgen sind für die Säuglinge oft von großer Tragweite in ihrem späteren Leben.

Selbststeuerung heißt auch Eigenverantwortung übernehmen. Wir sind durchaus dafür verantwortlich, wenn wir durch schlechte Angewohnheiten uns Krankheitsrisiken aussetzen, die wir bei gesunder Lebensweise hätten verhindern können. Rauchen, ständiger Alkohol- und Fleischkonsum zählen mit zu den gefährlichsten Krebsauslösern unserer Zeit. Dennoch werden sie noch immer von sehr vielen Menschen als wenig bis unproblematisch eingestuft. Verzicht mit Blick auf einen späteren viel größeren Genuss oder Erfolg zu üben, ist einzig und alleine Sache unserer Selbststeuerung. Wir entscheiden, ob wir uns dem kurzfristigen Genuss mit all seinen möglichen Spätfolgen hingeben wollen.

Trotz des einen oder anderen wissenschaftlichen Diskurses ist das neue Buch von Joachim Bauer auch für Laien sehr lesenswert.

 

Kurzvita

Prof. Dr. med. Joachim Bauer ist Neurobiologe, Arzt und Psychotherapeut und lehrt an der Universität Freiburg. Für seine Forschungsarbeiten erhielt er 1996 den renommierten Organon-Preis der Deutschen Gesellschaft für Biologische Psychiatrie. Er veröffentlichte zahlreiche Sachbücher, unter anderem Das Gedächtnis des Körpers. Wie Beziehungen und Lebensstile unsere Gene steuern, Warum ich fühle, was du fühlst. Intuitive Kommunikation und das Geheimnis der Spiegelneurone sowie Lob der Schule. Sieben Perspektiven für Schüler, Lehrer und Eltern. Zuletzt erschienen bei Blessing Schmerzgrenze. Vom Ursprung alltäglicher und globaler Gewalt (2011) und der SPIEGEL-Bestseller Arbeit. Warum unser Glück von ihr abhängt und wie sie uns krank macht (2013).

Urteilsverkündung im Transplantationsprozess

Stellungnahme der Deutschen Transplantationsgesellschaft (DTG) e.V. zur Urteilsverkündung im sog. Transplantationsprozess am Landgericht in Göttingen

Das Landgericht Göttingen hat heute den früheren Leiter der Transplantationschirurgie
der Universitätsmedizin Göttingen von den Vorwürfen des versuchten Totschlages in elf
Fällen sowie der vorsätzlichen Körperverletzung mit Todesfolge in drei Fällen
freigesprochen.

Im Prozess beriefen sich der Angeklagte und dessen Verteidiger auf die ärztliche
Therapiefreiheit und begründeten ein Übertreten bestehender Richtlinien der
Bundesärztekammer zur Transplantationsmedizin mit dem Ziel schwerkranken Patienten
eine lebensrettende Transplantation zukommen lassen zu können. Vorwürfe einer
fehlenden Indikation zur Operation und einer mangelnden Aufklärung der Patienten
über Risiken einer Transplantation wurde durch ein Verweisen auf eine Zuständigkeit von
Ärzten anderer Fachdisziplinen entgegnet.

Die juristischen Befassungen und Konsequenzen dieser Fälle kann die Deutsche
Transplantationsgesellschaft (DTG) als medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaft
und ohne genaue Prüfung der schriftlichen Urteilsbegründung nicht abschließend
bewerten, folgende Anmerkungen sind jedoch dringlich geboten:

– Prof. Björn Nashan, Präsident der DTG, erklärt, dass die DTG ohne jede Einschränkung
zu den bestehenden Vorgaben und Regelungen in der Transplantationsmedizin
insbesondere durch das deutsche Transplantationsgesetz und die entsprechenden
Richtlinien der Bundesärztekammer steht.

– Auch die Transplantationsmedizin ist einem stetigen Wandel unterworfen, vor allem
durch das Gewinnen neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse und retrospektive

Auswertung von Behandlungsprinzipien, wie Prof. Bernhard Banas, President Elect der
DTG, erläutert. Dies führt dazu, dass bestehende Regelungen angepasst werden
müssen, um im gesamten Prozess von der Organspende bis zum Langzeiterfolg einer
Transplantation bessere Ergebnisse erzielen zu können. Hierfür gibt es transparente,
etablierte und kontrollierte Wege, in die alle beteiligten Institutionen,
Fachgesellschaften und -verbände, die Auftraggeber im Gesundheitswesen, alle
zuständigen Behörden und nicht zuletzt Patientenvertreter und die Öffentlichkeit
eingebunden sind. Für ein willentliches oder gar systematisch-vorsätzliches Verstoßen
Einzelner gegen das Transplantationsgesetz und gegen die Richtlinien der
Bundesärztekammer hat die DTG keinerlei Verständnis.

– Prof. Christian Hugo, Generalsekretär der DTG, weist daraufhin, dass es leider bisher
noch weithin unbekannt ist, dass nach Bekanntwerden von Fehlverhalten in der
Transplantationsmedizin weitreichende Änderungen im Transplantationsgesetz und in
den Richtlinien zur Transplantation erfolgten: Das in fast allen Transplantationszentren
schon immer übliche interdisziplinäre Mehraugenprinzip wurde festgeschrieben, um
eine gegenseitige ärztliche Kontrolle und eine vollumfängliche Patientenaufklärung und
-betreuung noch besser gewährleisten zu können. Regelverstöße haben mittlerweile
klar definierte, strafrechtliche Konsequenzen. Dem Ruf nach einer besseren staatlichen
Kontrolle der Transplantationsmedizin wurde bereits Rechnung getragen, in dem alle
Richtlinienänderungen erst nach Prüfung und Genehmigung des Bundesministeriums für
Gesundheit in Kraft treten können.

Wie schon unmittelbar nach dem Bekanntwerden von Manipulationen und
Fehlverhalten in der Transplantationsmedizin distanziert sich die DTG erneut auf das
Schärfste von solchem Tun. Dies ist sowohl in der Satzung als auch dem
Fachgesellschafts-eigenen Transplantationskodex unmissverständlich nachzulesen. Dass
in der Folge von Manipulation und Fehlverhalten das Transplantationswesen insgesamt
in Misskredit geriet und dass durch einen weiteren Rückgang der Organspende
betroffenen Patienten nicht mit einer lebensrettenden Transplantation geholfen werden
konnte, bedauert der Vorstand der DTG zutiefst.

Hintergrundinformation zur Deutschen Transplantationsgesellschaft (DTG) e.V.:

Die Deutsche Transplantationsgesellschaft (DTG) e.V. ist die fachübergreifende
Vertretung von über 700 Ärzten und anderen Personen, die sich in Deutschland
organisatorisch, klinisch und wissenschaftlich für die Förderung der Organspende und
der Transplantationsmedizin einsetzen. Die DTG ist nicht nur als wissenschaftliche
Gesellschaft in der Transplantationsmedizin anerkannt, sondern hat auch beratende
Funktionen in der Interaktion mit Institutionen wie der Bundesärztekammer, der
Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) und der Stiftung Eurotransplant
übernommen. Zudem beteiligt sich die DTG an den Aufgaben der
sektorenübergreifenden Qualitätssicherung in der Medizin. Die DTG setzt sich für die
Transparenz in der Transplantationsmedizin ein.