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Keine Studien zu Schlaganfallvorsorge mit Ultraschall

Die IGeL „Ultraschall der Halsschlagadern zur Schlaganfallvorsorge“ ist die 38. Leistung, die der IGeL-Monitor inzwischen bewertet hat.

Die Ultraschalluntersuchung der Halsschlagadern ist eine häufige IGeL. Studien zum Nutzen haben die Experten des IGeL-Monitors dennoch keine gefunden. Mögliche Schäden sind aber erwartbar.

Der IGeL-Monitor bewertet in seinem neuesten Gutachten den Ultraschall der Halsschlagadern zur Schlaganfallvorsorge mit „tendenziell negativ“. Dies gilt für Menschen ab 50, die keine Beschwerden haben. Es fanden sich keine aussagekräftigen Studien zum Nutzen der Maßnahme. Man weiß also nicht, ob Menschen, die ihre Halsschlagadern untersuchen und sich gegebenenfalls entsprechend behandeln lassen, tatsächlich seltener einen Schlaganfall bekommen als Menschen, die sich nicht untersuchen lassen. Andere Studien weisen jedoch auf mögliche Schäden hin.

An Schäden sind vor allem unnötige Untersuchungen und unnötige Behandlungen zu nennen: Ein auffälliger Ultraschallbefund wird unter Umständen mit weiteren Untersuchungen abgeklärt. Diese Untersuchungen können Nebenwirkungen haben, etwa durch Röntgenstrahlen und Kontrastmittel. Dabei kann sich herausstellen, dass der Befund doch nicht so schlimm ist und man besser nichts unternimmt. Wenn sich dagegen bei der Abklärung des Befundes herausstellt, dass man den Menschen behandeln sollte, heißt das noch lange nicht, dass er ohne Behandlung irgendwann einen Schlaganfall bekommen hätte. Er wird aber trotzdem behandelt, weil man vorher nicht weiß, welche Verengung vielleicht Probleme macht.

Der Ultraschall der Halsschlagadern gehört zu einer ganzen Reihe von Maßnahmen, die Ärztinnen und Ärzte unter den Begriffen „Herz-Kreislauf-Vorsorge“ oder „Gefäß-Check“ anbieten. Sie wollen damit Risiken für einen Schlaganfall frühzeitig erkennen, um dann – beispielsweise mit Medikamenten – entsprechend gegensteuern zu können. Das soll Schlaganfälle verhindern helfen, so das Versprechen der IGeL-Anbieter. Ihre Zuversicht stützt sich auf folgende Überlegungen: Gehirn und Herz müssen ständig mit ausreichend Blut versorgt werden. Bricht die Versorgung ab, bekommen Gehirn und Herz zu wenig Sauerstoff. Dann sterben einzelne Bereiche ab und man spricht von einem Schlaganfall oder Herzinfarkt. Jährlich bekommen rund 200.000 Menschen in Deutschland einen Schlaganfall, weil ihr Gehirn nicht ausreichend versorgt wird. Bei 30.000 Menschen ist eine verengte Halsschlagader die Ursache dafür. Nach diesen Verengungen zu suchen und sie frühzeitig zu behandeln, könnte sich also sehr lohnen.

Das neue Gutachten des IGeL-Monitors zeigt jedoch, dass die Hoffnung, Schlaganfälle mit Ultraschalluntersuchungen der Halsschlagadern verhindern zu können, sich nicht auf Studien stützen kann.

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Hintergrund:
Unter www.igel-monitor.de erhalten Versicherte evidenzbasierte Bewertungen zu sogenannten Selbstzahlerleistungen. Entwickelt wurde die nicht-kommerzielle Internetplattform vom Medizinischen Dienst des GKV-Spitzenverbandes (MDS). Der MDS berät den GKV-Spitzenverband in allen medizinischen und pflegerischen Fragen, die diesem qua Gesetz zugewiesen sind. Er koordiniert und fördert die Durchführung der Aufgaben und die Zusammenarbeit der Medizinischen Dienste der Krankenversicherung (MDK) auf Landesebene in medizinischen und organisatorischen Fragen.

Die IGeL „Ultraschall der Halsschlagadern zur Schlaganfallvorsorge“ ist die 38. Leistung, die der IGeL-Monitor inzwischen bewertet hat. Bislang gab es folgende Bewertungen: 0 „positiv“, 3 „tendenziell positiv“, 15 „unklar“, 15 „tendenziell negativ“, 3 „negativ“, 2 IGeL-Bewertungen wurden vom Netz genommen, da sie aktuell überarbeitet werden. 4 weitere IGeL wurden nicht bewertet, sondern nur besprochen.

Privatpatienten sind nicht immer besser dran

IGeL-Monitor: Patienten werden über Schaden von IGeL kaum informiert

MDS Berlin/Essen, 12. Juli 2016 82 Prozent der Versicherten kennen Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL). Und jeder Zweite (52 Prozent), der die Selbstzahlerleistungen in der Arztpraxis angeboten bekommt, nimmt sie an. Drei Viertel der Patienten fühlen sich aber nicht ausreichend über Schäden informiert – das sind die Ergebnisse der Evaluation des IGeL-Monitors, bei der 2.149 Versicherte repräsentativ befragt worden sind.

Quelle "Grafik: Techniker Krankenkasse"

Quelle „Grafik: Techniker Krankenkasse“

„Für manche Facharztgruppe ist das IGeLn zum Volkssport geworden. Der IGeL-Markt boomt. Information und Aufklärung geraten in der Praxis dabei manchmal in den Hintergrund. Aus unserer Sicht sind die Ärzte gefordert, über Nutzen und mögliche Risiken der Selbstzahlerleistungen ausführlich aufzuklären“, sagt Dr. Peter Pick, Geschäftsführer des MDS. Dafür müssten schriftliche Informationen zur Verfügung gestellt werden. Die Patienten sollten zudem ausreichend Bedenkzeit erhalten und nicht unter Druck gesetzt werden.

Der Bedarf der Patienten an fundierten Informationen ist unverändert groß. Das zeigt auch die Resonanz des IGeL-Monitors: An normalen Tagen informieren sich zwischen 1.000 und 3.000 Besucher auf dem Informationsportal, an Spitzentagen sind es bis zu 45.000. „Patienten brauchen wissenschaftlich fundierte Informationen, damit sie sich bewusst für oder gegen eine Selbstzahlerleistung entscheiden können. Anliegen des IGeL-Monitors ist es, das Informationsgefälle zwischen Arzt und Patient zu verringern. Die Patienten sollen als informierte Patienten entscheiden können“, erläutert Pick.

Neu bewertet: Ergänzende Ultraschall-Untersuchungen in der Schwangerschaft „unklar“

Wie wichtig fundierte Informationen für Patienten sind, wird auch bei der jüngsten Bewertung des IGeL-Monitors deutlich. Nutzerinnen berichten sowohl auf IGeL-Monitor als auch auf igel-aerger.de, dem kooperierenden Beschwerdeportal der Verbraucherzentrale NRW, dass sie sich verunsichert fühlen, wenn sie sich für oder gegen IGeL in der Schwangerschaft entscheiden sollen. Die  Experten des IGeL-Monitors haben daher mehrere dieser IGeL unter die Lupe genommen – aktuell bewertet haben sie ergänzende Ultraschall-Untersuchungen in der Schwangerschaft. Dazu erklärt Dr. Michaela Eikermann, Leiterin des Bereichs Evidenzbasierte Medizin beim MDS: „Nach Auswertung der wissenschaftlichen Studien können wir sagen: Ergänzende Ultraschalluntersuchungen, die über die üblichen Vorsorgeleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung hinausgehen, schaden nicht. Sie nützen aber auch nicht. Daher haben wir diese IGeL mit „unklar“ bewertet. Wenn Eltern die Entwicklung ihres Kindes im sogenannten „Baby-Fernsehen“ mitverfolgen möchten, so ist das unbedenklich. Aber wer diese IGeL nicht in Anspruch nehmen möchte oder kann, der braucht kein schlechtes Gewissen haben.“

Der IGeL-Monitor hat inzwischen 41 IGeL bewertet und beschrieben. Das Spektrum reicht von Akupunktur in der Schwangerschaft über Lichttherapie bei saisonal depressiver Störung bis hin zur Bestimmung des Immunglobin G (IgG) gegen Nahrungsmittel. „Unsere Bewertungen zeigen, dass vieles, was in den Praxen angeboten wird, der wissenschaftlichen Bewertung nicht Stand hält. Beim überwiegenden Teil können wir nicht von Hinweisen für einen Nutzen, sondern eher von Hinweisen für einen Schaden für den Patienten sprechen“, sagt Eikermann.

IGel-Monitor gleicht Informationsdefizite der Patienten aus

Der IGeL-Monitor unterstützt Patienten, eine informierte Entscheidung zu treffen – dies hat auch die Evaluation bestätigt. „82 Prozent der Befragten geben an, sie würden den IGeL-Monitor erneut besuchen. Drei Viertel der Nutzer sagen, dass sie ihre Entscheidung für oder gegen ein IGeL-Angebot überdenken würden, wenn sie die Informationen vorher gehabt hätten“, erklärt Dr. Christian Weymayr, freier Medizinjournalist und Projektleiter IGeL-Monitor. „Das zeigt auch: Der IGeL-Monitor gleicht Informationsdefizite der Patienten aus. Die Patienten sehen die Informationen als hilfreich, glaubwürdig und entscheidungsrelevant an.“

Hintergrund:

Die Bewertungen des IGeL-Monitors basieren auf den Methoden der Evidenzbasierten Medizin (EbM). Das heißt: Für die Bewertung von Nutzen und Schaden einer IGeL-Leistung recherchiert das Team aus Medizinern und Methodikern beim MDS in medizinischen Datenbanken. Die Wissenschaftler tragen die Informationen nach einer definierten Vorgehensweise zusammen und werten sie systematisch aus. Das IGeL-Team wägt Nutzen und Schaden gegeneinander ab und fasst das Ergebnis in einer Bewertungsaussage zusammen, die von „positiv“, „tendenziell positiv“ und „unklar“ bis zu „tendenziell negativ“ und „negativ“ reicht. Alle Analyseschritte einer Bewertung sind auf dem IGeL-Monitor dokumentiert. Jede bewertete IGeL wird in mehreren Ebenen dargestellt, die von Stufe zu Stufe ausführlicher und fachlicher wer-den: von der zusammenfassenden Bewertungsaussage bis hin zu den für ein Fachpublikum hinterlegten Ergebnissen der wissenschaftlichen Recherche und Analyse. Versicherte erfahren außerdem, welche Leistungen von den gesetzlichen Krankenkassen bei den Beschwerden übernommen werden, für die der Arzt ihnen die IGeL-Leistung anbietet. Sie erhalten auch Auskunft über die Preisspanne, zu der eine IGeL angeboten wird. Und schließlich gibt der IGeL-Monitor Tipps, wie sich Versicherte im konkreten Fall verhalten können, wenn ihnen IGeL angeboten werden.

Der MDS berät den GKV-Spitzenverband in allen medizinischen und pflegerischen Fragen, die diesem qua Gesetz zugewiesen sind. Er koordiniert und fördert die Durchführung der Aufgaben und die Zusammenarbeit der Medizinischen Dienste der Krankenversicherung (MDK) auf Landesebene in medizinischen und organisatorischen Fragen

Gutverdiener bekommen vom Arzt besonders häufig IGeL-Leistung angeboten

Quelle "Grafik: Techniker Krankenkasse"

Quelle „Grafik: Techniker Krankenkasse“

 

Im Schnitt haben sieben von zehn gesetzlich Versicherten mit einem monatlichen Haushaltsnettoeinkommen von mehr als 3.000 Euro mindestens einmal eine IGeL-Leistung vom Arzt angeboten bekommen. Bei Befragten mit einem Einkommen unter 1.5000 Euro sind es vier von zehn. Das zeigt der TK-Meinungspuls 2016. Betrachtet man das Geschlecht der Versicherten, erhalten Frauen häufiger als Männer eine Selbstzahler-Leistung angeboten (55 zu 45 Prozent).

IGeL-Leistungen: Jeder dritte Patient ohne schriftliche Vereinbarung

Mehr als jeder dritte Patient (36 Prozent) bekommt nichts Schriftliches in die Hand, wenn er beim Arzt eine sogenannte Individuelle Gesundheitsleistung (IGeL) in Anspruch nimmt. Das zeigt der TK-Meinungspuls 2016. IGeL gehören per Gesetz nicht zum Katalog der Krankenkassen und müssen privat gezahlt werden. Generell gilt: Der Arzt ist verpflichtet, den Patienten vor Beginn der Behandlung schriftlich über die Kosten zu informieren und mit ihm einen schriftlichen Behandlungsvertrag abzuschließen.

 

Wohin geht das Geld im Gesundheitssystem?

Patientenabzocke: Wohin geht das Geld im Gesundheitssystem?

Ein Film von Christina Zühlke

Mittwoch, 20. Januar 2016, 22.10 – 22.55 Uhr, WDR Fernsehen

Dr. Ernst Girth sagt, wenn private Krankenhausträger Gewinne machen, dass können sie das nur auf Kosten der Behandlungs-qualität machen.

Dr. Ernst Girth sagt, wenn private Krankenhausträger Gewinne machen, dass können sie das nur auf Kosten der Behandlungs-qualität machen.

Sind wir im deutschen Gesundheitssystem rundum versorgt? Oder ist das eine Illusion? Ärzte und Krankenpfleger klagen seit Jahren über Überlastung – es fehlt also an Personal, an GELD fürs Personal. Andererseits berichten Ärzte, dass Operationen stattfinden, die eigentlich unnötig sind. Aber das Krankenhaus bekommt dann mehr Geld. Eine junge Ärztin sagt: „Ich bin manchmal nicht sicher, ob ich den Menschen helfe oder nicht mehr schade!“
In Arztpraxen werden Patienten regelmäßig aufgefordert, mit einer Individuellen Gesundheits-Leistung, kurz IGEL, doch ein bisschen mehr für ihre Gesundheit zu tun. Sinnvoller Zusatz oder Geldmacherei? Der Sprecher des demokratischen Ärztebundes sagt: „Igel-Leistungen wurden erfunden, um den Ärzten zusätzliche Einnahmen zu ermöglichen.“

Manuela Posewski musste nach einer Krebser-krankung fast 2 Jahre für eine Reha kämpfen. Fast hätte die alleinerziehende Mutter aufgegeben, sie hatte einfach keine Kraft mehr. © WDR

Manuela Posewski musste nach einer Krebser-krankung fast 2 Jahre für eine Reha kämpfen. Fast hätte die alleinerziehende Mutter aufgegeben, sie hatte einfach keine Kraft mehr. © WDR

Eine Krankenkasse fordert regelmäßig von den Krankenhäusern Geld zurück, weil sehr viele Rechnungen „fehlerhaft“ sind. Das sei sicher keine Absicht, sagen die Mitarbeiter. Dagegen sagt ein Kriminologe: „Deutsche Krankenhäuser mit ihrem Abrechnungen sind ein kriminalitätsförderndes Umfeld!“
Die Recherchen von Autorin Christina Zühlke beginnen damit, dass sie selbst eine seltsame Rechnung aus dem Krankenhaus bekommt und versucht, diese Rechnung zu kontrollieren. Daran scheint aber niemand ein Interesse zu haben, nicht mal die Krankenkasse. Die Autorin redet mit ehemaligen Chefärzten, die vom unauffälligen Druck der Verwaltung erzählen. Sie trifft eine alleinerziehende Mutter, die zweieinhalb Jahre dafür kämpfen musste, dass sie nach einer Krebserkrankung in Kur fahren durfte. Und sie trifft einen Wissenschaftler, der sagt: Arme Menschen sind in Deutschland die Verlierer des Gesundheitssystems. Sie sterben im Durchschnitt zehn Jahre früher.

Wirkungslose ärztliche Leistungen kosten sehr viel Geld

Überversorgung und Behandlungskosten vermeiden

Ärzte verordnen immer wieder Leistungen, die unnötig oder manchmal sogar schädlich für Patienten sind, weil Patienten das zum Teil einfordern, vor allem aber weil es Geld bringt. Dazu zählen auch die IGeL Angebote, die von Ärzten erbracht, aber von den gesetzlichen und vielen privaten Krankenkassen nicht bezahlt werden.

Inzwischen ist ein funktionierender Markt rund um diese Leistungen entstanden. Hier ein Beispiel:

Beispiel für IGeL - Vermarktung in der Arztpraxis

Beispiel für IGeL – Vermarktung in der Arztpraxis

Mit Hilfe von TV-Spots und Videoclips sollen Patienten im Wartezimmer auf die Notwendigkeit der IGeL Leistungen eingestimmt werden. Für Ärzte ist es dann ein Leichtes diese Leistungen ihren Patienten zu verkaufen, obwohl die Ärzte sehr genau wissen, dass viele IGeL Leistungen völlig unnütz sind.

Man darf sich also getrost fragen, ob eine Negativliste nicht eher dazu beiträgt, dass Leistungen, die bislang von den Krankenkassen übernommen wurden, in den Bereich der IGeL Leistungen abgedrängt werden. Für die Ärzte wäre das ein gutes Zusatzgeschäft, könnten sie so die Preise erhöhen. Man schimpft gemeinsam auf die Kassen und schafft auch noch eine Vertrauensbasis der besonderen Art. Im Grunde bleibt dann alles beim alten für die Ärzte. Und die Patienten dürfen am Ende die ganze Zeche selbst bezahlen.

Viel Geld könnten die Krankenkassen sparen, wenn sie das Mammogrphiescreening abschaffen würden. Es hat sich nicht als derart sinnvoll erwiesen, wie es einst verkündet wurde. Frauen, die keine Mammaographie wollten, wurden immer wieder bedrängt, zum Screening zu gehen, obwohl in vielen Fällen eine Ultraschalluntersuchung ausreichend gewesen wäre. Mit der Angst vor Brustkrebs lassen sich gute Geschäfte machen. Wer übernimmt die Verantwortung, wenn profitorientierte Ärzte derartige Ängste schamlos ausnutzen? Die Einführung des Screening wurde mit viel Geld beworben. Eine Abschaffung würde wahrscheinlich eher lautlos vor sich gehen.

121. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM)18. bis 21. April 2015, Congress Center Rosengarten Mannheim

DGIM fordert Benennung unnötiger medizinische Leistungen

Wiesbaden – Nicht immer ist medizinisches Handeln am Patienten sinnvoll und notwendig. Mit diesem Hinweis veröffentlicht die US-amerikanische Ärzte-Initiative „Choosing wisely“ seit 2012 Listen mit ärztlichen Leistungen, die sich als wirkungslos oder sogar schädlich erwiesen haben. Eine ähnliche Liste veröffentlichten Schweizer Internisten im Mai 2014. Die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin e.V. (DGIM) sieht in diesen Initiativen ein Vorbild für Deutschland, um Überbehandlung zu vermeiden und damit auch Kosten zu senken. Mit einer neuen Task Force möchte die DGIM hierzulande mehr Bewusstsein für das Problem schaffen.

„Verschreiben Sie keine Antibiotika gegen Atemwegsinfekte. Wiederholen Sie eine Darmspiegelung nur alle zehn Jahre, sofern die Resultate unauffällig sind. Machen Sie kein Osteoporose-Screening bei Frauen unter 65 Jahren, wenn kein erhöhtes Risiko vorliegt.“ Dies sind drei Beispiele für medizinische Leistungen, die die amerikanische und die Schweizer Initiative infrage stellen. „Viele medizinische Eingriffe bedeuten auch eine Belastung für den Patienten“, sagt der DGIM-Vorsitzende Professor Dr. med. Michael Hallek aus Köln. „Als Ärzte ist es nicht nur unsere Pflicht zu behandeln, sondern auch Behandlungen zu unterlassen, wenn sie dem Patienten nichts nützen oder ihm sogar schaden könnten.“

Bei vielen Leistungen auf diesen Listen handelt es sich um lang etablierte Methoden, die nicht mehr dem heutigen Kenntnisstand entsprechen. Denn nicht immer handelten Ärzte nach dem neuesten Stand der Erkenntnis, sondern nutzen Methoden, die sie aus eigener Erfahrung kennen, so Hallek: „Erfahrung ist zwar extrem wichtig, doch wenn nicht regelmäßig ein Abgleich mit der medizinischen Entwicklung stattfindet, hängt veraltetes Wissen als Ballast an uns und den Patienten und bindet auch Mittel, die an anderer Stelle fehlen“, so der Internist. Problematisch sei zudem, dass das Gesundheitssystem zuweilen falsche ökonomische Anreize setze. Für das Gespräch mit dem Patienten etwa oder das bewusste Unterlassen von Behandlungen bekommt ein Arzt wenig erstattet, so der Direktor der Klinik für Innere Medizin I der Universität zu Köln: „Das Gespräch mit dem Patienten ist eine wichtige ärztliche Tätigkeit, die künftig besser honoriert werden muss, auch wenn der Arzt anschließend keine weitere Untersuchung anordnet oder kein Medikament verschreibt.“

Die neue Task Force „Unnötige Leistungen“ der DGIM will für diese Problematik sensibilisieren. „Wir müssen ein Bewusstsein dafür schaffen, dass ein Zuviel an medizinischer Fürsorge ähnlichen Schaden anrichten kann, wie das Unterlassen einer nötigen Leistung“, sagt Task-Force-Leiter Professor Dr. med. Gerd Hasenfuß aus Göttingen, der ebenfalls dem Vorstand der DGIM angehört. Die amerikanischen Empfehlungen seien dafür eine sehr gute Hilfe, aber nicht ohne weiteres auf deutsche Verhältnisse übertragbar. Deswegen arbeitet die DGIM an eigenen Empfehlungen. „Ein stärkeres Bewusstsein für die Notwendigkeit medizinischer Maßnahmen kann nicht nur eine Qualitätssteigerung, sondern auch eine sinnvolle Kosteneinsparung für das Gesundheitswesen bedeuten“, betont Hallek. Im Rahmen der Eröffnungs-Pressekonferenz am Samstag, den 18. April 2015 anlässlich des 121. Internistenkongresses in Mannheim diskutieren Experten die Initiative „Choosing wisely“ aus der Perspektive verschiedener internistischer Fachbereiche.

Terminhinweise:

Plenarvortrag „Die ärztliche Kunst des Seinlassens“
Referent: Prof. Giovanni Maio, Freiburg
Termin: Samstag, 18. April 2015, 11.45 bis 12.15 Uhr
Ort: Congress Center Rosengarten, Mannheim, Saal 4
Adresse: Rosengartenplatz 2, 68161 Mannheim
 
Klinisches Symposium „Choosing Wisely – Klug Entscheiden“
Vorsitz: Prof. Michael Hallek, Köln
Termin: Sonntag, 19. April 2015, 10.00 bis 11.30 Uhr
Ort: Congress Center Rosengarten, Mannheim, Saal 4
Adresse: Rosengartenplatz 2, 68161 Mannheim