Stellungnahme der Deutschen Transplantationsgesellschaft (DTG) e.V. zur Urteilsverkündung im sog. Transplantationsprozess am Landgericht in Göttingen
Das Landgericht Göttingen hat heute den früheren Leiter der Transplantationschirurgie
der Universitätsmedizin Göttingen von den Vorwürfen des versuchten Totschlages in elf
Fällen sowie der vorsätzlichen Körperverletzung mit Todesfolge in drei Fällen
freigesprochen.
Im Prozess beriefen sich der Angeklagte und dessen Verteidiger auf die ärztliche
Therapiefreiheit und begründeten ein Übertreten bestehender Richtlinien der
Bundesärztekammer zur Transplantationsmedizin mit dem Ziel schwerkranken Patienten
eine lebensrettende Transplantation zukommen lassen zu können. Vorwürfe einer
fehlenden Indikation zur Operation und einer mangelnden Aufklärung der Patienten
über Risiken einer Transplantation wurde durch ein Verweisen auf eine Zuständigkeit von
Ärzten anderer Fachdisziplinen entgegnet.
Die juristischen Befassungen und Konsequenzen dieser Fälle kann die Deutsche
Transplantationsgesellschaft (DTG) als medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaft
und ohne genaue Prüfung der schriftlichen Urteilsbegründung nicht abschließend
bewerten, folgende Anmerkungen sind jedoch dringlich geboten:
– Prof. Björn Nashan, Präsident der DTG, erklärt, dass die DTG ohne jede Einschränkung
zu den bestehenden Vorgaben und Regelungen in der Transplantationsmedizin
insbesondere durch das deutsche Transplantationsgesetz und die entsprechenden
Richtlinien der Bundesärztekammer steht.
– Auch die Transplantationsmedizin ist einem stetigen Wandel unterworfen, vor allem
durch das Gewinnen neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse und retrospektive
Auswertung von Behandlungsprinzipien, wie Prof. Bernhard Banas, President Elect der
DTG, erläutert. Dies führt dazu, dass bestehende Regelungen angepasst werden
müssen, um im gesamten Prozess von der Organspende bis zum Langzeiterfolg einer
Transplantation bessere Ergebnisse erzielen zu können. Hierfür gibt es transparente,
etablierte und kontrollierte Wege, in die alle beteiligten Institutionen,
Fachgesellschaften und -verbände, die Auftraggeber im Gesundheitswesen, alle
zuständigen Behörden und nicht zuletzt Patientenvertreter und die Öffentlichkeit
eingebunden sind. Für ein willentliches oder gar systematisch-vorsätzliches Verstoßen
Einzelner gegen das Transplantationsgesetz und gegen die Richtlinien der
Bundesärztekammer hat die DTG keinerlei Verständnis.
– Prof. Christian Hugo, Generalsekretär der DTG, weist daraufhin, dass es leider bisher
noch weithin unbekannt ist, dass nach Bekanntwerden von Fehlverhalten in der
Transplantationsmedizin weitreichende Änderungen im Transplantationsgesetz und in
den Richtlinien zur Transplantation erfolgten: Das in fast allen Transplantationszentren
schon immer übliche interdisziplinäre Mehraugenprinzip wurde festgeschrieben, um
eine gegenseitige ärztliche Kontrolle und eine vollumfängliche Patientenaufklärung und
-betreuung noch besser gewährleisten zu können. Regelverstöße haben mittlerweile
klar definierte, strafrechtliche Konsequenzen. Dem Ruf nach einer besseren staatlichen
Kontrolle der Transplantationsmedizin wurde bereits Rechnung getragen, in dem alle
Richtlinienänderungen erst nach Prüfung und Genehmigung des Bundesministeriums für
Gesundheit in Kraft treten können.
Wie schon unmittelbar nach dem Bekanntwerden von Manipulationen und
Fehlverhalten in der Transplantationsmedizin distanziert sich die DTG erneut auf das
Schärfste von solchem Tun. Dies ist sowohl in der Satzung als auch dem
Fachgesellschafts-eigenen Transplantationskodex unmissverständlich nachzulesen. Dass
in der Folge von Manipulation und Fehlverhalten das Transplantationswesen insgesamt
in Misskredit geriet und dass durch einen weiteren Rückgang der Organspende
betroffenen Patienten nicht mit einer lebensrettenden Transplantation geholfen werden
konnte, bedauert der Vorstand der DTG zutiefst.
Hintergrundinformation zur Deutschen Transplantationsgesellschaft (DTG) e.V.:
Die Deutsche Transplantationsgesellschaft (DTG) e.V. ist die fachübergreifende
Vertretung von über 700 Ärzten und anderen Personen, die sich in Deutschland
organisatorisch, klinisch und wissenschaftlich für die Förderung der Organspende und
der Transplantationsmedizin einsetzen. Die DTG ist nicht nur als wissenschaftliche
Gesellschaft in der Transplantationsmedizin anerkannt, sondern hat auch beratende
Funktionen in der Interaktion mit Institutionen wie der Bundesärztekammer, der
Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) und der Stiftung Eurotransplant
übernommen. Zudem beteiligt sich die DTG an den Aufgaben der
sektorenübergreifenden Qualitätssicherung in der Medizin. Die DTG setzt sich für die
Transparenz in der Transplantationsmedizin ein.