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Zöliakie: Rund um die Autoimmunerkrankung existieren viele Irrtümer

Schätzungsweise einer von 300 Deutschen hat Zöliakie – mitunter ohne davon zu wissen. Denn bei vielen Menschen verursacht die angeborene Autoimmunerkrankung keine Symptome. Bei anderen wiederum sind die Anzeichen derart, dass Ärzte und Betroffene eine Zöliakie lange gar nicht in Betracht ziehen. Denn das „Chamäleon der Inneren Medizin“ äußert sich sehr unterschiedlich. Immer noch bestünden im Zusammenhang mit Zöliakie zahlreiche Irrtümer, sagen Experten im Vorfeld des Kongresses Viszeralmedizin 2014. Welche dies sind und wie die neue Leitlinie „Zöliakie“ Diagnostik und Behandlung der Erkrankung verbessern soll, ist Thema der heutigen Pressekonferenz in Berlin.Zöliakie ist eine angeborene Autoimmunerkrankung bei der es – ausgelöst durch das Klebeeiweiß Gluten in Getreideprodukten – zu einer Entzündung der Dünndarmschleimhaut kommt. „Klassische Symptome einer Zöliakie sind Bauchbeschwerden, allgemeine Verdauungsstörungen oder Durchfall“, sagt Professor Dr. med. Andreas Stallmach, Direktor der Klinik für Innere Medizin am Universitätsklinikum Jena. „Aber auch Müdigkeit, Schlaflosigkeit, Depressionen, Mangelerscheinungen, Kopfschmerzen, unklare leichte Leberwerterhöhungen oder Schilddrüsenfunktionsstörungen können auf sie hinweisen. Mitunter sind sie einziger Indikator, werden aber oft nicht mit der Erkrankung in Verbindung gebracht.“

Zu den weit verbreiteten Fehlannahmen, so die Erfahrung des Internisten, gehöre etwa die Einschätzung, Zöliakie sei vorwiegend eine Erkrankung des Kindesalters, die sich in der Pubertät „auswachse“. „Tatsächlich sind zum

Zeitpunkt der Diagnose Frauen im Mittel zwischen 40 und 45 Jahre alt, bei Männern gibt es zwei Altersgipfel – zwischen 10 und 15 und zwischen 35 und 40 Jahren.“ Zöliakie sei zudem eine lebenslange Erkrankung. Einmal diagnostiziert, sollten Betroffene ihr ein Leben lang durch glutenfreie Ernährung entgegenwirken. „Entgegen häufiger Annahmen ist eine glutenfreie Ernährung auch dann empfohlen, wenn eine nachgewiesene Zöliakie keine offensichtlichen Symptome verursacht und Gluten vermeintlich gut vertragen wird“, so der Experte. Weil eine unbehandelte Zöliakie meist mit einem Mangel an Vitaminen, Spurenelementen sowie mit Blutarmut einhergeht, kann sie sich bei Kindern negativ auf das Wachstum und die Knochenqualität auswirken. Bei Erwachsenen erhöhe eine unentdeckte oder unbehandelte Zöliakie das Risiko für Komplikationen – etwa für die Entwicklung weiterer Autoimmunerkrankungen, in seltenen Fällen sogar für Lymphome des Dünndarms.

Um eine Zöliakie nachzuweisen, untersuchen Mediziner das Blut auf die in der Regel erhöhten Autoantikörper gegen das Enzym „Gewebetransglutaminase“. Wenn die Patienten sich bis zuletzt glutenhaltig ernährt haben, können die Ärzte damit die Erkrankung in der Regel von ähnlichen Leiden wie der Weizenallergie oder einer Nicht-Zöliakie-Weizensensitivität unterscheiden. Ist das Ergebnis nicht eindeutig, helfen genetische Risikomarker im Blut die Zöliakie zu diagnostizieren. Den Verdacht bestätigt dann die Untersuchung von Gewebeproben aus dem Dünndarm.

Wenn Brot krank macht

Krank durch Brot
DGVS: Zöliakie bleibt zu oft unerkannt

Wenn Bort krank macht

Wenn Bort krank macht

Berlin – Mindestens 4 von 1 000 Menschen in Deutschland haben eine Zöliakie. Bei der angeborenen Autoimmunerkrankung kommt es – ausgelöst durch das Klebereiweiß Gluten in Getreideprodukten – zu einer Entzündung der Dünndarmschleimhaut. Durchfall, Nährstoffmangel, aber auch Müdigkeit, Depressionen oder zum Beispiel eine Migräne können die Folge sein. Allerdings zeigen sich häufig auch keine klar umrissenen Symptome. Von „einer hohen Anzahl an erkrankten, aber nicht diagnostizierten Personen“ gehen Experten der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) in ihrer neuen Leitlinie „Zöliakie“ aus. Insbesondere Personen mit einem erhöhten Risiko sollten einen Zöliakie-Test durchführen lassen, so die Empfehlung.

„Es gibt eine ganze Reihe von Erkrankungen, die mit einer Zöliakie einhergehen“, sagt Professor Dr. med. Dr. rer. nat. Detlef Schuppan, Leiter der Zöliakie-Ambulanz am Universitätsklinikum Mainz, der gemeinsam mit seinem Kollegen Professor Dr. med. Andreas Stallmach aus Jena die Erstellung der Leitlinie koordiniert hat. Hierzu gehören vor allem andere Autoimmunerkrankungen wie Typ-1-Diabetes oder autoimmune Schilddrüsenentzündungen. Aber auch unklare Leberwerterhöhungen, rheumatische Beschwerden, Migräne, Depressionen, eine leichte Blutarmut oder Osteoporose sind nicht selten mit einer Zöliakie verbunden. „Bei diesen Risikopersonen und nahen Verwandten von Betroffenen sollten Ärzte einen Zöliakie-Test empfehlen“, meint Schuppan. Häufig merkten die so entdeckten Zöliakie-Patienten erst mit der glutenfreien Diät, dass es ihnen unter glutenhaltiger Ernährung deutlich schlechter gegangen ist.

Beim Kleinkind zeigt sich eine Zöliakie meist mit typischen Symptomen wie Durchfällen, einem aufgeblähten Bauch sowie Mangelerscheinungen. Darüber hinaus wachsen und gedeihen die Kinder nicht gut. Erwachsene klagen bei der erstmaligen Diagnose häufig über lang bestehende Verdauungsbeschwerden, Erschöpfung und psychische Beeinträchtigungen. Viele Patienten haben auch überhaupt keine typischen Symptome. „Die Zöliakie kann in jedem Alter auftreten und hat sehr viele Erscheinungsformen, wir nennen sie daher auch das ‚Chamäleon der Gastroenterologie‘ “, sagt Professor Dr. med. Andreas Stallmach, Direktor Klinik für Innere Medizin IV am Universitätsklinikum Jena. So trete die Erkrankung auch in Zusammenhang mit einer bläschenbildenden Hautkrankheit, der „Dermatitis herpetiformis Duhring“, auf.

Um eine Zöliakie nachzuweisen, untersuchen Mediziner das Blut auf die in der Regel erhöhten Autoantikörper gegen das Enzym „Gewebetransglutaminase“. Wenn die Patienten sich bis zuletzt glutenhaltig ernährt haben, können die Ärzte damit die Erkrankung in der Regel von ähnlichen Leiden wie der Weizenallergie oder einer Nicht-Zöliakie-Weizensensitivität unterscheiden. Ist das Ergebnis nicht eindeutig, können genetische Risikomarker im Blut Aufschluss geben. Den Verdacht bestätigt dann die Untersuchung von Gewebeproben aus dem Dünndarm.

Den Betroffenen hilft nur der Verzicht auf glutenhaltige Lebensmittel aus Weizen, Dinkel, Gerste oder Roggen – wie zum Beispiel Brot, Nudeln, Pizza oder Bier. Hierzu gehören heutzutage auch die meisten verfeinerten Nahrungsmittel, die häufig Glutenbeimengungen enthalten. „Ärzte und Patienten müssen wissen, dass eine frühe Diagnose und die damit verbundene Empfehlung zur glutenfreien Diät Mangelerscheinungen und Folgeerkrankungen verhindern kann“, sagt Stallmach. „Hier kann die Deutsche Zöliakie Gesellschaft wertvolle Tipps geben“, so der Mediziner. Bleibe die Krankheit unentdeckt, erhöhe dies unter anderem das Risiko für weitere Autoimmunerkrankungen wie etwa Typ-1-Diabetes. „Unser Anliegen ist es, Ärzte darin zu trainieren, Zöliakie in ihren verschiedensten Erscheinungsformen zu identifizieren“, sagt der DGVS-Experte. „Wir hoffen, dass die neue Leitlinie, die wir auf der Grundlage der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse erstellt haben, ihren Teil dazu beiträgt“.

Die Deutsche Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) wurde 1913 als wissenschaftliche Fachgesellschaft zur Erforschung der Verdauungsorgane gegründet. Heute vereint sie mehr als 5.000 Ärzte und Wissenschaftler aus der Gastroenterologie unter einem Dach. Die DGVS fördert sehr erfolgreich wissenschaftliche Projekte und Studien, veranstaltet Kongresse und Fortbildungen und unterstützt aktiv den wissenschaftlichen Nachwuchs. Ein besonderes Anliegen ist der DGVS die Entwicklung von Standards und Behandlungsleitlinien für die Diagnostik und Therapie von Erkrankungen der Verdauungsorgane – zum Wohle des Patienten.