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Schrittmacher für geschädigtes Rückenmark

Elektrische Stimulation hilft Bewegungsabläufe zu regenerieren

Berlin, 12.02.2016 – Elektrische Impulse aktivieren das Rückenmark unterhalb der Verletzung.

Copyright: European Project NEUwalk.

Copyright: European Project NEUwalk.

Wissenschaftler der Charité – Universitätsmedizin Berlin und der ETH Lausanne haben Bewegungsabläufe nach einer Schädigung des Rückenmarks wiederhergestellt. Sie konnten zeigen, dass für ein koordiniertes Zusammenspiel der Muskeln, beispielsweise beim Gehen, alternierende Impulse des Rückenmarks verantwortlich sind. Neu entwickelte Implantate empfinden diese Signale durch elektrische Impulse nach. Damit konnten Abschnitte des Rückenmarks gezielt reaktiviert werden. Die Ergebnisse der Studie sind in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Nature Medicine* veröffentlicht.

Eine Querschnittslähmung wird durch eine traumatische Schädigung des Rückenmarks verursacht. Die Kommunikation zwischen Gehirn und Rückenmark ist unterbrochen. Schwere Funktionsstörungen und lebenslange Lähmungen sind oft die Folge. Aus Studien ist bekannt, dass das Rückenmark die Eigenschaft besitzt, unabhängig von Signalen des Gehirns, bei einer elektrischen oder chemischen Stimulation koordinierte Bewegungen zu erzeugen. „Unser Ziel ist es, den Rückenmarkbereich unterhalb einer Verletzung durch elektrische Impulse zu reaktivieren. Das Potential, eigenständig Bewegungen zu generieren, wollen wir dabei steigern, indem wir den natürlichen Abläufen möglichst nahe kommen“, erklärt Dr. Nikolaus Wenger, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Klinik und Hochschulambulanz für Neurologie der Charité und des Berlin Institute of Health.

Im Tiermodell konnte das europäische Forscherteam zeigen, dass es während der Bewegung der Beine zu einer wellenförmigen Aktivität von Rückenmarkbereichen kommt. „Um diese Rückenmarkaktivität nach einer Querschnittslähmung zu reproduzieren, haben wir dauerhafte Implantate entwickelt, die eine selektive Rückenmarkstimulation ermöglichen“, sagt Dr. Wenger. Wird der richtige Rückenmarksbereich zum richtigen Zeitpunkt stimuliert, lassen sich Kraft und Balance während des Gehens verbessern. Die neuartigen Implantate und Stimulationstechnologien passen eine Aktivierung des Rückenmarks an die zeitliche Abfolge des Bewegungsvorgangs an.

Derzeit sind die aktuellen Erkenntnisse auf dem Weg der Übertragung in klinische Anwendungen, da auch das menschliche Rückenmark durch elektrische Stimulation zu Bewegungsvorgängen angeregt werden kann. Die neue Art der Rückenmarkstimulation kann in Zukunft zu einer besseren Therapie von querschnittsgelähmten Patienten beitragen. Ein weiteres Ziel ist hierbei, die therapeutischen Ansätze weiterzuentwickeln und auf den Bereich der Schlaganfallforschung zu übertragen.

*N. Wenger, E. M. Moraud, J. Gandar, P. Musienko, M. Capogrosso, L. Baud, C. G Le Goff, Q. Barraud, N. Pavlova, N. Dominici, I. R. Minev, L. Asboth, A. Hirsch, S. Duis, J. Kreider, A. Mortera, O. Haverbeck, S. Kraus, F. Schmitz, J. DiGiovanna, R. van den Brand, J. Bloch, P. Detemple, S. P. Lacour, E. Bézard, S. Micera & G. Courtine. Spatiotemporal neuromodulation therapies engaging muscle synergies improve motor control after spinal cord injury. Nat Med. 2016 Feb;22(2):138-145. doi: 10.1038/nm.4025. Epub 2016 Jan 18.

Deutsch-Arabischer Krebskongress in Berlin

Die Charité – Universitätsmedizin Berlin und die DAFG – Deutsch-Arabische Freundschaftsgesellschaft e. V. veranstalten am 29. und 30. Oktober den zweiten Deutsch-Arabischen Krebskongress.

Ziel des Austausches ist es, die Zusammenarbeit im Rahmen wissenschaftlicher und klinischer Forschungsprojekte zu intensivieren.

Unter dem Motto „Shaping Future Health. Cancer Diagnostics and Treatment“ diskutieren internationale Wissenschaftler und Mediziner zu onkologischen Krankheitsbildern, insbesondere im Hinblick auf die Unterschiede zwischen deutschen und arabischen Patienten. Im Fokus stehen dabei die biomedizinische Forschung, chirurgische und medikamentöse Behandlungsoptionen sowie die Beratung der Patienten. Dabei werden auch Unterschiede der soziokulturellen Hintergründe und Gesundheitssysteme erörtert. Dieser multidimensionale, interdisziplinäre und interprofessionelle Ansatz ist entscheidend, um die Behandlungserfolge zu verbessern.

Wesentliches Anliegen des Kongresses ist es, die medizinische Ausbildung, den Wissenstransfer und den Anstoß zu komparativen, also vergleichenden, Forschungsprojekten voranzubringen. „Komparative Forschungsprojekte haben eine große Bedeutung, da sie wissenschaftliche Lücken schließen“, sagt Prof. Dr. Ulrich Keilholz, Kommissarischer Direktor des Charité Comprehensive Cancer Center. Er fügt hinzu: „Bisher gibt es schon Forschungsergebnisse über Unterschiede zwischen europäisch- und asiatischstämmigen Menschen in der Entwicklung von Krankheiten und über Krankheitsfaktoren auf molekularer Ebene. Über arabische- und arfikanische Bevölkerungen ist in dieser Hinsicht weit weniger bekannt.“ Auffällig ist beispielsweise, dass Darmkrebs in der arabischen Bevölkerung in deutlich früherem Lebensalter auftritt. Gleichzeitig sind die Behandlungserfolge bei arabischen Patienten auch in fortgeschrittenen Krankheitsstadien auffallend gut. Die Wissenschaftler vermuten daher, dass entweder genetische Faktoren oder Umweltbedingungen dazu beitragen, dass die Erkrankung früher auftritt und sich anders verhält. Was jetzt fehlt, sind vergleichende Studien, die die Unterschiede in der molekularen Tumorentstehung untersuchen. Ein Verständnis über die Unterschiede kann erhebliche Konsequenzen für Frühdiagnostik und Behandlung des Darmkrebses haben. Auch für die Weiterentwicklung der personalisierten Medizin spielen vergleichende Forschungsprojekte eine entscheidende Rolle.

Der Kongress findet am 29. und 30. Oktober in der Industrie- und Handelskammer Berlin, Fasanenstr. 85, 10623 Berlin statt. Der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller, und der Präsident des DIHK –  Deutscher Industrie- und Handelskammertag sowie der IHK Berlin, Dr. Eric Schweitzer, eröffnen den Kongress  am Donnerstag, den 29. Oktober um 9.30 Uhr.

Charité hilft traumatisierten Flüchtlingen in Jordanien

Berlin, 17.10.2014 Das Hilfsprojekt »Balsam« der Charité – Universitätsmedizin Berlin ist jetzt mit dem Förderpreis der Else Kröner-Fresenius-Stiftung ausgezeichnet worden. Mit dem Projekt unterstützt die Charité die psychische Gesundheitsversorgung von traumatisierten syrischen Flüchtlingen in Jordanien. Der Preis ist mit 50.000 Euro dotiert und wird alle zwei Jahre an besonders vorbildhafte medizinisch-humanitäre Projekte in Entwicklungsländern verliehen. Mehr als drei Millionen Menschen sind vor dem syrischen Bürgerkrieg in angrenzende Länder wie die Türkei, Jordanien oder den Libanon geflohen. Allein in Jordanien befinden sich mehr als 600.000 syrische Flüchtlinge. Viele von ihnen sind vom Krieg traumatisiert – etwa jeder vierte benötigt eine psychologisch-psychiatrische Behandlung. Um das dortige Gesundheitssystem zu entlasten, hat die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Campus Benjamin Franklin (CBF) das »Balsam-Projekt« ins Leben gerufen.

Bereits seit Juli 2013 bildet die Charité in enger Zusammenarbeit mit dem jordanischen Gesundheitsministerium und der Hilfsorganisation »Help – Hilfe zur Selbsthilfe« in Amman Psychologen, Psychiater und Allgemeinmediziner zu Trauma-Therapeuten aus. Bislang konnten 73 Ärzte erfolgreich ausgebildet werden. Sie behandeln nun in Flüchtlingscamps und Gesundheitszentren traumatisierte Kinder und Erwachsene. Die Charité hilft den Trauma-Therapeuten weiterhin aktiv mit einer andauernden Beratung der arabischsprachigen Spezialambulanz und versorgt sie mit notwendigen Medikamenten. Das Projekt wird gegenwärtig aus Mitteln des Auswärtigen Amtes finanziert.

»In einem nächsten Schritt sollen junge Menschen aus Syrien, Jordanien und Israel in Deutschland gemeinsam als Trauma-Therapeuten ausgebildet werden – nicht zuletzt auch mit dem Ziel, die arabisch-israelische Verständigung zu fördern. Das Preisgeld der Else Kröner-Fresenius-Stiftung ist für die fachliche Ausbildung der Ärzte vorgesehen«, sagt Prof. Dr. Malek Bajbouj von der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am CBF, der das Hilfsprogramm koordiniert.

Neues Diagnose-Verfahren erkennt Erbkrankheiten

PhenIX kann aus Gen- und Symptom-Analysen genetische Erkrankungen sicher und schnell erkennen

Berlin, 05.09.2014 Genetisch bedingte Krankheiten bedeuten für Betroffene oft eine Odyssee von Arzt zu Arzt. Weniger als die Hälfte der Patienten, bei denen der Verdacht auf eine genetische Erkrankung besteht, erhalten bislang eine zufrieden stellende Diagnose. Wissenschaftler der Charité – Universitätsmedizin Berlin und des Max-Planck-Instituts für molekulare Genetik haben jetzt ein Testverfahren entwickelt, mit dem sich die Aussichten auf eine Diagnose für Betroffene deutlich erhöhen. Das Verfahren ist für medizinische Einrichtungen frei zugänglich und kann ab sofort eingesetzt werden. Die Ergebnisse sind in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift *Science Translational Medicine publiziert.

 

Der erste Schritt zur richtigen Behandlung ist die genaue Diagnose – doch selbst in unbehandelbaren Fällen ist sie von unschätzbarem Wert. »Das gibt immerhin die Gewissheit, dass die Erkrankung nicht selbst verschuldet ist«, sagt Prof. Dr. Peter Robinson, Wissenschaftler am Institut für Medizinische Genetik und Humangenetik der Charité und einer der Entwickler des neuen Diagnoseverfahrens Phenotypic Interpretation of eXomes (PhenIX). Bisher wurde bei solchen Krankheiten lediglich eine genetische Analyse durchgeführt, die aber oft für eine genaue Erkenntnis oft nicht ausreicht. Problematisch ist bei allen Tests, dass die individuelle Vielfalt der Erbsubstanz der Patienten eine diagnostische Analyse erschwert – unter Millionen von genetischen Abweichungen, die jeder Mensch in sich trägt, gilt es, die eine ausschlaggebende zu finden.

 

Um dieses Problem zu lösen, haben die Berliner Wissenschaftler ein neuartiges diagnostisches Verfahren entwickelt. Im Gegensatz zu früheren Tests kombiniert PhenIX die Analyse der genetischen Unregelmäßigkeiten mit dem klinischen Krankheitsbild des Patienten. Im ersten Schritt wird gezielt nach etwa 3000 Genen gesucht, die dafür bekannt sind, Krankheiten zu verursachen. Dafür haben die Wissenschaftler systematisch öffentlich zugängliche Datenbanken durchsucht und eine Liste von bekannten Gendefekten erstellt. Ist dies geschehen, bleiben üblicherweise noch einige hundert genetische Unregelmäßigkeiten im Genom des Patienten als Kandidaten für den Verursacher der Krankheit. Im zweiten Schritt durchsucht der behandelnde Arzt die Human Phenotype Ontology (HPO), eine an der Charité zuvor bereits entwickelte Datenbank, nach den Symptomen des Patienten. Betrachtet der Arzt nun die Schnittmenge der beiden Analyseverfahren, bleibt eine Kandidatenliste von oft nicht mehr als 20 möglichen Ursachen für die Erkrankung, inklusive Rangfolge nach Wahrscheinlichkeit. Nun ist es nicht mehr schwer, diese der Reihe nach durchzugehen und zu testen.

 

In einer Pilotstudie wurde eine Gruppe von Patienten untersucht, deren genetische Erkrankung bereits bekannt war. PhenIX diagnostizierte ausnahmslos korrekt. Zudem stellten sich weitere Erkrankte der Behandlung, bei denen trotz intensiver, teils jahrelanger Bemühungen und Untersuchungen bislang keine Diagnose gestellt werden konnte. Mithilfe des neuen Verfahrens wurde bei über 25 Prozent dieser Patienten die genaue Krankheitsursache ermittelt.

 

Für Kliniken, die über die notwendige technische Ausstattung verfügen, ist PhenIX bereits frei zugänglich. »Durch die Kombination von klinischem Befund und genetischer Analyse ist uns ein großer Schritt gelungen – für den Arzt bedeutet das neue Verfahren gerade mal zwei Stunden Arbeit«, sagt Dr. Robinson. Und er verspricht: »Auch in Zukunft wird es immer eine frei verfügbare Version des Programms geben.« Verbesserungsmöglichkeiten sieht er noch in einer einheitlicheren Bedienung der Datenbanken. »Ärzte wissen manchmal nicht genau, wie sie ein Symptom beschreiben sollen, oder sie kennen es unter unterschiedlichen Namen.“ Hier könnten gewisse Richtlinien die Suche erfolgreicher machen – damit die Diagnose künftig noch schneller und genauer wird.

 

*Tomasz Zemojtel, Sebastian Köhler, Luisa Mackenroth, Marten Jäger, Jochen Hecht, Peter Krawitz, Luitgard Graul-Neumann, Sandra Doelken, Nadja Ehmke, Malte Spielmann, Nancy Christine Øien, Michal R. Schweiger, Ulrike Krüger, Götz Frommer, Björn Fischer, Uwe Kornak, Ricarda Flöttmann, Amin Ardeshirdavani, Yves Moreau, Suzanna E. Lewis, Melissa Haendel, Damian Smedley, Denise Horn, Stefan Mundlos, Peter N. Robinson: «Effective diagnosis of genetic disease by computational phenotype analysis of the disease-associated genome». Science Translational Medicine. doi: 10.1126/scitranslmed.3009262

Erinnerungslücken durch Antidepressiva?

Unterdrückung des REM-Schlafs stört Lernprozesse

Berlin, 02.09.2014 Depressionen können mit Medikamenten, die den REM-Schlaf unterdrücken, wirksam behandelt werden. In diesen Schlafphasen finden nicht nur die meisten Träume statt, sondern es werden auch Erinnerungen im Gedächtnis verfestigt. Wie Wissenschaftler der Charité – Universitätsmedizin Berlin jetzt festgestellt haben, beeinträchtigt die Unterdrückung des REM-Schlafes gleichzeitig das Lernen und kann Gedächtnisstörungen hervorrufen. Die Ergebnisse der Studie sind in der Fachzeitschrift Sleep* veröffentlicht.

Menschen mit Depressionen sind antriebslos, wirken nach außen müde und schlapp. Doch innerlich sind sie angespannt und das Gehirn arbeitet auf Hochtouren. Eine der wirksamsten Therapien ist nach wissenschaftlichen Erkenntnissen die Unterdrückung des REM-Schlafs mit bestimmten Antidepressiva. Dieser Wirkmechanismus beeinflusst jedoch auch die kognitiven Leistungen: In den REM-Schlafphasen werden Erinnerungen im Langzeitgedächtnis verfestigt und fördern damit das prozedurale Lernen. Das sind automatisierte Lernvorgänge, wie beispielsweise Klavierspielen oder Fahrradfahren.

Bisherige Studien zeigten, dass depressive Menschen in ihrem prozeduralen Lernen beeinträchtigt sind und ein erhöhtes Risiko haben, an kognitiven Störungen oder Demenz zu erkranken. Sind diese Symptome Ausdruck der Erkrankung oder werden sie erst durch die Antidepressiva hervorgerufen? Dieser Frage ging die Arbeitsgruppe um Privatdozent Dr. Dieter Kunz vom Institut für Physiologie der Charité in einer experimentellen Studie nach. Vor dem Zubettgehen sollten sich 25 gesunde Teilnehmer visuelle Muster merken. Anschließend bekamen sie entweder ein Placebo oder das Antidepressivum Amitriptylin verabreicht. Am nächsten Abend wurde der Lernerfolg getestet: Die Probanden mit dem Placebo-Präparat konnten die Muster deutlich schneller erkennen als diejenigen, die Amitriptylin erhalten haben.

»Unsere Ergebnisse lassen vermuten, dass kognitive Störungen bei depressiven Patienten durch das Antidepressivum Amitriptylin zumindest mit verursacht werden. Das Eindringen von psychoaktiven Substanzen in die komplizierten Schlafabläufe kann eine Vielzahl der bekannten Nebenwirkungen wie kognitive Defizite, Gewichtszunahme und morgendliche Apathie erklären«, sagt der Schlafforscher Dr. Kunz. Weiterhin betont er: »Die Entwicklung von neuen Substanzen, die nicht nur tagsüber das Befinden von depressiven Menschen verbessern, sondern auch deren Schlafqualität fördern, ist voranzutreiben.«

*Goerke M, Cohrs S, Rodenbeck A, Kunz D. Differential effect of an anticholinergic antidepressant on sleep – dependent memory consolidation. Sleep 2014 May 01. Doi: 10.5665/sleep.3674

Wie bilden sich automatische Verhaltensweisen?

Elektrische Schwingungen in tiefer gelegenen Hirnstrukturen regeln Handlungsabläufe

Berlin, 25.08.2014 Wissenschaftler der Charité – Universitätsmedizin Berlin haben jetzt herausgefunden, welche Hirnstrukturen wiederkehrende Handlungsabläufe, wie Klavierspielen oder Fahrradfahren, steuern. Zudem konnten sie die zugrundeliegenden neuronalen Prozesse entschlüsseln. Die Ergebnisse der Studie sind in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Brain* veröffentlicht.

Ganz automatisch kann einmal gelerntes Verhalten wie Fahrradfahren oder Klavierspielen wiederholt werden. Die Fähigkeit des Menschen, eine Regelmäßigkeit in der Abfolge von Ereignissen erkennen, speichern und abrufen zu können, wird als sequentielles Verhalten bezeichnet. Dieses Verhalten besteht aus mehreren Einzelbewegungen, die in einer bestimmten zeitlichen Reihenfolge angeordnet sind und einen Anfangs- und einen Endpunkt haben.

Die Arbeitsgruppe Bewegungsstörungen von der Klinik für Neurologie am Campus Virchow-Klinikum der Charité hat am Beispiel von Parkinson-Patienten untersucht, welche neuronalen Aktivitätsmuster im Gehirn diese wiederkehrenden Handlungsabläufe bestimmen. Nach bisherigen Forschungserkenntnissen sind Parkinson-Patienten in ihrem sequentiellen Verhalten beeinträchtigt, was sich zum Beispiel in Starthemmungen beim Laufen äußert. Verantwortlich dafür sind tiefer gelegene Kerngebiete im Gehirn, die sogenannten Basalganglien, denn sie steuern die Bewegungsabläufe.

»In unserer Studie haben wir nun erstmals untersucht, welche neuronalen Prozesse der Basalganglien beim Menschen Einfluss auf das sequentielle Verhalten ausüben«, sagt die Erstautorin Dr. Maria Herrojo Ruiz. Dazu wurde die neuronale Aktivität bei Parkinson-Patienten gemessen, die mit einer tiefen Hirnstimulation (THS) in einem Teilbereich der Basalganglien, dem Nucleus subthalamicus, therapiert werden. Bei dieser Therapie werden Elektroden im Gehirn implantiert und über einen Stimulator elektrische Impulse in die Zielregion geleitet, womit die Parkinson-Symptome erfolgreich gelindert werden. Für die Studie sollten die Probanden kurze Musiksequenzen an einem Klavier einüben, während die elektrischen Signale aus dem Nucleus subthalamicus aufgezeichnet wurden.

So konnten die Wissenschaftler nachweisen, dass die Basalganglien eine entscheidende Funktion bei der Kodierung der Anfangs- und Endpunkte von Handlungsabfolgen einnehmen. Zudem zeigten sie, welche Modulation von elektrischen Schwingungen, die als Oszillationen bezeichnet werden, dafür verantwortlich ist. Bei Patienten, die die Musiksequenzen besser spielen konnten, haben vor dem ersten und letzten Element der Sequenz, die sogenannten Beta- Oszillationen, im Frequenzbereich 13-30 Hz abgenommen. Bei Patienten, die Schwierigkeiten hatten, die Übung auszuführen, haben die Oszillationen hingegen innerhalb der Sequenz nachgelassen. Die Leiterin der Arbeitsgruppe Prof. Dr. Andrea Kühn betont: »Die Basalganglien bestimmen mit der Kodierung von Anfangs- und Endpunkten die innere Beschaffenheit der gelernten Sequenz und sind somit maßgeblich dafür verantwortlich, ob automatische Verhaltensweisen sich im Gehirn festigen. Unsere Befunde bekräftigen zudem, dass Parkinson-Patienten in ihren Bewegungsabläufen aufgrund der verstärkt auftretenden Beta-Oszillationen beeinträchtigt sind.«

* Herrojo Ruiz M, Rusconi M, Brücke C, Haynes J.-D, Schönecker T, Kühn A. A. Encoding of sequence boundaries in the subthalamic nucleus of patients with Parkinson’s disease. Brain 2014 July 16. Doi: 10.1093/brain/awu191

Ebola-Verdachtsfall in Berlin hat sich nicht bestätigt

Pressestatement: Ergebnisse der Blutanalyse liegen jetzt vor

Berlin, 19.08.2014 Der Verdachtsfall auf Ebola in Berlin hat sich nicht bestätigt.
Alle Tests zum Nachweis auf Ebola waren bei der heute in die Charité – Universitätsmedizin Berlin eingelieferten Patientin negativ. Bereits kurz nach der Aufnahme auf der Infektionsstation konnte mikroskopisch eine Malaria-Infektion gesichert und eine entsprechende Therapie eingeleitet werden. »Der Patientin geht es den Umständen entsprechend gut“, sagt Prof. Dr. Norbert Suttorp, Direktor der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Infektiologie und Pneumologie der Charité.

Patientin mit Ebola-Verdacht

Pressestatement

Patientin mit Ebola-Verdacht

Berlin, 19.08.2014 Die Patientin mit dem Verdacht auf Ebola ist inzwischen in der Charité eingetroffen. Die Charité-Experten gehen zum jetzigen Zeitpunkt nicht davon aus, dass es sich um Ebola handelt. Die Patientin hat sich nicht in einer betroffenen Region aufgehalten. Die Mediziner gehen vielmehr von einer infektiösen Magen-Darm-Erkrankung aus. Zum formalen Ausschluss einer Ebola-Erkrankung wird selbstverständlich eine Blutanalyse durchgeführt.

Zink reguliert unseren Tagesrhythmus

Die innere Uhr besitzt ein metallenes Zahnrad

Zink reguliert unseren Tagesrhythmus

Zink reguliert den menschlichen Tagesrhythmus. Das haben Forscher der Charité – Universitätsmedizin Berlin

Hier handelt es sich natürlich um eine äußere Uhr

Hier handelt es sich natürlich um eine äußere Uhr

zusammen mit Wissenschaftlern der Johannes Gutenberg-Universität Mainz herausgefunden. Erste Ergebnisse dieser Grundlagenforschung veröffentlicht das Team jetzt in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Cell*.

Die innere Uhr funktioniert über Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Proteinen, die tageszeitspezifisch

auftreten. Die Gene, die den Tagesrhythmus steuern, werden dabei nur zu ganz bestimmten Zeiten abgelesen. Das heißt, dass die Genprodukte – die sogenannten Uhrporteine – ebenfalls rhythmisch in den Körperzellen vorliegen. Wie beim Zusammenspiel der mechanischen Teile einer Armbanduhr binden sich die Uhrproteine zu ganz bestimmten Zeitpunkten aneinander und sorgen so dafür, dass weitere Gene zeitspezifisch abgelesen werden. Als Resultat dieser Wechselwirkung entsteht ein circa 24-Stunden-Rhythmus, der unser Schlaf-Wach-Verhalten, aber auch viele andere hormonelle und Stoffwechselprozesse steuert. Für ein reibungslos funktionierendes Uhrwerk scheint insbesondere die Interaktion zwischen dem Protein PER (Period) und dem Protein CRY (Cryptochrome) von Bedeutung zu sein, die vorwiegend in der Nacht stattfindet.

Die Wissenschaftler um Prof. Achim Kramer vom Arbeitsbereich Chronobiologie der Charité und Prof. Eva Wolf von der Universität Mainz konnten jetzt einen hochaufgelösten Blick auf die Struktur des PER/CRY-Proteinkomplexes gewinnen und genau zeigen, an welchen Bereichen der Proteine diese Interaktion stattfindet. Die Strukturanalyse enthüllte zudem die Anwesenheit eines Zinkions im Bindungsbereich der Proteine, welches das Zusammenspiel zwischen PER und CRY entscheidend stabilisiert. Das Zinkion ist vermutlich nur unter bestimmten physiologischen Bedingungen präsent, so dass über diesen Regulationsmechanismus äußere Faktoren, wie beispielsweise Nahrung, die innere Uhr verstellen könnten.

»Die Ergebnisse dieser interdisziplinären Arbeit erweitern unser Verständnis, wie Umwelteinflüsse auf unsere innere Uhr wirken und unsere Lebensfunktionen so an den 24-Stunden-Rhythmus der Umwelt anpassen«, erklärt Prof. Kramer. Er blickt bereits in die Zukunft: »Das Grundverständnis der Funktionsweise unserer inneren Uhr ist in vielen Lebensbereichen von großer Bedeutung. So ist beispielsweise bei den Volkskrankheiten Krebs und Diabetes bekannt, dass die innere Uhr der Zellen falsch eingestellt ist. Auch die Probleme, die uns ein Jetlag oder Schichtarbeit bereiten, hängen mit der inneren Uhr zusammen. Mit der richtigen Justierung der Uhr kann die Lebensqualität der Betroffenen entscheidend verbessert werden.«

Die vollständige Analyse der Struktur des PER/CRY-Proteinkomplexes könnte die Suche nach chemischen Substanzen die das molekulare Uhrwerk regulieren, entscheidend voranbringen. Perspektivisch sollen Ergebnisse der Forscher bei der Entwicklung von Chronotherapien helfen. Dabei werden Therapeutika zu ganz bestimmten Tageszeiten verabreicht und entfalten somit eine größere Wirkung oder ziehen geringere Nebenwirkungen nach sich.

*Originalpublikation: Ira Schmalen, Silke Reischl, Thomas Wallach, Roman Klemz, Astrid Grudziecki, J. Rajan Prabu, Christian Benda, Achim Kramer, Eva Wolf: Interaction of Circadian Clock Proteins CRY1 and PER2 Is Modulated by Zinc Binding and Disulfide Bond Formation. In: Cell, 22 May 2014, Volume 157, Issue 5.

Charité vergibt 40 neue Deutschlandstipendien

Stiftungen, Unternehmen und Privatleute fördern Studierende

Berlin, 29.04.2014
Auszeichnungen, Deutschlandstipendien, Deutschlandstipendium, Ereignisse, Stifter, Stiftung Charité, Stipendien, Stipendienfeier, Studenten, Veranstaltungen, Vergabe, Übergaben    Eine Rekordzahl von 40 neuen Deutschlandstipendien hat die Charité – Universitätsmedizin Berlin jetzt an ausgewählte Studierende der Human- und Zahnmedizin sowie anderer Gesundheitsstudiengänge vergeben. Sie erhalten mindestens ein Jahr lang eine monatliche Förderung von 300 Euro. Die Summe wird je zur Hälfte von der Bundesregierung und einem Förderer getragen.

Die 40 Studierenden setzten sich unter 220 Bewerberinnen und Bewerbern durch. Sie mussten dafür neben außerordentlichen Studienleistungen auch zvilgesellschaftliches Engagement nachweisen. »Diese jungen Menschen zeigen, dass Studienerfolg und ein wacher Blick für die Nöte der Gesellschaft sich keineswegs ausschließen, sondern vielleicht sogar gegenseitig bedingen«, erklärte Prof. Dr. Annette Grüters-Kieslich, die Dekanin der Charité, bei der Feierstunde zur Verleihung der Urkunden. »Wer sich hier engagiert, hat gute Chancen, eine künftige Elite zu unterstützen.«

Zu den neuen Stipendiaten gehört zum Beispiel die 23-jährige Sina-Maria Ehrhard. Die Medizinstudentin – heute im 6. Semester – gründete bereits vor zwei Jahren mit Kommilitonen ein Basistutorium für Studienanfänger und engagiert sich bis heute als studentische Modulvorsitzende im Modellstudiengang. Daneben gibt sie noch einmal pro Woche Deutschkurse in Berliner Flüchtlingsheimen.

Die Stiftung Charité unterstützt 21 neue Stipendiatinnen und Stipendiaten. Für zehn Studierende übernimmt der Verein Freunde und Förderer der Berliner Charité e.V. die Finanzierung, zwei weitere verdanken ihr Stipendium der Hans-Jürgen Schulz- Stiftung. Vier Stipendien übernahm ein Förderer, der anonym bleiben möchte. Auch mehrere Professorinnen und Professoren der Charité haben sich bereit erklärt, die Kosten für jeweils einen Studierenden zu übernehmen.

Kontakt:
Prof. Dr. Achim Kramer
Vorsitzender der Nachwuchskommission
Charité – Universitätsmedizin Berlin
t.: + 49 30 450 524 263

Downloads:
 Deutschlandstipendiaten_an_der_Charite_2014 (4.5 MB)