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Patientendaten im Internet abrufbar

Wenn Patienten bei Ärzten mehr über den Datenschutz wissen wollen, dann reagieren fast alle Mitarbeiter*innen in den Praxen verärgert. Dieser Fall zeigt, dass hier viel mehr Kontrolle notwendig ist.

Mehrere tausend Patientendaten sind offen im Internet abrufbar. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) wurde über diesen Sachverhalt von IT-Sicherheitsforschern informiert und hat daraufhin die betroffenen medizinischen Einrichtungen anhand der ihm vorliegenden IP-Adressen in Kenntnis gesetzt. In drei Fällen konnte das BSI die Einrichtungen direkt kontaktieren, in 14 weiteren Fällen wurden die jeweiligen Internet-Service-Provider gebeten, ihre Kunden anhand der IP-Adressen zu identifizieren und zu informieren. Zudem hat das BSI 46 internationale Partnerorganisationen über den Sachverhalt informiert. Das BSI darf nach derzeitiger Rechtslage diese Daten nicht abrufen oder analysieren, auch nicht um die Betreiber der ungesicherten Webserver zu identifizieren. Nach Einschätzung des BSI sind die Patientendaten zugänglich, weil einfachste IT-Sicherheitsmaßnahmen wie ein Zugriffsschutz durch Nutzername und Passwort oder Verschlüsselung nicht umgesetzt wurden. Dem BSI liegen keine Informationen vor, dass die Patientendaten tatsächlich in krimineller Absicht abgeflossen sind.

Dazu äußert sich BSI-Präsident Arne Schönbohm wie folgt:
„Wenn selbst bei so sensiblen Daten wie Röntgenaufnahmen, Mammografien oder MRT-Bildern grundlegende IT-Sicherheitsmaßnahmen missachtet werden, zeigt das, dass IT-Sicherheit noch immer nicht den Stellenwert einnimmt, den sie verdient. Wir müssen als Gesellschaft begreifen, dass die großen Digitalisierungsprojekte, die uns so viele Vorteile bringen können, nur gelingen werden, wenn sie von Anfang an sicher gestaltet werden. Nur wenn die Bürgerinnen und Bürger Vertrauen in die Sicherheit ihrer Daten haben, wird die Digitalisierung erfolgreich sein.“

Bonn, 17.09.2019

Männliches Hormon könnte weibliche Libido nach Eintritt des Wechsels fördern

Vor der Einnahme von „Lustpillen“ aus dem Internet warnen die Experten ausdrücklich

Bochum – Frauen, die nach dem Wechsel unter einer sexuellen Lustlosigkeit leiden, können ihr Verlangen möglicherweise durch eine Behandlung mit dem männlichen Geschlechtshormon Testosteron steigern. Darauf deuten neuere Studienergebnisse hin, die die bisherige grundsätzliche Ablehnung von Hormonexperten gegen den Einsatz von Testosteron bei Frauen lockern. Die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) hält in Übereinstimmung mit der amerikanischen Endocrine Society einen Behandlungsversuch für gerechtfertigt, allerdings nur nach sorgfältiger Abwägung von Nutzen und Risiken, einer engmaschigen Überwachung der Laborwerte und des Befindens vor und unter der Therapie. Vor der Einnahme von „Lustpillen“ aus dem Internet warnen die Experten ausdrücklich.

Das Sexualhormon Testosteron wird sowohl vom männlichen wie vom weiblichen Organismus gebildet. Bei Frauen wird das Hormon von den Eierstöcken und den Nebennieren freigesetzt. „Eine steigernde Wirkung auf die Libido ist seit Längerem bekannt“, sagt Professor Dr. med. Thomas Strowitzki, der an der Frauenklinik des Universitätsklinikums Heidelberg die Abteilung für Gynäkologische Endokrinologie und Fertilitätsstörungen leitet. „Früher war in Deutschland sogar ein Testosteronpflaster für Frauen zugelassen, denen etwa wegen einer Krebserkrankung die Eierstöcke entfernt werden mussten.“ Die Hormontherapie milderte die Folgen der vorzeitigen Wechseljahresbeschwerden, zu denen häufig auch ein Libidoverlust gehört.

Den Einsatz von Testosteron bei Frauen, die nach dem natürlichen Eintritt des Wechsels über das Schwinden ihres sexuellen Verlangens klagten, lehnten die Endokrinologen jedoch bislang ab. Mit ein Grund waren fehlende Tests, mit denen die Testosteronkonzentrationen im Blut zuverlässig bestimmt werden konnten. Mit der Tandem-Massenspektrometrie gibt es inzwischen ein solches Messinstrument. Eine exakte Hormonbestimmung ist wichtig, um eine Überdosierung zu vermeiden. Zu viel Testosteron führt bei Frauen zu Akne und einer männlichen Behaarung. Langfristig drohten auch Risiken für das Herz-Kreislaufsystem. Niedrige Testosteronspiegel bedingen jedoch keinesfalls zwangsläufig zu sexuellen Problemen.

Ein weiterer Grund für die Neuorientierung der Wissenschaftler ist die steigende Bereitschaft unter Medizinern, den Libidoverlust als eine gesundheitliche Störung anzuerkennen. Sexuelle Probleme, insbesondere eine sexuelle Lustlosigkeit, können Frauen sehr belasten und die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen. Oft geht das mangelnde Interesse an sexueller Aktivität auch mit einem verminderten Ansprechen auf erotische Stimuli sowie einer verminderten körperlichen und psychischen Erregung einher. Diesem versucht der nicht unumstrittene Leitfaden der US Psychiater DSM 5 auch durch den Begriff  „sexual interest arousal disorder“ Rechnung zu tragen.
„Sexuelle Probleme sind häufig multifaktoriell bedingt. Vor Beginn einer Testosteronbehandlung muss daher natürlich geklärt werden, ob nicht andere Gründe für die Entstehung des Problems verantwortlich sind“, sagt Gynäkologin Dr. med. Anneliese Schwenkhagen aus der Praxis für Gynäkologische Endokrinologie am Gynaekologicum in Hamburg.

Wie eine Behandlung aussehen könnte, hat die amerikanische Endocrine Society im Oktober in einer Praxisleitlinie im Journal of Clinical Endocrinology and Metabolism beschrieben. Die US-Endokrinologen halten einen Behandlungsversuch über drei bis sechs Monate für gerechtfertigt, wenn eine Frau in den Wechseljahren einen Rückgang des sexuellen Interesses bemerkt und darunter leidet. „Entscheidet man sich für eine solche Behandlung, ist eine engmaschige Überwachung von Therapieerfolg und Nebenwirkungen erforderlich. Dies schließt auch Kontrollen der Testosteronspiegel vor und unter der Therapie ein“, erläutert Dr. Schwenkhagen. Da zurzeit in Deutschland leider kein entsprechendes speziell für Frauen entwickeltes Präparat zur Verfügung steht, muss man individuell mit der Patientin entscheiden, wie eine solche Therapie aussehen könnte.

DGE-Mediensprecher Professor Dr. med. Dr. h. c. Helmut Schatz warnt davor, im Internet nach „Heilmitteln“ zu suchen. Dort sind neben Hormonpflastern auch „Lustpillen“ oder „Viagra für Frauen“ im Angebot. Produkte wie „Lybrido“, „Lovegra“ oder „Ladygra“ seien keine der Gesetzeslage entsprechend geprüften und zugelassenen Medikamente. Ob sie die versprochene Wirkung entfalteten, sei ungewiss. Zudem gebe es wie bei allen Produkten aus dem Internet keine Garantie, dass die Mittel überhaupt die versprochenen Wirkstoffe enthalten.

Literatur:
Wierman ME1, Arlt W, Basson R, Davis SR, Miller KK, Murad MH, Rosner W, Santoro N. Androgen therapy in women: a reappraisal: an Endocrine Society clinical practice guideline. J Clin Endocrinol Metab. 2014 Oct;99(10):3489-510. doi: 10.1210/jc.2014-2260. Abstract
Blog-Beitrag von Prof. Dr. med. Dr. h. c. Schatz vom 27. Januar 2015