Von Immundefekten über unser Immunsystem lernen

Mit Hilfe sehr seltener Immundefektkrankheiten konnten Freiburger Forscher*innen einen Mechanismus häufiger Autoimmunkrankheiten aufklären

Erkenntnisse könnten helfen, bestehende Therapien gezielter einzusetzen 

Einen wichtigen Baustein bei der Entstehung von Autoimmunkrankheiten und chronischen Entzündungen haben jetzt Forscher*innen der Medizinischen Fakultät der Universität Freiburg gefunden. Sie untersuchten in einem weltweiten Forschungsverbund rund 200 Patient*innen, die unterschiedliche extrem seltene genetische Immundefekte haben. Dabei zeigte sich, dass bestimmte Genveränderungen die Entstehung von speziellen überaktiven Immunzellen verhindern. Die Entdeckung dieser zentralen Mechanismen erlaubt neue Einblicke in die Entwicklung von Immunzellen die den eigenen Körper angreifen. Bereits zugelassene Therapien wirken auf diesen bislang ungeklärten molekularen Schalter in der sogenannten B- Zelle des Immunsystems. Die Studie wurde am 8. Oktober 2021 im renommierten Fachmagazin Science Immunologyveröffentlicht. 

„Unsere Erkenntnisse können potentiell helfen, spezifischere Therapien für Autoimmunkrankheiten zu entwickeln und bestehende Therapien gezielter einzusetzen“, sagt Dr. Bärbel Keller, Erstautorin der Studie am Centrum für Chronische Immundefizienz des Universitätsklinikums Freiburg.

Mehrere Ansatzpunkte für eine verbesserte Therapie

Bei chronisch-entzündlichen Autoimmunerkrankungen wie Rheumatoider Arthritis oder Lupus erythematodes sammeln sich im Blut von einem Teil der betroffenen Patient*innen eine Unterform von aktivierten B-Zellen an, die bei Gesunden nur selten vorkommt. Die Freiburger Forscher*innen zeigen nun: Bei Personen, die spezielle Gendefekte des Immunsystems haben, können sich diese überaktiven B-Zellen einer überschießenden Immunantwort nicht ansammeln. Laboruntersuchungen bestätigten die Bedeutung dieser molekularen Bausteine für die Immunantwort. „Mit dem neuen Wissen ist es jetzt möglich, gezielter nach Hemmstoffen für diese Signalwege zu suchen und so überschießende Immunreaktionen zu bremsen“, sagt Prof. Dr. Klaus Warnatz, Projektleiter am Centrum für Chronische Immundefizienz und der Klinik für Rheumatologie und Klinische Immunologie des Universitätsklinikums Freiburg.

Zudem zeigten die Freiburger Forscher*innen, dass einer der zentralen Signalwege den Botenstoff Gamma-Interferon betrifft. In seine Aktivität greifen bereits heute Medikamente der sogenannte JAK-Inhibitoren ein, die beispielsweise bei rheumatoider Arthritis eingesetzt werden. „Die Vermehrung dieser aktivierten B Zellen im Blut von Patient*innen mit Autoimmunerkrankungen hilft möglicherweise in der Diagnostik, um Patientinnen zu erkennen, die von JAK-Inhibitortherapie besonders profitieren. Klinische Studien müssen dies bestätigen“, so Keller.

Entscheidende Gendefekte weltweit extrem selten

Die Krankheiten der untersuchten Patient*innen sind so selten, dass weltweit zum Teil nur zwei oder drei Betroffene bekannt sind. Deshalb war die Suche nach genetischen Veränderungen nur in Zusammenarbeit mit einer Vielzahl internationaler Kollaborationspartner möglich: „Diese seltenen Patient*innen mit definierten Störungen des Immunsystems helfen uns, grundlegende Mechanismen des menschlichen Immunsystems zu verstehen und so neue Therapieansätze zu entwickeln“, sagt Warnatz. 

Original-Titel der Studie: The expansion of human T-bethighCD21low B cells is T cell dependent

DOI: 10.1126/sciimmunol.abh0891
Link zur Studie: https://www.science.org/doi/10.1126/sciimmunol.abh0891