Archiv der Kategorie: Medizin

Neuro-endokriner Reflex führt zu Infektionen

Verbindung zwischen Nerven- und Immunsystem: Neuro-endokriner Reflex führt zu Infektionen

Neuroendokriner_Reflex_5b3a1a342fWissenschaftler der Charité – Universitätsmedizin Berlin konnten in Kooperation mit dem Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE), der Harvard Medical School in Boston und der Ohio State University in Columbus zeigen, dass die erhöhte Infektionsrate nach Rückenmarksverletzungen durch eine direkte Fehlsteuerung des geschädigten Nervensystems verursacht wird. Über einen neu entdeckten Reflexbogen kommt es zu einer gestörten Hormonfreisetzung in der Nebenniere, die die Abwehrkräfte des Organismus gegenüber Bakterien schwächt. Die in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins Nature Neuroscience veröffentlichten Ergebnisse sind wegweisend für die Entwicklung neuer Therapieansätze zur Reduktion von Infektionen.

Nach Verletzungen des Gehirns oder des Rückenmarks, beispielsweise durch einen Schlaganfall oder Unfall, kommt es zu einer bedeutenden Schwächung des Immunsystems, die häufig zu schweren Infektionen wie Lungenentzündungen oder Harnwegsinfekten führt. Dies wiederum erschwert die Regeneration des verletzen Nervengewebes und die Rehabilitation der betroffenen Patienten. Wie genau die Verletzung des Nervensystems zu den Infektionen führt und welche physiologischen Parameter verantwortlich sind, ist bisher nur sehr ungenau verstanden. Das Forscherteam um Privatdozent Dr. Harald Prüß von der Klinik für Neurologie der Charité und dem DZNE Berlin und um Prof. Dr. Dr. Jan M. Schwab, Leiter der Abteilung für Neuroparaplegiologie der Charité, konnten diesen Ablauf nun erstmalig entschlüsseln.

„Ausgangspunkt unserer Studie war die Vermutung, dass aus dem Rückenmark kommende Nervenbahnen einen direkten Einfluss auf die Funktion von Immunorganen wie Lymphknoten oder Milz haben“, erklärt Privatdozent Dr. Prüß. Er fügt hinzu: „Zu unserer Überraschung zeigte sich jedoch, dass diese direkte Ansteuerung nicht für die Fehlfunktion der Immunorgane verantwortlich ist und es stattdessen zu einer immunologischen Fehlsteuerung kommt, die den gesamten Körper betrifft.“

Die Wissenschaftler wiesen nach, dass das Nervensystem über die Hormonproduktion der Nebenniere einen indirekten Kommunikationsweg nutzt, der zu einem starken Abbau vieler Immunzellen führt. Im gesunden Organismus werden die Nebennieren vom Nervensystem sowie von übergeordneten Hormonzentren kontrolliert. Man ging bisher davon aus, dass eine Verletzung des Zentralnervensystems über die Hormonachse zur Freisetzung von Kortison in der Nebenniere führt, während eine traumabedingte Stressreaktion die Ausschüttung der Nebennieren-Hormone Adrenalin und Noradrenalin verursacht. „Unsere Daten zeigen, dass die Fehlfunktion der Nebenniere unter direkter Kontrolle des verletzten Nervengewebes steht“, ergänzt der Wissenschaftler und Neurologe. Dadurch komme es im Gegensatz zur gängigen Lehrmeinung infolge einer traumatischen Rückenmarkverletzung sogar zunächst zu einem Abfall der Stresshormone und zu einer gesteigerten Kortisonproduktion.

Die veränderten Hormonspiegel führten zu einem dramatischen Abbau vieler Immunzellen, insbesondere von Vorläuferzellen der T- und B-Zell-Reihen. Dadurch schrumpften Milz, Thymus oder Lymphknoten um teilweise 50 bis 80 Prozent ihrer Größe. Durch eine experimentelle Ausschaltung der Nebennieren ließ sich dieser massive Verlust von Immunzellen umkehren, allerdings waren die untersuchten Mäuse weiterhin anfällig für Infektionen. Wurde diesen Tieren hingegen Nebennieren-Gewebe auto-transplantiert, waren sie vor Infektionen geschützt. Die Nebennieren-Transplantate produzieren dabei die für den Körper notwendigen Hormone, stehen aber nicht mehr unter der dysfunktionalen Kontrolle des Nervensystems, wie sie sich sonst nach einer hohen Rückenmarkverletzung ausbildet.

Die Identifikation dieses zweiteiligen pathologischen Reflexbogens per Nervenbahnen vom Rückenmark zur Nebenniere und von dort über Hormonsignale zum Immunsystem, vertieft das Verständnis der Schnittstellen zwischen Nervensystem und Immunsystem fundamental. Die Entdeckung der Immunparalyse und der ihr zugrundeliegenden Mechanismen ist ein wichtiger Schritt hin zu einer besseren Behandlung von rückenmarkverletzten Patienten. Querschnittgelähmte Patienten leiden somit nicht nur an den offensichtlichen Lähmungen von Motorik und Sensibilität, sondern auch einer Lähmung des Immunsystems.

„In der Tat konnten umfassende Analysen der Kortison- und (Nor)Adrenalin-Spiegel bei Patienten zeigen, dass sie sich nach einer akuten Rückenmarkverletzung grundsätzlich ähnlich verhalten wie in den experimentellen Arbeiten“, erklärt Prof. Schwab. Damit könnte die therapeutische Normalisierung dieses neuro-endokrinen Reflexes eine wirksame Strategie sein, um die teils lebensbedrohlichen Infektionen nach einer Verletzung des Zentralnervensystems in den Griff zu bekommen.

*Harald Prüss, Andrea Tedeschi, Aude Thiriot, Lydia Lynch, Scott M. Loughhead, Susanne Stutte, Irina B. Mazo, Marcel A. Kopp, Benedikt Brommer, Christian Blex, Laura-Christin Geurtz, Thomas Liebscher, Andreas Niedeggen, Ulrich Dirnagl, Frank Bradke, Magdalena S. Volz, Michael J. DeVivo, Yuying Chen, Ulrich H. von Andrian, Jan M. Schwab (2017). Spinal cord injury-induced immunodeficiency is mediated by a sympathetic-neuroendocrine adrenal reflex, Nature Neuroscience. doi: 10.1038/nn.4643

Die Zukunft der Altersmedizin

Auf die Altersmedizin rollt ein Tsunami zu: Geriater werden die Superspezialisten der P4-Medizin sein

Prof. John MorleyAuf die Altersmedizin rollt ein Tsunami zu: Eine begrenzte Anzahl von Geriatern muss in Zukunft immer mehr ältere Patienten mit ihren spezifischen Bedürfnissen adäquat versorgen. Wie soll das funktionieren? Was muss sich ändern? Wie sieht die Altersmedizin der Zukunft aus? Auf Einladung der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG) hat sich Professor John Morley von der Saint Louis University in den USA – einer der berühmtesten lebenden Geriater – mit dieser Frage nach den Herausforderungen der Zukunft intensiv auseinander gesetzt.
Große Bedeutung kommt Professor Morleys Meinung nach eine dieser demographischen Veränderung angemessene Ausstattung der Krankenhäuser zu: „Alle stationären Einrichtungen sollten eine Akutpflege für ältere Menschen, eine Delir-Intensivstation, eine geriatrische Notfallabteilung und eine geronto-unfallchirurgische Einheit besitzen.“ Ebenso müssen Instrumente implementiert werden, mit denen die wichtigsten geriatrischen Syndrome Gebrechlichkeit (Frailty), Muskelabbau (Sarkopenie), Mangelernährung (Anorexie) und Gedächtnisverlust (kognitiver Abbau) frühzeitig erkannt und konsequent behandelt werden können. „Und vieles davon wird computergestützt durchgeführt werden.“

Im September kommt Morley nach Deutschland. Während des Jahreskongresses der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie wird er seine Forschungsergebnisse und Denkanstöße persönlich vorstellen. Seine Keynote-Lecture: „The future of Geriatric Medicine” wird bereits jetzt in Fachkreisen mit Spannung erwartet.

Telemedizin, Exoskelette & Co: Neue Technologien spielen eine wichtige Rolle

Moderne Technologie spielt für Morley eine große Rolle und in Zukunft eine noch größere. Sie helfen, Kapazitäten in den Krankenhäusern freizuhalten. So könnten in Zukunft Patienten mit weniger schweren akuten Beschwerden laut Morley durch telemedizinische Programme adäquat zuhause versorgt werden. Auch Rehabilitation könnte so funktionieren: „Moderne Technologien wie Exoskelette und computergesteuerte Physiotherapie werden eingesetzt, um die Patientenergebnisse zu verbessern“, ist sich Professor Morley sicher. Die „Geronto-Technologie“ wird eine bedeutende Rolle in der zukünftigen Altersmedizin spielen und so besonders für Geriater an Bedeutung gewinnen.

Durch immer mehr Technik das Leben verlängern

Wir werden uns leider daran gewöhnen müssen, dass in der Medizin und Pflege in Zukunft immer mehr Technik zum Einsatz kommt, weil das erforderliche Personal fehlen wird. Nicht alles, was medizinisch machbar ist, sollte auch angewandt werden. Um jeden Preis am Leben bleiben, das wollen nicht alle alten Menschen. Wer garantiert uns ein selbstbestimmtes Leben, wenn wir alt und gebrechlich sind?

Geriater werden Superspezialisten der vorausschauenden Medizin sein

Bereits auf molekularbiologischer Ebene könnte in Zukunft eine Menge getan werden, um altersbedingte Probleme präventiv zu bekämpfen – mit Stammzellen, Genanalysen und Genetic Engineering. Damit bekommen Geriater eine besondere Stellung innerhalb der sogenannten P4-Medizin – einem patientenorientierten vorausschauenden Ansatz, der die vier Prinzipien Prädiktion, Prävention, Personalisierung und Partizipation in den Vordergrund stellt. „Geriater werden in der Tat die Superspezialisten der zukünftigen P4-Medizin sein“, so John Morley. Um diese Art der Medizin in der Geriatrie umzusetzen, bedarf es vor allem einer stärkeren interdisziplinären Zusammenarbeit entlang der kompletten Versorgungskette.

Dringend notwendig: Enge Zusammenarbeit, einheitliche Standards und mehr Altersmediziner!

Überhaupt ist die enge Zusammenarbeit in interdisziplinären Teams unabdingbar, um dem Alters-Tsunami Herr zu werden – zum Beispiel bei der Entwicklung von Programmen, die die eigene Stärke (Resilienz) älterer Patienten und deren kognitive Fähigkeiten trainieren. „Wir brauchen Standards, um eine hohe Qualität für diese geriatrischen Programme in den Krankenhäusern zu gewährleisten“, fordert Morley. Auch für das Image und die Wahrnehmung der Altersmedizin in der Öffentlichkeit ist noch Einiges zu tun: „Wir brauchen mehr Geriater, um präsenter zu sein. Und dafür brauchen wir ein größeres Bewusstsein für den Bedarf an Spezialisten für den Alten Menschen: den Geriatern.“

Zur Person:

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John E. Morley ist Professor of Gerontology und Direktor der Division of Geriatric Medicine an der Saint Louis University Medical School in Missouri/USA. International bekannt ist er als Forscher, Kliniker und Ausbilder. Neben umfangreichen wissenschaftlichen Errungenschaften hat Morley klinische Ausbildungsprogramme sowohl in der Endokrinologie als auch in der Geriatrie geleitet. Er ist Herausgeber der renommierten Fachzeitschrift Journal of the American Medical Director`s Association (JAMDA) und hat zahlreiche Auszeichnungen für seine Forschungs- und Ausbildungskompetenz erhalten, etwa 2004 den Gerontological Society of America´s Freeman Award und 2011 den AMDA Pattee Award for Educational Excellence.

So können überflüssige Operationen vermieden werden

Neu: „Zweitmeinungsklinik“ schützt vor überflüssigen Operationen

Die Orthopädische Uni-Klinik im bayerischen Bad Abbach setzt Maßstäbe: Sie bietet Patienten jetzt vor Operationen an Rücken und Gelenken Soforttermine für Zweitmeinungsberatung / Klinikchef Professor Dr. Joachim Grifka: In beinahe jedem zweiten Fall ist eine Operation aus unserer Sicht nicht notwendig.

Bad Abbach (obx-medizindirekt) – Die hohen Operationszahlen haben den Gesetzgeber 2016 veranlasst, das Recht der Patienten auf Einholung einer Zweitmeinung zu verstärken. Denn die Praxis zeigt: Vor allem im Bereich der Gelenke und der Wirbelsäule könnten viele chirurgische Eingriffe vermieden werden. „Patienten sollten deshalb viel öfter ihr Recht auf Einholung einer Zweitmeinung nutzen“, sagt Prof. Dr. Grifka, Direktor der Orthopädischen Universitätsklinik am Asklepios Klinikum Bad Abbach. Das Bad Abbacher Klinikum hat deshalb jetzt eine „Akut-Sprechstunde“ für Patienten eingerichtet, die sich vor einer anstehenden Operation nochmals Expertenrat über Notwendigkeit oder Alternativbehandlungen einholen wollen. Ein Novum: Ratsuchende genießen dabei im Klinikum Bad Abbach ab sofort besonderen Service: Vergleichbar mit Notfällen erhalten sie vorgezogene Termine für Zweitmeinungs-Beratung. „Ich kenne keine Klinik, die einen vergleichbaren Akut-Service für die Beratung anbietet“, sagt Professor Grifka.

„Niemals drängen oder unter Zeitdruck setzen lassen, wenn es um einen chirurgischen Wahleingriff etwa am Knie, an der Hüfte oder am Rücken geht“, rät Professor Dr. Grifka. Er hat das Konzept der „Zweitmeinungsklinik“ auch auf Drängen niedergelassener Ärzte entwickelt. Auch viele Hausärzte kennen das Problem, dass ihre Patienten von Chirurgen oft zu schnell und kurzfristig zu Operationen gedrängt werden. „Viele Patienten kommen von Belegärzten, die neben ihrer Praxis selbst in einem Krankenhaus operieren“, so Prof. Grifka.

Die Einholung einer Zweitmeinung bei einem qualifizierten Facharzt schütze den Patienten vor vorschnellen Entscheidungen, meint Grifka, der laut Magazin Focus zu den führenden Orthopäden in Deutschland zählt. Wie wichtig das Konsultieren eines zweiten Arztes sein kann, beweisen die Zahlen in Bad Abbach. 12 Patienten pro Tag nutzen mittlerweile das Angebot der Bad Abbacher Orthopäden zur unabhängigen Beratung. „In der Hälfte aller Fälle kommen wir zu einer anderen Meinung als der operierende Kollege“, sagt der Klinikdirektor.

Patienten haben seit vergangenem Jahr das ausdrückliche Recht auf Einholung einer Zweitmeinung. Jeder Operateur ist bei sogenannten mengenanfälligen Leistungen – das sind Operationen, die in den letzten Jahren deutlich angestiegen sind – verpflichtet, seine Patienten über deren Recht zur Zweitmeinung aufzuklären und für die Begutachtung Röntgenbilder und Befundberichte bereitzustellen. Ein 2016 erlassenes Gesetz schreibt diese Patientenrechte ausdrücklich fest. Die Krankenkassen übernehmen zudem die Kosten für diese Paralleluntersuchung. Größtes Hindernis war in der Praxis allerdings das Problem, vor kurzfristig anstehenden Operationsterminen den Termin bei einem zweiten Facharzt zu bekommen. In der Bad Abbacher „Zweitmeinungsklinik“ ist das anders: „Wir behandeln Patienten, die unseren Rat auf Zweitmeinung brauchen wie einen Notfall. Sie bekommen sofort einen Termin“, sagt Professor Grifka.

Skelettaufnahmen unter natürlicher Belastung

Vertikal Scanner: Innovatives Bildgebungsverfahren an der Charité

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Vertikal Scanner: Dreidimensionale, digitale Abbildungen des Bewegungsapparates. Copyright: EOS Imaging GmbH.

Vertikal Scanner: Dreidimensionale, digitale Abbildungen des Bewegungsapparates.  

Berlin, 06.10.2016  An der Charité – Universitätsmedizin Berlin ist es jetzt möglich, mit einem Vertikal Scanner das Knochengerüst dreidimensional in einer aufrechten, zum Beispiel einer stehenden oder sitzenden, Position abzubilden. Patienten werden dabei einer nur geringen Strahlendosis ausgesetzt. Anhand der gewonnenen Bilddaten lassen sich dreidimensionale Modelle errechnen, die Wirbelsäule, Becken und benachbarte Knochen unter normaler Belastung zeigen. Fehlstellungen oder Schäden lassen sich so optimal bestimmen und Operationen im Vorfeld besser planen.

Beschwerden des Stütz- und Bewegungsapparates treten in der Regel in Belastungssituationen auf. Umso wichtiger ist für die Diagnose und zur Einschätzung von Behandlungsmöglichkeiten ein genaues Bild der jeweiligen Knochenkonstellation. Ein Vertikal Scanner kann die Haltung des Skeletts dreidimensional digital darstellen. „Das neue Gerät liefert sehr genaue medizinische Daten für die Behandlungsplanung“, sagt Prof. Dr. Carsten Perka, Ärztlicher Direktor des Centrums für Muskuloskeletale Chirurgie (CMSC). „Besonders hilfreich sind die Aufnahmen im Fall von Patienten, deren Probleme bei Belastung entstehen. Die herkömmliche liegende Untersuchungsposition ist zur Beurteilung der Muskel- und Skelett-Strukturen dann oft ungeeignet“, so Prof. Perka.

Das Verfahren ist vor allem für und Erwachsene mit Fehlstellungen der Wirbelsäule, mit Hüft-, Knie- oder Rückenproblemen entwickelt worden. Ein gestörtes Zusammenwirken einzelner Komponenten des Skelettes lässt oftmals erst die Ursachen von Beschwerden erkennen. Auch das Einsetzen oder Korrigieren eines Gelenkimplantats lässt sich anhand der neuen Bilddaten besser planen. „Eine der häufigsten Ursachen für Komplikationen bei Wirbelsäulen- und Gelenkimplantaten, insbesondere der Hüfte, ist eine fehlerhafte Ausrichtung des Implantates“, sagt Prof. Perka. „Die 3D-Rekonstruktionen der Knochen zeigen das genaue Zusammenspiel von Wirbelsäule und Hüfte und helfen, Fehlstellungen der Hüfte festzustellen, zu verhindern und zu beseitigen“, ergänzt Prof. Dr. Bernd Hamm, Direktor der Klinik für Radiologie. Zudem lassen sich die Aufnahmen bei reduzierter Strahlenexposition erstellen, sodass eine wiederholte Untersuchung zur Beurteilung von Behandlungsergebnissen und Verläufen ohne eine insgesamt erhöhte Belastung möglich ist.

Schrittmacher für geschädigtes Rückenmark

Elektrische Stimulation hilft Bewegungsabläufe zu regenerieren

Berlin, 12.02.2016 – Elektrische Impulse aktivieren das Rückenmark unterhalb der Verletzung.

Copyright: European Project NEUwalk.

Copyright: European Project NEUwalk.

Wissenschaftler der Charité – Universitätsmedizin Berlin und der ETH Lausanne haben Bewegungsabläufe nach einer Schädigung des Rückenmarks wiederhergestellt. Sie konnten zeigen, dass für ein koordiniertes Zusammenspiel der Muskeln, beispielsweise beim Gehen, alternierende Impulse des Rückenmarks verantwortlich sind. Neu entwickelte Implantate empfinden diese Signale durch elektrische Impulse nach. Damit konnten Abschnitte des Rückenmarks gezielt reaktiviert werden. Die Ergebnisse der Studie sind in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Nature Medicine* veröffentlicht.

Eine Querschnittslähmung wird durch eine traumatische Schädigung des Rückenmarks verursacht. Die Kommunikation zwischen Gehirn und Rückenmark ist unterbrochen. Schwere Funktionsstörungen und lebenslange Lähmungen sind oft die Folge. Aus Studien ist bekannt, dass das Rückenmark die Eigenschaft besitzt, unabhängig von Signalen des Gehirns, bei einer elektrischen oder chemischen Stimulation koordinierte Bewegungen zu erzeugen. „Unser Ziel ist es, den Rückenmarkbereich unterhalb einer Verletzung durch elektrische Impulse zu reaktivieren. Das Potential, eigenständig Bewegungen zu generieren, wollen wir dabei steigern, indem wir den natürlichen Abläufen möglichst nahe kommen“, erklärt Dr. Nikolaus Wenger, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Klinik und Hochschulambulanz für Neurologie der Charité und des Berlin Institute of Health.

Im Tiermodell konnte das europäische Forscherteam zeigen, dass es während der Bewegung der Beine zu einer wellenförmigen Aktivität von Rückenmarkbereichen kommt. „Um diese Rückenmarkaktivität nach einer Querschnittslähmung zu reproduzieren, haben wir dauerhafte Implantate entwickelt, die eine selektive Rückenmarkstimulation ermöglichen“, sagt Dr. Wenger. Wird der richtige Rückenmarksbereich zum richtigen Zeitpunkt stimuliert, lassen sich Kraft und Balance während des Gehens verbessern. Die neuartigen Implantate und Stimulationstechnologien passen eine Aktivierung des Rückenmarks an die zeitliche Abfolge des Bewegungsvorgangs an.

Derzeit sind die aktuellen Erkenntnisse auf dem Weg der Übertragung in klinische Anwendungen, da auch das menschliche Rückenmark durch elektrische Stimulation zu Bewegungsvorgängen angeregt werden kann. Die neue Art der Rückenmarkstimulation kann in Zukunft zu einer besseren Therapie von querschnittsgelähmten Patienten beitragen. Ein weiteres Ziel ist hierbei, die therapeutischen Ansätze weiterzuentwickeln und auf den Bereich der Schlaganfallforschung zu übertragen.

*N. Wenger, E. M. Moraud, J. Gandar, P. Musienko, M. Capogrosso, L. Baud, C. G Le Goff, Q. Barraud, N. Pavlova, N. Dominici, I. R. Minev, L. Asboth, A. Hirsch, S. Duis, J. Kreider, A. Mortera, O. Haverbeck, S. Kraus, F. Schmitz, J. DiGiovanna, R. van den Brand, J. Bloch, P. Detemple, S. P. Lacour, E. Bézard, S. Micera & G. Courtine. Spatiotemporal neuromodulation therapies engaging muscle synergies improve motor control after spinal cord injury. Nat Med. 2016 Feb;22(2):138-145. doi: 10.1038/nm.4025. Epub 2016 Jan 18.

Arzneimittel-Re-Import

Gefälschte Medikamente

Re-Importe bescheren höhere Gewinne, aber sind sie auch sicher?

Gerade hatte ich ein sehr interessantes Telefongespräch mit dem Kundenservice von Boehringer Ingelheim. Es ging um das Präparat Buscopan plus.

Aufgrund der etwas ungewöhnlichen Verpackung (siehe Fotos) und meinem persönlichen Eindruck, dass die Wirkung nicht identisch ist, mit den Buscopan Tabletten, die ich davor eingenommen hatte, fragte ich direkt bei Boehringer Ingelheim nach. So erfuhr ich, dass es von unserer Bundesregierung und von den Krankenkassen gewollt ist, dass Medikamente für den deutschen Markt durch Re-Importe günstiger eingekauft werden. Im Falle von Buscopan spielt die Krankenkasse keine Rolle, weil das Präparat von den gesetzlichen Krankenkassen nicht bezahlt wird. Hier geht es rein um den Profit der Apotheken.

Buscopan

Buscopan – man denkt doch, dass das direkt von Boehringer Ingelheim kommt, oder? Kommt es nicht. Siehe Foto unten

Einen Re-Import erkennt man daran, dass auf der Pillenverpackung ein Aufkleber einer Arzneimittelfirma ist. In diesem Fall hier ist es die EMRAmed Arzneimittel GmbH in Trittau. Seltsam kommt mir allerdings auch vor, dass die Alufolie und die darüberliegende weiße Plastikfolie versetzt aufgebracht sind. Das kann natürlich einfach nur durch eine kleine Verschiebung bei der Produktion entstanden sein und muss nichts weiter bedeuten.

Boehringer Ingelheim versicherte mir, dass derart günstige Präparate normalerweise nicht gefälscht werden, weil man damit nicht so viel verdienen kann. Man hat mich dennoch gebeten, dass ich in die Apotheke meines Vertrauens gehe, um dort die Sache überprüfen zu lassen. Die Apotheke nimmt mit dem Hersteller Kontakt auf und sendet das Medikament ein. Da ich das Buscopan in einer anderen Stadt gekauft habe, kann ich einigermaßen sicher sein, dass hier kein Interessenskonflikt auftritt.

Auf meine Frage, weshalb Boehringer ins Ausland günstiger liefert und diese Konditionen nicht auch deutschen Apotheken anbietet, sagte man mir, dass man ein deutsches Unternehmen mit Sitz in Deutschland sei, das hier Löhne, Gehälter und Steuern zahlt, die verdient werden müssten. Auf meine Frage, ob man das Medikament nur in Deutschland produziere, bekam ich die Antwort, dass die Produktion über die ganze Welt verteilt sei.

Buscopan über Frankreich nach Deutschland

Buscopan von Boehringer Ingelheim wurde in Frankreich hergestellt, dann umverpackt. Wer hat da die Kontrolle?

Dieses Buscopan wurde von Delpharrm Reims, Frankreich hergestellt und von MPA Pharma GmbH umverpackt. Als Pharmazeutischer Unternehmer wird EMRAmed. Arzneimittel GmbH in Trittau genannt.

Hierzu Auszüge aus der Pressemitteilung der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft e.V. vom 09. Oktober 2013:

Gefälschte Arzneimittel – Gesundheitsrisiken für Patienten

Heute werden aus Kostengründen etwa 80 Prozent aller Arzneistoffe in China und Indien produziert. Wahrscheinlich treibt der Druck, immer günstiger produzieren zu müssen, die Hersteller dazu, nicht nur die Herstellung von Wirkstoffen, sondern auch die Fertigung von Zwischenprodukten und mittlerweile sogar die gesamte Produktion in fremde Länder auszulagern. In Asien hergestellt, in Ungarn oder Rumänien verpackt, in Malta kontrolliert, zum Schluss nach Deutschland transportiert: Solche „Reiserouten“ sind für Arzneimittel längst keine Ausnahme mehr. Wie viele Arzneimittel vollständig oder in Teilen im Ausland hergestellt werden, lässt sich nur schätzen, denn pharmazeutische Unternehmen sind nicht dazu verpflichtet, die Ursprungsländer und Produktionswege ihrer Medikamente anzugeben. Zwar müssen die Hersteller im Ausland die gleichen Qualitätsanforderungen erfüllen wie die hier ansässigen Unternehmen, doch wird es im Zeitalter der Globalisierung zunehmend schwieriger, die Hersteller im Ausland wirksam zu kontrollieren.

Laut dem EU-Zollbericht 2012 stehen gefälschte Arzneimittel mit knapp 24 Prozent an der Spitze gefälschter Waren, die an den Grenzen der EU entdeckt wurden. „Im illegalen Internethandel ist sogar jedes zweite Präparat gefälscht“, sagte Professor Dr. Ulrike Holzgrabe vom Institut für Pharmazeutische Chemie der Universität Würzburg. Lifestyle-Medikamente gegen Impotenz oder Haarausfall stehen ganz oben auf der Liste der am häufigsten gefälschten Medikamente. Doch längst betreffen Arzneimittelfälschungen auch „gewöhnliche“ Wirkstoffgruppen, z.B. Antibiotika, Schmerzmittel, Medikamente gegen Bluthochdruck, Medikamente gegen erhöhte Cholesterinwerte oder Verhütungsmittel wie die „Pille“.

Können sich Patienten vor Arzneimittelfälschungen schützen? Wer auf Nummer sicher gehen will, kauft Arzneimittel in der Apotheke vor Ort, denn in der „legalen“ Vertriebskette „Hersteller – Großhandel – Apotheke“ kommen Arzneimittelfälschungen so gut wie nicht vor. In Deutschland sind zwischen 1996 und 2008 nur 40 Fälle von Fälschungen im „legalen“ Vertrieb aufgetreten. Dagegen wurden schon im ersten Halbjahr 2013 vom Zoll insgesamt 1,4 Millionen gefälschte Arzneimittelpackungen sichergestellt, im Vergleich zu 2012 eine Steigerung um 15 Prozent.

 

Um den legalen Vertriebsweg auch künftig vor Fälschungen zu schützen, hat die EU im Juli 2011 eine Richtlinie zur Bekämpfung von Arzneimittelfälschungen veröffentlicht. In Deutschland wird dazu seit Anfang 2013 ein nationales System getestet, um die Echtheit von Arzneimitteln sicherzustellen. Arzneimittel tragen zu diesem Zweck Sicherheitsmerkmale, zum Beispiel 2D-Barcodes, mit denen der Apotheker bei der Abgabe prüfen kann, ob die Arzneimittelpackung aus legalen Quellen stammt. Wer, was in Deutschland erlaubt ist, Arzneimittel aus einer zugelassenen Versandapotheke über das Internet bestellt, sollte wachsam sein und ein gesundes Misstrauen haben, um nicht auf einen Betrüger hereinzufallen, der die Internetseite einer deutschen Versandapotheke täuschend ähnlich nachgebaut hat. Wenn Medikamente marktschreierisch angepriesen werden, wenn mit Billigstpreisen geworben wird, wenn man kein Rezept mitschicken muss, dann nichts wie Hände weg von solchen Angeboten!

Das sagt die DPhG über sich selbst:Die Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft e.V. (DPhG) zählt mit über 10.000 Mitgliedern zu den großen wissenschaftlichen Gesellschaften in Deutschland. Die DPhG veranstaltet jährlich etwa 150wissenschaftliche Vorträge für Apotheker, ist Herausgeberin der Zeitschrift „Pharmakon“ und fördert als unabhängige Gesellschaft die wissenschaftlichen Interessen der deutschen Pharmazie.

 

Bei dieser Pressekonferenz wurde u. a. von Medizinerinnen angemerkt, dass Fälschungen auch über Apotheken verkauft werden, da es keinen hundertprozentigen Schutz gäbe. Oft sei es sehr schwer Fälschungen von echten Medikamenten zu unterscheiden. Nur wenn Zweifel aufkämen, würde eine Überprüfung stattfinden.

Ich habe auch in deutschen Apotheken die Erfahrung gemacht, dass rezeptpflichtige Medikamente von Apotheken-Helferinnen – sogar in Ausbildung – ausgehändigt wurden.

Am Ende trägt das Risiko immer der Patient oder die Patientin. Man sollte deshalb schon genau hinschauen, wenn das gewohnte Medikament sich in Form und Verpackung verändert hat. Und schauen Sie auch genau hin, ob es sich um einen Re-Import handelt. Fragen Sie Ihren Apotheker oder Ihre Apothekerin, weshalb sie Ihnen einen Re-Import zum gleichen Preis eines in Deutschland direkt ausgelieferten Medikaments verkauft. Manche Apotheken reagieren darauf sehr ungehalten. Das sollte man allerdings nicht einfach so hinnehmen, geht es doch um die eigene Gesundheit.

Für die immer älter werdende Gesellschaft entstehen hier neue Probleme. Ältere Menschen sind oft darauf angewiesen, dass sie ihrem Apotheker oder ihrer Apothekerin vertrauen können.

Buscopan Re-Import

Der Aufkleber zeigt, dass es sich hier um einen Re-Import handelt

Liste der Arzneimittel, die vorläufig nicht mehr verkauft werden dürfen

Mangelhafte Arzneimittelstudien aus Indien:
BfArM veröffentlicht Liste der vom EU-Kommissionsbeschluss betroffenen Zulassungen

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat heute die Liste der Arzneimittel-Zulassungen veröffentlicht, bei denen auf Basis des EU-Kommissionsbeschlusses vom 16.07.2015 das Ruhen der Zulassung angeordnet wird.

Der entsprechende Bescheid wurde den betroffenen pharmazeutischen Unternehmen vom BfArM bereits zugestellt. Gegen diesen Bescheid kann Klage erhoben werden, diese hat aber keine aufschiebende Wirkung, d. h., sie hat keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der Ruhensanordnung. Die betroffenen Arzneimittel sind damit ab dem 21.08.2015 nicht mehr verkehrsfähig. Das bedeutet, dass sie dann von pharmazeutischen Unternehmen, Großhändlern, Apotheken oder anderen Stellen nicht mehr abgegeben bzw. verkauft werden dürfen. Das BfArM setzt damit den Beschluss der EU Kommission in Deutschland fristgerecht um.

Unterschiedliche Fristen und Verfahren werden dazu führen, dass das Ruhen der Zulassung bestimmter Produkte jederzeit und in unregelmäßigen Abständen vom BfArM aufgehoben werden kann. So haben die betroffenen pharmazeutischen Unternehmen die Möglichkeit, durch Vorlage neuer Daten die Bioäquivalenz ihrer Arzneimittel neu nachzuweisen. Einige Unternehmen haben hiervon bereits Gebrauch gemacht. Die betroffenen Arzneimittel werden dementsprechend auf der Liste des BfArM nicht mehr genannt und die Ruhensanordnung der Europäischen Kommission nicht angewendet.

Auf der Liste des BfArM befinden sich auch 17 Arzneimittel, die auf der Liste der Europäischen Kommission nicht genannt werden. Grund dafür ist, dass bei diesen Arzneimitteln die Zulassung zwar bereits erloschen ist, diese aber wegen besonderer nationaler Regelungen in Deutschland noch über einen begrenzten Zeitraum „abverkauft“ werden dürfen. Um diesen Abverkauf zu stoppen, wurde auch für sie eine der Ruhensanordnung inhaltlich entsprechende Regelung ausgesprochen.

Das BfArM hat außerdem drei Arzneimittel mit dem Wirkstoff Tacrolimus als Arzneimittel eingestuft, die für die Versorgung der Patientinnen und Patienten eine entscheidende Bedeutung haben.
Arzneimittel mit dem Wirkstoff Tacrolimus werden auf der Substitutionsausschlussliste des Gemeinsamen Bundesausschusses geführt. Das heißt, dass sie nicht gegen ein wirkstoffgleiches Präparat ausgetauscht werden dürfen. Die Hersteller haben nun zwölf Monate Zeit, um die Bioäquivalenz ihrer Produkte zu belegen.

Das BfArM hatte die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) sowie die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AKDÄ) bereits über das weitere Vorgehen informiert. Die Fachkreise konnten sich damit auf die Umsetzung des EU-Beschlusses vorbereiten.

Dem BfArM liegen derzeit keine Hinweise auf Gesundheitsgefahren vor. Patientinnen und Patienten, die noch im Besitz entsprechender Arzneimittel sind und sich unsicher sind, ob sie ihr Arzneimittel weiter verwenden können, sollten ein verordnetes Arzneimittel nicht eigenmächtig absetzen, sondern sich an ihren Arzt oder Apotheker wenden. Bei den betroffenen Arzneimitteln handelt es sich ausschließlich um Generika. Nach Einschätzung des BfArM ist nicht mit Lieferengpässen zu rechnen, weil vergleichbare andere Arzneimittel zur Verfügung stehen.

Die jeweils aktuelle Version der Liste kann ausschließlich unter der Adresse www.bfarm.de/gvk bezogen werden und nicht aus anderen Quellen.

Chronisch entzündliche Darmerkrankungen

Aktionstag „Chronisch entzündliche Darmerkrankungen“
Morbus Crohn-Patienten brauchen individuelle Therapie

Berlin – Deutet sich bei Morbus Crohn ein komplizierter Krankheitsverlauf an, sollten Mediziner schon früh eine immunsuppressive Therapie erwägen, empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) in ihrer neuen Leitlinie „Morbus Crohn und Colitis ulcerosa“. Dies könnte den Patienten eine Dauertherapie mit Kortison und deren schwere Nebenwirkungen ersparen. Anlässlich des bundesweiten Aktionstages „Chronisch entzündliche Darmerkrankungen“ der Gastro-Liga am 19. Mai 2015, weist die Fachgesellschaft auf besondere Risikofaktoren hin, die einen komplizierten Krankheitsverlauf der Darmkrankheit ankündigen.

Morbus Crohn hat viele Gesichter: „Die Behandlung ist deshalb immer eine Herausforderung, denn die Krankheit verläuft bei jedem Betroffenen anders und es lässt sich schwer vorhersagen, welche Patienten auf welche Therapie dauerhaft ansprechen“, erklärt DGVS- Expertin Professor Dr. med. Britta Siegmund, Direktorin der Medizinischen Klinik I mit Schwerpunkt Gastroenterologie, Infektiologie und Rheumatologie an der Charité Campus Benjamin Franklin, Berlin. Besonders schwierig sei zu entscheiden, wann Immunsuppressiva zum Einsatz kommen sollten. Das sind Medikamente, die die körpereigene Abwehr eindämmen und so Entzündungsprozessen entgegenwirken, beispielsweise „TNF-Antikörper“.

Bestimmte Anhaltspunkte helfen dabei, gemeinsam mit dem einzelnen Patienten die richtige Entscheidung zu treffen. Für die „frühe, intensive Therapie“ kommen insbesondere Patienten in Frage, die eine floride Entzündung im Dickdarm haben oder deren Dünndarm von der Entzündung betroffen ist, die jünger als 40 Jahre alt sind, die aufgrund der starken Entzündung bereits bei der Erstdiagnose ein „systemisch“ wirksames Kortison bekommen mussten und die unter Fisteln leiden. Sind diese Risikofaktoren vorhanden oder besteht eine aktive Erkrankung, die nicht zu kontrollieren ist, sollte frühzeitig – also unter Umständen schon in den ersten Monaten – eine immunsuppressive Therapie eingeleitet werden, so Siegmund.

„Bei Morbus Crohn-Patienten richtet sich das Immunsystem gegen den eigenen Körper“, erklärt Siegmund. „Warum das so ist, verstehen wir nicht in allen Details.“ In Teilen scheint die Krankheit vererbt, aber Umwelteinflüsse nehmen eine sehr viel größere Rolle ein. Rauchen verschlimmert den Verlauf der Krankheit und begünstigt auch das Rückfallrisiko.

In Deutschland leiden bis zu 150 000 Menschen an Morbus Crohn. Ärzte finden bei ihnen eine chronische Entzündung, die jeden Abschnitt des Verdauungstrakts befallen kann, meist jedoch den Darm betrifft. Die Krankheit bricht oft in jungen Jahren aus und kehrt in Schüben wieder. Das Ziel einer Behandlung ist es, die Symptome wie Durchfall, starke Bauchschmerzen, Appetitlosigkeit oder Gewichtsverlust zu lindern und die beschwerdefreie Phase so weit wie möglich zu verlängern, im Idealfall ein weitestgehend normales Leben zu ermöglichen.

Individualisierte Therapiekonzepte sind in diesem Jahr das zentrale Thema des Aktionstages „Chronisch entzündliche Darmerkrankungen“, der anlässlich des „World Inflammatory Bowel Disease“-Tages am 19. Mai 2015 stattfindet. Die Gastro-Liga organisiert an diesem Tag bundesweit Veranstaltungen und Experten-Hotlines. Betroffene und Interessierte können sich über das Krankheitsbild und die Behandlungsmöglichkeiten informieren.

Informationen im Internet:

http://www.dgvs.de/leitlinien/

http://www.gastro-liga.de/

Vernetzte Hilfe bei Vergiftungen

„Die Vergiftungs-Informations-Zentrale Freiburg

leistet durch ihrBeratungsangebot schon heute einen wesentlichen Beitrag zur Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger in Baden-Württemberg“, sagt der Minister. „Um dieses wichtige Angebot zukunftssicher zu machen, haben wir eine verstärkte Kooperation mit anderen Giftinformations-Zentren in Deutschland vorangetrieben und diese durch eine verbesserte personelle Ausstattung der VIZ Freiburg maßgeblich unterstützt.“
Die Vergiftungs-Informations-Zentrale (VIZ) Freiburg wird ab sofort eng mit den Giftinformationszentren Erfurt und Göttingen zusammenarbeiten. „Bislang mussten Ärzte den nächtlichen Gift-Notdienst neben der Stationsarbeit bewältigen“, sagt Dr. Maren Hermanns-Clausen, Leiterin der VIZ Freiburg.

„In Zukunft werden nächtliche Anfragen an einem der drei Zentren gebündelt. Das ermöglicht, dass ein Experte in Vollzeit den Nachtdienst des Gift-Notrufs übernimmt – eine derartige Kooperation ist in Deutschland einmalig“, zeigt sich Dr. Hermanns-Clausen erfreut.

Jährlich bearbeitet die VIZ Freiburg über 22.000 Anfragen. Sie ist die einzige Vergiftungs-Zentrale in Baden-Württemberg und eines von insgesamt acht Giftinformationszentren in Deutschland. Diese werden von den Bundesländern benannt und maßgeblich finanziert. Neben akuter Beratung und Behandlung wird die Dokumentation von Vergiftungsfällen immer wichtiger.

Sie erlaubt die frühe Identifizierung möglicher neuer Gefahrenquellen. Über 80 Prozent der bearbeiteten Vergiftungsfälle geschehen im privaten Umfeld, etwa die Hälfte der Fälle geht auf Arzneimittel und chemische Produkte und ungefähr zehn Prozent auf Pflanzen zurück.

Ein Team aus speziell ausgebildeten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus den Bereichen Medizin, Pharmazie und Chemie beantwortet Fragen zu Vergiftungen und Drogennotfällen sowie zu gefährlichen Inhaltsstoffen von Produkten. Außerdem beraten die Experten bei Fragen zu Medikation in Schwangerschaft und Stillzeit sowie zu Wechsel- und Nebenwirkungen von Medikamenten.

Einen Schwerpunkt der Forschung der VIZ Freiburg bildet die Untersuchung aktueller Party-Drogen.

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