Archiv der Kategorie: Medizin

Neuer Wirkstoff wird Patienten mit Diabetes mellitus in Deutschland künftig vorenthalten

Pressemitteilung

Deutsche Diabetes Gesellschaft kritisiert Entscheidung des G-BA zu Canagliflozin

Berlin, 26. September 2014 – Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) hat die Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), das Diabetesmedikament Canagliflozin nicht von den Krankenkassen erstatten zu lassen, scharf kritisiert. Der G-BA verhindere durch seine Entscheidung die Einführung einer neuen Gruppe von effektiven und sicheren Wirkstoffen, die für die Versorgung von Menschen mit Typ-2-Diabetes benötigt werden, erklärte DDG Präsident Privatdozent Dr. med. Erhard Siegel. Auf Grund des Beschlusses wird der Vertrieb in Deutschland nun eingestellt.

Canagliflozin ist nach Dapagliflozin der zweite Wirkstoff aus der Gruppe der SGLT-2-Hemmer („Gliflozine“), die den Blutzucker senken, indem sie die Ausscheidung von Zucker über die Nieren fördern. Im Juni vergangenen Jahres hatte der G-BA Dapagliflozin einen therapeutischen Zusatznutzen abgesprochen. Nun wurde auch die Verordnung von Canagliflozin auf Kassenrezept verhindert.

„SGLT-2-Hemmer sind eine wertvolle Bereicherung der therapeutischen Möglichkeiten, da sich der Wirkungsmechanismus von allen bisher verfügbaren Mitteln unterscheidet“, stellt Professor Dr. med. Dirk Müller-Wieland fest, Mediensprecher der DDG. Das Medikament komme deshalb insbesondere für Patienten infrage, die mit anderen Mitteln keine ausreichende Blutzuckersenkung erzielen und den Einsatz von Insulin vermeiden wollen. Bei diesen Patienten könne mit SGLT-2-Hemmern eine deutliche Senkung des Blutzuckerlangzeitwertes HbA1c erreicht werden. „Der G-BA versperrt mit seiner Entscheidung nun Kassenpatienten in Deutschland zum zweiten Mal diese Therapieoption“, kritisiert Siegel. „Canagliflozin ist für uns ein wertvolles Mittel in der Zusatztherapie für Patienten, das entsprechend den Zulassungsbedingungen allen Patienten zur Verfügung stehen sollte.“

SGLT-2-Hemmer senken nicht nur den Blutzucker, es kommt auch zu einem leichten Rückgang von Blutdruck und Körpergewicht. „Bei übergewichtigen Menschen mit Typ-2-Diabetes, die häufig einen zu hohen Blutdruck haben, ist dies ein günstiger Nebeneffekt, der langfristig Herzkreislauferkrankungen vorbeugen könnte“, sagt Siegel. „Wir betrachten Canagliflozin deshalb als geeignetes Mittel zur Monotherapie, wenn Ernährungsumstellung und Bewegung allein den Blutzucker nicht ausreichend senken und eine Anwendung von Metformin aufgrund von Unverträglichkeit oder Gegenanzeigen nicht möglich ist.“ Die Monotherapie sei nun vom Markt genommen, der Vertrieb der Substanz wird in Deutschland eingestellt.

Der G-BA stützt sich in seiner Entscheidung auf ein Gutachten des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), das nach Ansicht der DDG schwere Mängel aufweist. So hatte das IQWiG eine zentrale Zulassungsstudie aus methodischen Gründen nicht berücksichtigt. Die Studie hatte Canagliflozin mit dem Sulfonylharnstoff Glimepirid als Zusatztherapie bei Patienten untersucht, die mit Metformin allein keine ausreichende Blutzuckersenkung erzielen. In der Studie war die Dosis von Glimepirid langsam gesteigert worden, während Canagliflozin gleich in der vollen Dosis gegeben wurde. Das IQWiG interpretierte dies als unfairen Vergleich.

Aus Sicht der DDG ist es jedoch gängige Praxis. „Bei Sulfonylharnstoffen ist eine langsame Titrierung der Dosis üblich, da es unter der Therapie schnell zu Unterzuckerungen kommen kann“, erläutert Müller-Wieland. Bei SGLT-2-Hemmern besteht die Gefahr nicht. Dass es in der Studie trotz der Titration unter Glimepirid etwa sieben Mal häufiger zu Unterzuckerungen (Hypoglykämie) kam, ist für die DDG Experten ein klares Argument für den Einsatz von Canagliflozin. „Wir würden bei einem Patienten mit erhöhtem Hypoglykämierisiko immer einen SGLT-2-Hemmer bevorzugen“, sagt Müller-Wieland. Bedauerlicherweise seien Fachverbände wie die DDG bei der Beurteilung von neuen Wirkstoffen nicht konsultiert worden. „Fehleinschätzungen wie bei Canagliflozin könnten in diesem Fall verhindert werden“, betont Müller-Wieland.

Die DDG befürchtet zudem, dass die vom G-BA getroffenen Entscheidungen zum Zusatznutzen neuer Medikamente in der Behandlung des Typ-2 Diabetes künftig die Entwicklung von Monopolstellungen einzelner Substanzen fördern könnten. „Daran kann dem G-BA nicht gelegen sein“, meint Siegel.

Beschluss des G-BA:
https://www.g-ba.de/informationen/nutzenbewertung/105/

Stellungnahme der DDG zum IQWiG-Gutachten:
http://www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de/fileadmin/Redakteur/Stellungnahmen/DDG_Stellungnahme_Canaglifozin_final_30062014.pdf

Punktgenau gegen das Zittern

Bildgebendes Verfahren verbessert Tremorchirurgie / Freiburger Forscher publizieren in Neurosurgery

Beidseitige Tiefe Hirnstimulation der Tremorbündel (Dentato-Rubro-Thalamische Trakte; rot, rechts und gelb, links) bei einem Patienten Bildrechte: Universitätsklinikum Freiburg/Volker Arnd Coenen

Beidseitige Tiefe Hirnstimulation der Tremorbündel (Dentato-Rubro-Thalamische Trakte; rot, rechts und gelb, links) bei einem Patienten
Bildrechte: Universitätsklinikum Freiburg/Volker Arnd Coenen

Als Patient mitzuerleben, wie Ärzte ihn am offenen Schädel operieren, ist keine schöne Vorstellung. Für viele Menschen, die an Tremorerkrankungen leiden, ist die Tiefen Hirnstimulation bei vollem Bewusstsein momentan jedoch die einzige Operationsmethode, wenn Medikamenten und jahrelanges Leiden nicht mehr erträglich sind. Einem Freiburger Forscherteam um Prof. Dr. Volker Arnd Coenen, Ärztlicher Leiter der Abteilung für Stereotaktische und Funktionelle Neurochirurgie am Universitätsklinikum Freiburg, ist es nun gelungen, mithilfe eines bildgebenden Verfahrens das per Tiefer Hirnstimulation zu aktivierende Nervenfaserbündel im Gehirn genauer aufzuspüren. Langfristig soll dadurch die Tiefen Hirnstimulation in Vollnarkose durchgeführt werden können. Zusätzlich wird die Blutungsgefahr reduziert. Die Ergebnisse ihrer Studie haben die Freiburger Forscher in der renommierten Fachzeitschrift Neurosurgery publiziert.

In der Studie zur Behandlung des tremordominanten Parkinsonsyndroms und von essentiellen Tremorerkrankungen mittels der Tiefen Hirnstimulation wurde die bisherige Methode zur Aufspürung des Tremorbündels mit der Diffusionstensortraktografie verglichen. „Dieses bildgebende Verfahren liefert so exakte Bilder, dass die Lage des Tremorbündels im Gehirn bis auf weniger als zwei Millimeter genau bestimmt werden kann. Dadurch werden weniger Pfade der Elektrode auf dem Weg zum Zielgewebe im Gehirn notwendig, wodurch das Risiko von Gefäßblutungen verringert wird“, sagt Prof. Coenen.

Bisher kann das Zielgebiet nur indirekt anhand von Atlasdaten bestimmt werden. Bei vollem Bewusstsein des Patienten wird der Schädel geöffnet und die Tiefen Hirnstimulation durchgeführt. Mit der Elektrode werden Regionen angesteuert, an denen bei Stimulation eine Tremorreduktion vermutet wird. Reagiert die Stelle nicht auf die Stimulation, wird die Elektrode entfernt und von der Oberfläche muss über einen neuen Pfad zu einer neuen Stelle durchgedrungen werden. Jede einzelne Testung vergrößert die Gefahr einer Gefäßverletzung und damit einer Gefäßblutung. Mit der neuen Methode wird die Operation für Betroffene in Zukunft sicherer, da die tremorreduzierende Bündelstruktur jetzt hochgenau und direkt dargestellt werden kann.

Die Freiburger Forscher beginnen in Kürze zwei klinische Studien zum Essentiellen Tremor und zur Parkinson-Erkrankung, bei denen diese Technologie angewandt wird. Die Studien sollen die jetzigen Ergebnisse verfestigen.

Die Diffusionstensortraktografie ist ein bildgebendes Verfahren, das mit Hilfe der Magnetresonanztomografie (MRT) die Diffusionsbewegung von Wassermolekülen in Körpergewebe misst und räumlich aufgelöst darstellt. Sie ist besonders für die Untersuchung des Gehirns geeignet, da sich das Diffusionsverhalten im Gewebe bei einigen Erkrankungen des zentralen Nervensystems charakteristisch verändert und die Richtungsabhängigkeit der Diffusion Rückschlüsse auf den Verlauf der großen Nervenfaserbündel erlaubt. Die Diffusionstensortraktografie hat sich bereits beim Aufspüren eines neuen Zielortes zur Stimulation des Gehirns bei Depressionen, dem medialen Vorderhirnbündel, bewährt.

Bei der Tiefen Hirnstimulation werden krankhafte Schwingungen von Nervengewebe mit feinen elektrischen Strömen beeinflusst und durchbrochen. Dazu wird ein Hirnschrittmacher implantiert. Der Vorteil der Tiefen Hirnstimulation ist eine dauerhafte, ununterbrochene Stimulation. Sobald diese aber ausgeschaltet wird, kehren die Symptome binnen Minuten zurück. Den Großteil der Zeit sind die Patienten bei der Implantation des Neurostimulators wach, denn „mit ihrer Hilfe kontrollieren wir den Sitz der Elektroden“, sagt Prof. Coenen. „Wir setzen während der OP einen Testimpuls – wenn wir an der richtigen Stelle sind, verringern sich die Symptome des Patienten, zum Beispiel das Händezittern, augenblicklich.“ Bisher sei die Neurostimulation keine Alternative, sondern erst nach Ausschöpfen aller anderen Therapieformen sinnvoll. Doch Prof. Coenen ist sich sicher: „Die Tiefen Hirnstimulation wird als Therapie bei verschiedenen Störungen an Bedeutung gewinnen.“

StudyMyTremo

StudyMyTremo

Als Tremor wird das unbeabsichtigte, sich rhythmisch wiederholende Zusammenziehen einander entgegenwirkender Muskelgruppen bezeichnet. Den sogenannten physiologischen Tremor kann man messen, allerdings ist er kaum sichtbar. Sichtbar wird ein Tremor nur, wenn er als Symptom einer Erkrankung, wie zum Beispiel Parkinson, auftritt.

Mit einer Appkönnen Sie den physiologischen Tremor messen. http://studymyhealth.com/

Die Arbeit mit dem Originaltitel „Modulation of the Cerebello-thalamo-cortical Network in Thalamic Deep Brain Stimulation for Tremor: A Diffusion Tensor Imaging Study” ist bereits online zu lesen und erscheint im Dezember auch in der Printausgabe von Neurosurgery.
DOI: 10.1227/NEU.0000000000000540

Schonender Blick ins Babygehirn

Kopfultraschall bei Säuglingen ohne Strahlung und Narkose

Akustisches Fenster: Um das Gehirn des Neugeborenen zu untersuchen, setzen Ärzte den Ultraschallkopf auf der großen Fontanelle des Babys auf Quelle: Prof. K.-H. Deeg, Sozialstiftung Bamberg

Akustisches Fenster: Um das Gehirn des Neugeborenen zu untersuchen, setzen Ärzte den Ultraschallkopf auf der großen Fontanelle des Babys auf
Quelle: Prof. K.-H. Deeg, Sozialstiftung Bamberg

Berlin – Hirnblutungen, Fehlbildungen des Gehirns, Erweiterungen der Hirnkammern, Schlaganfälle, Hirntumore oder auch Kopfverletzungen können bei Neugeborenen und Säuglingen sicher und schonend  diagnostiziert werden. Doch einige bildgebende Verfahren können dem Säugling schaden oder erfordern, dass das Kind über mindestens eine halbe Stunde still hält. Das ist ohne Sedierung oder Narkose meist nicht möglich. Eine Studie zeigt jetzt, wie hilfreich deshalb bei Babys eine Ultraschalluntersuchung des Gehirns ist.  Darauf weist die Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (DEGUM) hin. Die Sonografie des Gehirns ermöglicht es Ärzten, das Kind schonend zu untersuchen und auf diese Weise Schäden und Krankheiten im Gehirn früh zu erkennen und bestmöglich zu behandeln.

„Bei Neugeborenen und Säuglingen ist es besonders schwierig, Krankheiten oder Entwicklungsstörungen des Gehirns festzustellen – nicht nur, weil sie sich nicht mitteilen können, sondern auch, weil sie besonders empfindlich sind“, sagt DEGUM-Experte Professor Dr. med. Karl-Heinz Deeg aus Bamberg. Gerade für die Schädeldiagnostik kommen bildgebende Verfahren wie Computertomografie (CT) oder Magnetresonanztomografie (MRT) allerdings nur eingeschränkt in Frage: „Wir wissen heute, dass Röntgenstrahlen, die im CT verwendet werden, für Kinder besonders schädlich sind“, sagt Deeg. „Wann immer wir darauf verzichten können, sollten wir dies auch tun.“ Gleiches gelte auch für den Einsatz von Beruhigungs- und Narkosemitteln, die bei der Magnetresonanztomografie wegen der langen Untersuchungszeit von über dreißig Minuten erforderlich sind. Denn in seltenen Fällen kann eine Sedierung oder eine Narkose zu Komplikationen führen. Die MRT-Untersuchung ist zeitaufwändig, teuer und erfordert immer die Anwesenheit eines Arztes. Der Experte empfiehlt daher bei Neugeborenen und Säuglingen möglichst ein Ultraschallgerät zur Diagnostik heranzuziehen. „Die Ultraschalluntersuchung hat keine Nebenwirkungen und erfordert keine Narkose oder Sedierung des Kindes“, betont der Chefarzt der Klinik für Kinder und Jugendliche am Klinikum Bamberg. Allerdings sei die Untersuchung nur bei Babys möglich, deren Fontanellen noch offen sind. Denn nur durch diese weichen, nicht-verknöcherten Stellen des Schädels können die Mediziner mit dem Ultraschall ins Gehirn blicken.

Ultraschallexperte Karl-Heinz Deeg aus Bamberg untersucht ein fünf Tage altes Neugeborenes Quelle: Prof. K.-H. Deeg, Sozialstiftung Bamberg

Ultraschallexperte Karl-Heinz Deeg aus Bamberg untersucht ein fünf Tage altes Neugeborenes
Quelle: Prof. K.-H. Deeg, Sozialstiftung Bamberg

Auch eine aktuelle Studie von Wissenschaftlern der Johns-Hopkins-Universität in Baltimore kam kürzlich zu dem Schluss, dass die Gehirn-Sonografie eine schonende und kosteneffiziente Alternative zu CT und MRT bei Untersuchungen von Säuglingen ist. Allerdings unter der Bedingung, dass Ärzte dabei mit High-End-Geräten arbeiten, die zwei- und dreidimensionale Bilder produzieren. „Beim Ultraschall kommt es im besonderen Maße auf die Qualität der Geräte und auf die Erfahrung des Untersuchers an“, kommentiert Deeg.

Als „akustische Fenster“ dienen bei der Neugeborenen-Sonografie die Fontanellen. Der Arzt setzt den Schallkopf zum Beispiel über der vorderen Fontanelle an und kippt ihn dann nach rechts und links, und von vorne nach hinten, damit die Gehirnstrukturen in allen Details deutlich werden. Bei der Gehirnuntersuchung von Neugeborenen werden in der Regel die Frequenzen von acht bis zehn Megahertz verwendet. Die Studienautoren empfehlen bei Frühgeborenen sogar Schallköpfe mit einer Frequenz bis 15 Megahertz. „Je höher die Frequenz ist, umso detaillierter ist das Bild“, erklärt Deeg. Allerdings dringe der Ultraschall bei hohen Frequenzen nicht so tief in das Gewebe ein.

In Deutschland ist die Ultraschalluntersuchung des Gehirns inzwischen das bildgebende Verfahren der Wahl, mit dem bei Früh- und Neugeborenen und jungen Säuglingen fast alle Erkrankungen des Gehirns diagnostiziert werden können. Ärzte nutzen sie zum Beispiel bei Frühgeborenen, die sie direkt im Brutkasten untersuchen können. Da ihr Gehirn noch nicht ausgereift ist, haben „Frühchen“ ein erhöhtes Risiko für Hirnblutungen, in deren Folge es zu einer Erweiterung der Hirnkammern kommen kann. Bei einem zu kleinen oder zu großen Kopf des Säuglings können Mediziner mit Hilfe des Schalls nach der Ursache suchen und beispielsweise eine Erweiterung der inneren oder äußeren Hirnkammern erkennen. Auch bei Fehlbildungen des Gehirns wie einem offenen Rücken, der Spina bifida, kommt der Ultraschall zum Einsatz. Bei Anzeichen für einen erhöhten Hirndruck beim Baby gibt die Doppler-Sonografie, mit der Ärzte die Blutströmung in den Hirngefäßen messen können, Aufschlüsse über die Höhe des Hirndrucks. „Außerdem nutzen wir die Ultraschalluntersuchung auch bei Kopfverletzungen nach einem Unfall, nach einem neurochirurgischen Eingriff oder einer Infektion des Zentralnervensystems“, erläutert Professor Deeg. Die amerikanische Studie zeige, wie vielfältig das Einsatzgebiet der Sonografie gerade bei Neugeborenen ist, bei denen ein möglichst schonendes Diagnoseverfahren eine besondere Bedeutung hat.

Literatur:
Neonatal Head Ultrasonography Today: A Powerful Imaging Tool!
Orman, G. et al.: Journal of Neuroimaging; Online-Vorabpublikation, 4. März 2014
 
Gehirn. Deeg K.H.: In Ultraschalldiagnostik in Pädiatrie und Kinderchirurgie. Deeg K.H., Hofmann V., Hoyer P.F. (Hrsg) Thieme. S. 19-282, 2014

Zweitmeinung vor OP einholen

Hierzulande wird gerne und oft operiert.

Notwendig ist das allerdings in vielen Fällen nicht. Besonders beliebt sind Rücken- Knie- und Hüftoperationen.

www.medexo.com/experten - screenshot medexo-website

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Ihr Arzt sagt Ihnen, dass Sie operiert werden müssen. Er klärt Sie über die Risiken und Vorteile der OP auf. So weit so gut.

Scheuen Sie sich nicht eine Zweitmeinung einzuholen, auch dann nicht, wenn Sie ihrem Arzt vertrauen. Ein guter Arzt wird Ihnen sogar dazu raten.

Das Portal Medexo bietet „Zweitmeinung von unabhängigen Spezialisten“ an. Viele gesetzlichen Krankenkassen bezahlen das auch. Sie müssen allerdings vorher bei Ihrer Krankenkasse nachfragen und sich eine Kostenübernahmeerklärung schriftlich geben lassen.

Einen Artikel dazu finden Sie übrigens auch in „Das Magazin“ das Kundenmagazin der Deutschen BKK, Ausgabe 2/2014.

https://www.medexo.com/einfach-zur-zweitmeinung

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Geht die Anzahl der ADHS Erkrankungen zurück?

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) meldet:

Erstmals seit 20 Jahren kein Anstieg beim Methylphenidat-Verbrauch

Infografik: Erwerb von Methylphenidat durch Apotheken in Form von Fertigarzneimitteln 1993 - 2013 Quellenangabe: BfArM

Infografik:
Erwerb von Methylphenidat durch Apotheken in Form von Fertigarzneimitteln 1993 – 2013
Quellenangabe: BfArM

Der Verbrauch von Methylphenidat ist in Deutschland erstmals seit 20 Jahren nicht weiter angestiegen. Das zeigt eine aktuelle Statistik des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Danach wurden 2013 bundesweit 1803 kg Methylphenidat verbraucht. 2012 waren es noch 1839 kg. In den zehn Jahren zuvor hatte sich der Verbrauch verdreifacht. Arzneimittel mit dem Wirkstoff Methylphenidat sind zur Behandlung von Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörungen (ADHS) zugelassen.
 
„Von einer echten Abwärtstendenz können wir derzeit sicherlich noch nicht sprechen. Gleichwohl werten wir diesen ersten leichten Rückgang nach dem massiven Anstieg der vergangenen 20 Jahre als ein positives Signal, das möglicherweise auf einen kritischeren Umgang mit Methylphenidat hindeutet“, sagte Prof. Dr. Walter Schwerdtfeger, Präsident des BfArM.
 
Am größten war der Anstieg gegenüber dem Vorjahr mit 91 % im Jahr 2000. Bis 2008 stieg der Verbrauch dann jährlich um durchschnittlich 17 %, seit 2009 nur noch um etwa 3 %. 2013 sank der Verbrauch erstmals leicht um rund 2 %.
 
Die Hintergründe für den stetigen Verbrauchsanstieg von Methylphenidat sind vielfältig und auch unter Fachleuten umstritten: Neben verbesserten Diagnosemöglichkeiten bei ADHS und einer früher einsetzenden Therapie im Kindesalter, können auch Fehl- und Übertherapie als Ursache des Anstiegs nicht ausgeschlossen werden. ADHS ist eine psychische Störung, die meist durch Symptome wie Unaufmerksamkeit und Überaktivität bzw. Impulsivität auffällt. Die Krankheit beginnt im Kindesalter und besteht häufig bis ins Erwachsenenalter fort. Die Anwendung von Methylphenidat erfolgt stets im Rahmen einer therapeutischen Gesamtstrategie, wenn sich andere therapeutische Maßnahmen allein als unzureichend erwiesen haben. Sie muss unter Aufsicht eines Spezialisten für Verhaltensstörungen durchgeführt werden.
Die Ausweitung der Zulassung von Methylphenidat auf die Behandlung Erwachsener mit ADHS in 2011 hat nicht zu einem außergewöhnlichen Verbrauchsanstieg geführt. Ärztinnen und Ärzte haben jedoch seither mehr Handlungssicherheit bei der Verordnung bekommen, da die Anwendung bei Erwachsenen zuvor nur „off-label“ möglich war.
 
Die Verbrauchsmengen, die das BfArM ermittelt, beziehen sich auf den Erwerb von Methylphenidat durch Apotheken in Form von Fertigarzneimitteln. Dieser Erwerb wird zur Überwachung des Betäubungsmittelverkehrs vom BfArM registriert. Die Verordnungszahlen sowie die Anzahl der mit Methylphenidat behandelten Kinder und Erwachsenen werden dabei nicht durch das BfArM erfasst. Gleichwohl spiegelt die mengenmäßige Veränderung beim Erwerb die Zunahme der ärztlichen Verordnungen zur Behandlung von ADHS wider.
Über das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM):
Das BfArM gehört als selbstständige Bundesoberbehörde zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit. Seine Aufgabe ist die Abwehr von Gesundheitsgefahren durch kontinuierliche Verbesserung der Sicherheit von Arzneimitteln, Risikoüberwachung von Medizinprodukten, Überwachung des Betäubungsmittel- und Grundstoffverkehrs sowie eigene unabhängige Forschung zu diesen Themen. Im BfArM arbeiten daran rund 1.100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, darunter Ärzte, Apotheker, Chemiker, Biologen, Juristen, technische Assistenten und Verwaltungsangestellte.

Was den Krebs am Platz hält

Freiburger Forscher entdecken Störungen in Signalwegen, die Darmkrebszellen ermöglichen, Metastasen zu bilden

 

Gesundes Darmgewebe ist hochstrukturiert: Bindungsproteine wie E-Cadherin (rot) halten die Zellen zusammen, während die EPHB-Rezeptoren bestimmen, wo Zelltypen wie Drüsenzellen (grün) im Gewebe ihren Platz finden. Foto: Andreas Hecht

Gesundes Darmgewebe ist hochstrukturiert: Bindungsproteine wie E-Cadherin (rot) halten die Zellen zusammen, während die EPHB-Rezeptoren bestimmen, wo Zelltypen wie Drüsenzellen (grün) im Gewebe ihren Platz finden. Foto: Andreas Hecht

Wenn Krebszellen auswandern: Forscherinnen und Forscher der Universität Freiburg haben Schalter gefunden, die Darmkrebszellen umlegen, damit sie sich aus ihrem Zellverbund losreißen und in umgebendes Gewebe eindringen können. Dieses Auswandern ist der erste Schritt der Metastasierung, bei dem der Krebs Tochtertumore in weiteren Geweben bildet. Prof. Dr. Andreas Hecht und seine Arbeitsgruppe am Institut für Molekulare Medizin der Universität Freiburg haben die Erkenntnisse in der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) veröffentlicht. Die Forscher hoffen, anhand dieses Signalweges neue Diagnostik- und Therapieansätze für Darmkrebs zu entwickeln. Hecht ist Mitglied des Exzellenzclusters BIOSS Centre for Biological Signalling Studies sowie des Sonderforschungsbereichs „Kontrolle der Zellmotilität bei Morphogenese, Tumorinvasion und Metastasierung“.

Darmkrebs ist eine der häufigsten Krebserkrankungen weltweit. Geschwüre im Darm lassen sich entfernen: Gefährlich wird die Krankheit erst, wenn die Tumorzellen anfangen, sich über den Darm hinaus auszubreiten. Über Blutgefäße wandern die Zellen in weitere Gewebe ein und bilden Metastasen. Die Tochtertumore sind oft schwer zu finden und zu entfernen und können zum Organversagen, sogar zum Tod führen. Um zu verhindern, dass ein Tumor diese gefährlichen Metastasen bildet, muss man verstehen, wie Krebszellen es schaffen, die Ketten zu sprengen, die normale Zellen an ihrem zugeteilten Platz im Körper halten.

In gesunden Darmzellen bestimmen Proteine an der Oberfläche, so genannte Ephrinrezeptoren, welchen Platz Zellarten wie Drüsenzellen oder Stammzellen im Gewebe einnehmen. Diese Platzeinweiser auf der Membran werden durch den Kontakt zu anderen Zellen aktiv. Je nachdem, ob die Nachbarzelle ihnen passt, bringen die Rezeptoren die Zelle dazu, an den Nachbar zu binden oder von ihm weg zu wandern. In Krebszellen ist bekannt, dass die Ephrinrezeptoren einen Signalweg kontrollieren, der die Zellen am Auswandern hindert. Um sich aus dem Zellverbund zu lösen, fahren die Tumorzellen die Produktion des Platzeinweisers, besonders der Proteine EPHB2 und EPHB3, herunter. Wie, war bisher unklar.

Die Freiburger Forscher fanden Bereiche auf den Ephrinrezeptor-Genen, die die Menge von EPHB2 und EPHB3 auf der Zelle regulieren. Diese so genannten Enhancer werden in Darm-Tumorzellen, die Metastasen bilden, abgeschaltet. Zu den Ursachen zählt ein Fehler im Steuerungsnetzwerk, an dem das Protein Notch beteiligt ist. Die Forscher zeigten auch, dass dieser Notch-Signalweg in Tumoren, die schlechte Heilungschancen besitzen, deaktiviert wird. Ob der Notch-Signalweg und die EPHB-Regulierung intakt sind, zeigt also an, wie gefährlich ein Tumor ist und könnte demnach zu einer genaueren Krebsdiagnose verhelfen.

Originalpublikation:
S. Jägle, K.Rönsch, S. Timme, H. Andrlová, M. Bertrand, M. Jäger, A. Proske, M. Schrempp, A. Yousaf, T. Michoel, R. Zeiser, M. Werner, S. Lassmann, and A. Hecht; Silencing of the EPHB3 tumor-suppressor gene in human colorectal cancer through decommissioning of a transcriptional enhancer PNAS 2014 ; March 18, 2014, doi:10.1073/pnas.1314523111

Geschärfter Blick ins Gehirn

Freiburger Forschungsteam kartiert erstmals Grenze zwischen zwei wichtigen Hirnbereichen

 

Die Grenze zwischen den wichtigen Gehirnstrukturen Hippocampus und Amygdala ist in hochaufgelösten Kernspintomografie-Bildern als feiner heller Streifen erkennbar („Amygdalo-hippocampal border“, AHB). Foto: AG Ball, Universität Freiburg

Die Grenze zwischen den wichtigen Gehirnstrukturen Hippocampus und Amygdala ist in hochaufgelösten Kernspintomografie-Bildern als feiner heller Streifen erkennbar („Amygdalo-hippocampal border“, AHB). Foto: AG Ball, Universität Freiburg

 

Tief im menschlichen Gehirn liegen zwei kleine, aber wichtige Strukturen dicht zusammen: Die Amygdala spielt eine entscheidende Rolle, wenn es um Gefühle geht, der Hippocampus ist eine Schaltzentrale für das Gedächtnis. Wegen ihrer geringen Größe waren bislang diese Hirnbereiche beim lebenden Menschen schwer auseinanderzuhalten – die Amygdala ist gerade einmal so groß wie ein Mandelkern. Besonders die Grenze zwischen ihnen konnte mit bildgebenden Verfahren nicht dargestellt werden, weil die räumliche Auflösung nicht ausreichte, um die Grenzregion zwischen beiden darzustellen. Dank des Einsatzes eines Hochleistungs-Kernspintomografen konnten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Freiburg und Magdeburg nun erstmals die Grenze zwischen Amygdala und Hippocampus kartieren. Dies berichtet das Team um Dr. Tonio Ball vom Bernstein Center Freiburg und dem Exzellenzcluster BrainLinks-BrainTools der Universität Freiburg in der aktuellen Ausgabe des Fachjournals „Human Brain Mapping“.

Das Team untersuchte sechs gesunde Probandinnen und Probanden in einem 7-Tesla-Magnetresonanztomografen der Universität Magdeburg. Diese Geräte erzeugen ein vielfach stärkeres magnetisches Feld als die in Kliniken üblicherweise eingesetzten Scanner und liefern hierdurch ein deutlich exakteres Bild der Strukturen im menschlichen Körper. In ganz Deutschland sind nur wenige solcher Geräte im Einsatz.

Bei der Untersuchung der Probanden machten die Wissenschaftler eine überraschende Entdeckung: Die Grenze zwischen Amygdala und Hippocampus verlief bei jeder Person deutlich anders und unterschied sich sogar zwischen linker und rechter Hirnhälfte. Da an dieser Grenze die Hirnbereiche im Austausch miteinander stehen, wenn es um Gefühle und Erinnerungen geht, könnten diese Variationen auch für Unterschiede in der Persönlichkeit verantwortlich sein. In Zukunft, schreiben die Forscher, müssten diese Hirnstrukturen genau vermessen werden, wenn Menschen wegen psychiatrischer Erkrankungen wie Angststörungen untersucht würden. Die Studie zeige zudem, dass es keine standardisierten Karten des Gehirns im Bereich von Amygdala und Hippocampus geben könne. Für jede Patientin und jeden Patienten müsse dieser Bereich individuell vermessen werden, um Fehldiagnosen durch eine falsche Zuordnung zu vermeiden.

Originalpublikation:
Derix, J., Yang, S., Lüsebrink, F., Fiederer, L. D. J., Schulze-Bonhage, A., Aertsen, A., Speck, O. and Ball, T. (2014), Visualization of the amygdalo–hippocampal border and its structural variability by 7T and 3T magnetic resonance imaging. Hum. Brain Mapp.. doi: 10.1002/hbm.22477

Wes‘ Brot ich ess‘, des Lied ich sing

Wo fangen die Interessenskonflikte zwischen Pharmaindustrie und Ärzten an?

Das Deutsches Netzwerk evidenzbasierte Medizin e. V. (DNEbM) hat ein Diskussionspapier zur Interessenkonfliktregulierung herauseggeben,

Allgemein wird davon ausgegangen, dass eine Kooperation zwischen Ärzten und der Pharmaindustrie sinnvoll ist. Die Forschung braucht Geld. Neue Krankheiten brauchen oft auch neue Medikamente. Bis hierin ist alles im grünen Bereich. Kritisch bis zuweilen korrupt wird es erst, wenn die Pharmaindustrie Ärzte zu ihren Handlangern macht. Wenn Ärzte die Grenze zwischen Bestechung und sinnvoller Kooperation nicht einhalten. Oft fängt es mit eher harmlosen Zuwendungen an. Und dann wird es schleichend immer mehr. Die Abhängigkeit ist dann nicht mehr so weit entfernt.