Archiv der Kategorie: Pressemitteilungen

Gewürzgurken-Wasser statt Magnesium?

Ein Beitrag, der zur Diskussion anregen soll.

Was gegen Muskelkrämpfe helfen soll. Gewürzgurken-Wasser statt Magnesium?

fzm, Stuttgart, Januar 2017 – Mehr Sport treiben! Das dürfte einer der meistgefassten guten Vorsätze fürs neue Jahr sein. Wer ihn umsetzt, tut sich sicher etwas Gutes. Doch mit der Trainingsintensität steigt auch die Gefahr von Muskelkrämpfen. „Körperliche Anstrengung ist ein bekannter Krampf-Auslöser“, sagt der in Seevetal-Hittfeld praktizierende Physiotherapeut André Wolter. Manche Menschen werden aber auch bei langem Sitzen oder mitten in der Nacht von Krämpfen überrascht. In der Fachzeitschrift „physiopraxis“ (Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2017) erklärt Wolter, was Betroffene vorbeugend und bei einem akuten Krampf tun können, welche Mittel helfen und welche nicht.

Meist ist die Wade von Muskelkrämpfen betroffen. Aber auch die vordere und hintere Oberschenkelmuskulatur verkrampft häufig. Wenn ein Muskel gar nicht mehr lockerlassen möchte, dehnen ihn die meisten von uns instinktiv, um den Krampf „herauszuziehen“. „In der Regel hilft das auch tatsächlich“, sagt André Wolter: Der Krampf lässt rasch nach, bis er dann ganz verschwindet. Weniger bekannt ist, dass passives Dehnen auch prophylaktisch wirksam ist: Wie zum Beispiel für die Wadenmuskulatur in Schrittstellung, bei der das hintere Bein gestreckt und das vordere Bein gebeugt wird. Die Ferse des hinteren Beins bleibt dabei auf dem Boden.

Wolter verweist auf eine Studie mit Patienten, die unter nächtlichen Krämpfen litten. Als die Teilnehmer im Rahmen der Studie begannen, ihre Waden- und Oberschenkelmuskulatur vorbeugend zu dehnen, ging die Anzahl der Krämpfe zurück. Dabei genügte es, die Waden- und Oberschenkelmuskulatur vor dem Schlafen jeweils dreimal für zehn Sekunden zu dehnen.

Ins Reich der Mythen verweist André Wolter dagegen die weit verbreitete Annahme, dass Magnesium Krämpfen vorbeugen könne. Zwar könne ein Magnesiummangel die Muskelspannung negativ beeinflussen und die Einnahme in diesen Fällen eine Entspannung bewirken. Eine Beeinflussung von Krämpfen ist jedoch nicht nachgewiesen. Denn hier liegt die Ursache nicht im Muskel selbst, sondern in der Alpha-Motoneuronen-Aktivität. Bei einem Krampf senden Nervenzellen nicht mehr nur elektrische Impulse, wenn das Gehirn den Befehl dazu gibt. Vielmehr geben sie unkontrolliert Signale zur Kontraktion an den Muskel weiter, so dass dieser schließlich verkrampft. „Bisher konnte keine Studie einen positiven Effekt von Magnesium nachweisen“, sagt der erfahrene Physiotherapeut. Dennoch halte sich der Tipp hartnäckig.

Leicht übersehen wird dabei, dass man das Spurenelement auch überdosieren kann – Müdigkeit und Blutdruckabfall können die Folge sein. Die Einnahme von Chinin senkt hingegen die Anzahl, Dauer und Intensität von Krämpfen nachweislich. Eine Überdosierung kann jedoch lebensbedrohlich sein. Schwindel, aber auch Nervenschädigungen oder eine Lähmung des Herzmuskels können auftreten. Daher ist Chinin in Deutschland seit fast zwei Jahren verschreibungspflichtig und wird nur zurückhaltend verordnet. Als Bitterstoff in der Limonade „Bitter Lemon“ hat es aufgrund der niedrigen Dosierung weder positive noch negative Auswirkungen.

Völlig unbedenklich, aber dennoch wirksam ist hingegen ein anderes „Getränk“, das Wolter seinen Patienten bereits seit einigen Jahren empfiehlt: Gurkenwasser. Die essighaltige Flüssigkeit, in der Gewürzgurken eingelegt sind, verkürzt einer amerikanischen Studie zufolge die Krampfdauer bei Betroffenen um fast die Hälfte. Die Studienautoren empfehlen, bei akuten, durch Sport ausgelösten Krämpfen einen Milliliter Gurkenwasser pro Kilogramm Körpergewicht einzunehmen. Dadurch löse sich der Krampf im Mittel nach 85 Sekunden. Die Dosierung spielt dabei aber womöglich eine untergeordnete Rolle. „Die Zeit ist viel zu kurz, als dass das Gurkenwasser den Magen passieren und vom Körper aufgenommen werden könnte“, sagt Wolter. Womöglich sei es einfach der saure Geschmack im Rachen, der Aktivität der impulsgebenden Nervenzellen drossele und somit krampflösend wirke.

Quelle: Thieme Pressemitteilung

A. Wolter:
Saure Muskeln? Saure Gurken!
physiopraxis 2017; 15 (1); S. 46–49

Nahrungsergänzungsmittel

Verbraucherzentralen für Klartext bei Nahrungsergänzungsmitteln

Pressemitteilung vom Mittwoch, 18. Januar 2017

Der Großteil der Bevölkerung Deutschlands ist heute mit Nährstoffen ausreichend versorgt. Dennoch wird in Deutschland jährlich mehr als eine Milliarde Euro für Nahrungsergänzungsmittel wie zum Beispiel Magnesiumprodukte, Vitaminpräparate oder Fischölkapseln ausgegeben. Ein neues Online-Angebot der Verbraucherzentralen bietet Verbrauchern nun verlässliche Informationen über Risiken oder auch einen möglichen Nutzen von Nahrungsergänzungsmitteln. Auf www.klartext-nahrungsergaenzung.de können sich Ratsuchende informieren, Fragen an Ernährungsexperten stellen oder Produktbeschwerden einreichen.

„Jeder dritte Deutsche nimmt Nahrungsergänzungsmittel ein“, so Armin Valet, Ernährungsexperte der Verbraucherzentrale Hamburg, zu einer aktuellen repräsentativen Umfrage im Auftrag der Verbraucherzentralen. Rund die Hälfte der Befragten meinte, Nahrungsergänzungsmittel seien gesundheitsfördernd und die Produkte seien geprüft. „Das ist leider ein Irrglaube. Wir wollen dem etwas entgegensetzen. Verbraucherinnen und Verbraucher wissen zu wenig über diese Produkte und unterschätzen daher die Risiken.“

So offenbarte beispielsweise ein aktueller Marktcheck der Verbraucherzentralen, dass viele magnesiumhaltige Nahrungsergänzungsmittel überdosiert sind: 64 Prozent der untersuchten Produkte wiesen eine zu hohe Dosierung des Mineralstoffes auf. Je nach Magnesiumkonzentration kann es dadurch zu Nebenwirkungen wie Durchfall und Erbrechen kommen. Bei 40 Prozent der im Internet vertriebenen Magnesiumsprodukte warben die Anbieter zudem mit nicht zugelassenen Gesundheitsaussagen.

„Viele Anbieter von Nahrungsergänzungsmitteln vermitteln Verbrauchern, sie würden ihrer Gesundheit etwas Gutes damit tun. Häufig aber sind solche Produkte Geldverschwendung, manchmal sogar gesundheitsgefährdend“, so Klaus Müller, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv). Die Verbraucherzentralen und der vzbv fordern eine Zulassungspflicht mit einer Sicherheitsprüfung für Nahrungsergänzungsmittel. Verbraucher müssten zudem in einer öffentlichen Liste im Internet einsehen können, welche Produkte von den Behörden geprüft wurden. Für Beschwerden und unerwartete Wirkungen müsse zudem eine Meldestelle eingerichtet werden, an die sich Verbraucher unkompliziert wenden können

Teilnehmer für Raucherentwöhnungsstudie gesucht

Raucherentwöhnungsprogramm

Das Universitätsklinikum Freiburg und die Breisgauklinik Bad Krozingen wollen ein spezielles Raucherentwöhnungsprogramm für Menschen mit Morbus Crohn entwickeln – für die Studie werden Probanden mit Morbus Crohn gesucht

Aktives Rauchen beeinflusst den Krankheitsverlauf einer Morbus Crohn Erkrankung. So erhöht sich durch den Tabakkonsum bei betroffenen Patienten unter anderem die Wahrscheinlichkeit einer Krankheitsaktivierung oder die der Notwendigkeit eines chirurgischen Eingriffs im Verlauf.

Trotz langjährig bewährter Methoden der Tabakentwöhnung sind die Erfolgsraten im Rahmen der üblichen ambulanten Therapien begrenzt und liegen in der Regel zwischen 30 Prozent und 40 Prozent Langzeitabstinenz. Das Tumorzentrum Freiburg – CCCF am Universitätsklinikum Freiburg hat in Kooperation mit der Breisgauklinik Bad Krozingen ein neuartiges Konzept zur Raucherentwöhnung entwickelt: Im Rahmen eines stationären Entwöhnungsprogramms konnte bereits bei einer kleineren Gruppe von 20 gesunden Probanden in der 6-Monatserhebung eine Abstinenzquote von 60 Prozent erreicht werden.

Durch die Förderung im Rahmen des Forschungsstipendiums „Patientenorientierte Forschung bei CED“ der Deutschen Morbus Crohn und Colitis ulcerosa Vereinigung (DCCV) ist es uns nun möglich, das Programm im Rahmen einer Pilotstudie auch für eine Gruppe betroffener Probanden mit Morbus Crohn anzubieten. Die Experten des Tumorzentrums Freiburg – CCCF und der Breisgauklinik versprechen sich dadurch wertvolle Erkenntnisse für die Optimierung der Tabakentwöhnungstherapie speziell für diese Personengruppe.

Kernstück der 9-tägigen stationären Therapie an der Breisgauklinik Bad Krozingen sind tägliche therapeutische Einzel- und/oder Gruppengespräche durch ein Team bestehend aus Ärzten, Psychologen und Pädagogen. Die spezifische Entwöhnungstherapie wird zusätzlich begleitet von Entspannungsübungen, Bewegungstherapie sowie ernährungsmedizinischen Schulungen.

An der Studie teilnehmen können Menschen mit  histologisch nachgewiesener Morbus Crohn Erkrankung in einer stabilen Phase. Sie müssen volljährig sein und bisher täglich rauchen. Außerdem sollten sie die Motivation zur Teilnahme an einem 9-tägigen stationären Entwöhnungsprogramm mitbringen. Die Durchführung der Studie ist für Januar 2017 (23.01.-31.01.2017) geplant. Kosten für Unterbringung, Verpflegung und das gesamte therapeutische Programm werden bis auf eine Selbstbeteiligung von 50 Euro komplett durch die Studienförderung der DCCV übernommen. Reisekosten werden bis zu 180 Euro (Auto oder 2. Klasse Bahn) nach Belegen erstattet.

Betroffene mit Morbus Crohn in stabiler Phase können sich bei Interesse per E-Mail oder telefonisch an das Tumorzentrum Freiburg – CCCF am Universitätsklinikum Freiburg wenden.

Kontakt:
Dr. Jens Leifert
Projektleitung Tumorzentrum Freiburg – CCCF
Universitätsklinikum Freiburg
Telefon: 0761-270-71720
cpmt@uniklinik-freiburg.de 

Medizinische Versorgung von Flüchtlingen

Medizinische Versorgung von Flüchtlingen: Hier behandelt Dr. Zufall!?

© Fotolia.com

fzm, Stuttgart, Dezember 2016 – Welche Behandlung ein Asylsuchender bei einer Erkrankung erhält, hängt in Deutschland sehr stark von der Gemeinde ab, der er „zufällig“ zugewiesen wurde und von der Person, die ihn „zufällig“ im Sozialamt betreut sowie von den „zufälligen“ juristischen Kenntnissen der Ärzte, die ihn behandeln. Gesundheitswissenschaftler fordern in der Fachzeitschrift “Das Gesundheitswesen“ (Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2016) verlässliche und einheitliche Regelungen für die medizinische Betreuung von Flüchtlingen.

In den meisten Bundesländern und Gemeinden entscheidet ein Mitarbeiter des Sozialamtes, ob ein Asylsuchender im Krankheitsfall einen Arzt aufsuchen kann. Eine Behandlung steht ihm nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) nur bei akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen zu. Eingeschlossen sind zudem noch Schutzimpfungen sowie die Versorgung werdender Mütter und Wöchnerinnen. Diese Einschränkungen bestehen in der Regel für 15 Monate. Von den Leistungen, die gesetzlich Krankenversicherte in Deutschland erhalten, ist dies weit entfernt, kritisiert Professor Oliver Razum, Dekan der Fakultät für Gesundheitswissenschaften an der Universität Bielefeld. Andere Einwanderungsgruppen, wie Arbeitsmigranten oder (Spät-)Aussiedler würden dagegen wie Kassenpatienten eingestuft und wie solche behandelt.

Bei Asylsuchenden stellt es sich hingegen wie folgt dar: In Hamburg, Bremen, Berlin und Schleswig-Holstein erhalten alle Asylsuchenden eine elektronische Gesundheitskarte, mit der sie im Fall einer akuten Erkrankung direkt eine Arztpraxis aufsuchen können. In einigen Bundesländern, etwa Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Niedersachen, gibt es die elektronische Gesundheitskarte nur in einzelnen Kommunen. Sachsen, Bayern und Baden-Württemberg geben keine elektronischen Gesundheitskarten aus. Dort entscheidet ein Mitarbeiter des Sozialamtes, ob eine akute Erkrankung vorliegt. Viele Angestellte seien dazu kaum befähigt, vermutet Professor Razum, da sie in der Regel keine medizinische Ausbildung haben. Für den Asylsuchenden sei es dann oft vom Zufall abhängig, ob er eine Behandlung erhalte oder nicht.

Die Notwendigkeit, vorab einen Behandlungsschein im Sozialamt zu beantragen, könne zudem zu Verzögerungen führen, die eine Früherkennung und rechtzeitige Behandlung von Erkrankungen behindern, befürchtet einer der Co-Autoren der Studie, Dr. Kayvan Bozorgmehr vom Universitätsklinikum Heidelberg. Darüber hinaus sei für Ärzte häufig nicht erkennbar, ob die Behörden die Kosten für eine Behandlung übernehmen. Dr. Bozorgmehr und Professor Razum sehen hier die Therapiefreiheit der Ärzte eingeschränkt. Für den Asylsuchenden wiederum komme es einem weiteren Zufall gleich, welche Behandlung er erhalte.

Nach Einschätzung von Judith Wenner von der Universität Bielefeld sind die Motive, die zur Einschränkung der Gesundheitsversorgung führen, sachlich nicht immer begründet. Die Annahme, dass die Asylsuchenden sich nur vorübergehend in Deutschland aufhalten und deshalb keinen dauerhaften Anspruch auf eine Behandlung benötigen, sei falsch. Fast die Hälfte der Asylanträge würde derzeit anerkannt. Die meisten Schutzsuchenden mit „schlechter Bleibeperspektive“ würden zudem oft länger als 15 Monate auf die Bearbeitung ihrer Anträge warten. Auch die Befürchtung, dass die Aussicht auf eine gesundheitliche Versorgung die Asylsuchenden nach Deutschland locke, ist ihrer Ansicht nach nicht zutreffend. In Österreich, Frankreich und der Schweiz würden Asylsuchende nach der Registrierung vollen Zugang zu allen Leistungen des Regelsystems erhalten. Die Zuwanderung sei in diesen Ländern dennoch niedriger als in Deutschland.

Professor Razum fordert daher ähnliche Regelungen für Deutschland. Das Ziel müsse sein, die gesetzlichen Einschränkungen des Anspruchs aufzuheben. Asylsuchende sollten bundeseinheitlich den gleichen Anspruch auf gesundheitliche Versorgung haben.

O. Razum, J. Wenner, K. Bozorgmehr:
Wenn Zufall über den Zugang zur Gesundheitsversorgung bestimmt: Geflüchtete in Deutschland
Das Gesundheitswesen 2016; 78 (11); S. 711–714

„Leben – eine Kostenfrage?!“

Großer Erfolg der MEZIS-Fachtagung „Leben – eine Kostenfrage?!“

mezisMEZIS beschließt „Manifest für bezahlbare Medikamente und eine bedarfsgerechte Arzneimittelforschung“

Anfang Dezember fand in Berlin die MEZIS-Fachtagung „Leben – eine Kostenfrage ?!“ statt. Rund 50 ÄrztInnen, GesundheitswissenschaftlerInnen und VertreterInnen der Zivilgesellschaft kamen zusammen, um die Auswirkung kontinuierlich steigender Arzneimittelpreise zu diskutieren.

In World-Café-Arbeitsgruppen beleuchteten die TeilnehmerInnen die Ursachen der Hochpreispolitik in der Arzneimittelindustrie und diskutierten Lösungsstrategien. Mit der Verabschiedung des „Manifests für bezahlbare Medikamente und eine bedarfsgerechte Arzneimittelforschung“ ging die zweitägige Fachtagung erfolgreich zu Ende.

War der Zugang zu Arzneimitteln bislang vor allem für Kranke im globalen Süden ein Problem, gefährdet die Preispolitik der Pharmaindustrie zunehmend die Versorgung von Patienten mit lebensnotwendigen Medikamenten auch in reichen Ländern. Dies ist sowohl bei Infektionskrankheiten wie Hepatitis C als auch bei nicht übertragbaren Krankheiten der Fall. „Die Behandlung einer Hepatitis C Infektion mit dem Medikament Sofosbovir der Firma Gilead kostet in Deutschland über 43.500 Euro. In armen Ländern sind diese Preise selbst bei großzügigen Preisnachlässen meist ein Todesurteil“, erklärt Dieter Lehmkuhl von MEZIS die dramatische Situation.

Um dieser Hochpreispolitik entgegenzutreten, haben die MEZIS-Experten im Rahmen der Fachtagung ein Manifest erarbeitet, in dem sie die Politik zum Handeln auffordern. Im Interesse von PatientInnen, Krankenversicherungen und SteuerzahlerInnen appellieren sie an Politikerinnen und Politiker für die Daseinsvorsorge mit Arzneimitteln zu fairen Preisen einzutreten. Sie fordern insbesondere:

 1.    Mehr Wettbewerb im stark von Patenten und anderen Monopolen geprägten Arzneimittelmarkt

2.    Transparente Preisgestaltung und Bündelung der Verhandlungsmacht

3.    Volle Transparenz der Kosten für Forschung und Entwicklung sowie der Ergebnisse klinischer Studien

4.    Investitionen in Forschung und Entwicklung, um Medikamentenpreise unabhängig vom Marktprofit zu gestalten

Um den Wettbewerb im stark von Patenten und Monopolen geprägten Arzneimittelmarkt zu verstärken, fordert MEZIS unter anderem einen frühen Marktzugang für Generika, eine stärkere Orientierung der Preise und Erstattungsfähigkeit am Nutzen eines Medikaments sowie die bedarfsweise Anwendung von Zwangslizensen im Interesse öffentlicher Gesundheit.

„Es bedarf dringend einer Reform des derzeitigen Systems der Forschung und Entwicklung sowie der Bereitstellung von Medikamenten. Nur dann können wir künftig die Versorgung mit notwendigen Arzneimitteln zu bezahlbaren Preisen gewährleisten“, erklärt Dr. Christiane Fischer, Ärztliche Geschäftsführerin MEZIS. „Aus diesem Grund brauchen wir eine Arzneimittelpolitik, die sich am Patientenbedarf und an nachhaltigen Preisen orientiert und nicht am maximalen Profit der Pharmaindustrie“, ergänzt Peter Tinnemann, Wissenschaftler an der Charité-Universitätsmedizin Berlin.

 Den gesamten Inhalt des Manifests finden Sie unter

www.mezis.de/manifest-fuer-bezahlbare-medikamente-und-eine-bedarfsgerechte-arzneimittelforschung

Flüchtlings-Nothilfe auf dem Mittelmeer

Seenot-Rettung von Flüchtlingen

Dr. Alexander Supady vom Universitäts-Herzzentrum Freiburg · Bad Krozingen berichtet am 12. Dezember 2016 von seinem Einsatz zur Seenot-Rettung von Flüchtlingen

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Fast 4.700 Flüchtlinge sind in diesem Jahr bei Bootsunglücken auf dem Mittelmeer ums Leben gekommen. Das ist bereits jetzt die höchste Zahl an Todesopfern innerhalb eines Jahres. Dr. Alexander Supady, Internist und Notfallmediziner an der Klinik für Kardiologie und Angiologie I des Universitäts-Herzzentrums Freiburg · Bad Krozingen, war für zwei Wochen Crewmitglied auf dem Flüchtlingsrettungsschiff Sea Watch 2, das im Mittelmeer vor der Küste Libyens patrouilliert, um Menschen aus Seenot zu retten. Er schildert am Montag, 12. Dezember 2016, um 18 Uhr im Hörsaal der Universitäts-Frauenklinik, Hugstetter Str. 55 in Freiburg, seine Eindrücke und  Erlebnisse in Form eines Bildvortrags. Nach einem kurzen Überblick über die Hintergründe der Rettungsaktion schildert Dr. Supady den Alltag an Bord, die einzelnen Rettungseinsätze und die Schwierigkeiten, mit denen die Helfer konfrontiert waren. Nach dem Vortrag steht er für Fragen zur Verfügung. Die Veranstaltung ist kostenlos, eine Anmeldung ist nicht notwendig.

„Wir haben in Seenot geratene Flüchtlingsboote aufgespürt und Schiffbrüchige gerettet. Viele der Flüchtlinge auf den hochseeuntauglichen Booten können nicht schwimmen, nur wenige tragen Schwimmwesten. Wenn die vollkommen überladenen Boote nicht rechtzeitig entdeckt werden und kentern, ertrinken die Passagiere qualvoll“, sagt Dr. Supady. Gemeinsam mit 15 weiteren freiwilligen Helfern gehörte er zwei Wochen lang der regelmäßig wechselnden Crew des Rettungsschiffs an und war dort Teil des Medical Teams, das sich um die medizinische Erstversorgung der Flüchtlinge kümmerte. In dieser Zeit war die Crew an der Rettung von mehr als 2000 Flüchtlingen beteiligt, viele Menschen ertranken vor ihren Augen und sie mussten Leichen bergen. „Die Flüchtlingsrettung im Mittelmeer wird überwiegend von privaten Hilfsorganisationen geleistet, die auf freiwillige Helfer angewiesen sind. Darum war es mir wichtig, mich hier zu engagieren“, sagt Dr. Supady.

Weitere Informationen:
Eine ausführliche Beschreibung des Einsatzes von Dr. Supady finden Sie unter www.aerzteblatt.de/blogs/178/Sea-Watch-2  

Website von Sea Watch e.V.

Sprachkompetenz und Berufsorientierung für Geflüchtete

Charité und Vivantes starten gemeinsames Qualifizierungsprojekt
SpraBo: Sprachkompetenz und Berufsorientierung für Geflüchtete

Berlin, 06.12.2016 Gemeinsame Pressemitteilung von Charité, Vivantes und dem Beauftragten des Berliner Senats für Integration und Migration.

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Am 8. Dezember 2016 startet SpraBo, ein Projekt, das sich speziell an geflüchtete Menschen mit Interesse an Gesundheitsberufen richtet. Das Pilotprojekt von Charité – Universitätsmedizin Berlin, Vivantes Netzwerk für Gesundheit GmbH und des IQ Landesnetzwerks Berlin verfolgt das integrationspolitisch wichtige Ziel, Geflüchteten eine berufliche Qualifizierung zu ermöglichen und damit ihren Zugang zum Arbeitsmarkt nachhaltig zu verbessern.

Das Qualifizierungsprojekt wurde vom IQ Landesnetzwerk Berlin initiiert, das beim Beauftragten des Berliner Senats für Integration und Migration angesiedelt ist. Als Partner für die praktische Berufsorientierung wurden die Charité und Vivantes gewonnen. Gefördert wird das Projekt im Rahmen des Programms „Integration durch Qualifizierung“ aus Mitteln des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS). Partner in der Umsetzung sind das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und die Bundesagentur für Arbeit.

Rund zwanzig interessierte Frauen und Männer aus vielen Herkunftsländern haben Anfang Dezember mit dem ersten Kurs begonnen. Betreut werden sie von Pflegepädagoginnen und -pädagogen des Institutes für berufliche Bildung im Gesundheitswesen (IbBG) von Vivantes und der Charité Gesundheitsakademie.

Andreas Germershausen, Beauftragter des Berliner Senats für Integration und Migration, hält fest: „Mich freut es sehr, dass Charité und Vivantes sich gemeinsam für diese Integrationsmaßnahme einsetzen. Es liegt im Interesse Berlins, Zugewanderten eine Perspektive aufzuzeigen und die Gesundheitsbranche bietet viele zukunftssichere Beschäftigungsmöglichkeiten.“

Prof. Dr. Karl Max Einhäupl, Vorstandsvorsitzender der Charité, sagt: „Als größtes Universitätsklinikum Europas können wir vielfältige Einblicke in die Praxis von Gesundheitsberufen in Deutschland geben. Es wird künftig immer wichtiger sein, das Potenzial der Migrantinnen und Migranten in der Stadt zu fördern und den Menschen, die sich für Pflegeberufe interessieren, eine Einstiegsmöglichkeit zu bieten.“

Dr. Andrea Grebe, Vorsitzende der Geschäftsführung von Vivantes, fügt hinzu: „Vivantes verfügt mit seinem Institut für berufliche Bildung im Gesundheitswesen bereits über langjährige Erfahrung in der Qualifizierung von Menschen mit Migrationshintergrund. Hier können anschließend auch weitere Ausbildungsschritte hin zu einer staatlich anerkannten Ausbildung erfolgen.“

Bis Ende 2018 sind vier sogenannte SpraBo-Kurse geplant. Die Finanzierung in Höhe von 602.918,38 Euro erfolgt über das IQ Landesnetzwerk Berlin, das sich für eine nachhaltige Verbesserung der Arbeitsmarktintegration von Erwachsenen mit Migrationshintergrund einsetzt. Zentrale Handlungsfelder sind Beratung, Qualifizierung und Sprachförderung.

https://www.charite.de/fileadmin/user_upload/portal/charite/presse/pressemitteilungen/2016/Charite_Vivantes_SpraBo_Flyer.pdf

Keine Studien zu Schlaganfallvorsorge mit Ultraschall

Die IGeL „Ultraschall der Halsschlagadern zur Schlaganfallvorsorge“ ist die 38. Leistung, die der IGeL-Monitor inzwischen bewertet hat.

Die Ultraschalluntersuchung der Halsschlagadern ist eine häufige IGeL. Studien zum Nutzen haben die Experten des IGeL-Monitors dennoch keine gefunden. Mögliche Schäden sind aber erwartbar.

Der IGeL-Monitor bewertet in seinem neuesten Gutachten den Ultraschall der Halsschlagadern zur Schlaganfallvorsorge mit „tendenziell negativ“. Dies gilt für Menschen ab 50, die keine Beschwerden haben. Es fanden sich keine aussagekräftigen Studien zum Nutzen der Maßnahme. Man weiß also nicht, ob Menschen, die ihre Halsschlagadern untersuchen und sich gegebenenfalls entsprechend behandeln lassen, tatsächlich seltener einen Schlaganfall bekommen als Menschen, die sich nicht untersuchen lassen. Andere Studien weisen jedoch auf mögliche Schäden hin.

An Schäden sind vor allem unnötige Untersuchungen und unnötige Behandlungen zu nennen: Ein auffälliger Ultraschallbefund wird unter Umständen mit weiteren Untersuchungen abgeklärt. Diese Untersuchungen können Nebenwirkungen haben, etwa durch Röntgenstrahlen und Kontrastmittel. Dabei kann sich herausstellen, dass der Befund doch nicht so schlimm ist und man besser nichts unternimmt. Wenn sich dagegen bei der Abklärung des Befundes herausstellt, dass man den Menschen behandeln sollte, heißt das noch lange nicht, dass er ohne Behandlung irgendwann einen Schlaganfall bekommen hätte. Er wird aber trotzdem behandelt, weil man vorher nicht weiß, welche Verengung vielleicht Probleme macht.

Der Ultraschall der Halsschlagadern gehört zu einer ganzen Reihe von Maßnahmen, die Ärztinnen und Ärzte unter den Begriffen „Herz-Kreislauf-Vorsorge“ oder „Gefäß-Check“ anbieten. Sie wollen damit Risiken für einen Schlaganfall frühzeitig erkennen, um dann – beispielsweise mit Medikamenten – entsprechend gegensteuern zu können. Das soll Schlaganfälle verhindern helfen, so das Versprechen der IGeL-Anbieter. Ihre Zuversicht stützt sich auf folgende Überlegungen: Gehirn und Herz müssen ständig mit ausreichend Blut versorgt werden. Bricht die Versorgung ab, bekommen Gehirn und Herz zu wenig Sauerstoff. Dann sterben einzelne Bereiche ab und man spricht von einem Schlaganfall oder Herzinfarkt. Jährlich bekommen rund 200.000 Menschen in Deutschland einen Schlaganfall, weil ihr Gehirn nicht ausreichend versorgt wird. Bei 30.000 Menschen ist eine verengte Halsschlagader die Ursache dafür. Nach diesen Verengungen zu suchen und sie frühzeitig zu behandeln, könnte sich also sehr lohnen.

Das neue Gutachten des IGeL-Monitors zeigt jedoch, dass die Hoffnung, Schlaganfälle mit Ultraschalluntersuchungen der Halsschlagadern verhindern zu können, sich nicht auf Studien stützen kann.

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Hintergrund:
Unter www.igel-monitor.de erhalten Versicherte evidenzbasierte Bewertungen zu sogenannten Selbstzahlerleistungen. Entwickelt wurde die nicht-kommerzielle Internetplattform vom Medizinischen Dienst des GKV-Spitzenverbandes (MDS). Der MDS berät den GKV-Spitzenverband in allen medizinischen und pflegerischen Fragen, die diesem qua Gesetz zugewiesen sind. Er koordiniert und fördert die Durchführung der Aufgaben und die Zusammenarbeit der Medizinischen Dienste der Krankenversicherung (MDK) auf Landesebene in medizinischen und organisatorischen Fragen.

Die IGeL „Ultraschall der Halsschlagadern zur Schlaganfallvorsorge“ ist die 38. Leistung, die der IGeL-Monitor inzwischen bewertet hat. Bislang gab es folgende Bewertungen: 0 „positiv“, 3 „tendenziell positiv“, 15 „unklar“, 15 „tendenziell negativ“, 3 „negativ“, 2 IGeL-Bewertungen wurden vom Netz genommen, da sie aktuell überarbeitet werden. 4 weitere IGeL wurden nicht bewertet, sondern nur besprochen.

Seelische Belastungen von Geflüchteten früh erkennen

BMBF fördert Forschung zur psychischen Gesundheit von Flüchtlingen – Seelische Belastungen von Geflüchteten sollen früh erkannt werden

Wanka: „Entstehung folgenschwerer Erkrankungen verhindern“

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert neue Forschungsverbünde zur psychischen Gesundheit geflüchteter Menschen. Viele Flüchtlinge haben Krieg und Gewalt bis hin zu Folter erlebt. Diese traumatischen Erfahrungen hinterlassen tiefe Spuren und erhöhen das Risiko, psychisch zu erkranken. Zusätzlich müssen sich die neu Zugewanderten in einer für sie fremden Kultur zurechtfinden.

„Damit Schutz suchende Menschen die Kraft finden, sich gut in unserem Land zu integrieren, müssen mögliche psychische Störungen und Belastungen früh erkannt werden. Das Ziel ist, die Entstehung folgenschwerer Erkrankungen wie Depressionen oder posttraumatischer Belastungsstörungen möglichst zu verhindern“, sagte Bundesforschungsministerin Johanna Wanka. Das Bundesforschungsministerium bringt deshalb Forschungsverbünde auf den Weg, die kultursensible Präventions- und Versorgungsansätze entwickeln werden, und stellt dafür für einen Zeitraum von fünf Jahren 20 Millionen Euro bereit.

Die Behandlung psychischer Erkrankungen ist oft komplex. Bei Menschen aus einem anderen Kulturkreis müssen Mediziner und Therapeuten auf die jeweilige Sprache und zusätzlich die Besonderheiten der kulturellen Herkunft eingehen, damit die Behandlung erfolgreich sein kann. Forschung ist hier dringend notwendig: Es fehlen wissenschaftlich abgesicherte Therapiekonzepte, in denen die besonderen Umstände von Flüchtlingen berücksichtigt werden. Der Versorgungsbedarf und auch die Anzahl der geflüchteten Menschen ist nicht mit früheren Fluchtbewegungen vergleichbar. Zudem soll geprüft werden, ob internationale Forschungsergebnisse auf die besondere Situation in Deutschland übertragen werden können.

Die vom BMBF unterstützten Forschungsverbünde sollen untersuchen, welche spezifischen Angebote nötig sind, um die Versorgung von geflüchteten Menschen mit psychischen Erkrankungen möglichst schnell zu verbessern. Dieses Ziel kann nur durch eine enge Zusammenarbeit unterschiedlicher Disziplinen aus Forschung und Versorgung erreicht werden, so zum Beispiel der Medizin, Psychologie, sowie der Sozial-, Kultur- und Geisteswissenschaften. Damit die Forschungsergebnisse zügig in der Versorgung der Patientinnen und Patienten ankommen, sollen neben den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern auch strukturell relevante Partner an den Forschungsarbeiten mitwirken. Dies können beispielsweise Erstaufnahmeeinrichtungen, Notfallambulanzen oder Krankenkassen sein.

ÖkoTest meldet: Appsurd – Codecheck Stellungnahme

14.11.2016 – Hier der Link zur Stellungnahme von Codecheck:

http://corporate.codecheck.info/2016/11/11/codecheck-bietet-effektive-verbraucheraufklaerung-direkt-beim-einkauf/

Verbraucher sollen mit der Smartphone-App Codecheck den Barcode scannen und gesund einkaufen.

Das Ergebnis sind teilweise gefährliche Desinformationen. Das zeigen verschiedene Beispiele, stellt ÖkoTest in seiner Pressemitteilung fest.

Screenshot

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„Wir möchten Usern helfen, Kaufentscheidungen zu treffen, die sie Zuhause nicht wieder bereuen“, sagt Roman Bleichenbacher, Gründer und Geschäftsführer von Codecheck. Glaubt man der Selbstdarstellung, gelingt das bravourös. Die App biete für „User einen echten Mehrwert“. Daher sei es ihr im Mai sogar gelungen, „als erste Schweizer App den Downloadschlager WhatsApp zu überholen und auf Platz 1 zu landen“.

Besieht man sich Codecheck genauer, fragt man sich allerdings: Warum?

Laut Codecheck sind in der App über 35 Millionen Produkte erfasst. Zusammengetragen wurden dazu neben den Meinungen der User Bewertungen und Informationen von Greenpeace, vom BUND, dem WWF und von anderen „seriösen Datenquellen, renommierten Experten und Industrie unabhängigen Organisationen“. Für die Bewertung von Kosmetika hatte sich Codecheck bis Oktober diesen Jahres auf eine von ÖKO-TEST erstellte Liste aus dem Jahr 2000 gestützt. Sie war unbestritten längst nicht mehr auf dem neuesten wissenschaftlichen Stand. Außerdem berief sich Codecheck auf Heinz Knieriemen, einen österreichischen Journalisten, Fachbuchautor und langjährigen Mitarbeiter der Zeitschrift Natürlich, der allerdings schon seit 2014 tot ist. Trotzdem erklärte Codecheck auf Nachfrage der Rheinische Post Mediengruppe: „Seine Expertisen sind immer noch aktuell.“

Kosmetischer Inhaltstoffe

Inzwischen bezieht sich Codecheck auf die Liste kosmetischer Inhaltstoffe der Europäischen Kommission. Doch die bewertet nicht, sondern beschreibt die Funktionen. Von ÖKO-TEST darauf angesprochen, schreibt Geschäftsführer (CEO) Boris Manhart, Codecheck selbst habe die über 6.500 Inhaltsstoffe neu bewertet. „Teilweise“, so Manhart, „fehlt die Quellenangabe noch, was wir in den nächsten 1-2 Wochen beheben werden.“

So weit, so gut, wenn das Ergebnis überzeugen würde. So weit, so schlecht, denn das tut es nicht. So listet die App 5.497 Treffer mit dem Konservierungsmittel Isobutylparaben. Das ist in der EU seit Oktober 2014 in Kosmetik verboten. Laut Codecheck ist es dennoch beispielsweise in der Schaebens Feuchtigkeits Maske enthalten, im Kamill Hand & Nagelcreme Balsam, im Clearasil Daily Clear Täglich reinigendes Waschgel und der Balea Urea Bodylotion. ÖKO-TEST hat diese Produkte eingekauft – und die Hersteller verstoßen nicht gegen die gesetzlichen Vorschriften. Sie verwenden längst andere Konservierungsmittel.

Wie aktuell diese Informationen sind, lässt sich am Beispiel der Balea Urea Bodylotion erahnen. „ÖKO-TEST 3/2012 sehr gut“ vermerkt Codecheck zu dem Produkt des dm-Drogeriemarkts, das angeblich Isobutylparaben enthält. Das ist schlicht falsch, denn als wir das Produkt vor über vier Jahren untersucht und mit „sehr gut“ bewertet haben, enthielt es das verbotene Konservierungsmittel nicht mehr.

In der Balea Urea Bodylotion und den drei anderen Produkten bewertet Codecheck Isobutylparaben mit „nicht empfehlenswert“. Im Bio Special Gleitgel, das den verbotenen Stoff ebenfalls noch enthalten soll, lautet die Bewertung dagegen „bedingt empfehlenswert“. Das ist nach „empfehlenswert“ die zweitbeste Einstufung. Bebildert ist das Ganze mit einem Produktfoto und dem ÖKO-TEST Label „sehr gut“. Allerdings hat ÖKO-TEST diese Version des Gleitgels nie untersucht und der Hersteller hat längst eine Unterlassungserklärung abgegeben. Zudem ist das Label veraltet.

Lilial gefährdet die Fortpflanzung

Kein Einzelfall von fragwürdigen Informationen und Bewertungen. So listet die App 21.194 Treffer für den Inhaltsstoff Butylphenyl Methylpropional. Mit dem auch Lilial genannten Duftstoff konnten die Codecheck-Experten offenbar nichts anfangen. Er wird einfach „nicht bewertet“. Das Problem: Das nach Maiglöckchen duftende Lilial gefährdet die Fortpflanzung, selbst die EU hält den Stoff nicht mehr für sicher. Bei Codecheck können Lilial-haltige Produkte nichtsdestotrotz uneingeschränkt im grünen Bereich liegen.

Der Versuch, anhand der Inhaltsstofflisten Kosmetik zu bewerten, scheitert allerdings nicht nur an solchen fachlichen Mängeln, sondern auch an einem grundsätzlichen Problem: Viele Schadstoffe, die als Verunreinigungen in die Produkte gelangen, sind nicht deklariert. So fand ÖKO-TEST kürzlich in Nagellacken das verbotene Phenol. „Nicht verkehrsfähig“ lautete daher unser Gesamturteil unter anderem für den Chanel Le Vernis 18 Rouge Noir. Bei Codecheck findet sich kein Hinweis auf die nervenschädigende Substanz – sie ist ja nicht deklariert. Das gleiche gilt für Mascara, die mit polyzyklischen Kohlenwasserstoffen belastet sein können. Die krebsverdächtigen und krebserregenden Substanzen, die ÖKO-TEST noch im September 2016 in vielen Produkten nachgewiesen hat, sind Verunreinigungen von Farbstoffen und finden sich ebenfalls nicht in den Inhaltsstofflisten. Ebenso wie stark krebserregende Nitrosamine in Wimperntusche.

Besonders bedenklich sind die blinden Flecke der App bei Lebensmitteln. Pestizide, Fettschadstoffe, Mineralölbestandteile oder krebserregend Pyrrolizidinalkaloide müssen die Hersteller bekanntlich nicht deklarieren – und sie tun es auch nicht. So hat ÖKO-TEST im Oktober 2016 Reiswaffeln untersucht. Die meisten waren „ungenügend“. Sie enthielten unter anderem krebserregendes Arsen – zum Teil über dem gesetzlichen Grenzwert – sowie krebsverdächtiges Acrylamid.

Im gleichen Monat haben wir Donuts getestet. Alle Produkte waren „ungenügend“ wegen erheblicher Mengen an Fettschadstoffen und Mineralölbestandteilen.

Im August 2016 fielen viele Rooibos-Tees durch: Sie waren mit so großen Mengen an krebserregenden Pyrrolizidinalkaloiden belastet, dass der so genannte Zielwert des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) um bis zu 3.400 Prozent überschritten war. Pyrrolizidinalkaloide sind natürliche Gifte, mit denen sich Pflanzen davor schützen, gefressen zu werden.

Schadstoffe werden nicht bewertet, weil sie nicht als Inhalt gelistet sind

Von all dem findet sich bei Codeckeck – nichts. Im Gegenteil. An den Dennree Reiswaffeln ungesalzen, die nach unseren Untersuchungen über dem Grenzwert mit krebserregendem Arsen belastet sind, hat die App praktisch nichts zu kritisieren (dass die Waffeln laut Codecheck aus Vollkornbrot und Sesam bestehen, ist zwar völliger Unsinn, aber angesichts des blinden Flecks beim Arsen bedeutungslos).

Zum Meßmer Rooibos Tee, vermerkt Codecheck: Fett gering, Zucker gering, gesättigte Fettsäuren gering, Salz gering, glutenfrei, laktosefrei, vegan. Fragt sich, ob die User nicht eher darüber informiert werden sollten, dass der Gehalt an krebserregenden Pyrrolizidinalkaloiden in dem Tee um mehr als 280 Prozent über dem BfR Zielwert liegt.

„Gefahrenpotenzial beachten“ mahnt Codecheck bei den Rewe Beste Wahl Mini Donuts. Die Warnung bezieht sich aber nicht auf die von ÖKO-TEST festgestellten „stark erhöhten“ Mengen an Mineralölbestandteilen und die „erhöhten“ Werte für Fettschadstoffe, sondern auf Lecithin. Sie geht auf eine Veröffentlichung des verstorbenen Heinz Knieriemen Ende der 1990er Jahre zurück. „Besonders von Allergikern und Asthmatikern“ solle das weit verbreitete, aus Soja gewonnene Lecithin gemieden werden. Doch nicht einmal der als sehr kritisch bekannte Zusatzstoff-Experte Udo Pollmer teilt diese Sicht. Denn Sojalecithin enthält kein Sojaeiweiß mehr, das ist für die Allergien verantwortlich. Der Emulgator ist sogar für Bio-Produkte erlaubt.

http://presse.oekotest.de/presse/PM-Codecheck_112016.pdf