Archiv der Kategorie: Pressemitteilungen

Gehirn räumt im Schlaf auf

Gehirn räumt im Schlaf auf – und bleibt dadurch lernfähig

Die wesentliche Funktion von Schlaf ist geklärt

Schlaf reduziert die Übertragung zwischen Nervenzellen und schafft dadurch Platz für Neues und Wichtiges

Publikation in Nature Communications

Noch immer ist nicht eindeutig geklärt, weshalb Menschen und Tiere schlafen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Freiburg zeigen in einer am 23. August 2016 im Fachmagazin Nature Communications veröffentlichten Studie, dass im Schlaf die allgemeine Aktivität der als Synapsen bezeichneten Nervenzell-Verbindungen reduziert wird. Die meisten Verbindungen werden geschwächt, manche sogar ganz abgebaut. Nur wichtige Synapsen bleiben bestehen oder werden gestärkt. Dadurch schafft das Gehirn wieder Platz, um neue Informationen zu speichern. Diese als synaptische Plastizität bezeichnete Anpassungsfähigkeit ist eine wichtige Grundlage für Lernen und eine flexible Informationsverarbeitung. Der Abbau dürfte zudem Platz und Energie sparen, da beides im Gehirn zu einem Großteil von den Verbindungsstellen benötigt wird.

Nehmen wir tagsüber Informationen auf, werden im Gehirn Synapsen gestärkt oder neu angelegt. „Wir konnten jetzt erstmals beim Menschen zeigen, dass Schlaf die Synapsen wieder heruntergeregelt und damit Platz für neue Informationen schafft. Das Gehirn räumt also im Schlaf auf“, sagt Studienleiter Prof. Dr. Christoph Nissen, Ärztlicher Leiter des Schlaflabors an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Freiburg. „Wird dieser Prozess durch Schlafmangel unterbunden, gerät das Gehirn in einen Sättigungszustand. Synapsen können dann nicht mehr ausreichend verstärkt oder neu aufgebaut werden. Entsprechend schwer fallen auch Lernen und flexible Informationsverarbeitung.“

Schlaf senkt die tagsüber gestiegene Aktivität der Synapsen

Zunächst untersuchten die Forscher die allgemeine Aktivität der Synapsen im Gehirn, die auch als Gesamtverbindungsstärke bezeichnet wird. Mit Hilfe einer Magnetspule über dem Kopf der Probanden reizten sie einen Bereich im Gehirn, der für die Steuerung eines Daumenmuskels zuständig ist. Dieses Vorgehen wird als Transkranielle Magnetstimulation (TMS) bezeichnet. Nach Schlafentzug löste bereits ein deutlich schwächerer Reiz eine Kontraktion des Muskels aus, was ein Zeichen für eine hohe synaptische Verbindungsstärke ist.

Außerdem werteten die Forscher mittels Elektroenzephalografie-Messungen (EEG) die unterschiedlichen Frequenzen der Hirnströme aus. Schlafentzug führte dabei zu einem deutlichen Anstieg sogenannter Theta-Wellen. Vorangegangenen Tier- und Humanstudien zufolge ist dies ein weiteres Anzeichen erhöhter synaptischer Gesamtstärke. „Schlaf senkt die tagsüber gestiegene Gesamtstärke der Synapsen im Gehirn. Nach Schlafentzug bleibt die Aktivität dagegen auf einem hohen Niveau“, sagt Prof. Nissen.

Gehirn wehrt sich gegen Überladung

Außerdem fanden die Forscher erstmals beim Menschen Hinweise für ein Prinzip, das eine dauerhafte Reizverarbeitung gewährleistet, die sogenannte homöostatische Plastizität. Sind die Synapsen durch lange Wachphasen bereits maximal aktiv, führen neue Reize oder Informationen nicht zu einer Stärkung, sondern zu einer Schwächung der Nervenzell-Verbindungen. Neu ankommende Reize können dann wieder normal verarbeitet werden. „Es ist anzunehmen, dass praktisch alle Funktionen des Gehirns dadurch beeinflusst werden, wie etwa Emotionsregulation, Konzentration oder Lernen“, sagt Prof. Nissen.

Im Experiment kombinierten die Forscher wiederholt die Reizung des motorischen Gehirn-Areals mit einem elektrischen Reiz am Arm, der ins Gehirn weiter geleitet wird. Findet eine Stärkung der Verknüpfung von Nervenzellen statt, kontrahiert sich der Daumenmuskel stärker als zuvor. Dieser Effekt zeigte sich nach Nachtschlaf. Nach Schlafentzug dagegen war die Kontraktion des Daumenmuskels sogar schwächer. Auf Verhaltensebene beobachteten die Freiburger Forscher zudem ein schlechteres Neulernen von Wortpaaren nach Schlafentzug.

Möglicher Grund, warum Menschen Schlafmangel unterschiedlich gut vertragen

Weiterhin fanden sie Hinweise darauf, dass der Wachstumsfaktor BDNF (brain derived neurotrophic factor) bei der Regulation der synaptischen Aktivität eine wichtige Rolle spielt. Es ist bekannt, dass BDNF nach normalem Schlaf die Neuverknüpfung von Nervenzellen und damit Lernen fördert. Die Forscher konnten nun zeigen, dass eine anhaltend hohe BDNF-Konzentration im Blut unter Schlafentzug eher zu einer Sättigung von Synapsen führte. „Das könnte erklären, warum manche Menschen Schlafmangel besser verkraften als andere“, sagt Prof. Nissen.

Therapieansätze für Depression und Schlaganfall

Die Erkenntnisse könnten zur Entwicklung neuer Therapiemöglichkeiten beitragen, etwa nach Schlaganfall oder bei depressiven Störungen. Bei diesen Erkrankungen ist es wichtig, Verschaltungen im Gehirn zu verändern. Hierzu könnten eine gezielte Beeinflussung des Schlaf-Wach-Verhaltens, aber auch andere Verfahren wie die transkranielle Gleichstromstimulation oder Medikamente mit neuen Wirkmechanismen auf Plastizität genutzt werden.

Original-Titel der Arbeit: Sleep recalibrates homeostatic and associative synaptic plasticity in the human cortex

DOI: 10.1038/ncomms12455

Warum wir alt aussehen – oder eben nicht

Dem Alter kann man kein Schnippchen schlagen

Menschen altern unterschiedlich: Der eine bemerkte schon im Studium das erste graue Haar, der andere wirkt noch als Rentner jugendlich-sportlich. Doch was sind die Gründe dafür? Wie lässt sich das biologische Alter einer Person bestimmen und welche Rückschlüsse ergeben sich daraus für den weiteren Alterungsprozess? Um den Antworten auf diese Fragen näher zu kommen, hat Professor Dr. Alexander Bürkle fünf Jahre lang die Gesundheitsdaten von 3.300 Probanden im Alter von 35 bis 74 Jahren protokolliert. Ein Datenschatz, der noch unter vielen anderen Gesichtspunkten Erkenntnisse liefern wird. In drei Jahren wissen wir mehr – so hoffen die Wissenschaftler.

„Um wahrzunehmen, dass Menschen unterschiedlich altern, muss man kein Wissenschaftler sein“, so Professor Bürkle. Jeder kenne aus seinem Bekanntenkreis Männer oder Frauen, denen man ihr kalendarisches Alter nicht ansehe. „Kürzlich war ich beim Klassentreffen zur Feier von 40 Jahren Abitur. Dort traf ich einige Schulkameraden, die deutlich älter wirkten. Es gab aber auch eine Mitschülerin, die man für zehn bis 15 Jahre jünger gehalten hätte.“ Warum nur? Was ist der Jungbrunnen? Was lässt andersherum einen Menschen rasant altern? Diese Fragen beschäftigen Bürkle, der Molekulare Toxikologie im Fachbereich Biologie an der Universität Konstanz lehrt, seit vielen Jahren. Was er mit Sicherheit sagen kann: „Man kann dem Alter kein Schnippchen schlagen bezüglich Gesundheit und kognitiver Fähigkeiten!“

Rund 400 Biomarker auf Aussagekraft untersucht

Woran es aber liegt, dass einige bis ins hohe Alter rege und von gravierenden Krankheiten verschont bleiben, während andere schon in mittleren Jahren deutlich verbraucht wirken – hierauf hat die Forschung bisher keine eindeutigen Antworten gefunden. Einzelne Biomarker, die Auskunft über das tatsächliche biologische Alter einer Person und ihren weiteren Alterungsprozesses geben könnten, erwiesen sich in der Vergangenheit als nicht haltbar.

Dies könnte sich jetzt ändern! Gefördert von der EU-Kommission, haben sich 26 Arbeitsgruppen aus 14 Ländern an der multizentrischen Studie MARK-AGE beteiligt. Fünf Jahre lang wurden die Gesundheitsdaten von rund 3.300 Probanden im Alter von 35 bis 74 Jahren protokolliert.

Besonders spannend: Unter den Teilnehmern befanden sich die Nachkommen von Personen, die zuvor an dem so genannten GEHA-Projekt (Genetics of Healthy Aging) beteiligt waren. Damalige Probanden mussten mindestens 90 Jahre alt und überdurchschnittlich gesund sein sowie Geschwister vorweisen, die gleichermaßen langlebig und fit waren. „Uns interessierte, ob man bei diesen ‚genetisch begünstigten‘ Menschen schon im mittleren Lebensalter eine Verlangsamung des Alternsprozesses feststellen kann“, so Bürkle. „Denn es deutet alles darauf hin, dass Altern eine Mischung aus Genetik und Umwelteinflüssen ist.“

Knapp drei Jahre dauerte die Erstauswertung der Daten bisher. Rund 400 Biomarker wurden auf ihre Aussagekraft geprüft. Die zehn relevantesten wird Professor Bürkle auf dem größten deutschsprachigen Kongress für Altersmedizin in Stuttgart Anfang September vorstellen. Bis dahin will er noch nichts zu den Ergebnissen der Studie verraten. „Aber das ist nur der Anfang“, ist er überzeugt. „Das ist ein Datenschatz, der noch unter vielen anderen Gesichtspunkten Erkenntnisse liefern wird.“

Zur Person:

Prof. Dr. Alexander Bürkle

Prof. Dr. Alexander Bürkle

Prof. Dr. Alexander Bürkle studierte Medizin an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, wo er auch promovierte. Von 1984 bis 2000 war er am Deutschen Krebsforschungszentrum Heidelberg tätig. Die Habilitation erfolgte 1995 an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. Von 2000 bis 2002 war er Senior Lecturer am Department of Gerontology an der University of Newcastle upon Tyne in Großbritannien. Seit 2002 lehrt er Molekulare Toxikologie im Fachbereich Biologie an der Universität Konstanz.
Bürkle ist unter anderem Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Toxikologie und Mitglied des Fachkollegiums Medizin der Deutschen Forschungsgemeinschaft. 2011 wurde er mit dem GT-Toxicology-Preis für seine Forschung zur biochemischen Wirkung des Enzyms „Poly[ADP-Ribose]Polymerase“ (PARP), das die Erbgutreparatur beeinflusst, ausgezeichnet.

Die Deutsche Gesellschaft für Geriatrie (DGG) ist die wissenschaftliche Fachgesellschaft der Ärzte, die sich auf die Medizin der späten Lebensphase spezialisiert haben. Sie wurde 1985 gegründet und hat augenblicklich rund 1.700 Mitglieder.
Die Deutsche Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie (DGGG) unterstützt Gerontologen und Geriater aktiv in der Alternsforschung und alle in diesem Arbeitsfeld beteiligten Berufsgruppen bei der praktischen Umsetzung der Ergebnisse.

Herausgeber:
Deutsche Gesellschaft für Geriatrie e.V., Kunibertskloster 11–13, 50668 Köln – vertreten durch den Kongresspräsidenten Prof. Dr. Jürgen M. Bauer
Deutsche Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie, Seumestr. 8, 10245 Berlin – vertreten durch die Kongresspräsidentin Prof. Dr. Susanne Zank
Key Visual erstellt unter Verwendung eines Bildes von Werner Dieterich, Stuttgart-Marketing GmbH.

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Jahreskongress der DGG (Deutsche Gesellschaft für Geriatrie) und der DGGG (Deutsche Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie) in Stuttgart

7. bis 10. September 2016

Prof. Dr. Alexander Bürkle
Keynote-Lecture: „Die Messung des biologischen Alters beim Menschen – Ergebnisse des EU FP7 Projektes MARK-AGE “
Vortragssprache: Deutsch
Freitag, 09.09.2016
09.45 – 10.30 Uhr
Haus der Wirtschaft (Bertha-Benz-Saal)

Schweigepflicht unabdingbar im Heilungsprozess

BDP: Keine Einschnitte beim Geheimnisschutz

Im Vorfeld der angekündigten Aufweichung der Schweigepflicht auch für Psychologen mahnt der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP) einen rationalen Umgang der Politik mit der Terrorgefahr an. „Einschränkung der Schweigepflicht bei Gefährdungen des Klienten oder Dritter bestehen schon lange“, erklärt BDP-Präsident Prof. Dr. Michael Krämer. „Für psychologische, psychotherapeutische und ärztliche Tätigkeiten ist der grundsätzliche Schutz persönlicher Geheimnisse ein unabdingbarer Wert. Nur dann öffnen sich die Menschen und ihre Probleme können aufgegriffen und bearbeitet werden.“
Bereits jetzt gibt es einen ausreichenden Schutz für die Bevölkerung. In ethischer Hinsicht sind Berufsgeheimnisträger, wie Psychologen, bereits heute bei Gefährdungen gehalten aktiv zu werden. Rechtlich besteht keine Verpflichtung zum Geheimnisschutz bei Gefahrenabwehr, bei schweren Straftaten und der Vorbereitung eines Angriffskrieges.
Die aktuelle Diskussion stört das Vertrauensverhältnis und birgt das Risiko, dass gesundheitliche Dienstleistungen gar nicht erst in Anspruch genommen werden. Wichtiger als ein Eingriff in das Vertrauensverhältnis ist die Bereitstellung von professionellen Dienstleistungen in ausreichender Zahl.
Aktionistisch geprägte Vorschläge im Anschluss an Terroranschläge führen zu erhöhter medialer Aufmerksamkeit, schränken die Freiheit in der Gesellschaft weiter ein und dienen somit den Zielen der Täter.
Psychisch angeschlagene Menschen benötigen unsere Hilfe und Solidarität. Vorschläge, die sie grundsätzlich als Gefährder erscheinen lassen, stigmatisieren und sind kontraproduktiv.
Prävention von Gewalt muss einen höheren Stellenwert als bisher bekommen. Psychologische Unterstützung in Schulen, für Eltern, die einen Rückzug und eine Radikalisierung ihrer Kinder erleben sowie in Flüchtlingsunterkünften kann wirksam Verzweiflungstaten verhindern. Es ist wichtig, dass wir frühzeitig die Ursachen erkennen, die Einzelne zu einer Gefahr für sich selbst oder andere werden lassen könnten. Nur dann kann man gegensteuern. Daneben kann jeder in seinem Umfeld dazu beitragen, dass Konflikte ohne Gewalt gelöst werden, und damit zeigen, dass wir trotz der Bedrohung handlungsfähig bleiben.

Wer Antibiotika nimmt, sollte Sonne meiden

Antibiotika und Sonnenbaden verträgt sich nicht.

 August 2016-  So sehr die Sonne auch lockt: Die Einnahme mancher Arzneimittel verträgt sich nicht mit einem Sonnenbad. Insbesondere wer Antibiotika einnimmt, sollte sich besser im Schatten aufhalten, rät Uwe Arlt, Vorstandsmitglied des Hessischen Apothekerverbandes.

Auch ein kurzer Aufenthalt in der Sonne kann während einer Therapie Hautausschläge oder Pigmentstörungen zur Folge haben. Insbesondere einige Antibiotika, die zur Behandlung von Akne, gegen akute Atemwegserkrankungen oder Blasenentzündungen verordnet werden, können solche Symptome auslösen. „Die Einnahme der Antibiotika darf dann aber nicht unterbrochen werden“, warnt Arlt. „Dies kann zu Resistenzen führen. Bei der nächsten Erkrankung helfen die Antibiotika dann nicht mehr.“

Vorsicht gilt auch bei dauerhaft eingenommenen Mitteln zur Empfängnisverhütung oder bei vermeintlich harmlosen Arzneimitteln, die in der Selbstmedikation erhältlich sind. So können sowohl manche Anti-Baby-Pillen als auch das stimmungsaufhellende Johanniskraut zu dunklen Flecken auf der Haut führen, die der Sonne ausgesetzt wird.

„Wer sich unsicher ist, sollte seinen Arzt oder Apotheker fragen“, rät Arlt und empfiehlt allen, die aus beruflichen oder persönlichen Gründen die Sonne nicht meiden können, einen Sonnenblocker mit LSF 50 zu verwenden.

Steigt die Lebensfreude durch Techniknutzung?

Technologie verbessert die Unabhängigkeit und Lebensqualität älterer Menschen erheblich!, sagt Frau Prof. Dr. Sara Czaja. Aber stimmt das wirklich?

Anmerkung d. Red.: Dass Frau Prof. Dr. Sara Czaja Pokémon GO und WhatsApp hier nennt, zeigt, dass sie eher wenig Bewusstheit für Datenschutz und Privatsphäre hat. Natürlich sollen auch ältere Menschen die neuen Techniken nutzen. Man muss sie aber auch über die Risiken aufklären. Das passiert jedoch in den seltensten Fällen. Schon jetzt werden ältere Menschen schnell Opfer von Kriminellen. Smartphones und Tablets könnten das noch begünstigen.

Pressemitteilung

Prof. Dr. Sara J. Czaja

Prof. Dr. Sara J. Czaja

Prof. Sara Czaja, Miami Pokémon GO ist das beste Beispiel: Wer spielt, sitzt weniger und bewegt sich deutlich mehr als früher. Technologie kann dazu beitragen, unmöglich Geglaubtes möglich zu machen. Und das gilt auch für die Generation 80+. „Wer keinen Zugang zu Technologie hat oder nicht in der Lage ist, sie zu nutzen, wird es extrem schwer haben, sich in der heutigen technologieorientierten Welt zurechtzufinden und alltägliche Herausforderungen zu bewältigen“, weiß Sara J. Czaja, wissenschaftliche Direktorin des Center on Aging und Professorin für Psychiatrie und Verhaltenswissenschaften an der Leonard M. Miller School of Medicine der Universität von Miami. „Das fängt schon mit der WhatsApp-Nachricht an die Enkelin, der Suche nach Gesundheitsinfos und der Onlineüberweisung der nächsten Rechnung an.“ Technologie muss deshalb auch für alte und hochbetagte Menschen zugänglicher, nützlicher und nutzbarer werden, fordern die Deutsche Gesellschaft für Geriatrie (DGG) und die Deutsche Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie (DGGG).

Technologie durchdringt heute die meisten Bereiche der Gesellschaft. Um also möglichst lange ein unabhängiges Leben führen zu können, wird es für immer mehr ältere Menschen zur Notwendigkeit, die rasant voranschreitenden technischen Entwicklungen nicht zu verpassen. „Im CREATE-Center haben wir zum Beispiel einfach zu nutzende Technologiesysteme für Senioren entwickelt, die ihren Zugang zum Internet verbessert haben und es Senioren erleichtern, mit Familie und Freunden in Kontakt zu bleiben“, erklärt Frau Professor Czaja. Der Zugang zum WorldWideWeb bietet speziell für Menschen im ländlichen Raum oder mit Mobilitätseinschränkungen erhebliche zusätzliche Vorteile – von neuen Lernangeboten und Zugang zu Gesundheitsinformationen und -diensten über Bankgeschäfte bis hin zu Online-Bestellungen.

Zugang zur Technik muss erleichtert werden

Leider zeigen aktuelle Untersuchungen – obwohl die Nutzung von Technologie bei älteren Menschen insgesamt zunimmt – dass es eine digitale Kluft gibt. Speziell die älteren Jahrgänge und Senioren mit einem geringen sozio-ökonomischen Status bleiben zurück.

Anfang September wird Professor Czaja auf dem größten deutschsprachigen Kongress für Altersmedizin und Gerontologie in Stuttgart erwartet. Hier will sie ihre Forschungsergebnisse aus den USA mit den deutschen Kollegen teilen. „Das ist extrem wichtig und verspricht neue Möglichkeiten, um die Lebensqualität für uns alle zu verbessern“, so die Institutsleiterin aus Miami. „Denn Technologie durchdringt alle Aspekte des Lebens – speziell Gesundheitswesen und Kommunikation. Der von uns entwickelte Nutzen-orientierte Designansatz für technische Systeme bietet das Potenzial, die Unabhängigkeit und Lebensqualität älterer Menschen enorm zu verbessern.“

Zur Person:
Dr. Sara J. Czaja ist Professorin der Leonard M. Miller School für die Bereiche Psychiatrie und Verhaltenswissenschaften und verfügt über zusätzliche Ernennungen in Psychologie, Neurologie und Industrial Engineering an der Miller School of Medicine der Universität von Miami. Sie ist Direktorin des Center on Aging und des Center on Research and Education for Aging and Technology Enhancement (CREATE), das vom amerikanischen National Institute on Aging gefördert wird. Es umfasst das Georgia Institute of Technology und die Florida State University. Prof. Czajas Forschungsgebiet schließt insbesondere den Bereich Altern und Kognition, Familie und Pflegeaufgaben sowie die Interaktion von Mensch und Computer ein. Kürzlich hat sie mit dem CREATE-Team ein Buch über Design von Technik für die ältere Bevölkerung herausgebracht.

Jahreskongress der DGG (Deutsche Gesellschaft für Geriatrie) und der DGGG (Deutsche Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie) in Stuttgart 
7. bis 10. September 2016

App soll Therapie nach Spenderniere erleichtern

Hilfe durch das Smart-Phone: App soll Therapie erleichtern
Nephrologen der Charité und MyTherapy App starten Nachsorgeprojekt

MyTherapy_iOS_Android_deBerlin, 03.08.2016 Die Charité – Universitätsmedizin Berlin und die MyTherapy App  „(für Android und iOS)“ erweitern ihre gemeinsame Forschungsarbeit, um Patienten mit einer Spenderniere ein neues Nachsorgeangebot anbieten zu können. Die App soll den Patienten künftig dabei helfen, ihren Therapiealltag zu organisieren und den Verlauf der Therapie nachvollziehen zu können.

Besonders Patienten mit einer transplantierten Niere müssen auf die korrekte Einnahme ihrer Medikamente achten. Denn die Gefahr einer Komplikation ist groß: „Jede sechste Niere wird wegen mangelnder Adhärenz abgestoßen“, so Prof. Dr. Klemens Budde, kommissarischer Direktor der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Nephrologie an der Charité und Leiter des Projekts. „Aufbauend auf den positiven Studienergebnissen von MyTherapy in einer Pilotstudie mit geriatrischen Patienten MyTherapy_doctor_patient_degehen wir davon aus, dass die App zu einer Verbesserung der Transplantationsnachsorge führen kann“.

Ab dem 1. August werden in der Klinik für Nephrologie zunächst 100 Patienten mit einer Spenderniere über einen Zeitraum von sechs Monaten MyTherapy (für Android und iOS) nutzen. Die App unterstützt die Patienten bei der korrekten und pünktlichen Einnahme ihrer Medikamente, beim Erfassen von Gewicht und Blutdruck sowie bei der Organisation des Therapiealltags. Anschließend evaluieren die Ärzte der Charité die Wirksamkeit von MyTherapy im Vergleich zu einer gleich großen Kontrollgruppe. Die Ergebnisse der Studie sollen im kommenden Jahr auf dem Kongress für Nephrologie vorgestellt werden.

Klare Sicht bei der Darmkrebsvorsorge

Vor der Darmspiegelung ist „Abführen an zwei Tagen“ am effektivsten

Hamburg/Berlin – Je sauberer der Darm, umso aussagekräftiger ist das Ergebnis einer Darmspiegelung zur Krebsvorsorge. Darauf weisen Experten im Vorfeld des Kongresses Viszeralmedizin 2016 in Hamburg hin. Um den Darm optimal für die „Koloskopie“ vorzubereiten, sollten Patienten auf zwei Tage verteilt eine Poly-Ethylen-Glykol-Lösung (kurz: PEG) als Abführmittel zu sich nehmen, so die Mediziner. Die Darmspiegelung gilt als eines der effektivsten Verfahren der Krebsvorsorge – auch weil Gastroenterologen Tumorvorstufen in der Darmwand direkt bei der Untersuchung entfernen können.

Leider gibt es noch immer viele Ärzte, die Patienten früher einbestellen, weil ein anderer Patient abgesagt hat. Das ist gewiss nicht zum Vorteil jenes Patienten, der dann mit einem nicht vollständig gereinigten Darm zur Untersuchung kommt. Wenn es ums Geld geht, werden schnell wichtige Voraussetzungen ignoriert.. Das sollten die Viszeralmediziner auf ihrem Kongress ihren Kollegen auch deutlich sagen.

„Ärzte und medizinisches Personal sollten sich Zeit nehmen, Patienten über die Bedeutung und den Ablauf der Darmreinigung aufzuklären“, sagt Professor Dr. med. Alexander Meining, Vorsitzender der DGVS-Sektion Endoskopie und einer der Kongresspräsidenten der Viszeralmedizin 2016. „Denn wenn der Darm nicht optimal vorbereitet ist, können wir die Strukturen der Darmwand nicht verlässlich beurteilen.“ Darmpolypen wie Adenome, die sich zu bösartigen Krebsgeschwüren entwickeln können, blieben möglicherweise unentdeckt, mahnt der Experte. Im Zweifelsfall müsse die Untersuchung wiederholt werden.

Um beste Voraussetzungen für die Untersuchung zu schaffen, sollten Patienten bereits vier Tage vor dem Termin auf ballaststoffreiches Gemüse und Vollkornprodukte verzichten. Am Vortag der Darmspiegelung beginnt dann das Fasten. „Am Mittag eine klare Brühe und ab dann nur noch trinken“, erklärt Meining. Am frühen Abend sollten Patienten dann die erste Dosis des Abführmittels zu sich nehmen. Am nächsten Morgen – etwa drei Stunden vor der Untersuchung – steht die zweite Dosis an.

„Eine Metaanalyse aus dem vergangenen Jahr zeigt ganz deutlich, dass sich mit PEG-Lösungen, auf zwei Tage verteilt, die besten Ergebnisse erzielen lassen“, berichtet Meining. Die Untersuchung, in der Wissenschaftler aus Kanada die Daten von insgesamt 47 Studien auswerteten, kam außerdem zu dem Ergebnis, dass die Patienten mit dieser Methode am besten zurechtkommen. Ein Genuss sei die Spüllösung, unabhängig von zusätzlichen Geschmacksstoffen, nie, so Meining. „Ich rate dazu, sie so schnell wie möglich – am besten eiskalt – zu trinken.“ Parallel zum Abführmittel sollten Patienten jeweils zwei Liter klare Säfte, Wasser oder Früchtetees trinken, wobei süße Getränke auch gegen den Hunger helfen.

Im Vorfeld einer Darmspiegelung ist es Aufgabe des Arztes, den Patienten im Detail darüber aufzuklären, wie dieser die Darmreinigung durchführen sollte, welche seltenen Nebenwirkungen es gibt und wie die Einnahme von benötigten Medikamenten erfolgen sollte.

Die Therapie, Vorsorge und Behandlung von Darmkrebs ist eines von vielen Themen rund um Erkrankungen des Verdauungsapparates auf dem Kongress Viszeralmedizin 2016 in Hamburg. Seit Herbst 2002 gehört die Koloskopie für Versicherte ab 55 Jahren in das gesetzliche Krebsfrüherkennungsprogramm. Wie eine im Frühjahr veröffentlichte Studie gezeigt hat, ist seitdem die Zahl der Neuerkrankungen sowie der Todesfälle infolge von Darmkrebs deutlich gesunken. Noch immer sterben jedoch pro Jahr mehr als 25 000 Menschen an Darmkrebs.

Fortbildung und Aufklärung für Patienten:

http://www.viszeralmedizin.com/patienten/veranstaltungen/patientenseminare/

 

Literatur:
Split-Dose Preparations Are Superior to Day-Before Bowel Cleansing Regimens: A Meta-analysis. Gastroenterology. 2015 Jul;149(1):79-88. Martel M, Barkun AN, Menard C, Restellini S, Kherad O, Vanasse A
 

Privatpatienten sind nicht immer besser dran

IGeL-Monitor: Patienten werden über Schaden von IGeL kaum informiert

MDS Berlin/Essen, 12. Juli 2016 82 Prozent der Versicherten kennen Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL). Und jeder Zweite (52 Prozent), der die Selbstzahlerleistungen in der Arztpraxis angeboten bekommt, nimmt sie an. Drei Viertel der Patienten fühlen sich aber nicht ausreichend über Schäden informiert – das sind die Ergebnisse der Evaluation des IGeL-Monitors, bei der 2.149 Versicherte repräsentativ befragt worden sind.

Quelle "Grafik: Techniker Krankenkasse"

Quelle „Grafik: Techniker Krankenkasse“

„Für manche Facharztgruppe ist das IGeLn zum Volkssport geworden. Der IGeL-Markt boomt. Information und Aufklärung geraten in der Praxis dabei manchmal in den Hintergrund. Aus unserer Sicht sind die Ärzte gefordert, über Nutzen und mögliche Risiken der Selbstzahlerleistungen ausführlich aufzuklären“, sagt Dr. Peter Pick, Geschäftsführer des MDS. Dafür müssten schriftliche Informationen zur Verfügung gestellt werden. Die Patienten sollten zudem ausreichend Bedenkzeit erhalten und nicht unter Druck gesetzt werden.

Der Bedarf der Patienten an fundierten Informationen ist unverändert groß. Das zeigt auch die Resonanz des IGeL-Monitors: An normalen Tagen informieren sich zwischen 1.000 und 3.000 Besucher auf dem Informationsportal, an Spitzentagen sind es bis zu 45.000. „Patienten brauchen wissenschaftlich fundierte Informationen, damit sie sich bewusst für oder gegen eine Selbstzahlerleistung entscheiden können. Anliegen des IGeL-Monitors ist es, das Informationsgefälle zwischen Arzt und Patient zu verringern. Die Patienten sollen als informierte Patienten entscheiden können“, erläutert Pick.

Neu bewertet: Ergänzende Ultraschall-Untersuchungen in der Schwangerschaft „unklar“

Wie wichtig fundierte Informationen für Patienten sind, wird auch bei der jüngsten Bewertung des IGeL-Monitors deutlich. Nutzerinnen berichten sowohl auf IGeL-Monitor als auch auf igel-aerger.de, dem kooperierenden Beschwerdeportal der Verbraucherzentrale NRW, dass sie sich verunsichert fühlen, wenn sie sich für oder gegen IGeL in der Schwangerschaft entscheiden sollen. Die  Experten des IGeL-Monitors haben daher mehrere dieser IGeL unter die Lupe genommen – aktuell bewertet haben sie ergänzende Ultraschall-Untersuchungen in der Schwangerschaft. Dazu erklärt Dr. Michaela Eikermann, Leiterin des Bereichs Evidenzbasierte Medizin beim MDS: „Nach Auswertung der wissenschaftlichen Studien können wir sagen: Ergänzende Ultraschalluntersuchungen, die über die üblichen Vorsorgeleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung hinausgehen, schaden nicht. Sie nützen aber auch nicht. Daher haben wir diese IGeL mit „unklar“ bewertet. Wenn Eltern die Entwicklung ihres Kindes im sogenannten „Baby-Fernsehen“ mitverfolgen möchten, so ist das unbedenklich. Aber wer diese IGeL nicht in Anspruch nehmen möchte oder kann, der braucht kein schlechtes Gewissen haben.“

Der IGeL-Monitor hat inzwischen 41 IGeL bewertet und beschrieben. Das Spektrum reicht von Akupunktur in der Schwangerschaft über Lichttherapie bei saisonal depressiver Störung bis hin zur Bestimmung des Immunglobin G (IgG) gegen Nahrungsmittel. „Unsere Bewertungen zeigen, dass vieles, was in den Praxen angeboten wird, der wissenschaftlichen Bewertung nicht Stand hält. Beim überwiegenden Teil können wir nicht von Hinweisen für einen Nutzen, sondern eher von Hinweisen für einen Schaden für den Patienten sprechen“, sagt Eikermann.

IGel-Monitor gleicht Informationsdefizite der Patienten aus

Der IGeL-Monitor unterstützt Patienten, eine informierte Entscheidung zu treffen – dies hat auch die Evaluation bestätigt. „82 Prozent der Befragten geben an, sie würden den IGeL-Monitor erneut besuchen. Drei Viertel der Nutzer sagen, dass sie ihre Entscheidung für oder gegen ein IGeL-Angebot überdenken würden, wenn sie die Informationen vorher gehabt hätten“, erklärt Dr. Christian Weymayr, freier Medizinjournalist und Projektleiter IGeL-Monitor. „Das zeigt auch: Der IGeL-Monitor gleicht Informationsdefizite der Patienten aus. Die Patienten sehen die Informationen als hilfreich, glaubwürdig und entscheidungsrelevant an.“

Hintergrund:

Die Bewertungen des IGeL-Monitors basieren auf den Methoden der Evidenzbasierten Medizin (EbM). Das heißt: Für die Bewertung von Nutzen und Schaden einer IGeL-Leistung recherchiert das Team aus Medizinern und Methodikern beim MDS in medizinischen Datenbanken. Die Wissenschaftler tragen die Informationen nach einer definierten Vorgehensweise zusammen und werten sie systematisch aus. Das IGeL-Team wägt Nutzen und Schaden gegeneinander ab und fasst das Ergebnis in einer Bewertungsaussage zusammen, die von „positiv“, „tendenziell positiv“ und „unklar“ bis zu „tendenziell negativ“ und „negativ“ reicht. Alle Analyseschritte einer Bewertung sind auf dem IGeL-Monitor dokumentiert. Jede bewertete IGeL wird in mehreren Ebenen dargestellt, die von Stufe zu Stufe ausführlicher und fachlicher wer-den: von der zusammenfassenden Bewertungsaussage bis hin zu den für ein Fachpublikum hinterlegten Ergebnissen der wissenschaftlichen Recherche und Analyse. Versicherte erfahren außerdem, welche Leistungen von den gesetzlichen Krankenkassen bei den Beschwerden übernommen werden, für die der Arzt ihnen die IGeL-Leistung anbietet. Sie erhalten auch Auskunft über die Preisspanne, zu der eine IGeL angeboten wird. Und schließlich gibt der IGeL-Monitor Tipps, wie sich Versicherte im konkreten Fall verhalten können, wenn ihnen IGeL angeboten werden.

Der MDS berät den GKV-Spitzenverband in allen medizinischen und pflegerischen Fragen, die diesem qua Gesetz zugewiesen sind. Er koordiniert und fördert die Durchführung der Aufgaben und die Zusammenarbeit der Medizinischen Dienste der Krankenversicherung (MDK) auf Landesebene in medizinischen und organisatorischen Fragen

Gutverdiener bekommen vom Arzt besonders häufig IGeL-Leistung angeboten

Quelle "Grafik: Techniker Krankenkasse"

Quelle „Grafik: Techniker Krankenkasse“

 

Im Schnitt haben sieben von zehn gesetzlich Versicherten mit einem monatlichen Haushaltsnettoeinkommen von mehr als 3.000 Euro mindestens einmal eine IGeL-Leistung vom Arzt angeboten bekommen. Bei Befragten mit einem Einkommen unter 1.5000 Euro sind es vier von zehn. Das zeigt der TK-Meinungspuls 2016. Betrachtet man das Geschlecht der Versicherten, erhalten Frauen häufiger als Männer eine Selbstzahler-Leistung angeboten (55 zu 45 Prozent).

IGeL-Leistungen: Jeder dritte Patient ohne schriftliche Vereinbarung

Mehr als jeder dritte Patient (36 Prozent) bekommt nichts Schriftliches in die Hand, wenn er beim Arzt eine sogenannte Individuelle Gesundheitsleistung (IGeL) in Anspruch nimmt. Das zeigt der TK-Meinungspuls 2016. IGeL gehören per Gesetz nicht zum Katalog der Krankenkassen und müssen privat gezahlt werden. Generell gilt: Der Arzt ist verpflichtet, den Patienten vor Beginn der Behandlung schriftlich über die Kosten zu informieren und mit ihm einen schriftlichen Behandlungsvertrag abzuschließen.

 

Transparenzkodex forschender Pharmafirmen

Dies ist die offizielle Pressemitteilung der vfa, die heute veröffentlicht wurde. 

Forschende Pharma-Unternehmen setzen Transparenzkodex um

 transparenzkodex-infografik
  • Die Mitgliedsunternehmen des Vereins „Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie“ (FSA) und des Verbandes der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa) legen im Rahmen des Transparenzkodex bis Ende Juni 2016 erstmals Leistungen an Ärzte, andere Fachkreisangehörige sowie medizinische Organisationen und Einrichtungen offen.
  • Die Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Unternehmen ist unerlässlich für den Wissensaustausch und für die Entwicklung innovativer Arzneimittel und damit für die bestmögliche Behandlung von Patienten.
  • Die Öffentlichkeit kann auf Basis der veröffentlichten Leistungen nachvollziehen, wie Ärzte und Pharma-Unternehmen zusammenarbeiten.

Berlin, 20. Juni 2016. Die Mitgliedsunternehmen von vfa und FSA setzen den Transparenzkodex um, zu dem sie sich freiwillig verpflichtet haben und werden bis Ende Juni 2016 ihre Leistungen aus dem Jahr 2015 an Ärztinnen und Ärzte, andere Fachkreisangehörige sowie medizinische Organisationen und Einrichtungen veröffentlichen.

vfa und FSA setzen heute mit der Nennung der Gesamtsumme der Leistungen den Startschuss für die Veröffentlichungsphase der Einzelsummen durch die Unternehmen. Insgesamt beträgt die Gesamtsumme der Leistungen der 54 Unternehmen an Ärzte, Fachkreisangehörige sowie medizinische Organisationen und Einrichtungen für das Jahr 2015 ca. 575 Mio. Euro (Stand: 20.6.2016).

In der Gesamtsumme sind enthalten ca.

  • 366 Mio. Euro an Ärzte, andere Fachkreisangehörige, medizinische Organisationen und Einrichtungen für die Durchführung von klinischen Studien und Anwendungsbeobachtungen im Rahmen von Forschung & Entwicklung
  • 119 Mio. Euro an Ärzte und andere Fachkreisangehörige für Vortragshonorare und Fortbildungen
  • 90 Mio. Euro an medizinische Organisationen und Einrichtungen für Sponsoring von Veranstaltungen, Spenden und Stiftungen.

Die einzelnen Mitgliedsunternehmen von vfa und FSA werden zwischen dem 20. und dem 30. Juni ihre Leistungen jeweils auf ihren Webseiten veröffentlichen. Soweit es der Datenschutz erlaubt, machen die Unternehmen dabei auch Leistungen an einzelne Ärzte individuell nachvollziehbar. Dies ist von der Zustimmung jedes einzelnen Arztes abhängig.

„Wir wollen die Notwendigkeit der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Ärzten besser erklären. Das wird das Verständnis für die Zusammenarbeit und ihre Akzeptanz in der Öffentlichkeit und bei Patienten erhöhen. Die Mitgliedsunternehmen von vfa und FSA schaffen mit der Umsetzung des Kodex freiwillig weitreichende Transparenz der Leistungen. Auf Basis dieser Zahlen kann die Öffentlichkeit nachvollziehen, wie Ärzte und Pharma-Unternehmen zusammenarbeiten,“ sagte Birgit Fischer, vfa-Hauptgeschäftsführerin.

Fischer weiter: „Die Zusammenarbeit zwischen forschenden Pharma-Unternehmen und Ärzten ist eine Voraussetzung für die Entwicklung innovativer Arzneimittel und damit für die bestmögliche Behandlung der Patienten. So entsteht medizinischer Fortschritt.“

Ärzte sind wichtige Kooperationspartner bei klinischen Studien zur Arzneimittelzulassung. Auch Anwendungsbeobachtungen sind für Pharmaunternehmen und Zulassungsbehörden ein unverzichtbares Instrument in der Arzneimittelforschung und führen zu einem besseren Verständnis des Arzneimittels in der praktischen Anwendung. Bei einer solchen Anwendungsbeobachtung protokolliert der Arzt die Therapie bei Patienten, die ein bestimmtes Arzneimittel einnehmen und stellt die Ergebnisse in anonymisierter Form dem Hersteller zur Verfügung. Praktisch geforscht wird in Schwerpunktpraxen und in Kliniken. Für diese Arbeit erhalten Ärzte und Kliniken angemessene Leistungen von forschenden Pharma-Unternehmen. Auch in der Fortbildung von Ärzten sehen sich Pharma-Unternehmen in der Pflicht, einen kontinuierlichen und jederzeit aktuellen Austausch von Wissen zu gewährleisten.

„Patienten haben ein hohes Interesse an Aufklärung über die Leistungen, die Ärzte von Unternehmen erhalten. Mit der Offenlegung der Leistungen schaffen die Unternehmen freiwillig die Grundlage für eine sachliche Diskussion über die Zusammenarbeit zwischen Industrie und Ärzten“, erklärte Dr. Holger Diener, FSA-Geschäftsführer.

„Für die Mitgliedsunternehmen von vfa und FSA ist Transparenz eine tragende Säule der Zusammenarbeit zwischen ihnen und Ärzten. Den Anfang haben wir durch die Veröffentlichung der Leistungen gemacht, die die Patientenorganisationen von Pharma-Unternehmen erhalten. Hier ist es nachhaltig gelungen, unbegründeten Spekulationen den Boden zu entziehen und so Verständnis und Vertrauen aufzubauen. Die Veröffentlichung der Leistungen an Ärzte ist daher nun ein weiterer konsequenter Schritt,“ so Diener weiter.

Hintergrund

Der FSA wurde 2004 von den vfa-Mitgliedern als eigenständiger Verein gegründet. Neben den vfa-Unternehmen gehören dem FSA heute insgesamt 54 Unternehmen an. FSA und vfa stehen für 75 Prozent des deutschen Pharmamarktes für verschreibungspflichtige Medikamente. Der FSA überwacht mit Hilfe eines Vereinsgerichts die korrekte Zusammenarbeit von pharmazeutischen Unternehmen mit Ärzten und anderen Angehörigen der medizinischen Fachkreise. Jede Person kann dem FSA den Verdacht eines Kodex-Verstoßes durch ein Pharma-Unternehmen melden. Die unabhängige Schiedsstelle des FSA untersucht die gemeldeten Verdachtsfälle. Sollte sich der Verdacht bestätigen, sieht das Regelwerk des FSA klar definierte Sanktionen vor, z.B. Geldstrafen bis max. 400.000,- EUR und die Nennung des Unternehmens zusammen mit der Veröffentlichung der Entscheidung im Internet.

Weitere Informationen zur Transparenzinitiative finden sich unter www.vfa.de und www.pharma-transparenz.de

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Haferflocken von Alnatura mit gefährlichen Mineralölen belastet

Pressemitteilung

foodwatch-Test: Haferflocken von Alnatura mit gefährlichen Mineralölen belastet – Kinder besonders gefährdet

ec41dbe2216a3-o7s0cwBerlin, 26. Mai 2016. Bio-Haferflocken des Herstellers Alnatura enthalten gesundheitsgefährdende Mineralöle. Das ist das Ergebnis eines Labortests der Verbraucherorganisation foodwatch. Demnach sind „Alnatura Haferflocken zartschmelzend“ mit aromatischen Mineralölen (MOAH) belastet, die potenziell krebserregend und erbgutschädigend sind.

„Krebsverdächtige Mineralöle haben in unseren Lebensmitteln nichts zu suchen – erst recht nicht in Produkten, die bevorzugt von Kindern verzehrt werden“, kritisierte Johannes Heeg von foodwatch. Kinder sind laut der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) stärker mit Mineralölen belastet als Erwachsene. foodwatch forderte von Alnatura, das Produkt im Interesse des Gesundheitsschutzes öffentlich zurückzurufen.

foodwatch testete zwei Produkte von Alnatura auf mögliche Mineralöl-Belastungen. Während „Alnatura Haferflocken zartschmelzend“ MOAH enthalten, konnten im „Alnatura Weizengrieß“ geringe Werte von gesättigten Mineralölen (MOSH) nachgewiesen werden. MOSH kommen häufiger und in größeren Mengen in Lebensmitteln vor, reichern sich in den Körperorganen an und können diese schädigen. Mineralöle können auf verschiedenen Wegen in Lebensmittel gelangen. Eine häufige Quelle sind Verpackungen aus Altpapier, die Mineralöle aus Druckfarben enthalten. Doch auch aus den Pappkartons, die für Lagerung und Transport verwendet werden, können Mineralöle durch die Produktverpackung hindurch auf die Lebensmittel übergehen.

Die foodwatch-Testergebnisse deuten zwar darauf hin, dass Alnatura bei den belasteten Haferflocken eine Verpackung aus Frischfasern statt Altpapier verwendet. foodwatch kritisierte solche Verpackungen jedoch als unzureichend, um das Problem zu lösen: „Nur eine wirksame Barriereschicht zwischen Verpackung und Lebensmittel kann den Übergang von Mineralölen in Lebensmittel sicher verhindern. Alnatura setzt die Verbraucherinnen und Verbraucher einem unnötigen Gesundheitsrisiko aus“, sagte Johannes Heeg. Es gebe bereits geeignete Materialien, etwa Innenbeutel oder Beschichtungen, die Kartonverpackung und Produkt so voneinander trennen, dass sowohl Mineralöle als auch hunderte weitere, zum Teil gesundheitsgefährdende Chemikalien nicht auf die Lebensmittel übergehen können.

foodwatch fordert, dass funktionelle Barrieren für alle Lebensmittelverpackungen aus Papier vorgeschrieben werden. Außerdem müsse es spezifische Grenzwerte für Mineralöle in Lebensmitteln selber geben: MOAH sollten aufgrund ihrer möglichen erbgutverändernden und krebserregenden Wirkung gar nicht in Lebensmitteln nachweisbar sein, für MOSH sollten strikte Höchstwerte festgesetzt werden. Bis es zu einer europäischen Regelung kommt, sei die Bundesregierung in der Pflicht, ein nationales Gesetz zu beschließen.

Bereits im Oktober 2015 hatte foodwatch in 52 von 120 Produkten aus Deutschland, Frankreich und den Niederlanden krebsverdächtige Mineralöle nachgewiesen. Kurz vor Ostern dieses Jahres fand foodwatch in 8 von 20 untersuchten Schokohasen aromatische Mineralöle. Da sich bei krebserregenden Substanzen keine gesundheitlich unbedenkliche Aufnahmemenge definieren lässt, bewertet die EFSA die Aufnahme von MOAH durch die Nahrung generell als potenziell krebsauslösend und erbgutverändernd. Auch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) empfiehlt schon seit 2012, dass kein nachweisbarer Übergang von MOAH auf Lebensmittel stattfinden sollte.