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Belohnung fürs Gehirn

Fett- und kohlenhydratreiches Essen aktiviert Hirnareale besonders stark

SahnetortePommes, Sahnetorte, Chips und Schokoriegel machen dick und sind ungesund. Aber dennoch können wir die Finger davon nicht lassen. Wissenschaftler des Max-Planck-Institutes für Stoffwechselforschung in Köln haben nun eine Erklärung dafür geliefert: Nahrungsmittel, die sowohl reich an Fetten als auch Kohlenhydraten sind, haben einen besonders starken Einfluss auf das Belohnungssystem in unserem Gehirn.

Sowohl fettiges als auch kohlenhydratreiches Essen aktiviert jeweils das Belohnungssystem im Gehirn, wenn auch über unterschiedliche Signalwege. Kommen Kohlenhydrate und Fette im Essen zusammen, wird dieser Effekt noch verstärkt. In der Natur gibt es keine Nahrungsmittel, die einen hohen Anteil von Fetten und Kohlenhydraten in sich vereinen: Entweder sind sie wie bei Nüssen reich an Fetten, oder wie bei Kartoffeln oder Getreide reich an Kohlenhydraten.

Eine Ausnahme ist Muttermilch. „Alle Säugetiere kennen Muttermilch“ sagt Forschungsgruppenleiter Marc Tittgemeyer vom Max-Planck-Institut für Stoffwechselforschung, der die Studie in Kooperation mit Forschern der Yale Universität in Connecticut durchgeführt hat. „Wahrscheinlich werden wir durch Muttermilch darauf geprägt, besonders intensiv auf Nahrung reich an Kohlenhydraten und Fetten zu reagieren und dieses als besonders belohnend wahrzunehmen, weil dies überlebenswichtig ist.“

Spiel um Essen

Die Wissenschaftler wollten wissen, ob Menschen aus unterschiedlichen Kalorienquellen bestehende Nahrung mehr oder weniger stark bevorzugen. Um diese Frage zu beantworten, spielten 40 Freiwillige gegen einen Computer um Essen. Angeboten wurden fett- oder kohlenhydratreiche Nahrungsmittel sowie Essen, dass fettig und kohlenhydratreich zugleich ist. Um ein Lebensmittel zu erspielen, mussten die Probanden den Computer überbieten. Hierbei wurde die Bereitschaft zum Bezahlen untersucht. Für das fett- und kohlenhydratreiche Essen wurde das meiste Geld geboten. Für die Studienteilnehmer war es also offenbar am attraktivsten.

Während des Spielens zeichneten die Forscher die Gehirnaktivität der Probanden in einem Magnetresonanztomografen auf. Die Messungen ergaben, dass eine Kombination aus Fetten und Kohlenhydraten die Gehirnareale des Belohnungssystems intensiver aktiviert als die anderen angebotenen Lebensmittel. Dieser Befund stimmt mit den Ergebnissen des Spiels überein.

Belohnung ist stärker als Sättigungsgefühl

Ein Belohnungsreiz, der in der Evolution zum Überleben der Menschheit beigetragen hat, wird uns in der heutigen Welt des Überflusses zum Verhängnis. „Wir sind nicht dazu gemacht, ständig Nein zu sagen. Deshalb hören wir meistens nicht auf zu essen, obwohl wir satt sind“, betont Tittgemeyer. Offenbar überlagern die Belohnungssignale das Sättigungsgefühl – Übersättigung und Übergewicht sind die Konsequenzen.

Hinzu kommt, dass wir ausgerechnet die Nährwerte fett- und kohlenhydratreiches Essens kaum einschätzen können: Baten die Forscher die Teilnehmer der Studie, den Kaloriengehalt der dargebotenen Lebensmittel zu schätzen, gelang ihnen das bei den fett- oder kohlenhydratreichen Essen relativ genau. Bei fett- und kohlenhydratreichem Essen lagen sie dagegen oft daneben. Dabei liefert Essen, das gleichzeitig reich an Fetten und Kohlenhydraten ist, nicht automatisch mehr Kalorien.

Die Erkenntnisse könnten für die Behandlung von Menschen mit Übergewicht eine wichtige Rolle spielen. Vor allem wenn aus Essen ein Suchtfaktor wird, ist die Behandlung des Konsumverhaltens von großer Bedeutung und ein grundlegender Schritt aus der Sucht.

Persönlichkeitsmerkmale bestimmen den Umgang mit Lebensmittelallergien

Ein großes Problem stellen die hilflosen Helfer und die Ignoranten des Probelms dar

Menschen mit Lebensmittelallergien und Lebensmittelunverträglichkeiten werden häufig als Spinner abgetan. Viele Restaurants sind nicht bereit, auf die Probleme dieser Menschen einzugehen. Darunter befinden sich auch namhafte Köche, die man aus diversen Kochshows kennt. Es ist ein Mehraufwand für die Köche, wenn Allergiker im Restaurant ein besonderes Essen bestellen. Es gibt sogar Köche, die nicht wissen wollen, dass Butter ein Kuhmilchprodukt ist. Oder keine Ahnung davon haben, welche Zutaten sich in ihrem Brot genau befinden. Vor allem in vorgefertigten Lebensmitteln, wie z. B. Fertigsoßen, sind Stoffe enthalten, die die Köche selbst nicht kennen oder kennen wollen.

Als Allergiker muss man sich mitunter ganz schönen Schwachsinn anhören. Und das sogar in sogenannten Nobelrestaurants. Immer wieder erstaunlich ist es, dass bei Veranstaltungen so wenig Rücksicht auf Allergiker genommen wird. In Baden-Württemberg gibt es sehr oft eine Butterbrezel. Auf die Idee, Brezeln auch ohne Butter anzubieten, kommen weder Caterer noch Veranstalter. Ich weiß, wovon ich rede bzw. schreibe, da ich selbst Bertroffene bin. Dabei ist es so einfach. Obst und NüsseVerschiedene Obstsorten aus kontrolliertem Bioanbau sind eine gute Lösung. Aber bitte nicht Kiwis und ähnliches Obst, das man erst noch mit einem Messer schälen muss.

Ich habe immer einen „Notfallriegel“ dabei. So bleibe ich locker und unabhängig. Ich kann zwar nicht alles essen, aber dafür habe ich keine Figurprobleme.

Australisch-Neuseeländischer Hochschulverbund / Institut Ranke-Heinemann informiert

Wissenschaftler der University of Otago in Neuseeland haben neue Erkenntnisse im Bereich der Lebensmittelallergien erlangt, die Betroffenen helfen können, ihre Lebensqualität signifikant zu verbessern. Die Forscher konnten belegen, dass bestimmte Persönlichkeitsmerkmale den Umgang mit den alltäglichen Problemen einer Lebensmittelallergie beeinflussen.

Das interdisziplinäre Wissenschaftsteam des Department of Psychology (Dr Tamlin Conner) und des Department of Food Science (Dr Rana Peniamina, Dr Miranda Mirosa und Professor Phil Bremer) wollte herausfinden, wie Erwachsene mit Lebensmittelallergien die damit verbundenen Herausforderungen im Alltag bewältigen und ob bestimmte Persönlichkeitsmerkmale diese Herausforderungen verstärken. „Diese Studie untersucht, ob individuelle Unterschiede in der Ausprägung der Top 5 Persönlichkeitsmerkmale (Neurotizismus, Extravertiertheit, Offenheit, Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit) einen Einfluss auf den Umgang mit in Lebensmittelallergien begründeten Alltagsproblemen hat“, so die leitende Autorin Dr Tamlin Conner.

An der 14-tägigen Studie nahmen insgesamt 108 Erwachsene teil, die an einer diagnostizierten Lebensmittelallergie leiden. Sie füllten täglich eine Online Befragung aus, die 25 tägliche Lebensmittelproblematiken, das Stresslevel und die Stimmung abfragte. Laut Dr Conner konnten die Ergebnisse die Hypothesen des Wissenschaftsteams nicht bestätigen.

„Wir waren überrascht, dass Neurotizismus nicht zu steigenden Problemen mit der Allergie führte oder zu schlechterer Stimmung an Tagen mit mehr Allergieproblemen. Im Gegenteil: das Persönlichkeitsmerkmal Offenheit führte zu vermehrten Problemen – beispielsweise zu Hungergefühl, da möglicherweise nicht genug „sicheres“ Essen zur Verfügung steht oder dass nicht ausreichend angemessene Lebensmittel beim Einkauf gefunden werden können. Desweiteren entstanden Ängste bei gemeinschaftlichen Ereignissen, die Nahrungsmittel beinhalten oder weil man sich ausgeschlossen und fehlverstanden fühlt.“

„Es scheint, dass die Anforderungen an den Umgang mit Lebensmittelallergien (Routine, Vorsicht und Konsum der bekannten Lebensmittel) in direktem Konflikt mit einer offenen Persönlichkeit stehen. Dem liegt zugrunde, dass offene Persönlichkeiten nach Erkundung, Vielfalt und neuen Erfahrungen streben“, so Dr Conner. Sie hofft, dass die Erkenntnisse Menschen helfen werden zu verstehen, wie sich die Persönlichkeit auf den Umgang mit den Lebensmittelallergien auswirkt.

„“Offene“ Menschen könnten beispielsweise ihr Verlangen nach Vielfalt im Bereich von Musik oder Film ausleben, anstatt bei Lebensmitteln. Sie könnten ausserdem Reserve-Lebensmittel parat haben für den Fall, dass sie spontan das Verlangen danach haben. Unsere Erkenntnisse können ausserdem auch Eltern dabei helfen, das Verhalten ihrer Kinder, die unter Lebensmittelallergien leiden, zu verstehen. „Offene“ Kinder könnten beispielsweise das erhöhte Verlangen nach neuen Lebensmitteln haben, die für sie aber riskant sein könnten. Mit diesem Wissen können die Eltern versuchen, diese Herausforderungen zu mildern und die Häufigkeit zu reduzieren.“

Die Organisation Allergy New Zealand sagt, dass Lebensmittelallergien eine signifikante Last für viele Menschen darstellt und begrüßt die Studie der Wissenschaftler rund um Dr Conner. „Die Studie rückt die Komplexität, mit denen sich Erwachsene mit Lebensmittelallergien konfrontiert sehen, nicht nur in den neuseeländischen sondern auch in den individuellen Fokus. Es geht darum, Menschen dabei zu unterstützen ihre Persönlichkeitsmerkmale und deren Auswirkungen besser zu verstehen und den Umgang mit den Lebensmittelallergien zu optimieren. Langfristig kann somit die Lebensqualität der Betroffenen verbessert werden“, so Mark Dixon, der Geschäftsführer von Allergy New Zealand.

Die Studie wurde im Medical Journal Frontiers in Psychology veröffentlicht.

https://www.ranke-heinemann.de

Medizin trifft Technologie

Die Therapien von morgen beginnen heute“

Medizin trifft TechnologiePublikumsveranstaltung mit acht Kurzvorträgen zu Zukunftstrends aus dem Schnittfeld von Medizin und Technologie / Experten von Universitätsklinikum Freiburg, Universitäts-Herzzentrum Freiburg · Bad Krozingen und Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

Wie sieht die Medizin von morgen aus? Und was ist dank technologischer Fortschritte schon heute möglich? Acht Referentinnen und Referenten des Universitätsklinikums Freiburg, des Universitäts-Herzzentrums Freiburg · Bad Krozingen und der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg geben am Samstag, 7. Oktober 2017, ab 15.30 Uhr, vor interessiertem Publikum Einblicke in ihre Forschung und in die Entwicklung neuer Behandlungsansätze. In jeweils zehnminütigen Vorträgen werden die Experten unter anderem darüber berichten, wie die Krebsdiagnostik der Zukunft aussehen könnte, wie sich mit elektrischen Impulsen im Gehirn Krankheiten behandeln lassen und wie Menschen eines Tages gesund zu Mond und Mars gelangen könnten. Durch das Programm führt die SWR-Moderatorin Kristin Haub. Die rund zweistündige Veranstaltung findet in der Lutherkirche, Friedrich-Ebert-Platz in Freiburg, statt. Der Eintritt ist frei. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.

Vortragsthemen und Referenten

Den Krebs im Blut aufspüren

Krebs ist nicht gleich Krebs. Je besser die Ärzte den Tumor kennen, desto besser kann er behandelt werden. Bisher mussten Ärzte dafür Gewebeproben nehmen. „Liquid Biopsy“ oder Flüssigbiopsie heißt ein neues Verfahren, mit dem Ärzte Krebszellen im Blut aufspüren und untersuchen können. So lässt sich im Idealfall die Therapie besser auf den Tumor abstimmen und überwachen, wie gut sie anschlägt.

Prof. Dr. Nikolas von Bubnoff ist Oberarzt an der Klinik für Innere Medizin I des Universitätsklinikums Freiburg. 2015 richtete er den ersten internationalen Kongress zu „Liquid Biopsy“ aus.

Gesund zu Mond und Mars

Was passiert mit unserem Körper in der Schwerelosigkeit? Warum schwinden bei Astronauten Muskeln und Knochen? Und wie lässt sich das verhindern? Vor langen Reisen ins All, etwa zum Mars, müssen solche Fragen geklärt sein. Dr. Ramona Ritzmann erforscht dies unter anderem in Parabelflügen, bei denen mehrfach für einige Sekunden Schwerelosigkeit herrscht. Mit ihrer Weltraum-assoziierten Forschung sucht sie auch nach Wegen, um alten Menschen oder Patienten nach langer Bettlägerigkeit zu helfen.

Dr. Ramona Ritzmann ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Sport und Sportwissenschaft der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Sie war in der Endauswahl zu Deutschlands erster Astronautin.

Fühlende Prothesen

Moderne Prothesen für Hände und Beine sind schon heute technisch ausgeklügelte Systeme. Doch künftig sollen Betroffene mit ihnen sogar fühlen und sie per Gedanken ansteuern können. Doch wie lassen sich Technik und Nervensystem verbinden, ohne dass eine Seite langfristig Schaden nimmt? Wie dies unter anderem mit ultradünnen Kunststoffen gelingen könnte, erforscht Paul Cvancara.

Paul Cvancara ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur für Biomedizinische Mikrotechnik (Leiter: Prof. Dr. Thomas Stieglitz) der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg.

Genchirurgie – Präziser Eingriff ins Erbgut

Kranke Gene schnell und präzise ersetzen: Am Institut für Transfusionsmedizin und Gentherapie arbeiten Forscher intensiv daran, mit Hilfe von Genscheren zukünftig Krebs, Erbkrankheiten oder HIV heilen zu können. Wie funktionieren Genscheren? Welche Möglichkeiten bieten derartige Therapien schon heute und wie wird sich die Medizin durch sie in den nächsten zehn Jahren verändern?

Prof. Dr. Toni Cathomen ist seit 2012 Leiter des Instituts für Transfusionsmedizin und Gentherapie des Universitätsklinikums Freiburg.

Mit der Datenbrille in den OP der Zukunft

Vom Beginn der Endoskopie vor 200 Jahren bis zur robotischen Chirurgie: die Fortschritte in der modernen Chirurgie sind untrennbar mit dem technischen Fortschritt verbunden. Auch die Technologie der „Augmented reality“ (AR) oder ‚Erweiterten Realität‘, bietet für Chirurgen großes Potenzial. Damit ließen sich zum Beispiel Magnetresonanzbilder direkt in die Datenbrille des Operateurs einspielen, so dass ein noch präziserer Eingriff möglich wird. Derartige Verfahren sollen die Patientenversorgung im Operationssaal der Zukunft deutlich verbessern.

Dr. Dominik Schöb ist Forschungsgruppenleiter in der Sektion für Urotechnologie (Leitung: Prof. Dr. Dr. Arkadiusz Miernik) an der Klinik für Urologie des Universitätsklinikums Freiburg.

Impulse fürs Gehirn

Sie wird schon lange bei Parkinson angewendet und ist auch bei schwerster Depression sehr erfolgreich: die Tiefe Hirnstimulation. Dabei wird mit feinsten Elektroden ein präzise festgelegter Bereich im Gehirn stimuliert. Bislang ging man davon aus, dass einzelne Zentren im Gehirn aktiviert werden müssen. Doch neueste nicht-invasive Bildgebungsmethoden zeigen, dass große, über das Gehirn ausgebreitete Netzwerke für die Entstehung derartiger Krankheiten verantwortlich sind. Dieses Wissen könnte noch wirksamere Therapien für Krankheiten des Gehirns ermöglichen.

Prof. Dr. Volker A. Coenen ist Leiter der Abteilung Stereotaktische und Funktionelle Neurochirurgie der Klinik für Neurochirurgie am Universitätsklinikum Freiburg.

Mit CARL zurück ins Leben

Die Chance, einen Herz-Kreislaufstillstand zu überleben, liegt selbst im Krankenhaus nur bei 20 Prozent. Denn der Körper wird gleich doppelt geschädigt: zunächst durch den Sauerstoffmangel. Doch auch der Sauerstoff selbst ist gefährlich. Kehrt er nach erfolgreicher Reanimation ins Körpergewebe zurück, entstehen hochgiftige Stoffe, die oft zum Tod des Patienten oder zu einer schweren Hirnschädigung führen. Mit dem neuartigen Verfahren „CARL“ haben Freiburger Ärzte und Ingenieuren einen Weg gefunden, diese Schäden zu vermeiden.

Prof. Dr.-Ing. Christoph Benk ist leitender Kardiotechniker an der Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie des Universitäts-Herzzentrum Freiburg ∙ Bad Krozingen.

Ersatzgewebe aus dem Labor

Prof. Dr. Bernd Rolauffs ist Professor für Gewebeersatzforschung an der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie des Universitätsklinikums Freiburg

Die Zukunft der Altersmedizin

Auf die Altersmedizin rollt ein Tsunami zu: Geriater werden die Superspezialisten der P4-Medizin sein

Prof. John MorleyAuf die Altersmedizin rollt ein Tsunami zu: Eine begrenzte Anzahl von Geriatern muss in Zukunft immer mehr ältere Patienten mit ihren spezifischen Bedürfnissen adäquat versorgen. Wie soll das funktionieren? Was muss sich ändern? Wie sieht die Altersmedizin der Zukunft aus? Auf Einladung der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG) hat sich Professor John Morley von der Saint Louis University in den USA – einer der berühmtesten lebenden Geriater – mit dieser Frage nach den Herausforderungen der Zukunft intensiv auseinander gesetzt.
Große Bedeutung kommt Professor Morleys Meinung nach eine dieser demographischen Veränderung angemessene Ausstattung der Krankenhäuser zu: „Alle stationären Einrichtungen sollten eine Akutpflege für ältere Menschen, eine Delir-Intensivstation, eine geriatrische Notfallabteilung und eine geronto-unfallchirurgische Einheit besitzen.“ Ebenso müssen Instrumente implementiert werden, mit denen die wichtigsten geriatrischen Syndrome Gebrechlichkeit (Frailty), Muskelabbau (Sarkopenie), Mangelernährung (Anorexie) und Gedächtnisverlust (kognitiver Abbau) frühzeitig erkannt und konsequent behandelt werden können. „Und vieles davon wird computergestützt durchgeführt werden.“

Im September kommt Morley nach Deutschland. Während des Jahreskongresses der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie wird er seine Forschungsergebnisse und Denkanstöße persönlich vorstellen. Seine Keynote-Lecture: „The future of Geriatric Medicine” wird bereits jetzt in Fachkreisen mit Spannung erwartet.

Telemedizin, Exoskelette & Co: Neue Technologien spielen eine wichtige Rolle

Moderne Technologie spielt für Morley eine große Rolle und in Zukunft eine noch größere. Sie helfen, Kapazitäten in den Krankenhäusern freizuhalten. So könnten in Zukunft Patienten mit weniger schweren akuten Beschwerden laut Morley durch telemedizinische Programme adäquat zuhause versorgt werden. Auch Rehabilitation könnte so funktionieren: „Moderne Technologien wie Exoskelette und computergesteuerte Physiotherapie werden eingesetzt, um die Patientenergebnisse zu verbessern“, ist sich Professor Morley sicher. Die „Geronto-Technologie“ wird eine bedeutende Rolle in der zukünftigen Altersmedizin spielen und so besonders für Geriater an Bedeutung gewinnen.

Durch immer mehr Technik das Leben verlängern

Wir werden uns leider daran gewöhnen müssen, dass in der Medizin und Pflege in Zukunft immer mehr Technik zum Einsatz kommt, weil das erforderliche Personal fehlen wird. Nicht alles, was medizinisch machbar ist, sollte auch angewandt werden. Um jeden Preis am Leben bleiben, das wollen nicht alle alten Menschen. Wer garantiert uns ein selbstbestimmtes Leben, wenn wir alt und gebrechlich sind?

Geriater werden Superspezialisten der vorausschauenden Medizin sein

Bereits auf molekularbiologischer Ebene könnte in Zukunft eine Menge getan werden, um altersbedingte Probleme präventiv zu bekämpfen – mit Stammzellen, Genanalysen und Genetic Engineering. Damit bekommen Geriater eine besondere Stellung innerhalb der sogenannten P4-Medizin – einem patientenorientierten vorausschauenden Ansatz, der die vier Prinzipien Prädiktion, Prävention, Personalisierung und Partizipation in den Vordergrund stellt. „Geriater werden in der Tat die Superspezialisten der zukünftigen P4-Medizin sein“, so John Morley. Um diese Art der Medizin in der Geriatrie umzusetzen, bedarf es vor allem einer stärkeren interdisziplinären Zusammenarbeit entlang der kompletten Versorgungskette.

Dringend notwendig: Enge Zusammenarbeit, einheitliche Standards und mehr Altersmediziner!

Überhaupt ist die enge Zusammenarbeit in interdisziplinären Teams unabdingbar, um dem Alters-Tsunami Herr zu werden – zum Beispiel bei der Entwicklung von Programmen, die die eigene Stärke (Resilienz) älterer Patienten und deren kognitive Fähigkeiten trainieren. „Wir brauchen Standards, um eine hohe Qualität für diese geriatrischen Programme in den Krankenhäusern zu gewährleisten“, fordert Morley. Auch für das Image und die Wahrnehmung der Altersmedizin in der Öffentlichkeit ist noch Einiges zu tun: „Wir brauchen mehr Geriater, um präsenter zu sein. Und dafür brauchen wir ein größeres Bewusstsein für den Bedarf an Spezialisten für den Alten Menschen: den Geriatern.“

Zur Person:

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John E. Morley ist Professor of Gerontology und Direktor der Division of Geriatric Medicine an der Saint Louis University Medical School in Missouri/USA. International bekannt ist er als Forscher, Kliniker und Ausbilder. Neben umfangreichen wissenschaftlichen Errungenschaften hat Morley klinische Ausbildungsprogramme sowohl in der Endokrinologie als auch in der Geriatrie geleitet. Er ist Herausgeber der renommierten Fachzeitschrift Journal of the American Medical Director`s Association (JAMDA) und hat zahlreiche Auszeichnungen für seine Forschungs- und Ausbildungskompetenz erhalten, etwa 2004 den Gerontological Society of America´s Freeman Award und 2011 den AMDA Pattee Award for Educational Excellence.

„Leben – eine Kostenfrage?!“

Großer Erfolg der MEZIS-Fachtagung „Leben – eine Kostenfrage?!“

mezisMEZIS beschließt „Manifest für bezahlbare Medikamente und eine bedarfsgerechte Arzneimittelforschung“

Anfang Dezember fand in Berlin die MEZIS-Fachtagung „Leben – eine Kostenfrage ?!“ statt. Rund 50 ÄrztInnen, GesundheitswissenschaftlerInnen und VertreterInnen der Zivilgesellschaft kamen zusammen, um die Auswirkung kontinuierlich steigender Arzneimittelpreise zu diskutieren.

In World-Café-Arbeitsgruppen beleuchteten die TeilnehmerInnen die Ursachen der Hochpreispolitik in der Arzneimittelindustrie und diskutierten Lösungsstrategien. Mit der Verabschiedung des „Manifests für bezahlbare Medikamente und eine bedarfsgerechte Arzneimittelforschung“ ging die zweitägige Fachtagung erfolgreich zu Ende.

War der Zugang zu Arzneimitteln bislang vor allem für Kranke im globalen Süden ein Problem, gefährdet die Preispolitik der Pharmaindustrie zunehmend die Versorgung von Patienten mit lebensnotwendigen Medikamenten auch in reichen Ländern. Dies ist sowohl bei Infektionskrankheiten wie Hepatitis C als auch bei nicht übertragbaren Krankheiten der Fall. „Die Behandlung einer Hepatitis C Infektion mit dem Medikament Sofosbovir der Firma Gilead kostet in Deutschland über 43.500 Euro. In armen Ländern sind diese Preise selbst bei großzügigen Preisnachlässen meist ein Todesurteil“, erklärt Dieter Lehmkuhl von MEZIS die dramatische Situation.

Um dieser Hochpreispolitik entgegenzutreten, haben die MEZIS-Experten im Rahmen der Fachtagung ein Manifest erarbeitet, in dem sie die Politik zum Handeln auffordern. Im Interesse von PatientInnen, Krankenversicherungen und SteuerzahlerInnen appellieren sie an Politikerinnen und Politiker für die Daseinsvorsorge mit Arzneimitteln zu fairen Preisen einzutreten. Sie fordern insbesondere:

 1.    Mehr Wettbewerb im stark von Patenten und anderen Monopolen geprägten Arzneimittelmarkt

2.    Transparente Preisgestaltung und Bündelung der Verhandlungsmacht

3.    Volle Transparenz der Kosten für Forschung und Entwicklung sowie der Ergebnisse klinischer Studien

4.    Investitionen in Forschung und Entwicklung, um Medikamentenpreise unabhängig vom Marktprofit zu gestalten

Um den Wettbewerb im stark von Patenten und Monopolen geprägten Arzneimittelmarkt zu verstärken, fordert MEZIS unter anderem einen frühen Marktzugang für Generika, eine stärkere Orientierung der Preise und Erstattungsfähigkeit am Nutzen eines Medikaments sowie die bedarfsweise Anwendung von Zwangslizensen im Interesse öffentlicher Gesundheit.

„Es bedarf dringend einer Reform des derzeitigen Systems der Forschung und Entwicklung sowie der Bereitstellung von Medikamenten. Nur dann können wir künftig die Versorgung mit notwendigen Arzneimitteln zu bezahlbaren Preisen gewährleisten“, erklärt Dr. Christiane Fischer, Ärztliche Geschäftsführerin MEZIS. „Aus diesem Grund brauchen wir eine Arzneimittelpolitik, die sich am Patientenbedarf und an nachhaltigen Preisen orientiert und nicht am maximalen Profit der Pharmaindustrie“, ergänzt Peter Tinnemann, Wissenschaftler an der Charité-Universitätsmedizin Berlin.

 Den gesamten Inhalt des Manifests finden Sie unter

www.mezis.de/manifest-fuer-bezahlbare-medikamente-und-eine-bedarfsgerechte-arzneimittelforschung

Seelische Belastungen von Geflüchteten früh erkennen

BMBF fördert Forschung zur psychischen Gesundheit von Flüchtlingen – Seelische Belastungen von Geflüchteten sollen früh erkannt werden

Wanka: „Entstehung folgenschwerer Erkrankungen verhindern“

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert neue Forschungsverbünde zur psychischen Gesundheit geflüchteter Menschen. Viele Flüchtlinge haben Krieg und Gewalt bis hin zu Folter erlebt. Diese traumatischen Erfahrungen hinterlassen tiefe Spuren und erhöhen das Risiko, psychisch zu erkranken. Zusätzlich müssen sich die neu Zugewanderten in einer für sie fremden Kultur zurechtfinden.

„Damit Schutz suchende Menschen die Kraft finden, sich gut in unserem Land zu integrieren, müssen mögliche psychische Störungen und Belastungen früh erkannt werden. Das Ziel ist, die Entstehung folgenschwerer Erkrankungen wie Depressionen oder posttraumatischer Belastungsstörungen möglichst zu verhindern“, sagte Bundesforschungsministerin Johanna Wanka. Das Bundesforschungsministerium bringt deshalb Forschungsverbünde auf den Weg, die kultursensible Präventions- und Versorgungsansätze entwickeln werden, und stellt dafür für einen Zeitraum von fünf Jahren 20 Millionen Euro bereit.

Die Behandlung psychischer Erkrankungen ist oft komplex. Bei Menschen aus einem anderen Kulturkreis müssen Mediziner und Therapeuten auf die jeweilige Sprache und zusätzlich die Besonderheiten der kulturellen Herkunft eingehen, damit die Behandlung erfolgreich sein kann. Forschung ist hier dringend notwendig: Es fehlen wissenschaftlich abgesicherte Therapiekonzepte, in denen die besonderen Umstände von Flüchtlingen berücksichtigt werden. Der Versorgungsbedarf und auch die Anzahl der geflüchteten Menschen ist nicht mit früheren Fluchtbewegungen vergleichbar. Zudem soll geprüft werden, ob internationale Forschungsergebnisse auf die besondere Situation in Deutschland übertragen werden können.

Die vom BMBF unterstützten Forschungsverbünde sollen untersuchen, welche spezifischen Angebote nötig sind, um die Versorgung von geflüchteten Menschen mit psychischen Erkrankungen möglichst schnell zu verbessern. Dieses Ziel kann nur durch eine enge Zusammenarbeit unterschiedlicher Disziplinen aus Forschung und Versorgung erreicht werden, so zum Beispiel der Medizin, Psychologie, sowie der Sozial-, Kultur- und Geisteswissenschaften. Damit die Forschungsergebnisse zügig in der Versorgung der Patientinnen und Patienten ankommen, sollen neben den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern auch strukturell relevante Partner an den Forschungsarbeiten mitwirken. Dies können beispielsweise Erstaufnahmeeinrichtungen, Notfallambulanzen oder Krankenkassen sein.

Teure Fehlanreize in der Medizin streichen

Aktionsbündnis Patientensicherheit fordert:

Teure Fehlanreize in der Medizin streichen

Berlin – Diagnostik und Therapie in der Medizin werden immer komplexer und damit kostenaufwändiger. Gleichzeitig zwingt ökonomischer Druck Kliniken zum sparen. Krankenhausstationen sind deshalb oft nicht ausreichend mit Pflegekräften und Ärzten besetzt – gleichzeitig aber stark beansprucht. Überlastung kann zu Behandlungsfehlern führen. Wie sich wirtschaftliche Zwänge und Patientensicherheit im Klinikalltag vereinbaren lassen, diskutieren Akteure des Gesundheitswesens auf einer Pressekonferenz des Aktionsbündnisses Patientensicherheit (APS) in Anwesenheit der Hamburger Senatorin für Gesundheits- und Verbraucherschutz, Cornelia Prüfer-Storcks, am 3. April 2014 in Hamburg.

Stürze, Druckgeschwüre durch Wundliegen, Infektionen bis hin zu Sepsis, Diagnose- oder Befunderhebungsfehler sind Beispiele für unerwünschte Ereignisse im Krankenhaus, wie sie täglich vorkommen. „Kliniken sind Hochrisikoeinrichtungen“, sagt Hedwig François-Kettner, Vorsitzende des APS. „Um die Risiken beherrschbar zu machen, bedarf es der Zusammenarbeit aller Akteure über die einzelnen Abteilungen und Sektoren hinaus.“ Doch hier seien viele Potentiale noch nicht gehoben: „Gerade beim Zusammenspiel aller Kräfte rund um den Patienten liegt noch viel Potential zur Prozessoptimierung brach“, so die ehemalige Pflegedirektorin der Charité-Universitätsmedizin Berlin.

Mit Handlungsanweisungen, den sogenannten Standard Operating Procedures (SOPs), könnten verbindlich gültige Ablaufpläne rund um den Umgang mit Patienten erarbeitet werden. Damit ließen sich nicht nur Einsparpotentiale nutzen, etwa durch vermeidbare Doppelarbeit, sondern auch bereits bekannte Fehlerquellen von vornherein systematisch ausschließen. „Zudem könnte man auf teure, aber unnötige Maßnahmen verzichten, die in erster Linie der Gewinnerzielung dienen“, so François-Kettner. Denn ein Teil der erbrachten Leistungen sei nicht notwendig. Doch SOPs lassen sich nicht nebenbei erarbeiten. Hierfür müssten wiederum die nötigen Ressourcen an Zeit und Personal bereitgestellt werden, fordert sie. Dieser Aufwand sei sehr gut investiert, indem er langfristig entlaste, anstatt die Arbeit zusätzlich zu verdichten.

Studien haben einen direkten Zusammenhang zwischen der Zahl der Pflegekräfte, ihrer Qualifikation und der Häufigkeit unerwünschter Ereignisse aufgezeigt. „Je weniger Pflegekräfte im Einsatz pro Patient sind, desto mehr Fehler passieren durch Überlastung“, erläutert Professor Dr. med. Hartmut Siebert, stellvertretender Vorsitzender des APS. „60 bis 70 Prozent der unerwünschten Ereignisse und Beinahefehler sind durch menschliches Versagen verursacht“, sagt er. Grund genug, die Zahl der Pflegekräfte aufzustocken. Dass dies aus Kostengründen derzeit nicht möglich sei, hält er für eine Folge der Fehlanreize des Abrechnungssystems über Fallpauschalen, den DRGs. „Das System prämiert Leistungen, die sich kurzfristig ökonomisch lohnen, wie Hüft- oder Knie-OPs.“ Langfristige Investitionen, etwa für mehr Patientensicherheit seien darin nicht enthalten, kritisiert der Vertreter des APS.

Doch jedes unerwünschte Ereignis führt nicht nur zu menschlichem Leid, sondern durch Zweiteingriffe oder Nachbehandlungen auch zu erhöhten Kosten für das Gesundheitssystem. Wir wissen, so Professor Siebert, dass sich Investitionen in mehr Personal für eine Klinik nach mehreren Jahren auch auszahlen. „Deshalb brauchen wir eine Änderung des DRG-Systems von der Leistungs- zu mehr qualitätsorientierter Vergütung.“ Und das bedeutet: mehr Patientensicherheit.