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Neues von der Alzheimerforschung

 

Per Erbgut-Schalter Alzheimer aufhalten

Forscher des Universitätsklinikums Freiburg finden Mechanismus, mit dem im Mausmodell Alzheimer-typische Veränderungen reduziert werden konnten / Dafür klären sie die epigenetische Steuerung von Immunzellen des Gehirns / Studie im Fachmagazin Immunity

Durch das gezielte Ausschalten zweier Gene lässt sich das Fortschreiten der Alzheimer-Krankheit aufhalten und die kognitive Leistung verbessern. Das haben jetzt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Universitätsklinikums Freiburg bei Mäusen gezeigt, die Alzheimer-ähnliche Veränderungen des Gehirns aufwiesen. Die Forscher veränderten das Erbgut von Immun-Fresszellen im Gehirn, den sogenannten Mikrogliazellen. Dadurch veränderten sich die Fresszellen funktionell und entfernten mehr von den schädlichen Eiweißablagerungen, die bei Alzheimer zur Schädigung des Gehirns führen. Die beiden ausgeschalteten Gene gehören zur epigenetischen Steuerung und regulieren, welche Gene wann wie stark abgelesen werden. Bislang war über diese Steuerung bei Mikroglia wenig bekannt. Die Erkenntnisse der Freiburger Forscher könnten Grundlage für neue Therapien bei neurodegenerativen Erkrankungen werden. Die Studie erschien am 13. März 2018 in der Fachzeitschrift Immunity.

„Die behandelten Tiere mit Alzheimer-Symptomen erzielten deutlich verbesserte Lern- und Erinnerungsleistungen. Sie erreichten nahezu die Werte gesunder Tiere“, sagt Studienleiter Prof. Dr. Marco Prinz, Ärztlicher Direktor des Instituts für Neuropathologie am Universitätsklinikum Freiburg. „Durch das Ausschalten der Gene nahmen die Mikroglia-Fresszellen mehr Alzheimer-typische Ablagerungen im Gehirn auf, wodurch sich die Menge dieser Ablagerungen deutlich verringerte.“ Abgesehen von der erwünschten Erhöhung der Fressaktivität verhielten sich die Zellen normal.

Mikroglia räumen im Gehirn auf

Mikroglia sind gehirnspezifische Makrophagen oder Fresszellen. Sie räumen während der Reifung des Gehirns nicht funktionierende Zellen ab und schützen Nervenzellen vor Krankheitserregern. Es wird aber auch angenommen, dass Mikroglia eine entscheidende Rolle bei Krankheiten wie Alzheimer, Multiple Sklerose oder bestimmten psychiatrischen Erkrankungen wie Autismus und Schizophrenie spielen.  Dabei können unvollständig aktivierte Mikroglia ebenso wie übermäßig aktivierte Zellen zu einer Hirnschädigung beitragen.

Fresszellen fressen besser dank epigenetischer Veränderung

Für die Entwicklung und Regulation von Zellen spielen neben genetischen Informationen, welche in der DNA der Zelle kodiert sind, epigenetische Veränderungen eine entscheidende Rolle. Diese haben Einfluss darauf, welche DNA-Abschnitte wann und wie stark abgelesen werden. Das Team des Instituts für Neuropathologie am Universitätsklinikums Freiburg um Prof. Prinz, die Wissenschaftlerin Dr. Moumita Datta und den Neuropathologen Dr. Ori Staszewski schalteten jetzt zwei dieser epigenetischen Faktoren aus, so genannte Histondeacetylasen (Hdac1 und Hdac2). Dadurch wurden mehr Gene  abgelesen, die das Fressverhaltender Zellen lenken.  „Die Epigenetik ist von entscheidender Bedeutung für die Entwicklung und Funktion von Mikrogliazellen“, sagt Prof. Prinz.

Wie die Freiburger Forscher aber auch feststellten, wird die Reifung der Mikroglia gehemmt, wenn die Gene bereits während der Gehirnreifung fehlen. „Ohne die Funktion dieser epigenetischen Faktoren nimmt die Zahl der Mikroglia während der Hirnentwicklung ab und die Zellen reifen nicht normal aus“, sagt Dr. Staszewski.

Die Arbeit ist Teil des Sonderforschungsbereichs  „Medizinische Epigenetik (MedEp)“ (SFB 992). Ziel dieser Forschungsinitiative ist es, grundlegende Mechanismen epigenetischer Regulation zu untersuchen und die gewonnenen Erkenntnisse in klinische Anwendungen zu übertragen.

Bildunterschrift: Fresszellen des Gehirns (Mikroglia – in rot) interagieren mit Ablagerungen (Amyloidplaques – in grün) im Rahmen der Alzheimer-Erkrankung und nehmen diese in sich auf.

Bildquelle: Universitätsklinikum Freiburg

Originaltitel der Studie: Histone Deacetylases 1 and 2 Regulate Microglia Function during Development, Homeostasis, and Neurodegeneration in a Context-Dependent Manner.

DOI: 10.1016/j.immuni.2018.02.016

Link zur Studie: http://www.cell.com/immunity/fulltext/S1074-7613(18)30075-X

Die Feldenkrais-Methode sorgt für mehr Beweglichkeit

„Wenn du weißt, was du tust, kannst du tun, was du willst“: die Feldenkrais-Methode

Es gibt viele Methoden und Konzepte, um etwas für Körper und Seele, kurz für das Wohlbefinden insgesamt zu tun. Eine landläufig weniger bekannte, von Kennern jedoch sehr geschätzte Art von Übungen, die helfen sollen, krank machende Bewegungs- und Verhaltensmuster aufzuspüren und zum Positiven zu verändern, ist die Feldenkrais-Methode. Diese von dem Physiker und Judolehrer Moshé Feldenkrais entwickelte und nach ihm benannte Therapie versteht sich eigentlich nicht als eine Behandlungsform, sondern mehr als eine Art Unterricht. Deshalb ist bei Feldenkrais auch nicht von Patienten die Rede, sondern von Schülern. Sie sollen sich ihrer eigenen Bewegungen bewusst werden und sie so zu verbessern lernen.

Doch der Feldenkrais-Ansatz greift noch weiter: Er will erreichen, dass die Schüler durch Veränderung der eigenen Wahrnehmung, also des Bildes, das sie sich im Laufe ihres Lebens von sich selbst gemacht haben, in die Lage versetzt werden, ihr Verhalten zu korrigieren und so neue Lösungen für Probleme in ihrem Leben zu finden. Dieses Konzept mag auf den ersten Blick recht esoterisch erscheinen, doch Feldenkrais wollte es so nicht verstanden wissen. Er sah in seiner Methode vielmehr eine pädagogische Bewegungstherapie, um Erkrankungen zu lindern bzw. vorzubeugen, die mit einer falschen Körperhaltung einhergehen. Dieser schädlichen Bewegungsmuster sollen sich die Feldenkrais-Schüler bewusst werden, sie durch „Umlernen“ gezielt verbessern und sich auf diese Weise neue körperliche Fähigkeiten erschließen. Allerdings meint Feldenkrais ein sehr umfassendes „Lernen“, ein „organisches Lernen“, wie er es nennt – so wie Kinder beim Entwickeln ihrer Bewegungsfähigkeiten lernen.

Es geht also um ein nicht-akademisches Lernen, bei dem Bewegung als Medium dient. Dabei sollen jedoch nicht nur schädliche Bewegungsmuster durch bessere ersetzt, sondern gleichzeitig auch geistige Fähigkeiten weiterentwickelt werden, etwa um die negativen Folgen von schlechten Angewohnheiten oder Zwängen zu erkennen, ihnen entgegenzuwirken und dabei zugleich die eigenen Grenzen zu erweitern.

Die Feldenkrais-Übungen zielen darauf ab, durch das Aufzeigen von Alternativen zu nachteiligen Bewegungs- (und Verhaltens-)mustern die Beweglichkeit von Körper und Geist gleichermaßen zu optimieren. Denn Feldenkrais geht davon aus, dass Bewegung Ausdruck einer gesamten Person ist und daher der geeignetste Ansatz für Verbesserungen: Sprich, wer seine Bewegungsdefizite erkennt und gezielt daran arbeitet, erlangt durch die Fähigkeit zur Selbstreflexion ebenfalls mehr Bewusstheit über sein Denken, Fühlen, Wahrnehmen und Handeln. Im Wesentlichen ist es die Anleitung zur Verbesserung der eigenen Wahrnehmungsfähigkeit, welche die Feldenkrais-Methode von anderen Körpertherapieformen, wie etwa Pilates oder Yoga, unterscheidet. Getreu dem Motto ihres „Erfinders“: „Wenn du weißt, was du tust, kannst du tun, was du willst!“

Konkret wird die Feldenkrais-Methode zur Behandlung von Haltungsschäden aller Art eingesetzt sowie von orthopädischen Defiziten, speziell von Rückenleiden. Die Übungen haben sich jedoch auch als Therapie bei Nervenleiden, bei chronischen Schmerzen sowie zum Stressabbau bewährt. Wobei erwähnt werden muss, dass es für die Wirksamkeit der Feldenkrais-Übungen bislang keinerlei wissenschaftliche Belege gibt. Doch aus Sicht seiner Schüler geben die positiven Erfahrungen mit der Methode dem „Therapeuten“ recht. Zudem fußt das Konzept auf den nachgewiesenen Erkenntnissen von Gehirnforschern zu der untrennbaren Verbindung zwischen Körper und Geist: Deshalb kann das Gehirn auch durch Bewegungsabläufe beeinflusst werden.

Die Feldenkrais-Bewegungsmuster können im Einzel- oder Gruppenunterricht erlernt und geübt werden. Die Übungen sind nicht anstrengend und daher von jedermann gut erlernbar.

 

Gehirnregion vermittelt Genuss am Essen

Nervenzellen der Amygdala verbinden Nahrungsaufnahme mit Belohnung

Nahrung dem Körper zuzuführen ist überlebenswichtig. Doch auch gesättigt kann es sich gut anfühlen etwas zu essen. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Neurobiologie in Martinsried und des Friedrich Miescher Instituts in Basel haben nun einen Nervenzelltyp im Mandelkern des Gehirns charakterisiert, der bei Mäusen die Nahrungsaufnahme mit positivem Empfinden verbindet. Hatten sie die Wahl, entschieden sich die Tiere diese Nervenzellen im Mandelkern des Gehirns zu aktivieren. Künstliche Aktivierung dieser Nervenzellen erhöhte die Nahrungsaufnahme der Tiere, auch wenn diese nicht hungrig waren. Die Neurobiologen zeigen die neuronale Verschaltung, die diesem Verhalten zu Grunde liegt, und eröffnen die Möglichkeit, dass es auch im menschlichen Gehirn Zellen mit ähnlicher Funktion gibt.

Nervenzellen vom Typ HTR2a in der Amygdala der Maus sind während des Essens aktiv (Ausschläge in den Aktivitätskurven), wodurch die Nahrungsaufnahme gefördert wird. Die Aktivitätskurven einzelner Nervenzellen sind in verschiedenen Farben dargestellt. © MPI für Neurobiologie / Douglass & Kucukdereli

Die Amygdala, oder Mandelkern, des Gehirns spielt eine entscheidende Rolle bei emotionalen Reaktionen, der Entscheidungsfindung und der Assoziation von Ereignissen zum Beispiel mit Angst oder Freude. Dass diese Hirnregion auch etwas mit Nahrungsaufnahme zu tun hat, ist erst seit wenigen Jahren bekannt. Wissenschaftler des California Institute of Technology zeigten, dass die Aktivierung bestimmter Nervenzellen der Amygdala (bekannt als PKC-delta Zellen) Mäuse dazu brachte, das Fressen einzustellen. „Wenn die Tiere zum Beispiel etwas Verdorbenes fressen, bringen diese Zellen sie dazu, das Fressen schnellst möglichst einzustellen“, erklärt Rüdiger Klein, Direktor am Max-Planck-Institut für Neurobiologie. „Diese Studie zu den ‚Magersuchtneuronen‘ der Amygdala hat mich fasziniert“, so Klein. „Als dann drei Doktoranden mit ganz unterschiedlichen methodischen Hintergründen zu mir kamen, habe ich ihnen das Amygdala Projekt ans Herz gelegt. Sie sollten herausfinden, ob es in der Amygdala auch Nervenzellen gibt, die die Nahrungsaufnahme positiv beeinflussen.“ Mit dieser Aufgabe konzentrierten sich die Wissenschaftler auf einen möglichen Kandidaten: Nervenzellen des Typs HTR2a.

Mit ihren Schwerpunkten in Verhaltensbiologie, Elektrophysiologie und Anatomie analysierten die drei Doktoranden die Funktion der HTR2a-Zellen aus verschiedenen Blickwinkeln. „Das war ein echtes Kooperationsprojekt“, berichtet Amelia Douglass, eine der drei Erstautoren der Studie. „Wir haben uns immer wieder zusammengesetzt, sind Ergebnisse durchgegangen und haben darauf aufbauend neue Methoden angewandt.“ So entdeckten die jungen Wissenschaftler nach und nach die Aufgaben und Verschaltung der bis dahin unerforschten HTR2a-Zellen. „Zusammengefasst haben wir gezeigt, dass die HTR2a-Zellen die Nahrungsaufnahme bei Mäusen positiv beeinflusst, und dass die Tiere es mögen, wenn diese Zellen aktiv sind“, so Amelia Douglass.

Die künstliche Aktivierung der HTR2a-Zellen des Mandelkerns hatte auch den Effekt, dass die Tiere länger fraßen – dieser Effekt war besonders ausgeprägt, wenn die Mäuse satt waren. In einem anderen Versuchsaufbau konnten die Mäuse die HTR2a-Zellen durch einen Lichtleiter selbst aktivieren, indem sie mit ihrer Schnauze einen Lichtschalter betätigten. „Es war ganz eindeutig, dass die Tiere aktive HTR2a-Zellen mochten, denn sie waren vom Lichtschalter kaum noch wegzubekommen“, so Hakan Kucukdereli, der zweite Erstautor. „Als wir spezifisch die HTR2a-Zellen ausschalteten oder am Feuern hinderten, fraßen die Mäuse immer noch regelmäßig und nahmen unterm Strich auch nicht an Gewicht ab aber sie schienen die Lust am Essen verloren zu haben.“ So fraßen die Tiere immer nur eine kurze Zeit, selbst wenn sie etwas besonders Leckeres bekamen oder hungrig waren.

Zusammen mit ihren Kollegen vom Friedrich Miescher Institut in Basel konnte das Team zeigen, dass die Aktivität der HTR2a-Zellen erst dann ansteigt, wenn die Tiere zu fressen beginnen, und nicht bereits wenn die Tiere signalisiert bekommen, dass die Futterausgabe unmittelbar bevorsteht. Die Ergebnisse lassen darauf schließen, dass die HTR2a-Zellen anhaltende Nahrungsaufnahme fördern, indem sie den Wert der Nahrung wie Geschmack und Appetitlichkeit positiv beeinflussen. Wie wichtig die HTR2a-Zellen für die positive Bewertung von Nahrungseigenschaften sind, zeigte auch ein weiterer Versuch: Allein durch das Aktivieren der HTR2a-Zellen konnten die Forscher die Tiere so konditionieren, dass sie einen zuvor wenig beliebten Geschmack bevorzugten.

HTR2a-Zellen scheinen also den „Wert“ der Nahrung zu erhöhen. In ihrer Netzwerkanalyse zeigten die Wissenschaftler, dass die HTR2a-Zellen über Synapsen mit den benachbarten PKC-Delta-Zellen verbunden sind und sich die beiden Zelltypen gegenseitig hemmen. Die Neurobiologen gehen davon aus, dass beide Zelltypen Teil eines Regelmechanismus sind. „Frisst ein Tier etwas Schlechtes, werden die PKC-Delta-Zellen aktiv, dadurch die HTR2a-Zellen gehemmt und die Nahrungsaufnahme eingestellt“, berichtet Marion Ponserre, die dritte Erstautorin. „Frisst das Tier dagegen etwas Leckeres, werden die HTR2a-Zellen aktiv, dadurch die PKC-Delta-Zellen gehemmt, und die Nahrungsaufnahme wird mit Belohnung gekoppelt.“ „Unsere Ergebnisse legen diese Zusammenhänge nahe, doch es gibt auch noch eine ganze Reihe ungeklärter Fragen“, so Rüdiger Klein. „Wir haben hier auf jeden Fall einen guten Ausgangspunkt um Verbindungen zwischen Nahrungsaufnahme, emotionalen Zuständen und dem Belohnungssystem zu untersuchen.“ Zudem vermuten die Forscher, dass Fehlfunktionen in diesen Amygdala-Schaltkreisen zu extremem Essverhalten führen könnte. „Es ist wahrscheinlich, dass es im menschlichen Gehirn ähnliche Zellen und Schaltkreise gibt, sodass dies vielleicht auch ein Forschungsansatz zur Hilfe für Menschen mit entsprechendem krankhaften Essverhalten sein könnte.“

Intelligente Algorithmen

Computer mit Köpfchen

Künstliche neuronale Netze entschlüsseln Hirnaktivität bei ausgeführten und vorgestellten Bewegungen

Um Hirnsignalen die richtige Bedeutung zuschreiben zu können, verarbeitet das künstliche neuronale Netz sie in mehreren Schichten (1). Eine Visualisierung des Effektes der Amplitude auf die Dekodierungsentscheidung des Netzes (rot: positiv, blau: negativ) zeigt den Forschenden, was der Algorithmus lernt (2).

Um Hirnsignalen die richtige Bedeutung zuschreiben zu können, verarbeitet das künstliche neuronale Netz sie in mehreren Schichten (1). Eine Visualisierung des Effektes der Amplitude auf die Dekodierungsentscheidung des Netzes (rot: positiv, blau: negativ) zeigt den Forschenden, was der Algorithmus lernt (2).

Beim Filtern von Informationen mit Suchmaschinen, als Gegner bei Brettspielen oder zur Erkennung von Bildinhalten: Bei bestimmten Aufgaben ist künstliche Intelligenz der menschlichen längst überlegen. Wie Ideen aus der Informatik auch die Hirnforschung revolutionieren könnten, zeigen nun mehrere Gruppen aus dem Freiburger Exzellenzcluster BrainLinks-BrainTools um den Neurowissenschaftler Privatdozent Dr. Tonio Ball. Im Fachjournal „Human Brain Mapping“ demonstrieren sie, wie ein selbstlernender Algorithmus menschliche Hirnsignale entschlüsselt, die von einem Elektroenzephalogramm (EEG) gemessen wurden. Darunter waren zum Beispiel ausgeführte, aber auch bloß vorgestellte Fuß- und Handbewegungen oder eine imaginäre Rotation von Gegenständen. Obwohl ihm keine Merkmale zur Auswertung vorgegeben sind, arbeitet der Algorithmus so schnell und präzise wie herkömmliche Systeme, die für die Lösung bestimmter Aufgaben anhand vorher bekannter Hirnsignal-Eigenschaften entworfen wurden – und sich deswegen nicht in allen Fällen eignen. Die Nachfrage nach solch vielseitigen Schnittstellen zwischen Mensch und Maschine ist groß: Am Universitätsklinikum Freiburg würde man sie beispielsweise zur Früherkennung epileptischer Anfälle nutzen. Denkbar sind aber auch verbesserte Kommunikationsmöglichkeiten für Schwerstgelähmte oder eine automatisierte Diagnostik in der Neurologie.

„Unsere Software basiert auf Modellen, die vom Gehirn inspiriert sind und sich als äußerst hilfreich dabei erwiesen haben, verschiedene natürliche Signale, wie zum Beispiel Sprachlaute, zu entschlüsseln“, sagt der Informatiker Robin Tibor Schirrmeister. Damit umschreibt der Forscher die Methode, die das Team zur Dekodierung der EEG-Daten nutzte: So genannte künstliche neuronale Netze sind das Herzstück des aktuellen Projekts bei BrainLinks-BrainTools. „Das Tolle an dem Programm ist, dass wir keine Merkmale vordefinieren müssen. Die Informationen werden schichtweise, also in mehreren Instanzen, mittels einer non-linearen Funktion verarbeitet. Somit lernt das System selbst, Aktivitätsmuster von verschiedenen Bewegungen zu erkennen und voneinander zu unterscheiden“, erklärt Schirrmeister. Das Modell ist an die Verbindungen zwischen Nervenzellen im menschlichen Körper angelehnt, wo elektrische Signale von Synapsen über Zellfortsätze zum Zellkern und wieder hinaus geleitet werden. „Die Theorien dazu sind schon seit Jahrzehnten im Umlauf, aber erst mit der Rechenleistung heutiger Computer wurde das Modell praktikabel“, kommentiert Schirrmeister.

Typischerweise wird die Genauigkeit des Modells mit einer größeren Anzahl von Verarbeitungsschichten besser. Bis zu 31 kamen bei der Studie zum Einsatz. Dabei spricht man von „Deep Learning“. Problematisch jedoch war bisher der Umstand, dass die Verschaltung eines Netzwerks nach dem Lernvorgang kaum noch interpretierbar ist. Alle algorithmischen Prozesse passieren unsichtbar im Hintergrund. Deshalb veranlassten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Software dazu, Karten zu erstellen, anhand derer sie die Dekodierungsentscheidungen nachvollziehen konnten. Jederzeit können die Forschenden dem System neue Datensätze hinzufügen. „Im Unterschied zu bisherigen Verfahren können wir direkt an die Rohsignale gehen, die das EEG vom Gehirn aufnimmt. Dabei ist unser System mindestens genauso präzise oder sogar besser“, fasst Versuchsleiter Tonio Ball den wissenschaftlichen Wert der Studie zusammen. Das Potenzial der Technologie ist noch nicht ausgeschöpft – der Forscher möchte sie mit seiner Gruppe weiterentwickeln: „Unsere Vision für die Zukunft sind selbstlernende Algorithmen, die in der Lage sind, unterschiedlichste Absichten des Nutzers noch zuverlässiger und schneller anhand seiner Hirnsignale zu erkennen. Außerdem könnten solche Algorithmen künftig die neurologische Diagnostik unterstützen.“

Originalveröffentlichung
Schirrmeister RT, Springenberg JT, Fiederer LDJ, Glasstetter M, Eggensperger K, Tangermann, M, Hutter F, Burgard W, Ball T; Deep learning with convolutional neural networks for EEG decoding and visualization. 2017 Hum Brain Mapp. DOI: 10.1002/hbm.23730.

BrainLinks-BrainTools
www.brainlinks-braintools.uni-freiburg.de

11. Café Scientifique: Chirurgie der Emotionen

11. Café Scientifique am 05.04.2017 zur Frage: Kann, soll, darf Depression operiert werden?

Für manche Formen der Depression gibt es noch keine wirksame Therapie. Ärztinnen und Ärzte in Freiburg forschen zurzeit an einem neuen Behandlungsansatz: der Tiefen Hirnstimulation. Bei dieser Methode werden im Gehirn von Patientinnen und Patienten Elektroden eingesetzt, die mit leichten elektrischen Impulsen bestimmte Hirnbereiche stimulieren. Prof. Dr. Volker Coenen, Neurochirurg und Forscher im Exzellenzcluster BrainLinks-BrainTools der Universität Freiburg, stellt die bisherigen Erkenntnisse zu dieser Therapieform vor, die schon erfolgreich bei der Parkinsonerkrankung angewendet wird. Was Depression ist und welche Optionen Erkrankte haben, erklärt Prof. Dr. Thomas Schläpfer, Psychiater am Universitätsklinikum Freiburg. Gemeinsam mit dem Freiburger Philosophen Privatdozent Dr. Oliver Müller und dem Publikum diskutieren die Forscher das Potenzial und die Grenzen dieser Neurotechnologie.

Schaukasten zur Brain Awareness Week 2017

Vom 13. bis zum 15. März .2017 wird eine Ausstellung zu den Neurowissenschaften in der Freiburger Universitätsbibliothek gezeigt

Schaukasten zur Brain Awareness Week 2017

Die Forschung zum menschlichen Gehirn wird kontrovers diskutiert. Aber welchen Nutzen hat sie wirklich? Bei einer weltweiten Aktionswoche, die auf neurowissenschaftliche Themen aufmerksam machen will, zeigen das Exzellenzcluster BrainLinks-BrainTools und das Bernstein Center Freiburg in der Universitätsbibliothek Freiburg einen Schaukasten zum aktuellen Forschungsstand. Auf zwei Stockwerken erhalten die Besucherinnen und Besucher an verschiedenen interaktiven Stationen einen Einblick in den Arbeitsalltag von Freiburger Neurowissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern.

  • Was: Ausstellung
  • Wann:
    13.03.2017,10:30-16:00 Uhr
    14.03.2017, 9:30-16:00 Uhr
    15.03.2017, 9:30-21:00 Uhr
  • Wo:
    Foyer (EG) und Konferenzraum (1.OG)
    Universitätsbibliothek Freiburg
    Platz der Universität 2
    79098 Freiburg
  • Die Veranstaltung richtet sich an alle Interessierten.
  • Veranstalter: BrainLinks-BrainTools und Bernstein Center Freiburg
  • Der Eintritt ist frei.

Gehirn räumt im Schlaf auf

Gehirn räumt im Schlaf auf – und bleibt dadurch lernfähig

Die wesentliche Funktion von Schlaf ist geklärt

Schlaf reduziert die Übertragung zwischen Nervenzellen und schafft dadurch Platz für Neues und Wichtiges

Publikation in Nature Communications

Noch immer ist nicht eindeutig geklärt, weshalb Menschen und Tiere schlafen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Freiburg zeigen in einer am 23. August 2016 im Fachmagazin Nature Communications veröffentlichten Studie, dass im Schlaf die allgemeine Aktivität der als Synapsen bezeichneten Nervenzell-Verbindungen reduziert wird. Die meisten Verbindungen werden geschwächt, manche sogar ganz abgebaut. Nur wichtige Synapsen bleiben bestehen oder werden gestärkt. Dadurch schafft das Gehirn wieder Platz, um neue Informationen zu speichern. Diese als synaptische Plastizität bezeichnete Anpassungsfähigkeit ist eine wichtige Grundlage für Lernen und eine flexible Informationsverarbeitung. Der Abbau dürfte zudem Platz und Energie sparen, da beides im Gehirn zu einem Großteil von den Verbindungsstellen benötigt wird.

Nehmen wir tagsüber Informationen auf, werden im Gehirn Synapsen gestärkt oder neu angelegt. „Wir konnten jetzt erstmals beim Menschen zeigen, dass Schlaf die Synapsen wieder heruntergeregelt und damit Platz für neue Informationen schafft. Das Gehirn räumt also im Schlaf auf“, sagt Studienleiter Prof. Dr. Christoph Nissen, Ärztlicher Leiter des Schlaflabors an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Freiburg. „Wird dieser Prozess durch Schlafmangel unterbunden, gerät das Gehirn in einen Sättigungszustand. Synapsen können dann nicht mehr ausreichend verstärkt oder neu aufgebaut werden. Entsprechend schwer fallen auch Lernen und flexible Informationsverarbeitung.“

Schlaf senkt die tagsüber gestiegene Aktivität der Synapsen

Zunächst untersuchten die Forscher die allgemeine Aktivität der Synapsen im Gehirn, die auch als Gesamtverbindungsstärke bezeichnet wird. Mit Hilfe einer Magnetspule über dem Kopf der Probanden reizten sie einen Bereich im Gehirn, der für die Steuerung eines Daumenmuskels zuständig ist. Dieses Vorgehen wird als Transkranielle Magnetstimulation (TMS) bezeichnet. Nach Schlafentzug löste bereits ein deutlich schwächerer Reiz eine Kontraktion des Muskels aus, was ein Zeichen für eine hohe synaptische Verbindungsstärke ist.

Außerdem werteten die Forscher mittels Elektroenzephalografie-Messungen (EEG) die unterschiedlichen Frequenzen der Hirnströme aus. Schlafentzug führte dabei zu einem deutlichen Anstieg sogenannter Theta-Wellen. Vorangegangenen Tier- und Humanstudien zufolge ist dies ein weiteres Anzeichen erhöhter synaptischer Gesamtstärke. „Schlaf senkt die tagsüber gestiegene Gesamtstärke der Synapsen im Gehirn. Nach Schlafentzug bleibt die Aktivität dagegen auf einem hohen Niveau“, sagt Prof. Nissen.

Gehirn wehrt sich gegen Überladung

Außerdem fanden die Forscher erstmals beim Menschen Hinweise für ein Prinzip, das eine dauerhafte Reizverarbeitung gewährleistet, die sogenannte homöostatische Plastizität. Sind die Synapsen durch lange Wachphasen bereits maximal aktiv, führen neue Reize oder Informationen nicht zu einer Stärkung, sondern zu einer Schwächung der Nervenzell-Verbindungen. Neu ankommende Reize können dann wieder normal verarbeitet werden. „Es ist anzunehmen, dass praktisch alle Funktionen des Gehirns dadurch beeinflusst werden, wie etwa Emotionsregulation, Konzentration oder Lernen“, sagt Prof. Nissen.

Im Experiment kombinierten die Forscher wiederholt die Reizung des motorischen Gehirn-Areals mit einem elektrischen Reiz am Arm, der ins Gehirn weiter geleitet wird. Findet eine Stärkung der Verknüpfung von Nervenzellen statt, kontrahiert sich der Daumenmuskel stärker als zuvor. Dieser Effekt zeigte sich nach Nachtschlaf. Nach Schlafentzug dagegen war die Kontraktion des Daumenmuskels sogar schwächer. Auf Verhaltensebene beobachteten die Freiburger Forscher zudem ein schlechteres Neulernen von Wortpaaren nach Schlafentzug.

Möglicher Grund, warum Menschen Schlafmangel unterschiedlich gut vertragen

Weiterhin fanden sie Hinweise darauf, dass der Wachstumsfaktor BDNF (brain derived neurotrophic factor) bei der Regulation der synaptischen Aktivität eine wichtige Rolle spielt. Es ist bekannt, dass BDNF nach normalem Schlaf die Neuverknüpfung von Nervenzellen und damit Lernen fördert. Die Forscher konnten nun zeigen, dass eine anhaltend hohe BDNF-Konzentration im Blut unter Schlafentzug eher zu einer Sättigung von Synapsen führte. „Das könnte erklären, warum manche Menschen Schlafmangel besser verkraften als andere“, sagt Prof. Nissen.

Therapieansätze für Depression und Schlaganfall

Die Erkenntnisse könnten zur Entwicklung neuer Therapiemöglichkeiten beitragen, etwa nach Schlaganfall oder bei depressiven Störungen. Bei diesen Erkrankungen ist es wichtig, Verschaltungen im Gehirn zu verändern. Hierzu könnten eine gezielte Beeinflussung des Schlaf-Wach-Verhaltens, aber auch andere Verfahren wie die transkranielle Gleichstromstimulation oder Medikamente mit neuen Wirkmechanismen auf Plastizität genutzt werden.

Original-Titel der Arbeit: Sleep recalibrates homeostatic and associative synaptic plasticity in the human cortex

DOI: 10.1038/ncomms12455

Unser Gehirn verarbeitet soziale Informationen besonders intensiv

Ein internationales Forscherteam hat festgestellt, dass unsere Wahrnehmung sehr stark dafür sensibilisiert ist, soziale Informationen aufzunehmen. Das Gehirn ist somit trainiert, Alltagshandlungen automatisch eine hohe Aufmerksamkeit zu schenken. Die Ergebnisse berichten der Neurowissenschaftler Prof. Dr. Martin Brüne und der Philosoph Prof. Dr. Albert Newen von der Ruhr-Universität Bochum (RUB) gemeinsam mit Eleonore Neufeld und weiteren Kollegen in der Zeitschrift Consciousness and Cognition.

Unser Gehirn schenkt Alltagshandlungen, die in einem sozialen Kontext stehen, automatisch große Aufmerksamkeit. Bochumer Forscher haben das mithilfe von Hypnose nachgewiesen.

Gehirn ist sensibel für soziale Informationen

Ein internationales Forscherteam hat festgestellt, dass unsere Wahrnehmung sehr stark dafür sensibilisiert ist, soziale Informationen aufzunehmen. Das Gehirn ist somit trainiert, Alltagshandlungen automatisch eine hohe Aufmerksamkeit zu schenken. Die Ergebnisse berichten der Neurowissenschaftler Prof. Dr. Martin Brüne und der Philosoph Prof. Dr. Albert Newen von der Ruhr-Universität Bochum (RUB) gemeinsam mit Eleonore Neufeld und weiteren Kollegen in der Zeitschrift Consciousness and Cognition.

Hypnose schaltet zielgerichtete Aufmerksamkeit aus

Für die Studie untersuchten die Forscher die grundlegende Aufmerksamkeit (bottom-up) separat von der zielgerichteten Top-down-Aufmerksamkeit. Um die beiden Aufmerksamkeitsprozesse zu trennen, setzte das Team Hypnose ein. Damit schalteten sie die Top-down-Prozesse bei den Probanden aus.

Hypnotisiert beobachteten die Studienteilnehmer Videos, in denen Personen Münzen in verschiedenfarbige Schalen legen. Die Wissenschaftler erwarteten, dass soziale Informationen – in diesem Fall die Alltagshandlungen anderer Menschen – unter Hypnose intensiver verarbeitet werden, da das Gehirn sie automatisch im Bottom-up-Aufmerksamkeitsprozess verwertet.

Soziale Informationen automatisch verarbeiten

Das Forschungsteam erfasste mittels Elektroenzephalografie (EEG) das Signal, das angibt, wie beabsichtigte Handlungen verarbeitet werden. Dieses spezielle Signal, die My-Suppression, verglichen sie im hypnotisierten und nicht hypnotisierten Zustand.

Das Ergebnis: Die My-Suppression war – wie erwartet – stärker, wenn die Teilnehmer hypnotisiert waren. Sind durch Hypnose die Top-down-Aufmerksamkeitsprozesse ausgeschaltet, verarbeitet das Gehirn soziale Informationen also intensiver. Dies lässt darauf schließen, dass Alltagshandlungen generell eine besondere Aufmerksamkeit erhalten. „Die Forschungsergebnisse unterstützen das Bild vom Menschen als Wesen, das sich vom Tier vor allem durch soziale Kompetenz auszeichnet“, sagt Albert Newen.

Kognitive Prozesse mit Hypnose untersuchen

Die Ergebnisse unterstützen damit die Soziale-Relevanz-Hypothese, die davon ausgeht, dass Alltagshandlungen automatisch mit einer größeren Aufmerksamkeit verarbeitet werden. Zudem zeigt das Projekt, inwiefern Hypnose eine Möglichkeit ist, kognitive Prozesse zu untersuchen.

Originalveröffentlichung:

E. Neufeld, E. C. Brown, S. Lee-Grimm, A. Newen, M. Brüne (2016): Intentional action processing results from automatic bottom-up attention: An EEG-invesitgation into the Social Relevance Hypothesis using hypnosis, Consciousness and Cognition, DOI: 10.1016/j.concog.2016.03.002

Weitere Informationen:

Prof. Dr. Albert Newen, Institut für Philosophie II, Ruhr-Universität Bochum, Tel.: 0234 32 22139, albert.newen@rub.de

Prof. Dr. Martin Brüne, LWL-Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Bochum, Tel.: 0234 5077 155, martin.bruene@rub.de

Fitness für die „Grauen Zellen“ im Urlaub

Auch im Urlaub geistig fit bleiben

Schlaf stärkt das Gedächtnis. Wer jede Nacht acht Stunden schläft, kann besser denken. Foto: obx-medizindirekt

Schlaf stärkt das Gedächtnis. Wer jede Nacht acht Stunden schläft, kann besser denken. Foto: obx-medizindirekt

Regensburg (obx-medizindirekt) – Urlaub ist wichtig für den Körper. Für den Kopf kann wochenlanges totales Ausspannen allerdings gelegentlich unerwünschte Folgen haben. Nach dem Urlaub kann man sich oft viel schlechter konzentrieren als gewohnt. Namen, Adressen und Telefonnummern fallen einem plötzlich nicht mehr ein. Doch gegen diese „urlaubsbedingten“ Gedächtnislücken kann man etwas tun.

Training bringt die grauen Zellen wieder in Schwung! Unser Gehirn braucht viel Sauerstoff. Der Gewichtsanteil des Gehirns am Körpergewicht beträgt lediglich zwei Prozent, aber es verbraucht 40 Prozent unseres eingeatmeten Sauerstoffs. Gehen Sie deshalb in Lernpausen an die frische Luft zum tief Durchatmen oder treiben Sie Freizeitsport.

Unser Gehirn braucht Flüssigkeit

Es besteht zu 70 Prozent aus Wasser, kann also nur im feuchten Milieu aktiv sein. Trinken Sie über den Tag verteilt, wenn Sie viel denken müssen, drei Liter Mineralwasser. Wer zu wenig trinkt, wird denkfaul, kann sich nicht konzentrieren. Ein ideales Getränk ist Apfel-Schorle: Apfelsaft und Mineralwasser jeweils zu gleichen Teilen gemischt.

Unser Gehirn braucht spezielle Nahrung

Man kann sich klug essen! Spurenelemente wie Zink, Kupfer und Phosphor sind solche Gehirnnahrung. Diese Substanzen sind unter anderem in Möhren, Avocados, Rosinen, Datteln, Feigen und Haferflocken enthalten.

Damit der eingeatmete Sauerstoff auch möglichst lange im Gehirn bleibt, sollten Sie Grün essen: Salat, Spinat, Kräuter. Der grüne Farbstoff Chlorophyll hält den Sauerstoff länger im Gehirn und sorgt dafür, dass er besser verwertet werden kann. Essen Sie zwischendurch auch Tomaten. Sie enthalten die Substanz 5-Hydroxy-Tryptamin, einen Botenstoff, der dem Gehirn hilft, zu entspannen.

Unser Gehirn braucht genügend Schlaf

Schlaf stärkt das Gedächtnis. Wer jede Nacht acht Stunden schläft, kann besser denken.

Auch ständiges Geistestraining hält die „Grauen Zellen“ fit:
– Gehen Sie ohne geschriebenen Merkzettel zum Einkaufen und vergleichen Sie dann zuhause, ob sie etwas  vergessen haben.
– Weichen Sie neuen geistigen Herausforderungen – etwa dem Umgang mit einem Computer oder Tablet – nicht aus.
– Lernen Sie Fremdsprachen oder gelegentlich mal ein Gedicht auswendig.
– Spielen Sie öfter mal Schach oder ein anderes Brettspiel, das zum Denken zwingt.
– Rechnen Sie wieder mehr im Kopf. Verwenden Sie nicht unentwegt den elektronischen Taschenrechner.
– Pflegen Sie regen Kontakt zu anderen Menschen.

Es gibt auch einen sehr wirksamen Akupressur-Griff aus der Chinesischen Medizin. Suchen Sie mit dem Zeigefinger der rechten Hand den Punkt LG 20. Er liegt an der höchsten Stelle am Kopf in der Mitte der Schädeldecke. Hier setzen Sie nun der Zeigefinger der rechten Hand an und massieren mit Druck in kreisenden Bewegungen jeweils 30 Sekunden, machen 10 Sekunden Pause und wiederholen die Übung mehrmals.

Oder nützen Sie die „Denkmütze“, eine Fingerübung aus der amerikanischen Kinesiologie, die der Arzt Dr. George Goodhaert entwickelt hat. Massieren Sie mit Daumen und Zeigefinger an beiden Händen die Ränder der Ohren, von oben nach unten. Wiederholen Sie die Übung mehrmals. Ihr Gehirn dankt es ihnen mit Höchstleistung.

Wie frei ist der Wille wirklich?

Berliner Wissenschaftler prüfen Grundmuster von Entscheidungen

 

Proband im Hirnduell gegen den Computer, Copyright Charité, Carsten Bogler.

Proband im Hirnduell gegen den Computer, Copyright Charité, Carsten Bogler.

Unser Wille ist freier als bislang angenommen. In computergestützten Experimenten haben Hirnforscher der Charité – Universitätsmedizin Berlin Entscheidungsabläufe am Beispiel von Bewegungen untersucht. Die entscheidende Frage: Lassen sich Prozesse im Gehirn wieder stoppen, wenn sie einmal angestoßen sind? Die Forscher kommen zu dem Schluss: Ja, bis zu einem gewissen Punkt, dem „point of no return“. Die Ergebnisse der Studie sind im aktuellen Fachmagazin PNAS* veröffentlicht.

Hintergrund der neuen Untersuchungen: Spätestens seit den 1980er Jahren diskutieren Hirnforscher, Psychologen, Philosophen und Öffentlichkeit über die Bewusstheit und Vorbestimmtheit menschlicher Entscheidungen. Seinerzeit studierte der amerikanische Forscher Benjamin Libet Hirnprozesse von Probanden, während sie einfache freie Entscheidungen fällten. Er zeigte, dass das Gehirn Entscheidungen bereits unbewusst vorwegnahm. Noch bevor sich eine Person willentlich entschieden hatte, war ein sogenanntes „Bereitschaftspotenzial“ in ihren elektrischen Hirnwellen zu erkennen.

Wie aber kann es sein, dass das Gehirn vorab weiß, wie sich ein Proband entscheiden wird, obwohl es diesem selbst noch gar nicht bewusst ist? Die Existenz der vorbereitenden Hirnwellen galt bis dato oft als Beleg für den sogenannten „Determinismus“. Demnach ist der freie Wille eine Illusion – unsere Entscheidungen werden durch unbewusste Hirnmechanismen erzeugt und nicht durch unser „bewusstes Ich“ gesteuert. Die Forscher um Prof. Dr. John-Dylan Haynes vom Bernstein Center for Computational Neuroscience der Charité haben die Thematik gemeinsam mit Prof. Dr. Benjamin Blankertz und Matthias Schultze-Kraft von der Technischen Universität Berlin neu aufgerollt. Mit aktuellen Messtechniken sind sie der Frage nachgegangen, ob Menschen geplante Bewegungsabläufe stoppen können, nachdem das Bereitschaftspotential für eine Handlung ausgelöst worden ist.

„Unser Ziel war herauszufinden, ob mit dem Auftreten der frühen Hirnwellen eine Entscheidung automatisch und unkontrollierbar erfolgt, oder ob sich der Proband noch umentscheiden, also ein ‚Veto’ ausüben kann“, erklärt Prof. Haynes. Dazu haben die Wissenschaftler Probanden in ein „Hirnduell“ mit einem Computer geschickt und während des Spiels die Hirnwellen per Elektroenzephalographie abgeleitet. Ein speziell „trainierter“ Computer versuchte anhand der Hirnwellen vorherzusagen, wann sich ein Proband aufgrund von Anreizen bewegen würde und sollte den Probanden überlisten: Sobald die Hirnwellen Anzeichen dafür gaben, dass sich der Proband in Kürze bewegen würde, wurde das Spiel zugunsten des Computers manipuliert.

Wenn es Probanden möglich ist, aus der Falle der Vorhersagbarkeit ihrer eigenen Hirnprozesse zu entkommen, wäre dies ein Anzeichen dafür, dass sie über ihre Handlungen noch weit länger Kontrolle haben, als bisher angenommen. Genau das konnten die Forscher nun aufzeigen: „Die Probanden sind den frühen Hirnwellen nicht unkontrollierbar unterworfen. Sie waren dazu in der Lage, aktiv in den Ablauf der Entscheidung einzugreifen und eine Bewegung abzubrechen“, sagt Prof. Haynes. „Dies bedeutet, dass die Freiheit menschlicher Willensentscheidungen wesentlich weniger eingeschränkt ist, als bisher gedacht. Dennoch gibt es einen Punkt im zeitlichen Ablauf von Entscheidungsprozessen, ab dem eine Umkehr nicht mehr möglich ist, den ‚point of no return’.“ In weiteren Studien werden die Berliner Wissenschaftler komplexere Entscheidungsabläufe untersuchen.

*Matthias Schultze-Kraft, Daniel Birman, Marco Rusconi, Carsten Allefeld, Kai Görgen, Sven Dähne, Benjamin Blankertz and John-Dylan Haynes. Point of no return in vetoing self-initiated movements. Proceedings of the National Academy of Sciences of the USA, Dec. 2015. doi/10.1073/pnas.1513569112.