Archiv der Kategorie: Pressemitteilungen

Ein „wahrscheinliches Mesotheliom“ genügt als Nachweis

Berufsgenossenschaft muss Rippenfelltumor eines Schlossers als Berufskrankheit anerkennen

Ein „wahrscheinliches Mesotheliom“ genügt als Nachweis

Unfallversicherungsrecht

Darmstadt, den 3. April 2017
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Berufskrankheiten sind – ebenso wie Arbeitsunfälle – Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung. Ein durch Asbest verursachtes Mesotheliom des Rippenfells ist eine solche Berufskrankheit. Ein Mesotheliom ist bereits dann nachgewiesen, wenn es aufgrund des aktuellen Kenntnisstandes der medizinischen Wissenschaft als wahrscheinlich diagnostiziert worden ist. Bei der Feststellung der medizinischen Tatsachen sind insoweit trotz des grundsätzlich erforderlichen juristischen Vollbeweises keine höheren Anforderungen zu stellen. Dies entschied der 3. Senat des Hessischen Landessozialgerichts in einem heute veröffentlichten Urteil.

Ehemaliger Schlosser verstirbt an Tumor

Ein Mann aus dem Landkreis Hersfeld-Rotenburg war von 1948 bis 1993 als Schlosser und später als Elektriker tätig. Bei diesen Tätigkeiten musste er Asbestplatten schneiden und häufig Lötarbeiten mit Asbestband durchführen. Im Jahre 2011 erkrankte der 77-jährige Mann an einem Tumor im Bereich des Brustkorbes. Aufgrund des histologischen Befundes wurden ein Mesotheliom sowie hiervon abweichende Erkrankungen diagnostiziert. Nach wenigen Monaten verstarb der Mann an der Krebserkrankung.

Die Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung der Berufskrankheit Nr. 4105 mit der Begründung ab, dass ein Mesotheliom lediglich wahrscheinlich, nicht aber im Vollbeweis nachgewiesen sei. Da eine Obduktion nicht erfolgt sei, habe das Tumorbild nicht zweifelsfrei geklärt werden können. Die Witwe des Verstorbenen erhob Klage gegen die Berufsgenossenschaft.

Die Diagnose eines wahrscheinlichen Mesothelioms reicht als Nachweis aus

Die Richter verurteilten die Berufsgenossenschaft zur Anerkennung einer Berufskrankheit.

Pleuramesotheliome seien zu ca. 70 – 80 % asbestinduziert. Die Diagnose „Mesotheliom“ sei eine Ausschlussdiagnose, zu welcher neben der Histologie auch klinische Angaben zur Tumorerkrankung sowie Angaben zur Asbestexposition gehörten. Erfahrungsgemäß lägen zwischen der beruflichen Asbestexposition und der Entwicklung eines Pleuramesothelioms durchschnittlich mehr als 30 Jahre. Unter Umständen reiche eine nur geringfügig vermehrte Asbestbelastung aus, die nicht mit fibrosierenden Lungenveränderungen einhergehe. Aufgrund des variantenreichen histologischen Tumortyps könnten differenzialdiagnostische Schwierigkeiten in der Abgrenzung zu anderen Tumorerkrankungen bestehen. Vor diesem Hintergrund habe das Europäische Mesotheliompanel ein Wertungsschema entwickelt. Danach gelte die Diagnose „malignes Mesotheliom“ medizinisch als gesichert, sofern die Kategorie A (sicheres Mesotheliom) oder die Kategorie B (wahrscheinliches Mesotheliom) vorliege.

Für die Anerkennung einer Berufskrankheit sei im Vollbeweis nachzuweisen, dass die entsprechende Erkrankung vorliege. Der juristische Vollbeweis erfordere jedoch keine absolute Sicherheit. Wenn die Diagnose eines Mesothelioms der Kategorie B medizinisch als gesichert gelte, sei auch der juristische Vollbeweis erbracht. Die Anforderungen an den juristischen Vollbeweis gingen bei den Feststellungen medizinischer Tatsachen grundsätzlich nicht über den aktuellen Kenntnistand der medizinischen Wissenschaft hinaus.

Zudem habe die Berufsgenossenschaft die Angehörigen des Verstorbenen nicht auf die Bedeutung einer Obduktion hingewiesen. Der hierdurch eingetretene Beweisnotstand führe dazu, dass weniger hohe Anforderungen an den Nachweis eines Mesothelioms zu stellen seien.

(AZ L 3 U 124/14 – Die Revision wurde nicht zugelassen. Das Urteil wird unter www.lareda.hessenrecht.hessen.de ins Internet eingestellt.)

Hinweise zur Rechtslage

§ 7 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII)

(1) Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten.

§ 9 SGB VII

(1) Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; (…)

§ 1 Berufskrankheiten-Verordnung (BKV)

Berufskrankheiten sind die in der Anlage 1 bezeichneten Krankheiten (…).

Anlage 1 zur BKV

Nr. 4105: Durch Asbest verursachtes Mesotheliom des Rippenfells, des Bauchfells oder des Perikards

Probanden für Ernährungsstudie gesucht

Beeinflusst die Ernährung das Immunsystem?

Uni-Zentrum Naturheilkunde am Universitätsklinikum Freiburg sucht Probanden für Studie zur Wirkung verschiedener Ernährungsformen auf das Immunsystem und die Darmflora

Bitte beachten Sie, diese Studie ist nichts für Vegetarierer*innen oder Veganer*innen

Menschen mit einer rheumatoiden Arthritis leiden unter chronischen Gelenkentzündungen. Sie gehört zu den rheumatischen Erkrankungen, im Volksmund kurz „Rheuma“ genannt. Wissenschaftler vermuten, dass die Ernährung Erkrankungen mit Störungen des Immunsystems wie beispielsweise rheumatoide Arthritis beeinflussen kann. Das Uni-Zentrum Naturheilkunde sowie die Klinik für Rheumatologie und Klinische Immunologie des Universitätsklinikums Freiburg wollen nun in einer gemeinsamen Studie die Wirkung verschiedener Ernährungsweisen auf das Immunsystem bei gesunden Menschen überprüfen. Bei den unterschiedlichen Ernährungsweisen handelt es sich zum einen um eine vegane (beinhaltet keine Lebensmittel tierischen Ursprungs) und zum anderen um eine fleischreiche Ernährungsweise. Im Verlauf der Studie interessieren die Forscherinnen und Forscher besonders die Immunparameter, die bei Patienten mit rheumatoider Arthritis relevant sind.

Für die Studie werden gesunde Probandinnen und Probanden im Alter von 18 bis 60 Jahren mit einem normalen Body Mass Index gesucht. Voraussetzung ist eine derzeitige Ernährung mit Mischkost und die Bereitschaft, sich über vier Wochen zufällig zugeteilt vegan oder mit viel Fleisch zu ernähren. Vegetarier, Veganer oder Raucher können nicht mitmachen. Weitere Ausschlusskriterien sind unter anderem eine Schwangerschaft oder Stillzeit, regelmäßige Medikamenteneinnahme (mit Ausnahme von hormonellen Verhütungsmitteln oder Jodid), ausgeprägte Allergien oder eine Essstörung.

Die Studie dauert für jeden einzelnen Teilnehmer fünf Wochen: Eine Woche mit normaler Mischkost und danach vier Wochen mit entweder fleischreicher oder veganer Kost (zufällige Zuteilung). Die Teilnehmer erhalten während der vier Wochen ein kostenloses werktägliches Mittagessen im Casino des Universitätsklinikums Freiburg. Außerdem erhalten die Probanden während der Studienzeit Vergünstigungen in einzelnen Freiburger Restaurants. Für die Auswertung werden von den Probandinnen und Probanden zu zwei Zeitpunkten je eine Blut-, Urin- und Stuhlprobe benötigt.

Anmerkung d. Redaktion: Das Essen in der Uni-Klinik trifft nicht jeden Geschmack. Menschen, die auch den Anspruch auf geschmacklich gutes Essen haben, könnten hier enttäuscht werden. 

Interessenten können sich melden bei:  
Manuel Hettich
Uni-Zentrum Naturheilkunde
Universitätsklinikum Freiburg
Telefon: 01515-2255375
manuel.hettich@uniklinik-freiburg.de   

Weitere Informationen zu der Studie finden Sie hier und hier.

Charité richtet Stabsstelle zur digitalen Transformation ein

Charité gibt sich gut gerüstet für die digitale Zukunft
Stabsstelle zur digitalen Transformation ein eingerichtet

Berlin, 06.04.2017 –  Die Charité – Universitätsmedizin Berlin hat jetzt die Stabsstelle „Digitale Transformation“ eingerichtet

Dr. Peter Gocke

Dr. Peter Gocke, Chief Digital Officer der Charité. Foto: privat

und Dr. Peter Gocke die Leitung als Chief Digital Officer (CDO) übertragen. Damit ist die Charité das erste Universitätsklinikum und eines der wenigen deutschen Unternehmen, das einen CDO beschäftigt.

Die digitale Transformation bezeichnet einen fortlaufenden, in digitalen Technologien begründeten Veränderungsprozess, der die gesamte Gesellschaft und insbesondere Unternehmen betrifft. Ein Schwerpunkt der Arbeit des CDO wird die koordinierte Digitalisierung und Integration der administrativen, klinischen und wissenschaftlichen Prozesse sein, damit die Charité ihre universitätsmedizinischen Aufgaben in Krankenversorgung, Forschung und Lehre effizient und nachhaltig wahrnehmen kann. Dr. Gocke berät den Vorstand zur digitalen Transformation und entwickelt in Koordination mit den beteiligten Fachbereichen eine entsprechende Strategie sowie einen Plan zu deren Umsetzung. „Wir freuen uns, mit Dr. Gocke einen ausgewiesenen Experten auf dem Fachgebiet der Digitalisierung gefunden zu haben, der als Mediziner zudem die Besonderheiten und Abläufe eines Krankenhauses versteht“, betont Astrid Lurati, Direktorin des Klinikums.

„Ich freue mich auf die bevorstehenden Aufgaben, die Charité nachhaltig als führende Institution für die digitale Zukunft des Gesundheitswesens zu etablieren. Dabei ist die Sicherheit der Daten unserer Patientinnen und Patienten für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stets im Fokus unseres Handelns“, erklärt Dr. Gocke. Der promovierte Mediziner und Radiologe war u.a. seit 2003 am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) als Chief Information Officer und Leiter des Geschäftsbereichs IT tätig. Seit 2012 war Dr. Gocke Direktor IT und Prozess-Management bei einem großen medizinisch-diagnostischen Dienstleister in Hamburg.

So können überflüssige Operationen vermieden werden

Neu: „Zweitmeinungsklinik“ schützt vor überflüssigen Operationen

Die Orthopädische Uni-Klinik im bayerischen Bad Abbach setzt Maßstäbe: Sie bietet Patienten jetzt vor Operationen an Rücken und Gelenken Soforttermine für Zweitmeinungsberatung / Klinikchef Professor Dr. Joachim Grifka: In beinahe jedem zweiten Fall ist eine Operation aus unserer Sicht nicht notwendig.

Bad Abbach (obx-medizindirekt) – Die hohen Operationszahlen haben den Gesetzgeber 2016 veranlasst, das Recht der Patienten auf Einholung einer Zweitmeinung zu verstärken. Denn die Praxis zeigt: Vor allem im Bereich der Gelenke und der Wirbelsäule könnten viele chirurgische Eingriffe vermieden werden. „Patienten sollten deshalb viel öfter ihr Recht auf Einholung einer Zweitmeinung nutzen“, sagt Prof. Dr. Grifka, Direktor der Orthopädischen Universitätsklinik am Asklepios Klinikum Bad Abbach. Das Bad Abbacher Klinikum hat deshalb jetzt eine „Akut-Sprechstunde“ für Patienten eingerichtet, die sich vor einer anstehenden Operation nochmals Expertenrat über Notwendigkeit oder Alternativbehandlungen einholen wollen. Ein Novum: Ratsuchende genießen dabei im Klinikum Bad Abbach ab sofort besonderen Service: Vergleichbar mit Notfällen erhalten sie vorgezogene Termine für Zweitmeinungs-Beratung. „Ich kenne keine Klinik, die einen vergleichbaren Akut-Service für die Beratung anbietet“, sagt Professor Grifka.

„Niemals drängen oder unter Zeitdruck setzen lassen, wenn es um einen chirurgischen Wahleingriff etwa am Knie, an der Hüfte oder am Rücken geht“, rät Professor Dr. Grifka. Er hat das Konzept der „Zweitmeinungsklinik“ auch auf Drängen niedergelassener Ärzte entwickelt. Auch viele Hausärzte kennen das Problem, dass ihre Patienten von Chirurgen oft zu schnell und kurzfristig zu Operationen gedrängt werden. „Viele Patienten kommen von Belegärzten, die neben ihrer Praxis selbst in einem Krankenhaus operieren“, so Prof. Grifka.

Die Einholung einer Zweitmeinung bei einem qualifizierten Facharzt schütze den Patienten vor vorschnellen Entscheidungen, meint Grifka, der laut Magazin Focus zu den führenden Orthopäden in Deutschland zählt. Wie wichtig das Konsultieren eines zweiten Arztes sein kann, beweisen die Zahlen in Bad Abbach. 12 Patienten pro Tag nutzen mittlerweile das Angebot der Bad Abbacher Orthopäden zur unabhängigen Beratung. „In der Hälfte aller Fälle kommen wir zu einer anderen Meinung als der operierende Kollege“, sagt der Klinikdirektor.

Patienten haben seit vergangenem Jahr das ausdrückliche Recht auf Einholung einer Zweitmeinung. Jeder Operateur ist bei sogenannten mengenanfälligen Leistungen – das sind Operationen, die in den letzten Jahren deutlich angestiegen sind – verpflichtet, seine Patienten über deren Recht zur Zweitmeinung aufzuklären und für die Begutachtung Röntgenbilder und Befundberichte bereitzustellen. Ein 2016 erlassenes Gesetz schreibt diese Patientenrechte ausdrücklich fest. Die Krankenkassen übernehmen zudem die Kosten für diese Paralleluntersuchung. Größtes Hindernis war in der Praxis allerdings das Problem, vor kurzfristig anstehenden Operationsterminen den Termin bei einem zweiten Facharzt zu bekommen. In der Bad Abbacher „Zweitmeinungsklinik“ ist das anders: „Wir behandeln Patienten, die unseren Rat auf Zweitmeinung brauchen wie einen Notfall. Sie bekommen sofort einen Termin“, sagt Professor Grifka.

„Deutschland schläft schlecht“

Professor Gerald Lembke zur DAK-Studie „Deutschland schläft schlecht“

Smartphone-Nutzung raubt den Schlaf – und senkt die Produktivität

Eine junge Frau schläft neben ihrem Smartphone ein

Das Smartphone ist für die meisten Menschen ein Segen. Doch der tiefere Blick in die Digitalisierung unserer beruflichen Arbeitswelt zeigt: Die digitalen Arbeitswelten bringen Probleme mit sich, vor denen viele Chefs und Personalentscheider immer noch die Augen verschließen. Was in deutschen Unternehmen kaum thematisiert wird, ist in der
amerikanischen Wirtschaft längst Erkenntnis: Jeder vierte Arbeitnehmer verbringt während seines Arbeitstages mindestens eine Stunde mit persönlichen Anrufen, E-Mails und Textnachrichten. Die Ursachen sinkender Produktivität liegen nicht an der Existenz der Smartphones, sondern an deren unablässiger Nutzung.

Es sind die ständigen Unterbrechungen vor allem durch Textnachrichten der bekannten Messengerdienste, die den Mitarbeitern das Leben so schwer machen. So ist die Smartphone-Nutzung nicht nur Produktivitätskiller, sondern auch Gesundheitsrisiko, wie die jüngste DAK-Studie belegt („Deutschland schläft schlecht“). Dort zeigt die DAK eine dramatische Entwicklung auf: Vier von fünf Berufstätigen schlafen schlecht. Als Ursache dafür gelten laut DAK unter anderem: Termin- und Leistungsdruck im Beruf und das Gefühl, ständig erreichbar sein zu müssen.

Vierfünfteln der Mitarbeiter ist es nachts wichtiger, den Akkustatus ihrer Handys zu kontrollieren als den eigenen Akku aufzuladen. „Der dramatische Anstieg von Schlaflosigkeit in den letzten sechs Jahren gibt Anlass zur Sorge“, so der Berliner Schlafforscher Ingo Fietze. Die Digitalisierung sei ein entscheidender Grund für denschlechten Schlaf, meint zudem DAK-Chef Storm. Dies betrifft vor allem die beruflich Engagierten, die durch „Always-On“ Leistungsbereitschaft und Allzeitverfügbarkeit demonstrieren – auf Kosten ihrer Gesundheit.

Digitaleuphorie schadet der Gesundheit

„Der Zusammenhang zwischen der Digitalnutzung und der eigenen Gesundheit ist in der herrschenden Digitaleuphorie in Deutschland immer noch ein Tabuthema. Das muss sich ändern“, sagt Professor Lembke anlässlich der Veröffentlichung der DAK-Studie.„Wir müssen lernen, dass Abschalten entspannter und zufriedener macht als noch mehr Geräte anzuschalten.“ Der Kollaps drohe, wenn das „Internet of Things“, also die digitale Vernetzung aller Gegenstände tatsächlich Realität würde. Dann wäre ein Abschalten tatsächlich immer weniger möglich. Schließlich müssen die vielen digitalen Transaktionen beim Internet der Dinge ja ständig überwacht werden …

Lembke hält es für grob fahrlässig, diese Themen im Unternehmensalltag zu verschweigen. „Eine Leistungsgesellschaft sollte als Vorbild voranschreiten und müsste die Vorteile eines beschränkten Digitalkonsums längst erkannt haben – und danach handeln!“ fordert Lembke. Doch ein Digitalverzicht scheint im Verständnis vieler Menschen im Widerspruch zu den Erwartungen ihrer Chefs zu stehen. Denn sie sind es, die immer online sind und dies erwarten sie auch von ihren Mitarbeitern.

„Chefs unterliegen einer tragischen Logik“, so Lembke. Mitarbeiter werden nicht produktiver, indem sie abends für ihren Chef erreichbar sind und die Einsamkeit ihrer Chefs kompensieren, sondern indem sie in ihrer Freizeit ein digitalfreies Leben führen können und den Schlaf nicht als Übel der Nichterreichbarkeit verstehen.

Eine Strategie im Umgang mit der Smartphone-Übernutzung muss die Verhinderung der ständigen Unterbrechungen sein, damit sich Mitarbeiter und Chefs ihren originären Tätigkeiten widmen können und Konzentrations-, Arbeits- und Denkflüsse wieder ins Fließen kommen. Resultat eines angemessenen Smartphone-Einsatzes sind nicht nur eine deutlich höhere Produktivität, sondern auch ein größeres Glücksempfinden und damit ein höheres subjektives Selbstwirksamkeitsempfinden der Mitarbeiter.

Umgang mit Ablenkungsphänomenen in Unternehmen:

1. Thematisieren Sie die private Smartphone-Nutzung im Unternehmen
2. Verbote sind schlechte Ratgeber – fördern Sie lieber das Durchbrechen der schlechten Routinen durch Dialoge und gemeinschaftlich vereinbarteRegelungen
3. Vermeiden Sie langwierige und -weilige Meetings –, denn dort ist das Smartphone das neue Schiffeversenken

Über Professor Gerald Lembke

Gerald Lembke ist Professor für Digitale Medien an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg. Sein
Forschungsgebiet ist das digitale Mediennutzungsverhalten in Gesellschaft, Bildung und Wirtschaft. Er
ist Buchautor und Berater für den Einsatz und den Umgang mit Digitalen Medien in Wirtschaft
und Gesellschaft. Zu seinen jüngeren Publikationen zählen „Die Lüge der digitalen Bildung – Wie unsere
Kinder das Lernen verlernen“ und „Im digitalen Hamsterrad – Ein Plädoyer für den gesunden Umgang
mit Smartphone & Co“.

Digitalisierung in der Gesundheitsbranche

Risiken und Chancen der Digitalisierung

Hannover. Milliarden-Summen fließen ins Gesundheitswesen, oft steht es wegen Ineffizienz und veralteter Prozesse und Abläufe in der Kritik, Patientenorganisationen beklagen sinkende Qualität bei der Versorgung.

Kann die Digitalisierung wirklich in allen Bereichen der Gesundheits-branche helfen?

Wie groß die Potenziale sind, wo der größte Handlungsbedarf besteht und welche Chancen die Digitalisierung bietet, greift die „d!conomy Healthcare“ im Rahmen der CeBIT auf. Ein internationales Panel von Experten, Wissenschaftlern und Praktikern beleuchtet die Ursachen und Folgen sowie die Risiken und Chancen der Digitalisierung.

„d!conomy Healthcare“ bietet eine Plattform, um gemeinsam zu erarbeiten, was digitale Technologien im Gesundheitswesen für jeden Einzelnen bedeutet. In einer Vielzahl von Keynotes und Workshops rund um das Thema „What’s up Digital Health? Ideen, Geschäftsmodelle, Möglichkeiten“ werden unter anderem die Auswirkungen politischer Entscheidungen betrachtet. In einem Panel diskutieren Parteivertreter wie der SPD-Gesundheitsexperte, Prof. Dr. Karl Lauterbach, zum Thema „Was wollen wir tun, um Potenziale zu heben?“ Es gilt zudem zu klären, welche Patientendaten überhaupt erhoben werden dürfen und wie weit Patienten bereit sind, diesen Weg mitzugehen. Auch die Möglichkeit weltweiter Vernetzung, um auf das Know-how internationaler Spezialisten zuzugreifen sowie notwendige Voraussetzungen von Medizinern werden auf der Konferenz thematisiert.

Die Veranstaltung wird gemeinsam mit der Gesundheitswirtschaft Region Hannover, medcon & more sowie der SKC Beratungsgesellschaft ausgerichtet und findet am CeBIT-Mittwoch, 22. März von 10 bis 18.00 Uhr auf der Bamboo Stage in Halle 8, Stand A01, statt.

„d!conomy Healthcare“ richtet sich an Mediziner, Entscheider bei Krankenkassen, Pharmaunternehmen, Visionäre und Politiker, die einen Blick in die Gesundheitszukunft wagen möchten. „Wir sind begeistert, dass wir so erfahrene und innovative Vordenker aus Industrie, Politik und Wissenschaft für die d!conomy Healthcare 2017 gewinnen konnten und freuen uns auf gehaltvolle, facettenreiche und wegweisende Diskussionen“, bewertet Univ.-Prof. Dr. med. Matthias P. Schönermark die Veranstaltung auf der CeBIT.

Schmerzmedikamente ohne gefährliche Nebenwirkungen

Charité-Wissenschaftler entdecken neues Wirkprinzip

Berlin, 02.03.2017 Wissenschaftler der Charité – Universitätsmedizin Berlin haben einen neuen Weg zur Entwicklung von Schmerzmedikamenten gefunden. Anhand von Computersimulation konnte das Forscherteam Interaktionen an Opioidrezeptoren, den Andockstellen für Schmerzmedikamente, analysieren. Im Tiermodell ermöglichte der Prototyp eines morphinähnlichen Moleküls tatsächlich eine starke Schmerzstillung in entzündetem Gewebe. Gesundes Gewebe reagierte hingegen nicht auf den Wirkstoff. Schwerwiegende Nebenwirkungen, wie bislang bei Opioiden bekannt, können so vermieden werden, berichten die Forscher im aktuellen Fachmagazin Science*.

Opioide sind starke schmerzstillende Substanzen. Sie kommen insbesondere bei Schmerzen durch Gewebeverletzungen und Entzündungen, beispielsweise nach Operationen, Nervenverletzungen, Arthritis oder Tumorerkrankungen, zum Einsatz. Häufige Nebenwirkungen können dabei Benommenheit, Übelkeit, Verstopfung und Sucht, in einigen Fällen sogar Atemstillstand sein. „Wir sind davon ausgegangen, dass die Analyse der Interaktionen zwischen Wirkstoffen und Opioidrezeptoren in verletztem Gewebe, im Gegensatz zu gesundem Gewebe, zum Design von neuen Schmerzmitteln ohne schädliche Nebenwirkungen genutzt werden kann“, erklärt Prof. Dr. Christoph Stein, Direktor der Klinik für Anästhesiologie mit Schwerpunkt operative Intensivmedizin am Campus Benjamin Franklin den neuen Ansatz. Durch innovative Computersimulation in Zusammenarbeit mit Privatdozent Dr. Marcus Weber vom Zuse-Institut Berlin konnten die Forscher morphinähnliche Moleküle und deren Interaktion mit Opioidrezeptoren analysieren. Dabei ist es ihnen gelungen, einen neuen Wirkmechanismus zu identifizieren, der eine Schmerzstillung ausschließlich in entzündetem Gewebe, also dem erwünschten Zielort, erzielt.

Postoperativer Schmerz und chronischer Entzündungsschmerz ließe sich auf diese Weise ohne Nebenwirkungen behandeln und die Lebensqualität von Patienten entscheidend verbessern. „Im Gegensatz zu konventionellen Opioiden zeigt unser Prototyp NFEPP eine Bindung und Aktivierung von Opioidrezeptoren ausschließlich in saurem Milieu und hemmt somit Schmerz nur in verletztem Gewebe, ohne Atemdepression, Benommenheit, Suchtpotenzial oder Verstopfung hervorzurufen“, so Dr. Viola Spahn und Dr. Giovanna Del Vecchio, Erstautorinnen der Studie. Der Wirkstoff-Prototyp NFEPP ist von den Wissenschaftlern entworfen, synthetisiert und experimentell getestet worden. Unter anderem in Computermodellen wurde eine erhöhte Protonenkonzentration, also eine Ansäuerung wie im Fall einer Entzündung, simuliert. „Es hat sich gezeigt, dass die Protonierung von Wirkstoffen eine entscheidende Voraussetzung für die Aktivierung von Opioidrezeptoren ist“, resümieren die Autoren. Eine Erkenntnis, die auf andere Schmerzarten ebenso übertragen werden könnte. Anwendungen in weiteren Gebieten der Rezeptorforschung sind gleichfalls denkbar, so dass nicht nur Schmerzmittel, sondern auch andere Therapeutika wirksamer und verträglicher werden könnten.

*V. Spahn, G. Del Vecchio, D. Labuz, A. Rodriguez-Gaztelumendi, N. Massaly, J. Temp, V. Durmaz, P. Sabri, M. Reidelbach, H. Machelska, M. Weber, C. Stein. A nontoxic pain killer designed by modeling of pathological receptor conformations. Science. 2017 March 3. doi: 10.1126/science.aai8636.

Zahl der Woche

2 Tage fasten die Woche hilft dem Stoffwechel

copyright: Helmholtz

Aschermittwoch läutet traditionell die Fastenzeit ein. Fasten hat einen positiven Einfluss auf den Stoffwechsel, selbst über einen relativ kurzen Zeitraum. Das sogenannte Intervallfasten, also beispielsweise zwei Tage die Woche (48 Stunden!) kann helfen, den Stoffwechsel positiv zu unterstützen.
Warum das so ist, wird am Helmholtz Zentrum München untersucht, in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg und dem Deutschen Zentrum für Diabetesforschung, die vom Bundesforschungsministerium gefördert werden.
Die Wissenschaftler zeigten, dass speziell das Protein GADD45β mit der Fettanreicherung in der Leber und einen erhöhten Blutzuckerspiegel zusammenhängt. Modellversuche zeigten, dass Mäuse, denen das Gen fehlte, leichter eine Fettleber entwickelten. Auch beim Menschen konnten die Wissenschaftler das Ergebnis bestätigen: Niedrige GADD45β-Spiegel gingen mit erhöhten Leberfettwerten und Blutzuckerspiegel einher. Der durch Fasten verursachte Stress auf die Zellen der Leber aber kurbelt die Produktion von GADD45β an: Je mehr Hunger, desto öfter produzierten die Zellen das Protein – wodurch Fettzellen abgebaut werden und der Blutzuckerspiegel sinkt. Diese Erkenntnisse wollen die Forscher nun nutzen, um die positiven Effekte von Nahrungsentzug mit Wirkstoffen nachzuahmen.
Weitere Informationen: https://www.helmholtz-muenchen.de/aktuelles

Quelle: embomolmed.embopress.org/content/early/2016/05/03/emmm.201505801/ Bild: Nahaufnahme einer Fettleber. Grünhervorgehoben sind die Fetttropfen der Leber. Institute for Diabetes and Cancer IDC, Helmholtz Center Munich

Den Angsthasen überlisten

Das Institut für Psychologie der Universität Freiburg sucht Kinder für eine Therapiestudie zu Angsterkrankungen

Therapieprojekt „KibA“: Wissenschaftler der Universität Freiburg wollen die Entstehung und Veränderung von Angsterkrankungen bei Kindern erforschen. Grafik: Linda Stein

Angsterkrankungen im Kindes- und Jugendalter sind weit verbreitet. Für die Betroffenen bedeuten die Ängste einen erheblichen Leidensdruck und können darüber hinaus ihre seelische Gesundheit gefährden. In dem Forschungsprojekt „KibA“ („Kinder bewältigen Angst“) am Institut für Psychologie der Universität Freiburg wollen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Mechanismen der Entstehung und Veränderung von Angsterkrankungen aufklären. Für ein Psychotherapieprojekt suchen sie deshalb Kinder und Jugendliche zwischen acht und 14 Jahren, die an einer Trennungsangst, sozialen Angsterkrankung oder spezifischen Phobie leiden.

Viele Kinder weisen Ängste auf, die eine Trennung von den Eltern erschweren oder unmöglich machen. Ängste im Umgang mit Menschen, Schüchternheit und die Angst vor Zurückweisung sowie eine starke Angst vor Tieren oder medizinischen Maßnahmen behindern ebenso eine gesunde Entwicklung. Nicht selten ziehen diese Ängste Erkrankungen wie die Depression nach sich oder führen zu Leistungseinbrüchen in der Schule.

Bei dem Projekt KibA erhalten die Kinder eine nach den neuesten Erkenntnissen der Angstforschung und dem aktuellen Stand der Psychotherapieforschung konzipierte Einzeltherapie. Sie wird begleitet von umfassenden diagnostischen Untersuchungen, die seelische und körperliche Anteile von Angstreaktionen, Lernmechanismen des Angsterwerbs sowie deren Einfluss auf den Therapieerfolg erfassen. Dabei werden die Eltern teilweise als Helferinnen und Helfer mit in die Therapie einbezogen.

Die Teilnahme an dem Psychotherapieprojekt kann maßgeblich dazu beitragen, die Behandlung von Ängsten zu verbessern und die Schwierigkeiten von Kindern mit Ängsten und ihren Familien zu verstehen. Das Projekt ist Teil des deutschlandweiten Forschungsverbunds PROTECT-AD zur Optimierung der Behandlung von Angststörungen, welcher vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird.

Weitere Informationen:
www.kiba-studie.de/freiburg/kiba-freiburg.html

Erste Frauenmilchbank in Baden-Württemberg

Am Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin des Universitätsklinikums Freiburg hat am 1. Februar 2017 Baden-Württembergs erste Frauenmilchbank eröffnet

Die pasteurisierte und kontrollierte Muttermilch wird mit einem Messbecher in ein Portionsfläschchen abgefüllt. ©Bildrechte: Universitätsklinikum Freiburg

Bildrechte: Universitätsklinikum Freiburg
Nachdem die gespendete Muttermilch versiegelt wurde, wird sie in den Gefrierschrank gestellt, wo sie bis zum Gebrauch aufbewahrt wird.

Muttermilch ist die gesündeste Nahrung für Säuglinge. Sie unterstützt zum Beispiel dabei, späteren allergischen Erkrankungen oder Infektionen vorzubeugen. Da Mütter von Frühgeborenen oftmals nur wenig oder sogar keine Milch bilden, musste man bisher bei der Frühchen-Ernährung auf künstliche Säuglingsnahrung zurückgreifen. Am 1. Februar wurde am Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin des Universitätsklinikums Freiburg  die Frauenmilchbank eröffnet, wo Mütter von Früh- oder Neugeborenen, die über den Bedarf ihres eigenen Kindes hinaus einen Überschuss an Muttermilch bilden, ihre Milch für die optimale Ernährung von anderen Frühchen im Klinikum spenden können. Die Frauenmilchbank am Universitätsklinikum Freiburg ist die erste Frauenmilchbank in Baden-Württemberg.

„Ziel unserer Frauenmilchbank ist es, alle sehr kleinen Frühgeborenen der eigenen Abteilung mit Muttermilch zu versorgen, um auf künstliche Säuglingsnahrung verzichten zu können“, sagt Dr. Daniel Klotz, Neonatologe an der Klinik für Allgemeine Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Freiburg und Leiter der Frauenmilchbank. In der Frauenmilchbank wird gespendete Muttermilch mikrobiologisch untersucht, bei Bedarf pasteurisiert und bei -20 Grad Celsius gefriergelagert. Die Milch steht nach der Aufbereitung zum Verzehr für Frühgeborene und kranke Neugeborene, die keine Milch der eigenen Mutter erhalten, zur Verfügung. Spenderinnen sind Mütter anderer Neu- oder Frühgeborener, die auf der neonatologischen Intensivstation (Frühchenstation) des Universitätsklinikums Freiburg behandelt werden. Sie werden besonders ausgewählt und auf Erkrankungen getestet.

Frühgeborene, die mit gespendeter Muttermilch anstatt künstlicher Säuglingsnahrung ernährt werden, erleiden unter anderem deutlich seltener schwerwiegende Darmkomplikationen und haben eine bessere Nahrungsverträglichkeit. „Die Frauenmilchbank liefert daher einen wichtigen Baustein in der optimalen Betreuung unserer kleinsten Frühgeborenen“, sagt Dr. Klotz.

Die Aufbereitung von Frauenmilch als Spendermilch ist aufwändig und sehr teuer. Das Projekt wurde durch eine Anschubfinanzierung des Frühchenvereins Freiburg e.V. möglich gemacht. Die Frauenmilchbank ist angegliedert an den Funktionsbereich Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin.