Schlagwort-Archive: Therapie

Schlaganfall: Erstmals Hinweise auf wirksame Therapie bei schweren Hirnblutungen

Blutungen in tiefen Gehirnbereichen sind meist lebensbedrohlich. Bislang kaum Therapiefortschritte

Internationales Team unter Leitung des Universitätsklinikums Freiburg findet erstmals Hinweise auf positiven Effekt durch temporäre Schädelöffnung

Um schwere Druckschäden nach einer Hirnblutung zu verhindern, haben die Ärzt*innen in der Studie temporär einen Teil des Schädelknochens entfernt. Nach dem Abschwellen – meist nach einigen Wochen – wurde der Knochen wieder implantiert.
Bildquelle: Universitätsklinik für Neurochirurgie, Inselspital Bern

Um schwere Druckschäden nach einer Hirnblutung zu verhindern, haben die Ärzt*innen in der Studie temporär einen Teil des Schädelknochens entfernt. Nach dem Abschwellen – meist nach einigen Wochen – wurde der Knochen wieder implantiert. Bildquelle: Universitätsklinik für Neurochirurgie, Inselspital Bern

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„Roboter“ ermöglicht präzise Therapie bei behandlungsresistenter Depression

Neue Behandlungseinheit in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Freiburg / Patient*innen profitieren von hochpräziser Magnetstimulation

Rund 5,3 Millionen Menschen in Deutschland sind von einer Depression betroffen. Deren Behandlung erfolgt meist psychotherapeutisch und medikamentös. Aber zwischen 20 und 30 Prozent der Betroffenen spricht auf diese Therapie nicht an. Am Universitätsklinikum Freiburg gibt es seit Mitte April eine neue Behandlungseinheit, in der die Patient*innen mittels sogenannter transkranieller Magnetstimulation (TMS) therapiert werden können. Als erste Klinik in Baden-Württemberg setzt das Universitätsklinikum Freiburg dabei einen Roboter der neuesten Generation ein, der die Behandlung dank einer speziellen Navigationstechnik vereinfacht, verkürzt und präziser macht.

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Was hilft? Was nicht? Was könnte helfen? COVID-19-Therapien auf dem Prüfstand

Symposium der Intensiv- und Notfallmediziner

Therapien von COVID-19-Infektionen haben sich in den nun fast drei Jahren seit Pandemiebeginn enorm weiterentwickelt. Wurde zum Beispiel das Virostatikum Remdesivir anfangs noch in der Breite angewendet, kommt es nach heutigem Kenntnisstand nur noch in bestimmten Krankheitsfällen zum Einsatz. Welche Therapie-Ansätze sich auf der Intensivstation bewährt haben und welche nicht, was State of the Art ist und welche neuen Ideen Potenzial versprechen, das steht im Fokus eines Symposiums am 30. November 2022 um 16:30 Uhr beim diesjährigen Jahreskongress der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) – DIVI22 – der vom 30. November bis 2. Dezember 2022 in Hamburg stattfindet. Unter der Leitung von Professor Stefan Kluge (Foto links), wissenschaftlicher Leiter des DIVI22 und Direktor der Klinik für Intensivmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf sowie dem kommenden Kongresspräsidenten des DIVI23, Professor Thorsten Brenner (Foto rechts), Direktor der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Universitätsklinikum Essen, werden in drei Vorträgen die Themen medikamentöse Therapie, ECMO-Therapie und Plasma-Austausch vorgestellt und diskutiert.

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Hirschhausen und Long-Covid – Die Pandemie der Unbehandelten | ab 29.06.2022 in der ARD Mediathek

Hirschhausen und Long-Covid – Die Pandemie der Unbehandelten | ab morgen | WDR online / Videopodcast

Eckhart von Hirschhausen im Gespräch mit der Hausärztin Anna Brock, die an Long Covid nach Infektion und nach Impfung erkrankt ist. In einem individuellen Heilversuch lässt sie sich behandeln.
© WDR/Bilderfest
Eckhart von Hirschhausen im Gespräch mit der Hausärztin Anna Brock, die an Long Covid nach Infektion und nach Impfung erkrankt ist. In einem individuellen Heilversuch lässt sie sich behandeln.
© WDR/Bilderfest

Der Sommer ist da und viele wollen von Corona nichts mehr hören. Doch es gibt eine Gruppe, deren Alltag weiter permanent von Corona bestimmt und eingeschränkt wird: Menschen mit Long-Covid. In seiner vierten Corona-Reportage widmet sich Eckart von Hirschhausen erneut den Langzeitfolgen der Covid-Erkrankung – zu sehen ist „Hirschhausen und Long-Covid. Die Pandemie der Unbehandelten“ ab 29.06.2022 in der ARD Mediathek. Bereits jetzt können akkreditierte Journalist:innen die Dokumentation im Vorführraum der WDR-Presselounge sehen.

Eckart von Hirschhausen ist zudem morgen, 29.06., zu Gast bei „maischberger“ (22:50 Uhr, Das Erste)

Was ihn zu seinem vierten Corona-Film motiviert hat, das beschreibt Eckart von Hirschhausen in der WDR-Reportage so: „Nach meiner letzten Doku über Long-Covid haben mir unfassbar viele Menschen geschrieben. Menschen, die kaum Gehör finden. Für sie mache ich diesen Film. Es ist ein Film über Ärztinnen und Ärzte, die ihren Patientinnen und Patienten gerne helfen würden, doch denen die Unterstützung fehlt. Über verzweifelte Betroffene, die sich selbst helfen. Über Therapien, die kontrovers diskutiert werden. Und über Ärzte, die Long-Covid immer noch für ein Psycho-Problem halten. Und es geht auch darum, ob die Politik genug Verantwortung übernimmt.“

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Fortschritte in Diagnostik und Therapie: Geriatrisches Assessment entwickelt sich weiter

Neue Verfahren in Diagnostik und Therapie

Das Foto zeigt Prof. med. Andreas Stuck
Keynote-Lecture: „Geriatrisches Assessment 2020“
Prof. med. Andreas Stuck
Foto: Inselspital Bern

Das geriatrische Assessment von 2020 ist nicht mehr das geriatrische Assessment von einst. Technologische Innovationen, die Einführung schweregradabhängiger Fallpauschalen, Fortschritte in Diagnostik und Therapie, das neue Konzept des Frailty-Syndroms: All dies hat dazu geführt, dass sich das geriatrische Assessment grundlegend verändert hat. Professor Andreas Stuck hat in den 1990-er Jahren eine viel beachtete Metaanalyse zur Wirksamkeit des geriatrischen Assessments publiziert, und in den vergangenen Jahren in Praxis, Lehre und Forschung neue Formen des geriatrischen Assessments evaluiert. In seiner Keynote „Geriatrisches Assessment 2020“ im Rahmen der geriatrisch-gerontologischen Online-Konferenz vom 3. bis 5. September wird Stuck das Heute und Morgen zu diesem Themenschwerpunkt beleuchten.

Es geht unter anderem um technologische Innovationen: Herkömmliche geriatrische Assessmentverfahren basieren auf klinischer Beobachtung und manueller Auswertung. So setzen zum Beispiel Assessmentverfahren zur Erfassung der Mobilität wie der Tinetti-Test oder der „Timed Get Up and Go“-Test die heutigen technologischen Möglichkeiten nicht ein. „Dabei würden es Sensoren ermöglichen, Bewegungsabläufe qualitativ und quantitativ abzubilden“, sagt Andreas Stuck. Auch andere Assessmentverfahren wie der Flüsterzahlentest stammen aus dem letzten Jahrhundert, obschon es auch hier Alternativen geben würde. Es stellt sich also die Frage, ob die herkömmlichen Verfahren ausgedient haben.

Neue Verfahren in Diagnostik und Therapie

Exemplarisch sind die Vorgaben, welche für die Dokumentation der geriatrisch frührehabilitativen Komplexbehandlung gelten. Diese geben vor, in welchem Zeitraum welche Elemente des geriatrischen Assessments dokumentiert sein müssen. Hat dies das geriatrische Assessment verändert? Und vor allem: Führt dies zu einer besseren geriatrischen Versorgung älterer Patientinnen und Patienten? In den vergangenen 20 Jahren haben sich die diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten verändert. So ist die Sarkopenie kürzlich als Diagnose in die ICD-Klassifikation aufgenommen worden, und es gibt heute wirksame Interventionen für betroffene Patienten. Bei anderen Diagnosen, wie Delir oder Gangunsicherheit, haben sich die diagnostischen und therapeutischen Verfahren in den vergangenen Jahren ebenfalls wesentlich verbessert. Deshalb wird in der Keynote auch die kritische Frage gestellt: Sind die herkömmlichen geriatrischen Assessmentverfahren noch geeignet für die Aufdeckung dieser Krankheiten?

Das Frailty-Syndrom

Im Jahr 2001 hat die Geriaterin und Epidemiologin Linda Fried erstmals den „Frailty-Phänotyp“ beschrieben, primär als Grundlage für die Erforschung pathopyhsiologischer Abläufe im Alter. Unterdessen hat „Frailty“ auch Einzug in die Klinik gehalten. So wird die „Frailty“ heute zum Teil als Kriterium für medizinische Entscheidungen eingesetzt. Das herkömmliche geriatrische Assessment enthält jedoch keine „Frailty“-Dimension. Muss also das multidimensionale Assessment um eine Dimension ergänzt werden?

Das geriatrische Assessment von morgen

Auch ausserhalb der Geriatrie hat das geriatrische Assessment in den vergangenen Jahren zunehmend Beachtung gefunden. In der Kardiologie und der Traumatologie, und unterdessen in vielen anderen Disziplinen wurde der Mehrwert dieser geriatrischen Abklärungsmethode erkannt. Das geriatrische Assessment ist darum heute nicht mehr ausschliesslich eine Spezialabklärung bei ausgewählten Patientinnen und Patienten in der Geriatrie, sondern Teil der Basisabklärung anderer Disziplinen. Hier ist noch Entwicklungsarbeit notwendig, denn ein geriatrisches Assessment für die Anwendung in nichtgeriatrischen Settings muss in kurzer Zeit durchführbar und trotzdem ausreichend valide sein. 
Zeigt das geriatrische Assessment bei einem älteren Patienten oder einer älteren Patientin eine komplexe Problematik, dann wird auch in Zukunft die Geriatrie gefragt sein. Liegt doch die Kernkompetenz der Geriatrie in der Interpretation und der Synthese der geriatrischen Assessmentbefunde und der Umsetzung eines individuellen, interprofessionellen geriatrischen Managements.

Zur Person

Prof. med. Andreas Stuck ist Chefarzt und Klinikdirektor der Geriatrischen Universitätsklinik in Bern an den drei Standorten Inselspital, Spital Tiefenau und Spital Belp. Unter seiner Gesamtleitung führt die Klinik eine akutgeriatrische Bettenstation, eine stationäre Geriatrische Rehabilitation, ein Ambulatorium sowie eine Kooperation mit der Orthopädischen Universitätsklinik. In Lehre und Forschung sind seine Spezialgebiete das geriatrische Assessment in den verschiedenen Settings Akutspital, Rehabilitation, Alters- und Pflegeheim sowie in der Hausarztpraxis. Dazu hat er Lehrmittel entwickelt, Forschungsprojekte durchgeführt, und gilt national und international als einer der führenden Experten auf diesem Gebiet. Zudem ist Andreas Stuck amtierender Präsident der Schweizerischen Fachgesellschaft für Geriatrie (SFGG).

Termin:

Prof. med. Andreas Stuck
Keynote-Lecture: „Geriatrisches Assessment 2020“
Geriatrisch-gerontologische Online-Konferenz 
Donnerstag, 3. September 2020
16:30 bis 17:15 Uhr

Ernährung und Lebensstil signifikante Risikofaktoren

Das erste Kochbuch, das zur Brustkrebsvorsorge und Therapiebegleitung dienen soll

Brustkrebs ist eine der häufigsten Krebserkrankungen und betrifft 1 von 10 Frauen in Deutschland. Es ist bekannt, dass Ernährung und Lebensstil signifikante Risikofaktoren bei der Entwicklung der Krankheit darstellen. Eine spezielle Ernährung kann das Risiko von Brustkrebs daher reduzieren sowie die Heilungschancen für Frauen während der Therapie und der Nachsorge erhöhen. Der renommierte Brustkrebs-Spezialist aus England, Professor Mohammed Keshtgar, zeigt in diesem fundierten Kochbuch, welche Lebensmittel Betroffene ausreichend zu sich nehmen, vermeiden oder nur in Maßen essen sollten. Basierend auf seiner langen wissenschaftlichen Expertise sowie klinischen Erfahrung stellt der Onkologe über 100 heilsame Rezepte vor, die zur Stärkung des Immunsystems, zur Entzündungshemmung oder Proteinversorgung beitragen. Sie werden ergänzt um Hintergrundinformationen über die neuesten Forschungsergebnisse zur Wirkung von Lebensmitteln speziell bei Krebs.

(c) Kokos-Fisch-Curry mit Blumenkohlreis

(c) Kokos-Fisch-Curry mit Blumenkohlreis

 

Griechischer Salat mit Wassermelone (c) Jan Baldwin

Griechischer Salat mit Wassermelone
(c) Jan Baldwin

Brustkrebs-Spezialist Professor Mohammed Keshtgar erklärt in seinem neuen Buch leicht verständlich und wissenschaftlich fundiert, welche Faktoren unseres Lebensstils und welche Ernährung einen positiven Einfluss auf Prävention, Therapie und Nachsorge von Brustkrebs haben können. Dazu gehört etwa der Konsum von Phytoöstrogenen, die auf natürliche Weise den Hormonhaushalt regulieren. Im Mittelpunkt des Kochbuchs stehen 100 schmackhafte, leicht zuzubereitende und gesunde Rezepte, von Frühstück, Suppen und Salaten, über Fisch, Meeresfrüchte, Geflügel und Fleisch bis zu vegetarischen Gerichten, Süßem und Getränken. Außerdem präsentiert Professor Kesthgar zusätzliche Ernährungstipps zu einzelnen Lebensmitteln wie zum Beispiel Tomaten, die als Entzündungshemmer eingesetzt werden, oder Lachs, der als natürlicher Helfer bei der Chemotherapie gereicht wird. Ein rundum kompetentes Kochbuch und ein wertvoller Begleiter mit praktischen Hilfestellungen.

Prof. Mohammed Keshtgar

Prof. Mohammed Keshtgar

Prof. Mohammed Keshtgar war chirurgischer Onkologe, spezialisiert auf die Behandlung von Brustkrebs am Royal Free und Whittington Hospitals in London. Er war ein führender Forscher in diesem Bereich und leistete Pionierarbeit in der Durchführung von Studien über die Ursachen der Krebserkrankung sowie in der Behandlung mit neuen Methoden. Er hat dieses Buch mit seinem Team von Expertinnen, der Ernährungswissenschaftlerin Dr. Claire Robertson, der Biochemikerin Dr. Miriam Dwek und der Hauswirtschaftsökonomin Emily Jonzen, geschrieben. Prof. Mohammed Keshtgar ist Ende 2017 verstorben

Wechselwirkungen von Medikamenten prüfen

Wenn mehrere Medikamente gleichzeitig genommen werden müssen: Computerprogramme sollen Ärzte unterstützen

Das schafft kein Arzt ohne Hilfsmittel: Dosierungen, spezifische Indikationen und Kontraindikationen von tausenden Medikamenten durchsuchen, Wechselwirkungen prüfen und die individuell beste Kombination für den Patienten zusammenstellen. Wenn der Patient gar wie knapp jeder zweite Deutsche über 65 Jahren fünf oder mehr Medikamente einnimmt, kann die individualisierte Therapie zur zeitraubenden Herausforder

Professor Dr. med. Walter E. Haefeli ist Ärztlicher Direktor der Abteilung Klinische Pharmakologie und Pharmakoepidemiologie des Universitätsklinikums Heidelberg

Professor Dr. med. Walter E. Haefeli ist Ärztlicher Direktor der Abteilung Klinische Pharmakologie und Pharmakoepidemiologie des Universitätsklinikums Heidelberg

ung werden. „Bei Polypharmazie erreichen die ärztlichen Entscheidungen eine solche Komplexität, dass ich mich frage, wie man sie ohne Hilfe im Kopf lösen will“, sagt Professor Walter E. Haefeli (Foto), Ärztlicher Direktor der Abteilung Klinische Pharmakologie und Pharmakoepidemiologie des Universitätsklinikums Heidelberg. Der ausgewiesene Experte für Klinische Pharmakologie plädiert deshalb dafür, sich zum Wohle der Patienten von Computerprogrammen bei Entscheidungen zur Arzneimitteltherapie helfen zu lassen. In seiner Keynote-Lecture beim Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG) in Frankfurt wird Haefeli die Herausforderungen im Umgang mit aktuellen Arzneimittelinformationssystemen detailliert erläutern. Außerdem wird er aufzeigen, wie die Verordnungen mithilfe von IT-Unterstützung in Zukunft sicherer werden und sich stärker an den Präferenzen der Patienten orientieren könnten.

Viele der gängigen Informationssysteme, die Ärzte und Apotheker bereits nutzen, um Verordnungen auf mögliche Wechselwirkungen und andere Risiken zu prüfen, haben aus Haefelis Sicht einen erheblichen Schwachpunkt: „Sie produzieren unzählige Warnungen, von denen die allermeisten auf den jeweiligen Patienten gar nicht zutreffen.“ Diese Programme, die im klinischen Alltag Entscheidungen unterstützen sollen, führen häufig vor allem zu einer Entscheidung: sie wieder abzuschalten. „In manchen Studien werden 95 Prozent der Warnungen, die das Programm ausgibt, weggeklickt“, kritisiert Haefeli. Für die Folge dieses unnützen Warnens gibt es bereits einen Begriff: „alert fatigue“. Auf Deutsch: Alarmmüdigkeit. Unpassende Gefahrenhinweise könnten zudem dazu führen, dass ein Medikament vorsorglich abgesetzt wird, obwohl es dem Patienten nützt.

Arzneimittelinformationssysteme müssen intelligenter werden

Haefeli weist zudem auf die Schwächen von verbreiteten Stand-alone-Systemen hin, die nicht an die Klinik- oder Praxissoftware angeschlossen sind. Sie könnten die Kofaktoren wie Begleiterkrankungen und aktuelle Laborwerte der Patienten nicht oder nur unzureichend berücksichtigen. Trotzdem rät der Klinische Pharmakologe zum Einsatz von Unterstützungssystemen. „Die Erfahrung zeigt, dass mithilfe des Computers eher evidenzbasiert behandelt wird“, sagt Haefeli, „weil Ärzte in diesen Situationen häufiger in der Literatur nachschlagen.“

Für die Zukunft wünscht sich Haefeli jedoch intelligentere IT-Unterstützung. Er forscht zusammen mit Kollegen an praxistauglichen Programmen. „Wir brauchen raffiniertere Software, die individualisierte Empfehlungen ausgibt“, so Haefeli. „Dafür muss sie tief in die Informationssysteme der jeweiligen Klinik oder Praxis integriert sein.“ Nur so könnten die Programme alle relevanten Daten des Patienten einbeziehen und dem Arzt Arbeit abnehmen. Dafür muss aber gewährleistet sein, dass entscheidungsrelevante Kofaktoren, wie zum Beispiel Allergien, verlässlich und maschinenlesbar kodiert und über Schnittstellen verfügbar sind.

Das funktioniert: Untertherapie vermeiden und zugleich Nebenwirkungen verringern

Ein ideales Unterstützungssystem würde laut Haefeli zuerst anhand der Diagnosen, Beschwerden und Präferenzen eines Patienten seine Therapiebedürftigkeit einschätzen und ermitteln, welche Medikamente zur Behandlung seiner Krankheiten infrage kommen. Anschließend würde es anhand eines möglichst vollständigen Medikationsplans prüfen, ob in den aktuellen Verordnungen ein notwendiges Medikament fehlt. Ein Programm mit dieser Funktionalität gebe es bislang nicht auf dem Markt, so Haefeli. Es sei aber notwendig, um Untertherapie zu vermeiden. Erst danach sollte das Programm Doppelverordnungen, Dosierungsfehler und Wechselwirkungen überprüfen. „Das Programm muss dabei nicht nur Wirkstoffpaare anschauen, sondern auch riskante oder interagierende Dreier- und Viererkombinationen.“ Außerdem müsse die Software auch Begleiterkrankungen wie Nierenfunktionsstörungen berücksichtigen und gegebenenfalls die Dosierungsempfehlung entsprechend anpassen.

Eine so individuell optimierte Therapie führt jedoch nicht zwangsläufig zu weniger Verordnungen, wie Haefeli betont: „Nicht die Zahl der Medikamente ist entscheidend für eine gute Behandlung, sondern die richtige Gesamtmedikation, die den Lebenszielen des Patienten am besten entspricht.“ Ziel sei es, die Nebenwirkungen für die häufig multimorbiden Patienten zu verringern. Dass dies möglich ist, wurde sowohl anhand der deutschen FORTA-Liste, einer Positiv- und Negativliste für die Arzneimitteltherapie älterer Menschen, als auch mit den in Irland entwickelten STOPP/START-Kriterien, eines Tools zur Vermeidung von Untertherapie und riskanten Verordnungen, bereits gezeigt. Dabei erhielten die Studienteilnehmer nach der Umstellung im Schnitt genauso viele Medikamente wie zuvor, vertrugen diese jedoch besser. Allerdings ist eine solche händische Überarbeitung des Medikationsplans zeitaufwändig. „Für die FORTA-Liste dauert die Anpassung pro Patient etwa eine halbe Stunde“, so Haefeli. „Mit Software ginge das schneller. Der Arzt könnte in der gewonnenen Zeit andere Fragen klären, zum Beispiel die ständig wechselnden Therapieziele seines Patienten.“

Der Nutzen neuer Systeme muss durch Studien belegt werden

Für die meisten der derzeit angewandten oder in Entwicklung befindlichen Unterstützungssysteme fehlen bislang gute Studien, die ihren Nutzen belegen. In einem ersten Schritt müssen Entwickler zeigen, dass ihr System so arbeitet wie vorgesehen. Anschließend müssen Studien belegen, dass die Anwender, also Ärzte und Apotheker, sich in ihren Entscheidungen von dem Hilfsprogramm beeinflussen lassen. „Für viele Systeme wurde dieser zweite Schritt gar nicht geprüft“, sagt Haefeli. In einem dritten Schritt sollte schließlich überprüft werden, ob die technische Entscheidungshilfe den Patienten einen Vorteil bringt. „Dabei kommt es auf Endpunkte an, die für geriatrische Patienten relevant sind“, so Haefeli, „also die Lebensqualität oder die Frage der Autonomie, also ob ein Umzug ins Pflegeheim vermieden werden kann. Solche Endpunkte wurden bislang in Studien aber kaum untersucht und sind selten das Behandlungsziel in Leitlinien.“

Auf dem Weg zu besseren Unterstützungssystemen für die ärztliche Entscheidungsfindung erhofft sich Haefeli einen Impuls aus der aktuellen Forschung zur Krebsbehandlung. In der Onkologie werden bereits heute für ausgewählte Patienten maßgeschneiderte Therapien mit Computerhilfe zusammengestellt. Das dort gewonnene Know-how müsse man auch in die Routineanwendung für andere Patientengruppen übertragen, so Haefeli.

Zur Person

Professor Dr. med. Walter E. Haefeli ist Ärztlicher Direktor der Abteilung Klinische Pharmakologie und Pharmakoepidemiologie des Universitätsklinikums Heidelberg. Nach dem Medizinstudium in Basel und Weiterbildungsaufenthalten an den Universitäten Stanford und Harvard habilitierte er sich 1995 an der Universität Basel in Innerer Medizin. 1999 wurde Haefeli auf den Lehrstuhl für Klinische Pharmakologie an der Universität Heidelberg berufen. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten zählen die Erforschung von Arzneimittelwechselwirkungen und die Entwicklung von Techniken zur Individualisierung von Arzneimitteltherapien, unter anderem hinsichtlich der Bedürfnisse des einzelnen Patienten. Zur Bearbeitung dieser Herausforderungen forscht Haefeli bevorzugt nach IT-basierten Lösungen.

Termin:

Professor Walter E. Haefeli, Universitätsklinikum Heidelberg
Keynote-Lecture: „IT-Unterstützung bei Polypharmazie – Herausforderungen, Hoffnungen und Träume”
DGG-Jahreskongress
Campus Westend – Hörsaal 4
Donnerstag, 28. September 2017, 14:15-15:00 Uhr
Frankfurt am Main

App soll Therapie nach Spenderniere erleichtern

Hilfe durch das Smart-Phone: App soll Therapie erleichtern
Nephrologen der Charité und MyTherapy App starten Nachsorgeprojekt

MyTherapy_iOS_Android_deBerlin, 03.08.2016 Die Charité – Universitätsmedizin Berlin und die MyTherapy App  „(für Android und iOS)“ erweitern ihre gemeinsame Forschungsarbeit, um Patienten mit einer Spenderniere ein neues Nachsorgeangebot anbieten zu können. Die App soll den Patienten künftig dabei helfen, ihren Therapiealltag zu organisieren und den Verlauf der Therapie nachvollziehen zu können.

Besonders Patienten mit einer transplantierten Niere müssen auf die korrekte Einnahme ihrer Medikamente achten. Denn die Gefahr einer Komplikation ist groß: „Jede sechste Niere wird wegen mangelnder Adhärenz abgestoßen“, so Prof. Dr. Klemens Budde, kommissarischer Direktor der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Nephrologie an der Charité und Leiter des Projekts. „Aufbauend auf den positiven Studienergebnissen von MyTherapy in einer Pilotstudie mit geriatrischen Patienten MyTherapy_doctor_patient_degehen wir davon aus, dass die App zu einer Verbesserung der Transplantationsnachsorge führen kann“.

Ab dem 1. August werden in der Klinik für Nephrologie zunächst 100 Patienten mit einer Spenderniere über einen Zeitraum von sechs Monaten MyTherapy (für Android und iOS) nutzen. Die App unterstützt die Patienten bei der korrekten und pünktlichen Einnahme ihrer Medikamente, beim Erfassen von Gewicht und Blutdruck sowie bei der Organisation des Therapiealltags. Anschließend evaluieren die Ärzte der Charité die Wirksamkeit von MyTherapy im Vergleich zu einer gleich großen Kontrollgruppe. Die Ergebnisse der Studie sollen im kommenden Jahr auf dem Kongress für Nephrologie vorgestellt werden.