Archiv der Kategorie: Gesundheit

Klimawandel macht krank

Ältere haben ein höheres Risiko wegen steigender Hitzebelastung ins Krankenhaus zu müssen

Analyse zu hitzebedingten Hospitalisierungen der über 65-Jährigen sowie WIdO-Befragung zum Informationsstand und Schutzverhalten zeigen deutlichen Handlungsbedarf

Look, your results looks better

Der aktuelle Versorgungs-Report „Klima und Gesundheit“ zeigt auf, wie stark der Klimawandel die Gesundheit der Menschen beeinträchtigt. Am Beispiel der zunehmenden Hitzeperioden hat das Klimaforschungsinstitut Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) untersucht, wie viele Krankenhauseinweisungen in den Jahren 2008 bis 2018 auf die Hitze zurückzuführen waren. Jeder vierte AOK-Versicherte über 65 Jahre ist demnach überdurchschnittlich gefährdet, an heißen Tagen gesundheitliche Probleme zu bekommen und deshalb ins Krankenhaus zu müssen. An Hitzetagen mit über 30 Grad Celsius kam es hitzebedingt zu drei Prozent mehr Krankenhauseinweisungen in dieser Altersgruppe. Wenn die Erderwärmung ungebremst voranschreitet, dann könnte sich bis zum Jahr 2100 die Zahl der hitzebedingten Klinikeinweisungen versechsfachen. Diese Ergebnisse verdeutlichen, wie wichtig es ist, Maßnahmen gegen den Klimawandel zu ergreifen. Auch muss die Bevölkerung besser über Risiken des Klimawandels informiert werden, um sich besser schützen zu können. Laut den Ergebnissen einer deutschlandweiten Befragung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO), die im Versorgungs-Report dargestellt sind, signalisiert ein Drittel der Bevölkerung Informationsbedarf. Mehr als jeder Zweite macht sich mit Blick auf die eigene Gesundheit Sorgen wegen der zunehmenden Hitzeperioden. Bei der individuellen Anpassung des Verhaltens an die durch den Klimawandel beförderten Risikolagen Hitze, UV-Strahlung, Belastung durch Luftschadstoffe und Pollenflug zeigen sich deutliche Verbesserungspotenziale.

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Tausende Krebsfälle bleiben wegen Corona unentdeckt

Brustkrebs-Patientinnen besonders stark betroffen

Die Grafik zeigt, dass 2020 weniger Krebsoperationen infolge der Pandemie stattgefunden haben.

Berlin, 3. Mai 2021 – Aufgrund der Corona-Pandemie werden tausende Krebserkrankungen in Deutschland zu spät oder gar nicht entdeckt. Zu diesem Schluss kommt eine Analyse der Barmer, die die Anzahl größerer Operationen bei neun häufigen Krebserkrankungen während der Corona-Pandemie mit den passenden Zeiträumen aus den Vorjahren verglichen hat. So lag die Zahl der Eingriffe von April bis Juni vergangenen Jahres 16,7 Prozent unter denen der Vergleichszeiträume der Jahre 2017 bis 2019. Bei Brustkrebs, Mast- und Dickdarmkrebs betrug das Minus sogar mehr als 20 Prozent. In der ersten Corona-Welle dürften damit etwa 2.600 Krebserkrankungen unentdeckt geblieben sein, darunter fast 1.600 Brustkrebsfälle. „Dass viele Patientinnen und Patienten Vorsorgeuntersuchungen meiden und damit Krankheiten später erkannt werden, ist eine weitere gravierende Folge der Corona-Pandemie. Das ist bei Krebs umso dramatischer, weil er im Frühstadium am besten therapierbar ist. Deshalb ist es immens wichtig, dass die gängigen Krebsvorsorgeuntersuchungen wahrgenommen werden“, sagt Prof.  Dr. Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der Barmer. Die Pandemie solle niemanden von Früherkennungsuntersuchungen abhalten, denn in Arztpraxen würden strenge Hygiene-Regeln gelten.

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foodwatch zu 10 Jahren EHEC

„Der Skandal wurde weder aufgeklärt noch wurden die Schwachstellen in der Lebensmittelüberwachung behoben“

Blick ins Krankenzimmer im Loretto-Krankenhaus in Freiburg, Mai/Juni 2011
Foto privat
In einem solchen Zimmer die Quarantäne verbringen zu müssen, war schon eine Herausforderung.
Blick ins Krankenzimmer im Loretto-Krankenhaus in Freiburg, Mai/Juni 2011
Foto: privat
So sah es damals 2011 in meinem Krankezimer im LorettoKrankenhaus aus.

Berlin, 7. Mai 2021. Durch den EHEC-Ausbruch vor zehn Jahren erkrankten im Frühsommer 2011 mehr als 3.800 Menschen zum Teil schwer. 53 Menschen starben, weil sie sich mit dem besonders aggressiven Stamm O104:H4 des Darmbakteriums E. coli infiziert hatten. Dazu erklärt Andreas Winkler von der Verbraucherorganisation foodwatch: 

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FFP2-Masken im Test

3M schützt am besten

Die Stiftung Warentest hat aktuell zehn FFP2-Masken getestet. Die Filterwirkung war bei allen hoch. Allerdings schützten nicht alle Modelle gleich gut: Sie lagen teilweise nicht dicht genug am Gesicht an und ließen so Aerosole durch. Bei drei Masken bemängelten die Tester den geringen Atemkomfort, durch sie bekommt man vergleichsweise schlecht Luft. Rundum empfehlenswert ist die Maske von 3M.

Die 3M-Maske erfüllt als einzige ohne Einschränkung die wichtigsten Testkriterien: Sie sitzt gut, ist dicht und ermöglicht komfortables Atmen. Sechs Masken sind nur eingeschränkt empfehlenswert. Sie lassen sich nicht gut an unterschiedliche Gesichtsformen anpassen, liegen deshalb oft nicht dicht an und mindern so die Schutzwirkung.

Um einen bestmöglichen Schutz zu gewährleisten, müssen Nutzerinnen und Nutzer bei ihnen unbedingt auf einen korrekten Sitz achten. Ein Anzeichen dafür, dass die Maske kein Leck hat: Beim Ausatmen bläht sie sich auf, beim Einatmen zieht sie sich zusammen. Passt die Maske nicht, sollte man besser ein anderes Modell kaufen.

Die Masken von Rossmann Altapharma, Hygisun und dm Mivolis sind wenig geeignet, weil sie zu sehr beim Atmen behindern.

Der Test FFP2-Masken ist kostenfrei online unter www.test.de/masken abrufbar.

Maskenpflicht in Freiburger Innenstadt ab Samstag angepasst

In Fußgängerzonen, auf Wochenmärkten, bei Veranstaltungen und Versammlungen in geschlossenen Räumen bleibt Mund- Nasen-Bedeckung vorgeschrieben

Von heute Mitternacht an besteht keine generelle Maskenpflicht mehr in der Freiburger Innenstadt. Die bisherige Allgemeinverfügung war bis zum heutigen Tag befristet. Sie regelte eine generelle Pflicht zum Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen in der Freiburger Fußgängerzone und bei Veranstaltungen.

Wie bei allen Corona-Maßnahmen gilt auch hier, dass bei der Verlängerung die jeweils aktuelle Situation zu berücksichtigen ist. In Freiburg ist die 7-Tage-Inzidenz im Vergleich zum Dezember und zum Januar deutlich zurückgegangen. Hinzu kommt, dass in Fußgängerzonen bereits nach der baden-württembergischen Corona-Verordnung eine Mund-Nasen-Bedeckung getragen werden muss, außer wenn ein Abstand von 1,5 Meter zu weiteren Personen sicher eingehalten werden kann. Auch auf Wochenmärkten gilt nach der Corona-Verordnung des Landes eine generelle Maskenpflicht.

Angesichts der momentanen Inzidenz ist eine kommunale Regelung, die über die erwähnte landesrechtliche Maskenpflicht in Fußgängerzonen hinausgeht, für effektiven Infektionsschutz derzeit nicht erforderlich. Deshalb verlängert die Stadt Freiburg die generelle Mund-Nasen-Bedeckungspflicht in der Fußgängerzone vorerst nicht.

Die Stadtverwaltung rät dennoch eindringlich, weiterhin durchweg eine Mund-Nasen-Bedeckung in der Freiburger Fußgängerzone zu tragen. Neben einem ausreichenden Abstand ist die Mund-Nasen- Bedeckung derzeit immer noch der wirksamste Infektionsschutz.

Anders sieht es bei Versammlungen in geschlossenen Räumen und bei Veranstaltungen aus: Hier besteht immer noch ein erhöhtes Ansteckungsrisiko, weil in diesen Fällen zum einen Menschen häufig für längere Zeit auf engem Raum zusammenkommen und zum anderen in geschlossenen Räumen eine ausreichende Belüftung oft nicht durchweg gewährleistet ist.

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Das Kino im Kopf

Über den Sinn und Zweck des Träumens streitet die Wissenschaft

Warum wir träumen? Fest steht jedenfalls, dass der Mensch seelisch und körperlich krank wird, wenn man ihn am Träumen hindert. 
Regensburg (obx-medizindirekt) – Jeder tut“s. Auch wenn viele Leute behaupten, sie träumen nie. Sie wissen nur nicht, dass sie träumen, weil sie sich nicht daran erinnern können. Jeder träumt drei- bis viermal pro Nacht, insgesamt ungefähr zwei Stunden lang. Frauen anders als Männer und Kinder anders als Greise. So viel steht fest. Was bis heute aber nicht wissenschaftlich genau geklärt ist: Welchen Sinn und Zweck für den Menschen das Träumen hat. 

Das Foto zeigt eine Frau, die im Bett liegt und schläft.
Foto: obx-medizindirekt
Foto: obx-medizindirek

Die Forscher vertreten da unterschiedliche Standpunkte. „Es ist vollkommen sinnlos“, sagen die einen. „Wir brauchen den Traum, um unsere täglichen Erlebnisse zu verarbeiten“, behaupten die anderen. „Wir träumen, um zu vergessen und unser Gedächtnis gewissermaßen auszumisten – eine Art Selbstreinigungsmechanismus des Gehirns“, sagen die dritten. Und die Vierten: „Wir brauchen Träume, um besser lernen zu können.“ Vermutlich haben alle recht. Es gibt übrigens noch weitere mögliche Funktionen des Traums. Schlaf und Traum sind erforderlich für die Gehirnreifung, Neugeborene haben besonders häufig Traumphasen.

Traumphasen…
• ordnen das Gedächtnis
• dienen dazu, durch Verarbeitung von Erlebnissen die Individualität des Menschen aufrecht zu erhalten
• füttern das Unterbewusstsein mit Impulsen aus dem Alltag
• können Gefühle und Stimmungen, auch Kränkungen und Blamagen verarbeiten helfen
• sind unverzichtbar für das geistige und seelische Entspannen
• unterstützen den Menschen bei der Lösung von Alltagsproblemen.

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Damit die FFP2-Maske wirkt

Tipps für das richtige Tragen und Wiederverwenden

Das Foto zeigt eine FFP2 Maske
FFP2-Maske auf weißem Hintergrund

Laut aktuellem Bund-Länder-Beschluss sind Alltagsmasken deutschlandweit im Nahverkehr und beim Einkaufen nicht mehr zugelassen. Hier sind künftig sogenannte OP-Masken oder Mund-Nase-Bedeckungen der Standards KN95/N95 oder FFP2 Pflicht. Bayern erlaubt bereits seit Montag in den Geschäften und den öffentlichen Verkehrsmitteln ausschließlich FFP2-Masken. Dr. Wolfgang Reuter, Gesundheitsexperte der DKV, erklärt den Unterschied zu Alltagsmasken und worauf Verbraucher beim Tragen von FFP2-Masken besonders achten sollten. Er hat außerdem Tipps für deren Wiederverwendung.

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Vortragsreihe: Corona-Krise und psychische Gesundheit

Die gemeinsame Vortragsreihe „Corona-Krise und psychische Gesundheit“ des Universitätsklinikums Freiburg und des Freiburger Bündnisses gegen Depression e.V. startet am 25. Januar 2021

Flyer als Foto eingefügt

Auch Menschen, die selbst nicht an COVID-19 erkranken, sind während der Corona-Pandemie einer Vielzahl von Stressoren ausgesetzt: Ansteckungsängste, strenge Kontaktbeschränkungen, Quarantäne, Lockdown, Schulen-, Geschäfts- und Betriebsschließungen. Doch welche Auswirkungen haben die Pandemie und die notwendigen Gegenmaßnahmen auf die psychische Gesundheit? Und welche gesellschaftlichen und individuellen Schutzmaßnahmen gegen Pandemie-bedingte psychische Belastungen können helfen? Damit beschäftigt sich die Veranstaltungsreihe „Corona-Krise und psychische Gesundheit“ der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Freiburg in Zusammenarbeit mit dem Freiburger Bündnis gegen Depression e.V. an fünf Vortragsabenden.

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Neuer Wirkstoff hemmt das Wachstum von Krebszellen

Die Hemmung der Genaktivität in Mitochondrien von Mäusen stoppt das Wachstum von Krebszellen

Schematische Darstellung des POLRMT-Inhibitor-Komplexes.
© Hauke S. Hillen
Schematische Darstellung des POLRMT-Inhibitor-Komplexes. © Hauke S. Hillen

Ein neu entwickelter Wirkstoff hungert Krebszellen aus, indem er das Ablesen der genetischen Information der Mitochondrien verhindert. Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen des Max-Planck-Instituts für Biologie des Alterns, des Stockholmer Karolinska Instituts und der Universität Göteborg berichten in einer Studie, dass die chemische Verbindung auch Potential für die Krebstherapie bei Menschen haben könnte.

Mitochondrien versorgen unsere Zellen mit Energie und Bausteinen, die für die normale Funktion von Geweben und Organen unerlässlich sind. Lange Zeit ging man allerdings davon aus, dass das Wachstum von Krebszellen weniger stark vom Beitrag der Mitochondrien abhängt. Diese seit langem bestehende Lehrmeinung wurde jedoch in den letzten Jahren zunehmend in Frage gestellt. Besonders Krebsstammzellen sind in hohem Maße vom mitochondrialen Stoffwechsel abhängig. Aufgrund der zentralen Rolle der Mitochondrien für die normale Gewebefunktion und weil Medikamente, die auf die Mitochondrienfunktionen abzielen, normalerweise sehr toxisch sind, hat es sich bisher als schwierig erwiesen, Mitochondrien im Rahmen der Krebsbehandlung gezielt anzugreifen.

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Analyse zu Notfällen in der ersten Lockdown‐Phase: Mehr Todesfälle bei Schlaganfall‐Patienten

Qualitätsmonitor 2020: Keine Hinweise auf verminderte Qualität der stationären Notfallbehandlung im Frühjahr

Bereits im Juni hatte das WIdO über alarmierende Rückgange von Herzinfarkt‐ und Schlaganfall‐Patienten während der ersten Lockdown‐Phase berichtet. Die aktuellen Auswertungen bestätigen nun: Im Frühjahr 2020 ist insbesondere die Zahl von Notfall‐Patienten mit leichten oder unspezifischen Symptomen zurückgegangen. So wurden wegen einer transitorisch ischämischen Attacke (TIA), bei der es für höchstens 24 Stunden zu Schlaganfall‐Symptomen kommt, 35 Prozent weniger Patienten behandelt als im Vorjahr. Demgegenüber gingen die Behandlungen schwerer, durch Hirninfarkt oder Hirnblutung ausgelöster Schlaganfälle im gleichen Zeitraum um 15 Prozent zurück

Besonders starker Fallzahl‐Rückgang bei Notfällen mit leichteren Symptomen

Ein ähnliches Bild zeigt sich beim Herzinfarkt. Die Zahl der Behandlungen von schweren Herzinfarkten mit komplettem Verschluss eines großen Herzkranzgefäßes und charakteristischen EKG‐Veränderungen (STEMI) ist im Vergleich zum entsprechenden Vorjahreszeitraum um 24 Prozent zurückgegangen. Stärker ausgeprägt war der Rückgang mit minus 29 Prozent bei sogenannten NSTEMI, also leichteren Herzinfarkten, bei denen die Gefäße oft nicht komplett verschlossen sind und die damit geringere Schäden am Herzen verursachen. Dazu Jürgen Klauber: „Die Angst vor einer Covid‐19‐Infektion könnte gerade Patienten mit leichteren Beschwerden davon abgehalten haben, sich ins Krankenhaus zu begeben. Diese Sorge muss den Patienten genommen werden, denn bei der Behandlung von Herzinfarkt und Schlaganfall zählt wirklich jede Minute.“

Die Grafik zeigt den Rückgang stationärer Behandlungsfälle bei Schlaganfall und Herzinfarkt

Schlaganfall: mehr Komplikationen und höhere Sterblichkeit

Trotz der deutlichen Fallzahl‐Rückgänge stieg die Zahl der Patienten, die innerhalb von 30 Tagen nach einem

Hirninfarkt oder einer Hirnblutung verstarben, von 714 im Frühjahr 2019 auf 740 im Frühjahr 2020 (Abbildung 2). Dieser Anstieg ist nicht durch Covid‐19‐Patienten erklärbar, denn diese wurden bei der Betrachtung der Sterblichkeit nicht berücksichtigt. Besonders ins Auge fällt der Sterblichkeits‐Unterschied bei den Frauen über 80 Jahren: Während der ersten Lockdown‐Phase vom 16. März bis zum 5. April 2020 starben in dieser Altersgruppe 368 Frauen innerhalb von 30 Tagen, ein Jahr zuvor waren es im Vergleichszeitraum nur 327 Frauen. Der genauere Blick auf die Schlaganfall‐Behandlungen aus der ersten Lockdown‐Phase zeigt zudem: Die Patienten mit Hirninfarkt oder Hirnblutung, die in dieser Phase in den Kliniken ankamen, wiesen im Schnitt signifikant häufiger halbseitige Lähmungen sowie Sprechstörungen und Schluckbeschwerden auf. „In der aktuellen Situation kann man angesichts dieser Ergebnisse aus der ersten Infektionswelle nur an die Menschen appellieren: Wählen Sie den Notruf und lassen Sie sich im Krankenhaus behandeln, wenn Sie Symptome eines Herzinfarktes oder Schlaganfalls haben“, betont Klauber. „Die Gefahr einer Infektion im Krankenhaus ist sicher wesentlich geringer als die Folgen eines nicht oder zu spät behandelten Herzinfarktes oder Schlaganfalls.“

Zügigere Interventionen und kürzere Verweildauern

Ein weiteres zentrales Ergebnis der Analyse für den Qualitätsmonitor: Die Notfallversorgung im Krankenhaus hat in der Frühphase der Pandemie unverändert funktioniert und die Behandlungsprozesse in der Klinik liefen zum Teil schneller. Wichtige – und zeitkritische – Behandlungen zur Wiedereröffnung verschlossener Blutgefäße fanden im Frühjahr 2020 bei einem höheren Anteil von Herzinfarkt‐ und Hirninfarkt‐Patienten bereits am Tag der Klinikeinweisung statt (Abbildung 3). „Der Grund hierfür sind möglicherweise die besseren Anfahrts‐ und Transportbedingungen für den Rettungsdienst in der Lockdown‐Phase, aber auch die frei gewordenen Kapazitäten für solche dringlichen Eingriffe aufgrund der Absage vieler planbarer Operationen“, vermutet Klauber. Die durchschnittliche Liegedauer war sowohl bei Schlaganfällen als auch bei Herzinfarkten signifikant kürzer als 2019. „Insgesamt haben wir keine Hinweise auf eine verminderte Qualität der stationären Notfallbehandlung im Frühjahr gefunden, sondern im Gegenteil eher schnellere und glattere Prozesse“, betont Klauber. 

Notfälle landen zu oft in Kliniken mit mangelhafter Ausstattung

Auch während der Pandemie bestand allerdings weiter das Problem, dass Patienten in Kliniken ohne die von medizinischen Fachgesellschaften empfohlene Ausstattung zur Behandlung von Schlaganfall und Herzinfarkt aufgenommen wurden. Insgesamt 13 Prozent der Patienten mit Hirninfarkt oder Hirnblutung wurden im Betrachtungszeitraum des Lockdowns in einer Klinik ohne eine spezielle Schlaganfallstation (Stroke Unit) versorgt. Im Jahr 2018 betraf dies 17 Prozent der Patienten, wie eine vertiefende Auswertung zur Behandlungsstruktur deutscher Kliniken im „Qualitätsmonitor 2020“ zeigt. Besonders ausgeprägt war das Problem im Viertel der Kliniken mit den wenigsten versorgten Patienten (unter 20 pro Jahr). 99 Prozent dieser Kliniken verfügten nicht über eine

Stroke Unit.  Ein ähnliches Bild zeigt sich für den Herzinfarkt. Während der ersten Pandemie‐Phase wurden sieben Prozent aller STEMI‐ und NSTEMI‐Patienten in Kliniken ohne Herzkatheterlabor behandelt, das für die Versorgung von akuten Herzinfarkten der Standard sein sollte. Die Analyse für das Jahr 2018 zeigt, dass zehn Prozent aller Herzinfarkte in Kliniken ohne Herzkatheterlabor versorgt wurden. Von dem Problem betroffen waren knapp

21.000 Herzinfarkt‐Patienten. Auch hier fehlten adäquate Strukturen zur Akutversorgung von Herzinfarkt‐Patienten insbesondere im Viertel der Kliniken mit den wenigsten Behandlungsfällen (unter 25 pro Jahr). Insgesamt 87 Prozent dieser Kliniken verfügten nicht über ein Herzkatheterlabor (Abbildung 4). „Die Ergebnisse bestätigen den Befund früherer Auswertungen“, so WIdO‐Geschäftsführer Jürgen Klauber. Sein Fazit: „Wir brauchen eine stärkere Konzentration der Notfallversorgung auf Kliniken mit entsprechender Ausstattung und Erfahrung. Dieses Problem besteht unabhängig von der Covid‐19‐Pandemie weiter.“

Klinikliste mit Qualitätskennzahlen zu drei Notfall‐Behandlungen

Die aktuelle Ausgabe des Qualitätsmonitors vom Wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO), der Initiative Qualitätsmedizin (IQM) und dem Verein Gesundheitsstadt Berlin liefert für die drei Notfall‐Indikationen Herzinfarkt, Schlaganfall und Hüftfrakturen detaillierte Daten zu Fallzahlen und Qualitätskennzahlen der deutschen Krankenhäuser. In einer Klinikliste werden die Ergebnisse von insgesamt 1.576 Krankenhäusern bundesweit dargestellt, in denen 2018 eine dieser Behandlungen dokumentiert worden ist. Außerdem beleuchtet der Sammelband weitere Aspekte des Schwerpunkt‐Themas „Notfallversorgung“. Unter anderem geht es im Qualitätsmonitor um die Defizite bei der Digitalisierung der Notfallversorgung in Deutschland. Einheitliche Systeme zur digitalen Unterstützung des Rettungsdienstes wie das Programm IVENA (Interdisziplinärer Versorgungsnachweis), das bisher in 75 der über 200 Leitstellen zur Zuweisung in rund 500 Kliniken implementiert ist, können die medizinische Versorgung aus Sicht der Autoren nachhaltig verbessern.

Mehr Informationen zum „Qualitätsmonitor 2020“ und Link zum E‐Book: https://wido.de/publikationen‐produkte/buchreihen/qualitaetsmonitor/2020/