Archiv der Kategorie: Wissenschaft

WHS Science & Industry Circle gegründet

Fraunhofer-Gesellschaft, German Healthcare Partnership und World Health Summit gründen „WHS Science & Industry Circle“ für eine kontinuierliche Verbesserung der weltweiten Gesundheitsversorgung

Mit dem „WHS Science & Industry Circle“ wollen Fraunhofer-Gesellschaft, German Healthcare Partnership (GHP) und der World Health Summit (WHS) den Austausch zwischen Wissenschaft und Wirtschaft im internationalen Kontext stärken und die Rahmenbedingungen für innovative Produktentwicklungen verbessern.

„Mit dem WHS Science & Industry Circle haben wir eine zukunftsweisende Partnerschaft gegründet,“ erklärt Prof. Dr. Detlev Ganten, Präsident des World Health Summit. „Um die Gesundheit weltweit zu verbessern, müssen Wissenschaft und Wirtschaft gemeinsam mit Politik und Zivilgesellschaft eng zusammenarbeiten. Nur im intensiven Austausch können innovative Produkte und Behandlungen entstehen um die Prävention, Diagnostik und Therapie zu verbessern. Diese Kooperation ist in Deutschland traditionell gut. Um in Zukunft noch mehr zu erreichen, haben wir den WHS Science & Industry Circle gegründet. Mit der Fraunhofer-Gesellschaft und der German Healthcare Partnership stehen uns starke Partner zur Seite.“

„Der WHS Science & Industry Circle bildet eine neue Brücke zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, die von Beginn an auf den starken Säulen der direkten Anbindung an den World Health Summit, der anwendungsnahen Forschung in der Fraunhofer-Gesellschaft und der internationalen Ausrichtung der German Healthcare Partnership steht,“ fügt Roland Göhde, Vorstandsvorsitzender der GHP, hinzu. „Über die Einbindung weiterer Akteure sollen wichtige Chancen- und Zukunftsfelder der Gesundheitsindustrie gemeinsam entwickelt und zur kontinuierlichen Verbesserung der Gesundheitsversorgung genutzt werden.“

„Uns geht es darum, neue medizintechnische Forschungen und Entwicklungen schnell und qualitätsgesichert marktfähig zu machen,“ sagt Horst Hahn, Leiter des Fraunhofer-Instituts für bildgestützte Medizin in Bremen. „Diese neue Partnerschaft bietet eine hervorragende Plattform, um die entstehenden Potentiale auszuschöpfen und weltweit zur Geltung zu bringen. Computergestützte Medizin schafft dabei die Voraussetzung, beispielsweise mit web- und cloudbasierten Werkzeugen, bezahlbare moderne Diagnostik auch in Ländern mit einer bislang unzureichenden Gesundheitsversorgung zu ermöglichen.“

Im Rahmen des World Health Summit (11.-13 Oktober 2015 im Auswärtigen Amt) wird am Sonntag den 11. Oktober ein gemeinsamer Workshop zu vier zentralen Themen des WHS Science & Industry Circle stattfinden:

Translation: Science – Technology – Products
High-Tech, Low-Complexity, Cost-Effective Medical Technologies & Diagnostics
Digital Health
Systemic Strategies for Sustainable Strengthening of Health Systems

Die German Healthcare Partnership (GHP) dient der deutschen, international orientieren Gesundheitswirtschaft als Sprachrohr und Interessenvertreter. Sie wird in ihrer inhaltlichen Arbeit von vier Bundesministerien unterstützt. Die in dieser Initiative des Bundesverbands der Deutschen Industrie e.V. (BDI) zusammengeschlossenen Unternehmen decken weite Teile der Wertschöpfungskette ab und repräsentieren insgesamt ca. 900.000 Mitarbeiter und einen Umsatz von >130 Mrd. Euro.
www.germanhealthcarepartnership.de

Die Fraunhofer-Gesellschaft ist die führende Organisation für angewandte Forschung in Europa. Sie wurde 1949 gegründet und beschäftigt knapp 24.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Im Mittelpunkt der Forschung stehen die Bedürfnisse des Menschen hinsichtlich Gesundheit, Sicherheit, Kommunikation, Mobilität, Energie und Umwelt.
www.fraunhofer.de

Der World Health Summit gilt als international bedeutendstes strategisches Forum für globale Gesundheitsfragen. Er steht unter der Schirmherrschaft von Bundeskanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Staatspräsident François Hollande und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Er bringt jedes Jahr rund 1.300 Teilnehmer aus rund 90 Ländern nach Berlin, darunter internationale Politiker, CEOs, Vertreter von internationalen NGOs und zahlreiche international renommierte Wissenschaftler.
www.worldhealthsummit.org
www.worldhealthsummit.org

Brustkrebs-Diagnostik: Neue Methode weist Tumor über Urin nach

Test erkennt veränderten Zell-Stoffwechsel

Pilotstudie bringt über 90 Prozent Prognosesicherheit

 Mit Hilfe so genannter Microarrays können Wissenschaftler die Konzentration von Hunderten Molekülen, in diesem Fall von Mikro-RNA, gleichzeitig bestimmen. Jeder Punkt steht hierbei für ein Molekül, die Farbintensität wird durch die Konzentration bestimmt.   Bildrechte: Universitätsklinikum Freiburg

Mit Hilfe so genannter Microarrays können Wissenschaftler die Konzentration von Hunderten Molekülen, in diesem Fall von Mikro-RNA, gleichzeitig bestimmen. Jeder Punkt steht hierbei für ein Molekül, die Farbintensität wird durch die Konzentration bestimmt.
Bildrechte: Universitätsklinikum Freiburg

Forscherinnen und Forscher der Klinik für  Frauenheilkunde des Universitätsklinikums Freiburg haben einen Ansatz entwickelt, Brustkrebs anhand von Urinproben nachzuweisen. Dafür ermittelten sie die Konzentration von Molekülen, die den Zell-Stoffwechsel steuern und in Krebszellen oft fehlreguliert sind. Diese als Mikro-RNA bezeichneten Moleküle gelangen über das Blut auch in den Urin. Anhand der Mikro-RNA- Zusammensetzung im Urin konnten die Wissenschaftler mit einer Sicherheit von 91 Prozent feststellen, ob eine Probandin gesund oder krank war. Für die Messung genügte die Bestimmung von nur vier Mikro-RNAs. Sollte sich das Verfahren in weiteren Studien bestätigen, könnte es künftig zur Kontrolle des Behandlungserfolgs und möglicherweise auch in der Früherkennung von Brustkrebs eingesetzt werden. Die Freiburger Wissenschaftler haben die Ergebnisse in der Fachzeitschrift BMC Cancer veröffentlicht und die Methode als Patent angemeldet.

Jede achte Frau in Deutschland erkrankt an Brustkrebs, der häufigsten Tumorart bei Frauen. Mehr als 17.000 Frauen sterben jährlich daran. Bislang wird die Erkrankung meist durch Mammografie oder Ultraschall festgestellt und mit einer Gewebeentnahme gesichert. Doch Strahlenbelastung, falsch-positive Befunde und die Belastung durch einen invasiven Eingriff bringen die Methoden immer wieder in die Kritik.

Experimenteller Test bringt bereits hohe Sicherheit

Prof. Dr. Elmar Stickeler, Ärztlicher Leiter der Senologie, Klinik für Frauenheilkunde und Leiter des Brustzentrums des Universitätsklinikums Freiburg, hat nun mit seinem Team einen Urin-Test entwickelt, mit dem der Tumor aufgrund des veränderten Stoffwechsels nachgewiesen werden kann. Die Forscher maßen die Konzentrationen von neun Mikro-RNAs im Urin, kurzen Erbgut-Abschriften, die den Zell-Stoffwechsel steuern. Vier der neun Moleküle wiesen zwischen Gesunden und Erkrankten deutliche Konzentrationsunterschiede auf.

„Wir konnten erstmals zeigen, dass bei Brustkrebs das Mikro-RNA-Profil im Urin charakteristisch verändert ist“, sagt Prof. Stickeler. „Mikro-RNAs dürften sich also grundsätzlich für einen Brustkrebs-Test eignen.“ Anhand des Mikro-RNA-Profils konnten die Forscher wiederum mit einer Sicherheit von 91 Prozent darauf schließen, ob eine Probandin gesund oder krank war. „Die Diagnose-Sicherheit unserer Methode war damit  sehr hoch“, sagt Prof. Stickeler.

Die Studie umfasste 24 gesunde Probandinnen und 24 Frauen, bei denen kürzlich ein Brusttumor diagnostiziert worden war. Die Patientinnen befanden sich in den Tumorstadien 1, 2 oder 3. In weiteren Untersuchungen muss die Methode nun mit größeren Patientengruppen bestätigt werden.

Methode bereits als Patent angemeldet

Das Verfahren wurde von den Wissenschaftlern bereits als Patent angemeldet. „Der große Vorteil unserer Methode ist, dass wir nur ein paar Milliliter Urin benötigen und kein Blut oder gar Gewebe“, sagt Prof. Stickeler. Das macht das Diagnose-Verfahren sehr attraktiv für kontinuierliche Messungen, etwa zur Kontrolle des Therapieerfolgs.  „Unser Verfahren könnte dazu führen, dass mehr Frauen eine solche Untersuchung wahrnehmen und so Brustkrebs früher erkannt wird“, so Prof. Stickeler weiter. Das hätte enorme Vorteile: „Je früher der Brustkrebs erkannt wird, desto besser können wir ihn behandeln. Frühzeitig festgestellt ist er heute in den meisten Fällen heilbar“, sagt Prof. Stickeler.

Nach einer Diagnose wird das bösartige Gewebe in der Regel operativ entfernt. Anders als früher können die Ärzte mittlerweile meist die Brust erhalten. An die Operation schließt oft eine Chemo-, Antihormon- oder Antikörpertherapie an. Bei inoperablen Tumoren kann eine Hochpräzisionsbestrahlung in Erwägung gezogen werden.

Original-Titel der Arbeit: Feasibility of urinary microRNA detection in breast cancer patients and its potential as an innovative non-invasive biomarker.

DOI: 10.1186/s12885-015-1190-4

Dies scheint wirklich ein enormer Fortschritt in der Brustkrebsdiagnose zu sein. Bleibt zu hoffen, dass sich die Ergebnisse mit einer größeren Anzahl von Probandinnen bestätigen werden.

Lebendige Knochen aus dem 3D-Drucker

Freiburger Wissenschaftler wollen Gewebe mit eingebauten Blutgefäßen drucken / Förderung durch Deutsche Forschungsgemeinschaft

Knochen mit eigenen Blutgefäßen könnten künftig mit dem 3D-D3D-Knochenmodellrucker hergestellt werden. Freiburger Wissenschaftler entwickeln jetzt ein Druck-Verfahren, das aus Zellen von Knochen und Blutgefäßen funktionsfähige Knochen erzeugt. Die Gefäßzellen sollen die Durchblutung des Gewebes verbessern, indem sie eine Verbindung zum Blutkreislauf des Patienten herstellen. Für die Entwicklung dieser 3D-Druck-Methode erhalten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine dreijährige Förderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) in Höhe von 460.000 Euro. Sollte sich das Verfahren bewähren, könnten damit auch größere Kunstgewebe gedruckt werden, bis hin zu ganzen Organen. Klinische Bedeutung dürften 3D-Zelldrucker nach Ansicht der Wissenschaftler in fünf bis sieben Jahren erlangen.

Gezielte Blutversorgung für künstliches Gewebe  

„Bei der Entwicklung von künstlichem Knochengewebe ist die Frage der Blutversorgung noch immer weitgehend ungelöst. Dadurch ist sowohl die Größe als auch der Typ des Gewebes stark beschränkt“, sagt Prof. Dr. Günter Finkenzeller, Forschungs-Sektionsleiter an der Klinik für Plastische und Handchirurgie des Universitätsklinikums Freiburg. Er leitet das Projekt gemeinsam mit Dr. Peter Koltay, leitender wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Mikrosystemtechnik (IMTEK) der Universität Freiburg. Bekannt ist, dass sich die Blutversorgung eines künstlich erzeugten Gewebes durch sogenannte Endothelzellen verbessern lässt. Diese Zellen kleiden die Gefäße aus und können auch selbst neue bilden. Doch bisher stirbt ein Großteil der Knochenzellen aufgrund von Sauerstoffmangel, bevor die Zellen Gefäße gebildet haben. „Unser Ansatz sieht vor, dass wir die Endothelzellen genauso wie die Knochenzellen per 3D-Druck im Gewebe an die Stelle platzieren, wo sich die Gefäße ausbilden sollen“, sagt Prof. Finkenzeller. „Die Gefäße des künstlichen Gewebes könnten dann zeitnah nach der Operation mit den Gefäßen des umgebenden gesunden Gewebes zusammenwachsen und so die Blutversorgung des Kunstgewebes sicherstellen“, erläutert der Wissenschaftler weiter.

Mit Spezialdruckern ist es bereits heute möglich, kleine und relativ einfach strukturierte Gewebeeinheiten zu drucken. Dafür werden dem Körper Zellen entnommen, in einer Nährlösung vermehrt und mit einem 3D-Drucker in eine Trägermatrix eingebracht. Diese wird dann implantiert. „Der 3D-Druck von lebendigem Hautgewebe könnte in fünf bis sieben Jahren klinisch Bedeutung erhalten“, sagt Prof. Finkenzeller. „Bei der Herstellung und Implantation von Knochengewebe wird es allerdings länger dauern, da dafür noch zentrale Fragen der Gewebe-Abstoßungs-Reaktion geklärt werden müssen.“

„Das Forschungsprojekt könnte erheblich zum Fortschritt der Forschung und Technologie im Bereich der Gewebeersatzforschung und des Tissue Engineering beitragen“, sagt Dr. Koltay. In einem ersten Schritt wird ein spezieller „BioPrinter“ gebaut. „Wir können schon heute Zellen lebend und schonend  gezielt drucken“, sagt Dr. Koltay. „Jetzt müssen wir das Verfahren so anpassen, dass damit Knochenzellen und Blutgefäßzellen verarbeitet werden können und diese einen funktionsfähigen Gewebeverband bilden.“ In einem späteren Schritt erfolgt dann die Überprüfung der Methode anhand chirurgischer Modelle.

Es lassen sich schon geringe Mengen an Drogen nachweisen

Drogen in Rinderzähnen nachgewiesen

Bildrechte: Neukamm/Universitätsklinikum Freiburg

Bildrechte: Neukamm/Universitätsklinikum Freiburg

Forscher des Universitätsklinikums Freiburg entwickeln einen Drogentest,
mit dem Rechtsmediziner und Archäologen Zahnmaterial von Toten untersuchen
können

Zähne sind oft das letzte Gewebe, das von einem Toten übrig bleibt. Bislang
gab es aber keine Möglichkeit, an ihnen einen Drogentest zu machen. Nun
haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Universitätsklinikums
Freiburg um Dr. Merja Neukamm und Prof. Dr. Volker Auwärter vom Instituts
für Rechtsmedizin gemeinsam mit Prof. Dr. Markus Altenburger von der Klinik
für Zahnerhaltungskunde und Parodontologie ein Verfahren entwickelt, mit
dem sie Morphin, Kokain, Ecstasy und fünf weitere Stoffe in Zähnen
nachweisen können. Die Methode, die sehr wenig Probenmaterial benötigt,
entwickelten sie an speziell präparierten Rinderzähnen. Erstes
archäologisches Human-Material wurde bereits erfolgreich analysiert.

Den Freiburger Forschern gelang es, Dentin, auch Zahnbein genannt, für die
Drogen-Analyse zu nutzen. „Es war lange unklar, ob Zahnsubstanz
grundsätzlich für den Nachweis von Drogen- oder Medikamentenkonsum genutzt
werden kann. Genau das bestätigt unsere Studie eindeutig“, sagt Prof.
Auwärter, Leiter der forensischen Toxikologie am Universitätsklinikum
Freiburg. „Außerdem eignet sich die Methode, um bereits geringste Mengen an
Drogen nachzuweisen.“ Die Forscher etablierten das Verfahren an Dentin von
Rinderzähnen, welches im Aufbau dem menschlichen Dentin weitgehend
entspricht, aber garantiert frei von Kontaminationen ist. Für die
Untersuchung auf Morphin, Codein, Ecstasy, MDEA, Amphetamin, Metamphetamin,
Kokain und ein Kokainabbauprodukt benötigten die Forscher gerade einmal
0,05 Gramm Zahnsubstanz.

Mit der neuen Methode steht nicht nur Rechtsmedizinern, sondern auch
Anthropologen und Archäologen ein neues Analysewerkzeug zur Verfügung. Denn
für sie ist der sparsame Umgang mit Probenmaterial von großer Bedeutung.
Darüber hinaus dürften Zähne als Untersuchungsmaterial noch weitere
Vorteile mit sich bringen. „Es ist durchaus möglich, dass in den Zähnen
eine Art toxikologischer Fingerabdruck über einen langen Lebenszeitraum
vorzufinden ist“, erklärt Prof. Auwärter.

In einer auf der Methode aufbauenden Studie untersuchten die
Wissenschaftler den Zahn eines Menschen aus der frühen Eisenzeit. „Wir
konnten in dem über 2000 Jahre alten Zahn Rückstände der Betelnuss
nachweisen“, freut sich Dr. Neukamm. Betelnuss wird seit Jahrtausenden als
Appetithemmer und Wachmacher im südostasiatischen Raum gekaut. Als nächstes
möchten die Wissenschaftler die Methode nun anhand menschlicher Zähne von
Verstorbenen weiter ausbauen und den Einfluss der Mundflora und den genauen
Einlagerungsmechanismus in die Zähne untersuchen.

Für ihre Untersuchung brachten die Forscher das Dentin von Rinderzähnen in
ein dem Mundraum ähnliches Milieu. „Um die Eintragswege der Drogen
möglichst naturgetreu nachzubilden, haben wir bei den Zähnen außerdem einen
leichten Kariesbefall simuliert“, erklärt Oberarzt Prof. Altenburger. Nach
neun Tagen Einwirkzeit untersuchten sie die Zahnteile mithilfe eines mit
einem Massenspektrometer gekoppelten Flüssigkeits-Chromatographen, einer
hochempfindlichen Methode, und konnten damit die Drogen nachweisen.

Titel der Original-Arbeit: Determination of drugs of abuse in bovine dentin
using liquid chromatography–electrospray ionization tandem mass
spectrometry

DOI: 10.1002/jms.3464

Riesen-Kraftwerk des Cholera-Erregers entschlüsselt

Wissenschaftlerteam des Universitätsklinikums Freiburg und der Universitäten Hohenheim und Konstanz publiziert im Fachmagazin Nature

Wie das Zell-Kraftwerk des gefährlichen Cholera-Erregers aufgebaut ist und
wie es funktioniert, haben jetzt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
der Universitäten Freiburg, Hohenheim und Konstanz  unter Leitung von  PD
Dr. Günter Fritz vom Institut für Neuropathologie des Universitätsklinikums
Freiburg herausgefunden.  Die Forscher konnten das Zell-Kraftwerk mithilfe
der Röntgenkristallographie bis auf die Größe einzelner Atome vermessen und
die Funktion aller Einzelteile klären. Damit gehört der Komplex zu den
größten, die je detailliert beschrieben wurden. Die Forschungsergebnisse
erlauben erstmals, passgenaue Antibiotika zu entwickeln, die auch bei
anderen Erregern wirken dürften. Die Studie ist nun in der renommierten
Fachzeitschrift Nature erschienen.

Riesen-Kraftwerk unter der Lupe: Forscher der Universitäten Freiburg, Hohenheim und Konstanz entschlüsseln mit dem Kraftwerk des Cholera-Erregers einen der größten in der Zellhülle eigebetteten Proteinkomplexe überhaupt.

Riesen-Kraftwerk unter der Lupe: Forscher der
Universitäten Freiburg, Hohenheim und Konstanz entschlüsseln mit dem
Kraftwerk des Cholera-Erregers einen der größten in der Zellhülle
eigebetteten Proteinkomplexe überhaupt.

Bis zu 3,5 Millionen Menschen erkranken jährlich an Cholera. 100.000 bis
120.000 Menschen sterben daran. Auslöser der fatalen Erkrankung ist das
Bakterium Vibrio cholerae, das erstmals im Jahr 1854 beschrieben wurde. Der
Krankheitserreger verfügt über eine besondere Energiequelle, eine
Natriumionenbatterie, welche durch eine molekulare Natriumpumpe aufgeladen
wird. Diese Pumpe schleust Ionen aus dem Erreger heraus, so dass die
Konzentration innen niedriger ist als außen. Beim Wiedereintritt treiben
die Ionen Prozesse wie die Fortbewegung des Erregers an.

Den Aufbau dieser Pumpe hat das Forschungsteam jetzt bis auf die Ebene
einzelner Atome beschrieben. „Die Pumpe gehört zu den größten
Proteinkomplexen, die je in dieser Detailschärfe strukturell und
funktionell beschrieben werden konnten“, sagt Dr. Fritz, der für seine
Forschung mit dem angesehenen Heisenbergstipendium der Deutschen
Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützt wurde. „In den vergangenen
Jahrzehnten wurden über 100.000 Proteine strukturell beschrieben. Gerade
einmal 20 davon sind in ihrer Komplexität mit der Natriumpumpe
vergleichbar“, so Dr. Fritz weiter.

Diese Arbeiten bilden die Grundlage für die Erforschung neuer,
wirkungsvoller Antibiotika, die diese Natriumpumpe – die Achillessehne des
Cholara Erregers – hemmen. Solche Antibiotika wären wahrscheinlich nicht
allein nur gegen Vibrio cholerae wirksam, sondern auch gegen viele weitere
Erreger, etwa von Pest und Hirnhautentzündung, die ebenfalls auf diese
Natriumpumpe angewiesen sind.

Original-Titel der Arbeit: Structure of the V.cholerae Na+-pumping
NADH:quinone oxidoreductase. Autoren: Julia Steuber, Georg Vohl, Marco S.
Casutt, Thomas Vorburger, Kay Diederichs, Günter Fritz

Im Gehirn läuft nicht alles glatt

Freiburger Wissenschaftler entschlüsseln, welche Rolle Nanostrukturen bei der Funktion des Nervensystems spielen

Elektronenmikroskopie einer Nervenzelle im direkten Kontakt mit nanorauer Oberfläche. Quelle: Nils Blumenthal und Prasad Shastri

Elektronenmikroskopie einer Nervenzelle im direkten Kontakt mit nanorauer Oberfläche. Quelle: Nils Blumenthal und Prasad Shastri

Eine Ursache der Alzheimer-Krankheit sind Proteinablagerungen im Gehirn: Beta-Amyloid sammelt sich in so genannten Plaques an und sorgt dafür, dass Nervenzellen absterben. Bislang wussten Forscherinnen und Forscher wenig darüber, welche Rolle die Struktur des die Neuronen umgebenden Hirngewebes bei der Krankheit spielt. Wie beeinflussen Makromoleküle und makromolekulare Anordnungen, beispielsweise Mehrfachzucker, sowie Zellen aus dem Stützgerüst der Nervenzellen die Interaktion der Zellen im Gehirn? Prof. Dr. Prasad Shastri und der Doktorand Nils Blumenthal haben in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Bernd Heimrich und Prof. Dr. Ola Hermanson gezeigt: Die Beschaffenheit von Makromolekülen oder Stützgerüst-Zellen, zu denen Astrozyten gehören, spielt eine entscheidende Rolle bei der gesunden Interaktionen zwischen Hirnzellen im Hippocampus. Die Forschungsergebnisse hat das Team in der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences“ veröffentlicht.

Der Hippocampus gilt als das GPS-System des Gehirns: Er verarbeitet und speichert räumliche Informationen. Bei der Alzheimer-Krankheit bilden sich die Neuronen im Hippocampus zurück. Nehmen die umliegenden Moleküle oder Stützgerüst-Zellen eine zufällige, raue Struktur an, die Rüschen ähnelt, fördert und erhält dies die Kommunikation der Nervenzellen. „Lange nahmen Forscher an, dass nur biologische Signale die Gesundheit und die Funktion von Hirnzellen beeinflussen. Wir haben gezeigt, dass die Struktur der Moleküle, die diese Zellen umgeben, ebenso wichtig ist“, sagt Shastri.

Die Wissenschaftler fanden heraus, dass die Rauheit im Nanobereich innerhalb bestimmter Grenzen liegen muss. Gibt es mehr oder weniger der rauen Struktur, verändern sich die Nervenzellen so, dass sie ihre Funktion nicht mehr ausüben können. Shastris Team untersuchte menschliche Hirnzellen von Patientinnen und Patienten, die an Alzheimer erkrankt waren. Die Forscher entdeckten eine entscheidende Verbindung zwischen Regionen im Gehirn, in denen sich Beta-Amyloid angesammelt hatte, und unvorteilhaften Veränderungen in der Nanotopografie des Gewebes um die betroffenen Nervenzellen herum. Die Beschaffenheit der Oberfläche des Gewebes hatte sich verändert.

Das Team fand heraus, dass Astrozyten im Nanobereich eine physikalische Umgebung schaffen, die Nervenzellen brauchen, um gut zu funktionieren. Die Forscher setzten für ihre Experimente mit Neuronen synthetische Substrate mit unterschiedlicher Rauheit ein. „Unsere Entdeckung zeigt erstmals: Ionenkanäle, die auf Bewegungsreize reagieren, könnten Funktion und Erkrankung des zentralen Nervensystems beeinflussen. Die Ergebnisse deuten auf neue Angriffsziele für die Entwicklung von Medikamenten hin“, sagt Blumenthal. Moleküle, die ein mechanischer Reiz aktiviert, wie der Ionenkanal Piezo-1 in Hirnzellen von Mäusen, steuern das Zusammenspiel von Nanotopografie, Astrozyten und Nervenzellen. Frühere Forschungen haben gezeigt, dass MIB-1 – das Gegenstück von Piezo-1 in den Zellen des Menschen – in menschlichen Alzheimer-Patienten verändert ist.

Prasad Shastri forscht am Institut für Makromolekulare Chemie und am Exzellenzcluster BIOSS Centre for Biological Signalling Studies der Universität Freiburg. Der Doktorand Nils Blumenthal wird von BIOSS gefördert. Bernd Heimrich forscht am Institut für Anatomie und Zellbiologie der Albert-Ludwigs-Universität. Ola Hermanson arbeitet am Karolinska Institut der Universität Stockholm/Schweden.

Originalpublikation:
Nils Blumenthal, Ola Hermanson, Bernd Heimrich and V. Prasad Shastri. (2014) Stochastic Nanoroughness Modulates Neuron-Astrocyte Interactions and Function via Mechanosensing Cation Channels, Proc. Natl. Acad. Sci. USA. www.pnas.org/cgi/doi/10.1073/pnas.1412740111